Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

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Andreas
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#1221 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Andreas » Mo 12. Jun 2017, 01:22

Ich bin kein Philosoph, gebe mir aber Mühe fair zu argumentieren.
Thaddäus hat geschrieben:Also zunächst einmal denke ich nicht, dass meine Gene dafür verantwortlich sind, dass ich mir heute einen Espresso und keinen Cappuchino wie üblich im Cafe bestellt habe.
Strohmannargument. So habe ich nicht argumentiert. Ich schrieb:
Andreas hat geschrieben:Dass wir Diese oder Jene Entscheidung treffen können, ist eine Tatsache, die vom genetischen Code konstituiert ist, und hat Auswirkungen auf die umgebende Natur zur Folge.
Die Wahl zwischen Espresso oder Cappuchino steht dir frei - mit der Natur unverhandelbar ist und bleibt: trink oder stirb!
Die Wahl zwischen See A oder See B steht dem Seeadler frei - mit der Natur unverhandelbar ist und bleibt: friss oder stirb!

Und noch ein Strohmann in zweifacher Ausführung:
Thaddäus hat geschrieben: Deshalb ist eine Forderung, wie: "Zurück zur Natur" immer naiv. Sie übersieht, dass es für den Menschen kein "Zurück zur Natur" gibt, ohne dass er aufhörte, ein Mensch zu sein.
Beim ersten Mal hab ich diese Unterstellung, dass ich auf ein "Zurück zur Natur" hin argumentieren würde, noch wohlwollend ignoriert.
Thaddäus hat geschrieben:Es gibt für den Menschen kein einfaches "Zurück zur Natur", denn er ist von ihr durch den tiefen Graben seines Bewusstseins für immer und ewig getrennt.
Wie begründest du, dass das Bewusstsein ein tiefer Graben sei, welcher den Menschen von der Natur für immer und ewig trennen würde? Das ist wohlklingende Poesie - ermöglicht durch und im Rahmen von unserer natürlichen, biologischen und genetischen, Konstitution. Das scheint mir eher ein Argument dafür zu sein, dass Poesie ein Naturphänomen ist als ein Argument für den angeblich immer und ewig trennenden Graben.

Du wiederholst lediglich deine Behauptung, dass der Mensch von der Natur "unüberbrückbar" getrennt sei, ohne sie auch nur ansatzweise zu Begründen. Stattdessen baust du hier den Strohmann auf, dass ich wollen würde, dass der Mensch "zurück zur Natur" gehen solle. Ich begründe aber mit Argumenten genau das Gegenteil: der Mensch hat sich niemals von der Natur getrennt, oder könne dies jemals tun. Damit äußere ich einen berechtigten Zweifel an deiner und Plutos "unzweifelhaft" richtigen Aussage, dass sich die Natur nicht darum schere, was der Mensch setzen würde.

Wenn über Hiroshima eine Atombombe gezündet wird und augenblicklich Tausende Schmetterlinge, Katzen und Menschen den Tod finden, wenn Peter S. während er kommt Daniela G. ins Ohr haucht, dass er sie liebt und dabei ein Kind gezeugt wird - dann sind das alles Tatsachen in der Natur, hervorgebracht von der Natur und haben Konsequenzen in der Natur.

