ThomasM hat geschrieben: Bei deinen -Ismen komme ich nicht ganz mit.
Was ist denn nach deiner Meinung "Gradualismus"?
Die Vorstellung, dass viel Mikroevolution und viel Zeit, zu Makroevolution, also die Entstehung völlig neuer Baupläne führt.
ThomasM hat geschrieben: Ich gebe dir ein (heute übliches) Szenario:
Eine Art ist nach morphologischen Gesichtspunkten als eine Art eingeordnet.
Im Verlauf der Zeit sammeln sich in der Population Mutationen an, meistens neutrale, unsichtbare Mutationen, d.h. Mutationen, die nach außen hin keine Auswirkungen zeigen. Die Art bleibt die Art nach morphologischen Gesichtspunkten.
Nun ändern sich äußere Umstände. Vorher neutrale Mutationen werden plötzlich zu einem selektierenden Faktor.
Nach vergleichsweise kurzer Zeit (auf jeden Fall sehr kurz gegen die Menge an Mutationen, die für die Änderung notwendig sind) werden die neuen Eigenschaften selektiert, was möglich ist, da ja diese Änderung in der Population bereits vorher passiv angelegt war. Die morphologische Einordnung der Art hat sich verändert.
Dass viele
neutrale Mutationen, die für sich genommen keine Konsequenzen für den Organismus haben (also keine neuen Eigenschaften darstellen, wie du es darstellst), sich sozusagen, wenn es die äußeren Umstände erfordern, zusammentun und einen neuen Bauplan entwerfen, ist wohl eher kein "heute übliches Szenario".
Janina hat geschrieben: Roland hat geschrieben: Warum soll es nicht möglich sein diese Grundannahme zu tätigen und zu schauen, wie die Daten zu derselben passen?
Weil du nie wissen wolltest,
wie Gott das gemacht hat. Damit hast du gar nichts zum Vergleichen.
Das will ich schon wissen. Der Unterschied zwischen uns ist, dass du meinst, der Schöpfungsakt selbst müsse wissenschaftlich untersuchbar sein. Es könnte aber auch sein, dass dieser Schöpfungsakt eine nicht beobachtbare, nicht wissenschaftlich untersuchbare Singularität gewesen ist. So, wie ThomasM in seinem Buch die Wunder Jesu, als Einzelereignisse bezeichnet die nicht wiederholbar sind.
Ein anfänglicher Schöpfungsakt von polyvalenten Grundtypen, die sich dann mikroevolutiv spezialisiert haben. Es ist gezeigt worden, dass auch unter dieser Grundannahme, nämlich der biblische Schöpfungsperspektive, eine schlüssige Deutung biologischer Daten möglich ist und dass sie nicht gegen gesichertes biologisches Wissen steht.
Janina hat geschrieben: Vielleicht hast du sogar mitbekommen, dass alle irreduzibel komplexen Konstruktionen untersucht wurden. Wenn nicht für jede vermeintliche Irreduzible Komplexität eine Reduktion gefunden worden wäre, gäbe es diese von dir so sehnlichst erhoffte Alternativnotwendigkeit vielleicht.
Es wurden keine Redunktionen
gefunden sondern es wurden Geschichten
erfunden, wie irreduzibel komplexe Konstruktionen rein theoretisch entstanden sein
könnten. Im Falle des Bakterienmotors nur eine einzige Geschichte, nämlich, dass er aus einer ebenfalls hochkomplex konstruierten Pumpe entstanden sei. Was in vielerlei Hinsicht fragwürdig ist, hab's schon oft behandelt, das Thema…
Aber der brave Darwinist gibt sich mit wenig Erklärung gern zufrieden.
Janina hat geschrieben: Allerdings würde eine solche Alternative höchstens in einer kleinen Erweiterung der bestehenden weil erfolgreichen Theorie bestehen.
Das bisher Erfolgreiche muss IMMER Untermenge der erweiterten Theorie sein. So wie die Newton'sche Physik als Sonderfall in der ART enthalten ist.
D.h. der Naturalismus ist gesetzt und alle "Sonderfälle" werden IMMER irgendwie in denselben eingearbeitet. Das ist es, was Feyerabend kritisiert:
"Wenn wir die Natur verstehen und unsere materielle Umgebung beherrschen wollen, dann müssen wir
alle Ideen,
alle Methoden verwenden, nicht nur einen kleinen Ausschnitt aus ihnen.
Die Behauptung aber, außerhalb der Wissenschaft gebe es keine Erkenntnis – extra scientiam nulla salus -, ist nichts als ein weiteres und höchst bequemes Märchen." (Wider den Methodenzwang S. 393)
Ein anfänglicher, nicht wissenschaftlich greifbarer Schöpfungsakt, wie ihn die Bibel beschreibt, kann auch als Möglichkeit eingeräumt werden. Und die Daten auf der Grundlage dieser Grundannahme untersucht werden.
