Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
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closs
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#1171 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » Mo 29. Mai 2017, 22:10

Münek hat geschrieben: Die "Wirklichkeit Jesu" kannst Du nicht kennen.
NAtürlich nicht - das geht uns allen so. - Trotzdem kann man sie anstelle einer Methodik als verbindliche Größe einsetzen.

Münek hat geschrieben:Natürlich stellst Du den nachträglich vergotteten Christus (= präexistenter Sohn Gottes und Heilsbringer) mit dem historischen Jesus von Nazareth gleich.
Ich verstehe aus vielerlei Gründen Jesus als die Person, die (überm Daumen) theologisch in ihm gesehen wird. - Aber ich sehe keine "vergottete Person", weil der Mensch keinen Menschen vergotten kann.

Münek hat geschrieben:Nee - DANN nicht.
Eben - und das ist Ideologie.

Münek hat geschrieben:Für katholische Christen gilt im Übrigen nicht das, was einige Vertreter der RKK unbedarft zur Evolutionstheorie geäußert haben, sondern nach wie vor die verbindliche Aussage des Katholischen Weltkatechismus.
Wieder Mal ein Doppelpack von Dir:
1) Die RKK spricht nicht "unbedarft", sondern in voller Kenntnis der ET über sie.
2) Die Aussagen des Weltkatechismus sind nicht biologisch zu verstehen.
Du übergehst Deine beiden Irrtümer und baust Dir fröhlich Deine Welt-Ideologie zusammen.

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Münek
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#1172 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Münek » Mo 29. Mai 2017, 22:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Ratzinger fordert, alle Evangelien als historisch zu betrachten
Ob sich Ratzinger en detail von Deinem zitierten kathpedia-Satz unterscheidet, weiß ich nicht - ich glaube nach dem, was ich von ihm gelesen habe, dass er es genauso meint.
Ratzinger glaubt, dass der Verfasser des Ende des 1. JH. geschriebenen Johannesevangeliums der sich erinnernde Lieblingsjünger Johannes war. Dass dies mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht der Fall sein kann, hat historisch-kritische Exegese schon vor 200 Jahren mit guter Begründung festgestellt.

Und was Historizität all der meditativen, ellenlangen Monologe Jesu in diesem Evangelium betrifft, kannste knicken. Nichts davon stammt von ihm. So hat er nicht geredet. Das hat sich der gnostisch angehauchte "Johannes-Evangelist" ausgedacht und Jesus in den Mund gelegt.

An dieser Einschätzung hat sich seitdem nichts geändert. Das kümmert diesen frommen Mann jedoch nicht. Sich mit den gewichtigen Gegenargumenten der wissenschaftlichen Exegese in irgendeiner Weise auseinanderzusetzen, kommt ihm nicht in den Sinn - weil ihm
klar vor Augen steht - sollte er sich auf eine solche Fachdiskussion einlassen -, er dann den Kürzeren ziehen würde.

Deswegen lässt er es. Das ist zwar menschlich, aber in höchstem Maße unredlich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist auch nicht das Bild, das die Forschug zeichnet, sondern eher der weichgespülte Jesus der Kirche.
Die theologische Forschung zeichnet Jesus NICHT weichgespült - die Gegenüberstellung durch Kubitza passt hinten und vorne nicht.
Du solltest Kubitza langsam mal verzeihen, dass er Klartext redet, indem er den Stand der neutestamentlichen Forschung einem großen Publikum in verständlicher Sprache nahebringt. Dass er damit den Finger in die Wunde legt, das ist wohl wahr. Wahrheit kann schmerz-
haft sein.