Ich fragte nach einer Begründung dafür, dass der Mensch von der Natur getrennt sei.
Thaddäus hat geschrieben:Der Seeadler lebt nicht nur in seiner Umwelt und damit IN der Natur, sondern er geht in ihr buchstäblich auf. Das soll heißen: er tritt niemals zurück von dieser Natur, stützt sich gedankenvoll den Flügel unter den Schnabel und denkt sich: "Mensch Seeadler, dass ist aber schön hier!"
Wenn ich irgendwo sitze und mir denke: "Mensch Andreas, das ist aber schön hier!" lebe ich in meiner Umwelt und damit IN der Natur und gehe buchstäblich in ihr auf - was immer dieses schon wieder poetische "buchstäbliche in etwas aufgehen" bedeuten mag.
Nebenbei bemerkt, wird selbst ein Seeadler in Europa schwerlich ein Stück vom Menschen unberührter Natur finden, aber jede Menge Kulturlandschaft in der er tatsächlich auch lebt. Das ist ein weiteres Argument dafür, dass die Unterscheidung von Kultur und Natur bzw. Mensch und Natur nicht den Tatsachen entspricht, denn der Mensch ist nicht das einzige Lebewesen, welches die Natur verändert. Das ist doch der Witz der Biosphäre dieses Planeten, dass die Tatsache ihrer Existenz und ihre Gestalt eine Folge der Aktivitäten aller je darin gelebt habenden und aktuell lebenden Lebewesen ist. Wie der Mensch aus der Biosphäre "zurücktreten" (wieder so eine mehr poetische als inhaltlich nachvollziehbare Formulierung) können sollte, gälte es ja von dir zu begründen.

Pluto
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#1222 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Pluto » Mo 12. Jun 2017, 09:06

Andreas hat geschrieben:So habe ich nicht argumentiert. Ich schrieb:
Andreas hat geschrieben:Dass wir Diese oder Jene Entscheidung treffen können, ist eine Tatsache, die vom genetischen Code konstituiert ist, und hat Auswirkungen auf die umgebende Natur zur Folge.
Die Wahl zwischen Espresso oder Cappuchino steht dir frei - mit der Natur unverhandelbar ist und bleibt: trink oder stirb!
Die Wahl zwischen See A oder See B steht dem Seeadler frei - mit der Natur unverhandelbar ist und bleibt: friss oder stirb!
Deine Ansicht ist das Gegenteil dessen was man als "unbeschriebenes Blatt" bezeichnet. Tatsächlich ist es so, dass Vieles in unseren Genen programmiert ist (Kein unbeschriebenes Blatt) und Vieles von Erfahrung und Erlebnissen im Leben geprägt wird. Wie das Verhältnis ist, wissen wir nicht; ein guter Wert ist aber wahrscheinlich 50/50.

Andreas hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es gibt für den Menschen kein einfaches "Zurück zur Natur", denn er ist von ihr durch den tiefen Graben seines Bewusstseins für immer und ewig getrennt.
Wie begründest du, dass das Bewusstsein ein tiefer Graben sei, welcher den Menschen von der Natur für immer und ewig trennen würde? Das ist wohlklingende Poesie - ermöglicht durch und im Rahmen von unserer natürlichen, biologischen und genetischen, Konstitution. Das scheint mir eher ein Argument dafür zu sein, dass Poesie ein Naturphänomen ist als ein Argument für den angeblich immer und ewig trennenden Graben.
In diesem Fall, gebe ich Thaddäus absolut recht. Wir Menschen sind Natur.

Andreas hat geschrieben:Du wiederholst lediglich deine Behauptung, dass der Mensch von der Natur "unüberbrückbar" getrennt sei, ohne sie auch nur ansatzweise zu Begründen. Stattdessen baust du hier den Strohmann auf, dass ich wollen würde, dass der Mensch "zurück zur Natur" gehen solle. Ich begründe aber mit Argumenten genau das Gegenteil: der Mensch hat sich niemals von der Natur getrennt, oder könne dies jemals tun.
Das ist richtig.
Ein Beispiel aus der Genetik:
Seit Jahrmilionen verändern sich die Gene auf natürliche Weise. Schon Darwin erkannte seinerzeit die Ähnlichkeit der Zucht mit der natürlichen Auslese. Heute kann der Mensch viel mehr: Er greift selbst in den Mutationsprozess ein, doch am Prozess selbst hat sich nichts verändert. Es bleibt derselbe natürliche Prozess, weshalb ich die ganze Aufregung wegen "künstlicher" Genmanipulation nicht verstehe. Der ganze Unsinn dieser Haltung zeigt sich in folgendem Witz:
  • Ein Kunde steht am Bio-Gemüsestand.
    "Sind da Gene drin", fragt er und zeigt auf die Strauchtomaten.
    "Ich hoffe doch", sagt die Marktfrau.
    Da geht der Mann weiter. Gen-Tomaten will er nicht.