Naturalismus hat kein Monopol, wenn es um Welterklärung geht.
Anton B. hat geschrieben: Roland hat geschrieben:Anton B hat geschrieben:Der der Zitatstelle vorangehende Absatz endet mit Darwins Feststellung zu seinen (des Darwins!) zuvor angestellten Überlegungen:
"Wenn die Lebewesen sich durch natürliche Selektion auf die Umwelt einstellen, sollte ihre Entwicklungsgeschichte ebenfalls im wesentlichen vom Zufall geprägt sein."
Nein! Das ist nicht allein Darwins Feststellung, sondern selbstverständlich auch die von Gould! Natürlich setzt er sich mit Darwins Gedanken auseinander und im Zuge dessen gibt er auch seine Überlegungen wieder.
Nö. Gould sagt zu diesem Satz: "
Darwin schwelgte in diesem ungewöhnlichen Aspekt seiner Theorie, in diesem Mechanismus der unmittelbaren Eignung, der keinen Hintergrund für eine allgemeine Zunahme des Fortschritts oder der Komplexität bot." Wo geht aus dem Textkontext hervor, er, der Gould, sehe es genau so?
Bisschen weiterlesen, Anton!
"So weit, so gut; so logisch so klar" schreibt Gould, er stimmt dem allen ausdrücklich zu! Stellt dann aber fest, dass Darwin seinen richtigen Erkenntnissen widersprüchlicherweise völlig andere Aussagen folgen lässt, die darauf schließen lassen, dass er im evolutionären Prozess Fortschrittserwartungen sieht.
Gould nennt diese dann kulturell bedingte Vorurteile, ich zitiere nochmal:
Wir können unsere Annahme, Evolution müsse Fortschritt beinhalten, als kulturell bedingtes Vorurteil entlarven, und wir können erkennen, dass es kein handfestes wissenschaftliches Argument für die Fortsschrittserwartung gibt, in unserer Zeit ebensowenig wie in Darwins Tagen. Wir können auch einräumen, dass alle üblichen Versuche einschließlich Darwins eigenem im Sumpf stecken bleiben: Das Motiv ist gesellschaftliche Voreingenommenheit, die Logik der Argumentation ist schwach, und die Tatsachenbelege reichen nicht aus.
Gould stimmt Darwins Erkenntnis, dass Selektion vom Zufall geprägt ist zu, dass sie Fortschritt beinhaltet nicht.
Anton B. hat geschrieben:Ja. Du zitierst die Position Goulds richtig, äußerst Dich dazu aber nicht mit vernünftigen Begründungen. Stattdessen wirfst Du uns jetzt den Knochen "Neukonstruktionen" vor. Was soll das heißen?
Versuche mal meinem Gedankengang zu folgen: Gould sagt, Selektion führt nicht zu einer Abfolge von Verbesserungen, die dann zu mehr Komplexität führt. Sie bringt keinen Fortschritt, das ist eine Illusion. Dazu müsste sie zielgerichtet sein. Das sagt auch die Schöpfungslehre. Selektion ist lokal begrenzt und schwankt, sie ist richtungslos. Bestes Beispiel sind die jahrzehntelangen Beobachtungen des Forscherehepaars Grant bei Finken auf den Galapagosinseln: Trockenperiode - Nahrungsangebot beschränkt sich auf große Samen - kleine Schnäbel funktionieren nicht - diejenigen Finken mit größeren Schnäbeln sind im Vorteil - die mit kleineren verschwinden. Feuchte El-Niño-Periode - wieder ausreichend kleine Samen vorhanden - Schnabelgrößen schrumpfen wieder.
Da entsteht nix Neues. Zyklische Anpassungen bereits vorhandener Konstruktionen.
Gould hat Recht!
Aber was schließt er nun daraus? Durch Mutation und durch eben diese richtungslose Selektion, geschieht kein Fortschritt, sondern der "rechte Schwanz" entsteht während geologisch kurzer "Perioden des Terrors", wie er es ausdrückt. Der Betrunkene stürzt zwangsläufig durch sein zufälliges Torkeln irgendwann rechts in die Gosse.
Was ist damit nun gewonnen? Gould setzt einfach voraus, dass dieses gelegentliche "im-Rinnstein-Landen" den Menschen aus Urzellen hat entstehen lassen. Unmengen unglaublich komplexer Neukonstruktionen müssen stattgefunden haben! Aus
einer Zelle wurde der Mensch, mit seinen
100 Billionen spezialiserten und hochkomplex zusammenwirkenden Zellen.
Wo ist der Mechanismus, der das bewerkstelligt, wenn die Selektion offensichtlich nicht konstruieren kann? In "Illusion Fortschritt" gibt’s darauf keine neuen Antworten.
Eher schon in "Return of the Hopeful Monster".
Die Betonung liegt auf "hopeful"! So hat eben jeder seine Hoffnungen…
Gruß Roland