Ja und? Ich dachte immer, ihr Christen seid ganz erpicht auf die Wahrheit. War wohl nix!

closs hat geschrieben:Ganz generel: Wenn man die Bibel VERSTEHEN will, muss man Einzelsituationen in ihrem konkreten Kontext verstehen: "Was wollte Jesus an dieser Stelle zum Ausdruck bringen?"
Genau DAS ist die Aufgabe der neutestamentlichen Exegese. Und das macht sie mit Bravour. Es ist die offizielle Auffassung der Katholischen Kirche, dass die Bibelinterpretation die besondere Aufgabe der Exegese darstellt. Da kannst Du "Herumhermeneutiken" soviel Du willst. :)

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#1173 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » Di 30. Mai 2017, 00:50

Münek hat geschrieben:Ratzinger glaubt, dass der Verfasser des Ende des 1. JH. geschriebenen Johannesevangeliums der sich erinnernde Lieblingsjünger Johannes war. Dass dies mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht der Fall sein kann, hat historisch-kritische Exegese schon vor 200 Jahren mit guter Begründung festgestellt.
Wer sich da irrt, kann ich nicht beurteilen - natürlich ist mir bewusst, dass die HKM hier nicht leichtfertig urteilt. - Aber ich weiß auch, dass die HKM anders mit dem Wort "Authentizität" umgeht als die Theologie.

Aber selbst wenn wir annehmen, dass die HKM hier rechthat, ändert es nichts an der eigentlichen Aussage der Theologie, dass es der RKK nicht um Detail-Historizität ("Ist hier etwas von Johannes oder im Geist von Johannes geschrieben?") geht, sondern um die wirklich wichtigen Dinge wie etwa Auferstehung.

Münek hat geschrieben:Du solltest Kubitza langsam mal verzeihen, dass er Klartext redet, indem er den Stand der neutestamentlichen Forschung einem großen Publikum in verständlicher Sprache nahebringt.
Nein - er ist nicht der populärwissenschaftliche Überbringer wissenschaftlicher Forschung, sondern ein knüppelharter Ideologe. - Es ist mir aber vorstellbar, dass Du diesbezüglich derart eingetaucht bist, dass Du glaubst, was Du über ihn sagst.

Münek hat geschrieben:Genau DAS ist die Aufgabe der neutestamentlichen Exegese.
Da scheint aber etwas schief zu laufen. - Denn entweder die Exegese ist in DEINEM Sinne wissenschaftlich, dann kann sie gar nicht geistig deuten, sondern nur von außen beschreiben. - Oder sie kann geistig deuten, dann ist sie nicht wissenschaftlich in Deinem Sinne.

Bei dieser Gelegenheit wiederhole ich, dass mir nicht klar ist, an welcher Stelle man heute eine Linie zwischen Exegese und Hermeneutik zieht. - Zu meiner Zeit galt grob formuliert:
(1) Exegese ist eine formale, technische, historische, sprachliche, etc. SACH-Analyse eines Textes.
(2) Hermeneutik versucht substantiell inhaltlich auszulegen im Sinne von Apg. 8,30: "Verstehst Du auch, was Du liest?"

Die historisch-kritische Exegese, wie DU sie vorstellst, ist eine Ratzinger-Exegese auf atheistisch: Verbindung von Wissenschaft und Weltanschauung - das wäre im obigen Sinne eine Verschmelzung von (1) und (2). - Bis auf weiteres vermute ich, dass der Begriff "Bibelinterpretation", soweit er auf Exegese bezogen ist, rein sachlich-analytisch gemeint ist.

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#1174 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Münek » Di 30. Mai 2017, 04:43

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Die "Wirklichkeit Jesu" kannst Du nicht kennen.
NAtürlich nicht - das geht uns allen so.
Dann solltest Du es durch Deine Wortwahl vermeiden, diesen Eindruck zu erwecken.