Andreas hat geschrieben:Damit äußere ich einen berechtigten Zweifel an deiner und Plutos "unzweifelhaft" richtigen Aussage, dass sich die Natur nicht darum schere, was der Mensch setzen würde.
Kannst du anhand von Beispielen deinen Standpunkt erklären?

Andreas hat geschrieben:Nebenbei bemerkt, wird selbst ein Seeadler in Europa schwerlich ein Stück vom Menschen unberührter Natur finden, aber jede Menge Kulturlandschaft in der er tatsächlich auch lebt. Das ist ein weiteres Argument dafür, dass die Unterscheidung von Kultur und Natur bzw. Mensch und Natur nicht den Tatsachen entspricht, denn der Mensch ist nicht das einzige Lebewesen, welches die Natur verändert. Das ist doch der Witz der Biosphäre dieses Planeten, dass die Tatsache ihrer Existenz und ihre Gestalt eine Folge der Aktivitäten aller je darin gelebt habenden und aktuell lebenden Lebewesen ist. Wie der Mensch aus der Biosphäre "zurücktreten" (wieder so eine mehr poetische als inhaltlich nachvollziehbare Formulierung) können sollte, gälte es ja von dir zu begründen.
Tatsächlich beeinflusst der Mensch die Natur. Beispiel: Wir bauen Häuser, und schaffen damit unsere eigene Umwelt, in der wir uns wohl fühlen. Wir haben die Riesenelche und die Mammuts bis zur Ausrottung gejagt, nur um unsere Bäuche mit Fleisch zu füllen.

Diese Veränderung der Welt zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit: Überall wo der Mensch hinkommt hinterlässt er Spuren der Verwüstung. Dieser Vorgang geht heute weiter.

Bild
Illegale Raffinerie in Nigeria
[Quelle: ORF]

Vielleicht meinte Thaddäus, wir müssen unseren Lebensstil anpassen und mehr im Einklang mit der Natur leben, damit diese Ausbeutung ein Ende hat.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1223 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Thaddäus » Mo 12. Jun 2017, 19:45

Andreas hat geschrieben:Ich bin kein Philosoph, gebe mir aber Mühe fair zu argumentieren.
Warum musst du dir Mühe geben, fair zu argumentieren? Ich hatte bisher nicht den Eindruck, du (oder ich) würden unfair argumentieren.

Andreas hat geschrieben: Du wiederholst lediglich deine Behauptung, dass der Mensch von der Natur "unüberbrückbar" getrennt sei, ohne sie auch nur ansatzweise zu Begründen. Stattdessen baust du hier den Strohmann auf, dass ich wollen würde, dass der Mensch "zurück zur Natur" gehen solle. Ich begründe aber mit Argumenten genau das Gegenteil: der Mensch hat sich niemals von der Natur getrennt, oder könne dies jemals tun.
Es tut mir leid, wenn du den Eindruck hast, ich würde Strohmänner aufbauen. Das ist nicht meine Absicht. In der Tat habe ich dich so verstanden, als wolltest du - letztlich - auf ein Zurück zur Natur des Menschen hinaus. Ich dachte dies, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass du tatsächlich einfach nur meinen könntest, der Mensch habe sich niemals von der Natur getrennt. Und ich habe deshalb nicht damit gerechnet, weil mir diese Ansicht auf der einen Seite sehr banal vorkommt und auf der anderen Seite offenkundig falsch. Deshalb habe ich deine Ansicht von vornherein philosophisch zu einem "Zurück zur Natur" überhöht, da mir dies der viel anspuchsvollere Gedanke zu sein schien.