closs hat geschrieben:Trotzdem kann man sie anstelle einer Methodik als verbindliche Größe einsetzen.
Als "verbindliche" Größe? Soll ich jetzt lachen oder weinen?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Natürlich stellst Du den nachträglich vergotteten Christus (= präexistenter Sohn Gottes und Heilsbringer) mit dem historischen Jesus von Nazareth gleich.
Ich verstehe aus vielerlei Gründen Jesus als die Person, die (überm Daumen) theologisch in ihm gesehen wird.
Bingo - die Evangelien sind primär Glaubenszeugnisse. :thumbup:

closs hat geschrieben:Aber ich sehe keine "vergottete Person", weil der Mensch keinen Menschen vergotten kann.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du das ernst meinst.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nee - DANN nicht.
Eben - und das ist Ideologie.
Nee - Tautologie.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Für katholische Christen gilt im Übrigen nicht das, was einige Vertreter der RKK unbedarft zur Evolutionstheorie geäußert haben, sondern nach wie vor die verbindliche Aussage des Katholischen Weltkatechismus.
Wieder Mal ein Doppelpack von Dir:

closs hat geschrieben:1) Die RKK spricht nicht "unbedarft", sondern in voller Kenntnis der ET über sie.
Die RKK hat sich meines Wissens nicht zur Evolutionstheorie geäußert. Der Kardinal Schönborn ist nicht die RKK. Noch gilt meines Wissens weltweit der "Katholische Katechismus", der mit seiner Schöpfertheologie mit der Evolutionstheorie nichts am Kopf hat.

closs hat geschrieben:2) Die Aussagen des Weltkatechismus sind nicht biologisch zu verstehen.
Bitte? :o Stammelternpaar Adam und Eva? Freiwilliger Ungehorsam? Einflüsterungen eines neidischen abgefallenen Engels? Tatsächlicher Sündenfall zu Beginn der Menschheitsgeschichte? Einfall der Sünde und damit des Todes in der Welt?

Das und noch mehr steht im "Weltkatechismus der Katholischen Kirche". Und das haben Katholiken zu glauben. Und jetzt kommst Du uns mit einem Kardinal Schönborn, der sich als "Kenner der Materie" fundamentalistisch zur Evolutionstheorie äußert. Geht's noch?

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#1175 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Münek » Di 30. Mai 2017, 06:33

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ratzinger glaubt, dass der Verfasser des Ende des 1. JH. geschriebenen Johannesevangeliums der sich erinnernde Lieblingsjünger Johannes war. Dass dies mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht der Fall sein kann, hat historisch-kritische Exegese schon vor 200 Jahren mit guter Begründung festgestellt.
Wer sich da irrt, kann ich nicht beurteilen
Das macht nichts. Ich weiß, dass Du das nicht kannst. Aber wir haben ja noch unsere professionellen Exegeten. Die sind sich da ziemlich einig..

closs hat geschrieben:natürlich ist mir bewusst, dass die HKM hier nicht leichtfertig urteilt. - Aber ich weiß auch, dass die HKM anders mit dem Wort "Authentizität" umgeht als die Theologie.
In der Tat sind alle überlieferten Worte Jesu für die Amtskirche authentisch, weil die Evangelisten vom Heiligen Geist inspiriert ihre Evangelien niederschrieben. Danach hat Jesus landauf landab dem Volk verkündigt, es solle Buße tun, weil das Reich (und das Zornesgericht) Gottes nahe herbeigekommen ist. ;)

closs hat geschrieben:Aber selbst wenn wir annehmen, dass die HKM hier rechthat, ändert es nichts an der eigentlichen Aussage der Theologie, dass es der RKK nicht um Detail-Historizität ("Ist hier etwas von Johannes oder im Geist von Johannes geschrieben?") geht, sondern um die wirklich wichtigen Dinge wie etwa Auferstehung.
Nee - da machst Du es Dir wirklich zu einfach. Die bekanntesten Worte Jesu stehen schließlich im Johannesevangelium. Und diese Worte hat der historische Jesus (mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit) nie ausgesprochen.

Bei der Frage der Auferstehung Jesu hält sich die historisch-kritische theologische Forschung außen vor. Die Frage, ob Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, muss jeder Mensch für sich entscheiden. Es ist letztendlich eine Frage des subjektiven Glaubens.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du solltest Kubitza langsam mal verzeihen, dass er Klartext redet, indem er den Stand der neutestamentlichen Forschung einem großen Publikum in verständlicher Sprache nahebringt.
Nein - er ist nicht der populärwissenschaftliche Überbringer wissenschaftlicher Forschung, sondern ein knüppelharter Ideologe.
Nee nee - dann wären ja alle Exegeten Ideologen. Kubitza bringt ja kaum Eigenes, sondern stellt den Stand der wissenschaftlichen Bibelforschung für eine größere Öffentlichkeit dar. Das sollte man ihm nicht übel nehmen.

Wenn man schon die Klappe aufreißt, sollte man Kubitza widerlegen. da kam bisher NICHTS. Wie ist da möglich? :o

Ich dachte immer, Christen sind für die Wahrheit. Anscheinend dann nicht, wenn ihr Köhlerglaube durch das Offenlegen missliebiger Wahrheiten in Gefahr gerät. Ergo: Glasklarer Selbstbetrug
.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Genau DAS ist die Aufgabe der neutestamentlichen Exegese.
Da scheint aber etwas schief zu laufen. - Denn entweder die Exegese ist in DEINEM Sinne wissenschaftlich, dann kann sie gar nicht geistig deuten.
Die Exegese betreibt Textinterpretation. Sie will nichts "geistig" deuten im Sinne von transzendenter Spekulation. Sie ist eine wissenschaftliche Diziplin und hat mit geistigem Hokuspokus nichts am Kopf.

closs hat geschrieben:Bei dieser Gelegenheit wiederhole ich, dass mir nicht klar ist, an welcher Stelle man heute eine Linie zwischen Exegese und Hermeneutik zieht. - Zu meiner Zeit galt grob formuliert:
(1) Exegese ist eine formale, technische, historische, sprachliche, etc. SACH-Analyse eines Textes.
Ja - Exegese ist Textauslegung (= Interpretation).

closs hat geschrieben:(2) Hermeneutik versucht substantiell inhaltlich auszulegen.
Nein - Hermeneutik geschieht immer auf der Basis eines bestimmten Vorverständnisses, einer vorgegebenen Prämisse. Ob die Auslegung "inhaltlich substanziell" ist, ist eine ganz andere Frage.

closs hat geschrieben:Die historisch-kritische Exegese, wie DU sie vorstellst, ist eine Ratzinger-Exegese auf atheistisch.
Nein - die Ratzinger-Exegese fordert von den Exegeten vorab eine ganz bestimmte positive Glaubensentscheidung (Heilsplan Gottes etc.). Der historisch-kritischen Exegese sind solche Vor-ab-Glaubensentscheidungen völlig fremd. Sonst wäre sie keine "wissenschaftliche Diziplin".

closs hat geschrieben:Bis auf weiteres vermute ich, dass der Begriff "Bibelinterpretation", soweit er auf Exegese bezogen ist, rein sachlich-analytisch gemeint ist.
Mit dieser Einschätzung liegst Du wahrscheinlich nicht falsch.

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#1176 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » Di 30. Mai 2017, 10:22

Münek hat geschrieben:Dann solltest Du es durch Deine Wortwahl vermeiden, diesen Eindruck zu erwecken.
Wie oft soll ich noch das Wort "Glaubensentscheid" bringen, damit Dir die Voraus-Setzungen des Christentums bewusst sind?

Münek hat geschrieben:die Evangelien sind primär Glaubenszeugnisse.
Klar - man sieht etwas, beurteilt es und hält es für glaubhaft oder nicht.

Münek hat geschrieben:Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du das ernst meinst.
Dann lies GENAU.