Banal kommt mir die Position, der Mensch habe sich von der Natur niemals getrennt deshalb vor, weil sie in einer sehr banalen Weise natürlich richtig ist. Insofern der Mensch einen Körper hat und evolutionär entstanden ist, verfügt er über einen Chomosomensatz, Gene und Hormone steuern seine Entwicklung und teilweise sein Verhalten, und er muss die Lebensfunktionen und die Gesundheit dieses Körpers aufrecht erhalten: er muss also trinken, essen, schlafen und Sex haben, sollte nicht zu viel Alkohol trinken, am besten nicht rauchen und ansonsten viel Vitamine zu sich nehmen. Tut er das Eine nicht und das Andere zuviel, stirbt er oder verkürzt zumindest sein Leben.
Das alles ist geschenkt!
Natürlich hat der Mensch sich in dieser körperlichen Hinsicht niemals von der Natur getrennt (er schwebt ja nicht als Geist über den Wassern). In meinen Augen ist das aber eine Banalität.

Selbstverständlich kann man aus der Tatsache, dass der Mensch ein körperliches Wesen ist, nicht gültig schlussfolgern, dass er NUR ein körperliches Wesen ist. Man darf korrekt lediglich schlussfolgern, dass er AUCH ein körperliches Wesen ist. Damit ist aber noch nichts wirklich Substanzielles darüber gesagt, wie sein Verhältnis zur "Natur" ist.

Offenkundig falsch kommt mir der Gedanke, der Mensch habe sich nie von der Natur getrennt, deshalb vor, weil er - und zwar ganz offensichtlich und unbestreitbar - ein Kultur schaffendes Wesen ist (und zwar in positiver wie negativer Hinsicht: die Atombombe oder Plutos illegale umweltverschmutzende Raffinerie sind nämlich ebenfalls - technische - Kulturprodukte). Kultur ist zwar nicht zwingend das Gegenteil von Natur, aber sie ist das Andere der Natur. Kultur ist gerade nicht Natur!
Manche Tiere schaffen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zwar ebenfalls einfache Werkzeuge oder bauen Nester, Waben, Ameisen- und Termitenhügel etc. Das ist aber alles nicht auch nur annähernd mit dem zu vergleichen, was Menschen an Kultur hervorzubringen in der Lage sind (in positiver wie negativer Hinsicht).

Wenn du schreibst ...
Du wiederholst lediglich deine Behauptung, dass der Mensch von der Natur "unüberbrückbar" getrennt sei, ohne sie auch nur ansatzweise zu begründen.
dann weise ich diesen Vorwurf zurück.
Ich habe schon versucht, dies zu begründen. Offenbar ist es mir aber nicht gelungen, mich so auszudrücken, dass du meine Begründung verstehen konntest.

Ich habe oben in einer Textpassage, die du als "poetisch" bezeichnet hast und das ist sie auch, versucht darzustellen, dass schon der prähistorische Mensch sich in einer Weise ganz anders verhalten hat, als alle Tiere, die man auf diesem Planeten ansonsten finden kann.
Dass er sich überhaupt dermaßen anders verhalten kann, hängt meiner Ansicht nach damit zusammen, dass nur der Mensch über besondere Reflexionsfähigkeit, Bewusstsein und Selbstbewusstsein verfügt. Sie lassen im Menschen das Gefühl und das Bewusstsein davon entstehen, dass die Natur um ihn herum etwas anderes ist, als er selbst es ist. Der Mensch hat eine natürliche Distanz zu der ihm umgebenden Umwelt und Natur. Nur der Mensch kann von der Natur sozusagen einen Schritt zurücktreten und sie betrachten wie etwas, das er selbst eben nicht ist. Dies ist der unüberbrückbare Graben, von dem ich spreche. Der Philosoph und Soziologe Helmuth Plessner (1892–1985) hat hierfür den etwas schwerfälligen Ausdruck "exzentrische Positionalität" kreiert. Es würde zu weit führen, den an dieser Stelle näher zu erläutern, aber er bedeutet im Kern, dass der Mensch gegenüber der Natur eine besondere Position einnimmt und er eben gerade nicht in dieser Natur aufgeht.