Münek hat geschrieben:Die RKK hat sich meines Wissens nicht zur Evolutionstheorie geäußert.
Doch - nur eine spontan Gegoogelte:
"Papst: Evolution und Schöpfung sind kein Gegensatz
Papst Benedikt XVI. sprach sich bei einer Begegnung mit 500 italienischen Priestern gegen einen künstlichen Gegensatz zwischen Evolutionslehre und Schöpfungsglaube aus. Er meinte, es gebe viele wissenschaftliche Beweise für die Evolution, die man als Realität sehen müsse. Aber die Evolutionslehre beantworte nicht alle Fragen und vor allem nicht die große philosophische Frage: Woher kommt das alles?" (aus: U.Kutschera)

"Die Evolutionstheorie von Charles Darwin über die Entstehung der Arten und der Glaube an die Schöpfungsgeschichte sind miteinander vereinbar – sagt zumindest der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, William Levada, am Dienstag in Rom". (aus: Die Welt, 4.3.2009)

Das ist wirklich seit Jahrzehnten kalter Kaffee.

Münek hat geschrieben:Das und noch mehr steht im "Weltkatechismus der Katholischen Kirche". Und das haben Katholiken zu glauben. Und jetzt kommst Du uns mit einem Kardinal Schönborn, der sich als "Kenner der Materie" fundamentalistisch zur Evolutionstheorie äußert. Geht's noch?
Du verstehst es halt nicht. - Im übrigen bezeichnet sich Schönborn nicht als "Kenner der Materie" (er ist NICHT Evolutions-Biologe), sondern ordnet die ET in sein geistiges Weltverständnis ein - das ist etwas ganz anderes.

Münek hat geschrieben:Aber wir haben ja noch unsere professionellen Exegeten. Die sind sich da ziemlich einig..
Das ist nicht die Lösung - es geht hier mehr um Authentizität.

Münek hat geschrieben:In der Tat sind alle überlieferten Worte Jesu für die Amtskirche authentisch, weil die Evangelisten vom Heiligen Geist inspiriert ihre Evangelien niederschrieben. Danach hat Jesus landauf landab dem Volk verkündigt, es solle Buße tun, weil das Reich (und das Zornesgericht) Gottes nahe herbeigekommen ist.
Das klingt schon besser.

Münek hat geschrieben:Und diese Worte hat der historische Jesus (mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit) nie ausgesprochen.
Ich sprach von "authentisch" und nicht von "historisch". - Es geht nicht darum, ob Jesus exakt diese Worte historisch gesagt hat, sondern ob sie das wiedergeben, was sein Denken und Meinen ist. - Und genau diese Frage ist historisch-kritisch prinzipiell nicht beantwortbar.

Münek hat geschrieben:Bei der Frage der Auferstehung Jesu hält sich die historisch-kritische theologische Forschung außen vor.
Tut sie per Voraus-Setzung NICHT. - Wer dem kritisch-rationalen Denken verpflichtet ist, inkl. Ableger wie "naturalistische Wirkungszusammenhänge, die nicht durchbrochen werden können" (nach Bultmann), hält sich NICHT außen vor, weil er es bereits im Vorfeld ausgeschlossen hat. - Dann dann Feigenblatt-Aussagen zu machen ("Wir schließen nichts aus, was wir eh schon vorher ausgeschlossen haben"), ist Augenwischerei.

Münek hat geschrieben:Kubitza bringt ja kaum Eigenes, sondern stellt den Stand der wissenschaftlichen Bibelforschung für eine größere Öffentlichkeit dar. Das sollte man ihm nicht übel nehmen.
Das ist extrem beschönigend dargestellt - lies mal seine Aussagen und schau Dir mal all seine wertenden Sprüche an. - Du machst Dir da was vor.

Münek hat geschrieben:Ich dachte immer, Christen sind für die Wahrheit. Anscheinend dann nicht, wenn ihr Köhlerglaube durch das Offenlegen missliebiger Wahrheiten in Gefahr gerät.
Die HKM legt nichts Wissenschaftliches offen, was christliche Wahrheiten ankratzen könnte. - Allerdings tritt sie im Interpretativen in Konkurrenz zur Theologie - nur das ist der Angriffspunkt von Ratzinger und Berger.