Oben hatte ich geschrieben, dass prähistorische Menschen z.B. Darstellungen von Jagdszenen an ihre Höhlenwände gemalt haben. Hieran kann man den Unterschied verdeutlichen:

Ein Rudel Wölfe jagd ganz einfach nur. Menschen jagen auch. Wölfe (oder andere jagende Tiere) sind bei ihrer Jagd aber ganz und gar bei sich und bei dem, was sie tun, nämlich eine Beute zu jagen. Sie beobachten sich dabei nicht selbst und reflektieren nicht darüber, was sie da eigentlich tun. Sie bemalen nach der Jagd keine Höhlenwände mit Jagdszenen.
Genau das tut aber der prähistorische Mensch. Und das bedeutet: diese menschlichen prähistorischen Jäger jagen nicht nur, sondern sie nehmen sich gleichzeitig als jagende Jäger wahr. Sie stehen - während sie jagen - sozusagen auch "neben sich", beobachten sich bei dem, was sie tun, reflektieren nach der Jagd darüber, was sie gemacht haben und bemalen dann ihre Wände mit Zeichnungen ihrer Jagd, um damit zu zeigen, dass diese Jagd für sie in besonderer Weise bedeutsam war und ist.

Deshalb schrieb ich, dass das menschliche Bewusstsein einen "unüberwindlichen Graben" auftut zwischen den Menschen und der Natur. Bei jagenden Wölfen findet sich kein solcher Graben.


Ich gehe auf deine übrigen Ausführungen hier nicht weiter ein. Nicht, weil ich sie nicht spannend finde, sondern weil mein Beitrag jetzt schon viel zu lang ist.

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Andreas
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#1224 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Andreas » Di 13. Jun 2017, 00:52

Thaddäus hat geschrieben:Oben hatte ich geschrieben, dass prähistorische Menschen z.B. Darstellungen von Jagdszenen an ihre Höhlenwände gemalt haben. Hieran kann man den Unterschied verdeutlichen:Ein Rudel Wölfe jagd ganz einfach nur. Menschen jagen auch. Wölfe (oder andere jagende Tiere) sind bei ihrer Jagd aber ganz und gar bei sich und bei dem, was sie tun, nämlich eine Beute zu jagen. Sie beobachten sich dabei nicht selbst und reflektieren nicht darüber, was sie da eigentlich tun. Sie bemalen nach der Jagd keine Höhlenwände mit Jagdszenen.Genau das tut aber der prähistorische Mensch. Und das bedeutet: diese menschlichen prähistorischen Jäger jagen nicht nur, sondern sie nehmen sich gleichzeitig als jagende Jäger wahr. Sie stehen - während sie jagen - sozusagen auch "neben sich", beobachten sich bei dem, was sie tun, reflektieren nach der Jagd darüber, was sie gemacht haben und bemalen dann ihre Wände mit Zeichnungen ihrer Jagd, um damit zu zeigen, dass diese Jagd für sie in besonderer Weise bedeutsam war und ist.
Das wiederum finde ich ehrlich gesagt nicht weniger banal. Die Fähigkeiten menschlichen Denkens stellt doch niemand in Frage. Ich hab mal ein wenig nach dem Pleissner und der Exzentrischen Positionalität recherchiert und vielleicht lese ich sogar mal sein Buch "Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie."
Thaddäus hat geschrieben:Deshalb schrieb ich, dass das menschliche Bewusstsein einen "unüberwindlichen Graben" auftut zwischen den Menschen und der Natur. Bei jagenden Wölfen findet sich kein solcher Graben.
Das kann man so deuten, aber ist es wahr? Wie sollten denn die Wölfe ihre Gedanken über die Jagd auf Höhlenwänden darstellen? Kennt jemand das subjektive Empfinden des Wolfes? Feinde können Tiere ziemlich gut differenzieren, und das nicht nur nach Arten. Dafür ist der Wolf ein gutes Beispiel, weil er zum "besten Freund" eines speziellen Menschen oder einer speziellen Menschengruppe wurde. Als Schäferhund kann man ihm wohl auch nicht die Fähigkeit absprechen, ein gewisses Selbstbewusstsein zu haben, weil er ja offensichtlich in der Lage ist die Kommandos des Schäfers auf sich und die anderen Hunde zu beziehen und im Team mit ihnen in Bezug auf die natürlichen Gegebenheiten und die Schafherde zu interagieren.

Die "Theory of mind" ist bei (einigen) Tieren längst empirisch nachgewiesen und dieses Phänomen geht deutlich über ein reflektives Selbstbewusstsein hinaus. Um mit Plessner zu sprechen: Diese Tiere sind nicht nur ihr Körper, sondern sie haben auch einen und sogar die richtige Vorstellung davon, dass in dem Körper eines anderen ein analoges Bewusstsein dessen Handlungen berechenbar bestimmt.

Ein faszinierendes Beispiel: Affenschach: https://youtu.be/OIzWc90fZrQ?t=2698

Dieses Video fand ich auch sehr interessant:


Ich habe deine auf die Tiere bezogene Formulierung des "in der Natur Aufgehens" ganz bewusst in meinem Satz über mein Empfinden der Schönheit der Natur "zweckentfremdet", und vermute, dass du beim Lesen auch gespürt hast, dass diese Formulierung auch auf den Menschen bezogen "stimmig" sein kann. Was ich damit sagen möchte, ist, dass man die Art und Weise des menschlichen Denkens auch so interpretieren kann, dass es den Menschen in eine viel nähere und innigere Beziehung mit der Natur bringt, wodurch ihm erst bewusst ist, dass er selbst ein untrennbar verbundener Teil der Natur ist. Das menschliche Bewusstsein könnte man, so gesehen, als die Brücke deuten, welche den Graben überwindet, der die Tiere von der Natur trennt und sie daran hindert ganz in der Natur aufzugehen. Was hältst du von dieser Sichtweise?

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#1225 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Pluto » Di 13. Jun 2017, 09:50

Andreas hat geschrieben:Ein faszinierendes Beispiel: Affenschach: https://youtu.be/OIzWc90fZrQ?t=2698
Ein anderes Beispiel: Die Sprachen der Delfine...

Andreas hat geschrieben:Dieses Video fand ich auch sehr interessant:
Ja. Danke!
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#1226 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Münek » So 25. Jun 2017, 18:27

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich erkenne hier nur die typische closs`sche Schwurbelei - auf der Basis nicht hinreichender Bibelkenntnisse.
Und ich erkenne aus Deinem Schwurbelei-Vorwurfs, dass mit meinem (übrigens theologisch gängigen!) Hinweis auf das Verhältnis von "Jesus zu Volk" Dein Erklärungs-Modell bedroht ist. - Gehe also davon aus: Das Unverständnis des Volkes und auch gelegentlich der Jünger ist ein gängiges Motiv (Sogar Thaddäus hat mal über 10 wunderbare Zitate gebracht, die ich leider nicht mehr finde) - nur EIN Beispiel:
Matth. 13,
10 Da kamen die Jünger zu ihm und sagten: Warum redest du zu ihnen in Gleichnissen?
11 Er antwortete: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen; ihnen aber ist es nicht gegeben.
12 Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.
13 Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen, weil sie hören und doch nicht hören und nichts verstehen.
14 An ihnen erfüllt sich die Weissagung Jesajas: Hören sollt ihr, hören, aber nicht verstehen; sehen sollt ihr, sehen, aber nicht erkennen.
15 Denn das Herz dieses Volkes ist hart geworden und mit ihren Ohren hören sie nur schwer und ihre Augen halten sie geschlossen, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihren Ohren nicht hören, damit sie mit ihrem Herzen nicht zur Einsicht kommen, damit sie sich nicht bekehren und ich sie nicht heile.
Verstehe ich das richtig? Jesus erzählt in Gleichnissen, DAMIT das Volk ihn NICHT versteht, DAMIT sie sich NICHT bekehren, DAMIT sie NICHT gerettet werden, DAMIT sich eine angebliche Prophezeiung des Jesaja erfüllt? :o

Klingt sehr nach bewusster Irreführung und Verstockung des Volkes. Uns das soll die Absicht Jesu gewesen sein?

Dann hätte sich Jesus seine landesweiten Predigten, seinen mahnenden Aufruf zur Umkehr und zum Glauben an das Evangelium auch ersparen können. Wie erklärst Du Dir diese Bibelstelle? Kann diese Erklärung Jesu authentisch sein? Oder ist sie ihm vom Evangelisten in den Mund gelegt worden, der in
einer Zeit schrieb, als feststand, dass die Masse der Juden Jesu Botschaft nicht folgt - und der Evangelist Matthäus (mal wieder) eine passende Bibelstelle als angebliche Prophezeiung im AT fand?

Denke mal nach. Soviel zu Deinem Thema: Sie verstanden ihn nicht.

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#1227 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » So 25. Jun 2017, 22:52

Münek hat geschrieben:Verstehe ich das richtig? Jesus erzählt in Gleichnissen, DAMIT das Volk ihn NICHT versteht
Nein - nicht "damit", sondern "weil". - Es geht ganz offensichtlich um die Präsentation der Erfüllung einer Weissagung, wie es ab Matt. 13,14 heisst.

Münek hat geschrieben:Klingt sehr nach bewusster Irreführung und Verstockung des Volkes.
"Irreführung" nicht, "Verstockung" sehr wohl.

Münek hat geschrieben:Kann diese Erklärung Jesu authentisch sein?
"Können" ja - sie ist plausibel. - Denn es ist doch gerade der hermeneutische Prozess (= Erkenntnisprozess mit der Zeit), der hiermit (zumindest) bei den Jüngern angeschoben wird: "Schaut: Die Menschen verstehen nichts oder nur langsam - damit Ihr seht, in welches Haifischbecken ich Euch schicke").

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#1228 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Münek » Mi 28. Jun 2017, 01:04

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Verstehe ich das richtig? Jesus erzählt in Gleichnissen, DAMIT das Volk ihn NICHT versteht
Nein - nicht "damit", sondern "weil". - Es geht ganz offensichtlich um die Präsentation der Erfüllung einer Weissagung, wie es ab Matt. 13,14 heisst.
Das Dumme ist nur, dass eine Weissagung des Propheten Jesajas überhaupt NICHT vorliegt. Das kannst Du selbst nachprüfen (Jes. 6:9 ff.).

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Klingt sehr nach bewusster Irreführung und Verstockung des Volkes.
"Irreführung" nicht, "Verstockung" sehr wohl.
Du glaubst wirklich, Jesu Zeitgenossen seien von Gott "verstockt" worden, damit sie die Botschaft seines Sohnes nicht verstehen können? Na - dann kann man ihnen ja nichts vorwerfen...

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Kann diese Erklärung Jesu authentisch sein?
"Können" ja - sie ist plausibel.
Was ist daran plausibel, dass Johannes der Täufer, Jesus und seine Jünger ihre Landsleute zur Umkehr auffordern, aber eigentlich nicht wollen, dass diese sich bekehren? Das ist Irrsinn hoch fünf.

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#1229 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » Mi 28. Jun 2017, 07:37

Münek hat geschrieben:Das Dumme ist nur, dass eine Weissagung des Propheten Jesajas überhaupt NICHT vorliegt. Das kannst Du selbst nachprüfen (Jes. 6:9 ff.).
In meiner Bibel liegt eine vor (lass uns mal vergleichen):
9 Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Hören, ja, hören sollt ihr und nicht verstehen! Sehen, ja, sehen sollt ihr und nicht erkennen!

Davon abgesehen geht es mir um den Vorgang selbst (egal ob mit oder ohne Weissagung): Jesus will zeigen, dass geistige Verstocktheit nicht verstehen läßt. - Das kommt mir bekannt vor. ;)

Münek hat geschrieben:Du glaubst wirklich, Jesu Zeitgenossen seien von Gott "verstockt" worden, damit sie die Botschaft seines Sohnes nicht verstehen können?
Verstockt "sind". - Verstockt ist ein Mensch dann, wenn er falsche Wege geht und daran glaubt - Gott setzt dann einen drauf und macht es ersichtlich - das sind Folgen.

Münek hat geschrieben:Was ist daran plausibel, dass Johannes der Täufer, Jesus und seine Jünger ihre Landsleute zur Umkehr auffordern, aber eigentlich nicht wollen, dass diese sich bekehren?
Von "nicht wollen" kann nicht die Rede sein, eher von "nicht können" (es sei denn, man verordnet es mit Gewalt). - Beide gehen davon aus, dass nur wenige erkennen können, denen das Verhalten der vielen, die nicht erkennen, vor die Nase gehalten wird.
Und vergiss nicht: Die Szene ist auf ein Volk bezogen, das sich selber dahin gebracht hat - vergleiche dies bspw. mit unserem westlichen anthropozentrischen Denken, in das man sich bei uns über Generationen hineingeritten hat - es geht hier um Formatierungen, die mit Taubheit schlagen.

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#1230 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Münek » Fr 30. Jun 2017, 23:22

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das Dumme ist nur, dass eine Weissagung des Propheten Jesajas überhaupt NICHT vorliegt. Das kannst Du selbst nachprüfen (Jes. 6:9 ff.).
In meiner Bibel liegt eine vor (lass uns mal vergleichen):
9 Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Hören, ja, hören sollt ihr und nicht verstehen! Sehen, ja, sehen sollt ihr und nicht erkennen!
Nee nee - diese Anweisung Jahwes an Jesaja hat mit Weissagung nichts zu tun. Der Prophet Jesaja erhält schließlich von Gott den Auftrag, zum Volk, d.h. zu seinen ZEITGENOSSEN zu sprechen - und zwar mit einer ganz bestimmten Absicht. - Jes. 6:10:

"Verstocke das Herz dieses Volkes und lasse ihren Ohren hart sein und blende ihre Augen, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihren Herzen und [jetzt kommt der Knaller!] sich bekehren und sich selbst heilen."

Das Volk sollte sich also nach dem ausdrücklichen Willen Gottes NICHT bekehren. Das tat es dann anscheinend auch nicht - und es kamen die Assyrer (Vernichtung des Nordreiches Israel) und später die Babylonier ("babylonisches Exil"). Schöne Geschichte - und der Matthäus-Evangelist macht daraus eine Prophezeiung, die sich angeblich erst Jahrhunderte später zur Zeit Jesu erfüllte. Tja - so einfach geht das. ;)

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du glaubst wirklich, Jesu Zeitgenossen seien von Gott "verstockt" worden, damit sie die Botschaft seines Sohnes nicht verstehen können?
Verstockt "sind". - Verstockt ist ein Mensch dann, wenn er falsche Wege geht und daran glaubt - Gott setzt dann einen drauf und macht es ersichtlich - das sind Folgen.
Nein - der Auftrag Gottes an Jesaja war ja, ER solle durch sein Reden das Volk VRSTOCKEN, DASS es sich NICHT BEKEHRT. Matthäus zitiert das wörtlich als erfüllte Prophezeiung. Als der Evangelist sein Evangelium schrieb (ca. 50 Jahre nach Jesu Tod), war klar, dass sich die Masse des jüdischen Volkes nicht der "paulinischen Jesus-Botschaft" anschließt.

Daraus wird dann Simsalabim eine erfüllte alttestamentliche Prophetie gemacht. Tja - so einfach geht das. ;)

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was ist daran plausibel, dass Johannes der Täufer, Jesus und seine Jünger ihre Landsleute zur Umkehr auffordern, aber eigentlich nicht wollen, dass diese sich bekehren?
Von "nicht wollen" kann nicht die Rede sein, eher von "nicht können".
Das gibt der Matthäus-Text durch sein Jesaja-Zitat eben NICHT her, wie ich es oben deutlich gemacht habe.


FAZIT
Damit kannst Du Deine obskure These, dass Nichtverstehen der göttlichen Botschaft und des göttlichen Willens durch das Volk ziehe sich als MOTIV sowohl durch das Alte auch als durch das Neue Testament in die Tonne kloppen. Der größte Exeget bist Du nicht. :)

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