Münek hat geschrieben: Hermeneutik geschieht immer auf der Basis eines bestimmten Vorverständnisses, einer vorgegebenen Prämisse.
Korrekt. - Und da gibt es einen Clash zwischen historisch-kritischer Hermeneutik und theologischer Hermeneutik. - Würde man es bei rein wissenschaftlichen exegetischen Sachergebnissen belassen, gäbe es diesen Clash nicht.

Du erhärtest den Verdacht, dass sich HKM in vielen seiner Betreiber als Exegese bezeichnet, aber als Hermeneutik agiert.

Münek hat geschrieben:Nein - die Ratzinger-Exegese fordert von den Exegeten vorab eine ganz bestimmte positive Glaubensentscheidung (Heilsplan Gottes etc.). Der historisch-kritischen Exegese sind solche Vor-ab-Glaubensentscheidungen völlig fremd. Sonst wäre sie keine "wissenschaftliche Diziplin".
Davon abgesehen, dass dies wirklich ein Punkt ist, an dem ich schwimme, weil mir unklar ist, wo die Grenzlinie zwischen Exegese und Hermeneutik heute verläuft (bei uns war sie einfach und klar), hast Du unrecht. - Denn wie die Ratzinger-Exegese eine spirituelle Hermeneutik fordert, fordert die HKM eine kritisch-rationale und somit materialistische Hermeneutik. - Wenn ich es mir recht überlege, haben BEIDE nichts in der Exegese zu suchen - WENN man sie rein wissenschaftlich und sachlich versteht, wie es "zu meinen Zeiten" üblich war.

Münek hat geschrieben:Mit dieser Einschätzung liegst Du wahrscheinlich nicht falsch.
Tja - dann müsste man klare Grenzen zwischen Exegese und Hermeneutik ziehen - und genau das tut die HKM, die Du hier vertrittst, eben NICHT.

Davon abgesehen: In der Praxis ist es meines Wissens dann doch wieder entspannter. - Wenn das stimmt, was ich von katholischen und evangelischen Theologen höre, verzichtet die Theologie auf eigene Exegese-Formen (greift also auf die HKM-Sachergebnisse) zurück, um diese als Rohstoff für die eigentliche hermeneutische Interpretation zu verwenden.

Das erklärt, warum die historisch-kritische Exegese in der Tat eine starke Rolle in der Theologie-Ausbildung spielt - aber eben in anderer Definition, als dies von eingefleischten, interpretativ orientierten HKM-lern verstanden wird. - Insofern richtet es die Praxis wieder mal - aber im Grunde ist das zu wenig: Man sollte sich auch theoretisch einvernehmlich darüber klar werden, was Exegese kann und was nicht - und wo Hermeneutik anschließt. - Was weltanschaulich beidseits schwer zu verhandeln zu sein scheint.

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sven23
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#1177 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von sven23 » Fr 2. Jun 2017, 18:34

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung sagt dies ja auf Grund der Quellenlage.
Die historisch-kritische Forschung tut dies aufgrund der Analyse von Rezeptions-Quellen und geht dabei sicherlich sehr intelligent vor - aber sie kann methodisch-bedingt keine geistigen Konsistenzen in der Gesamtschau beurteilen ("Verstehst Du auch WIRKLICH, was da steht - also nicht nur methodisch")
Da kommt wieder Dunning-Kruger durch. Als wenn Theißen und Co nicht einen Gesamtüberblick über die Forschunglage aller Texte hätten und sie die Intention der Schreiber ermittelt hätten. Im Gegenteil unterscheiden so sogar zwischen Intention der Schreiber und späterer Legendenbildung. :roll:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist aber wie bei der Evolutionstheorie. Obwohl sie immer noch aus religiös-ideologischen Gründen angefeindet wird, zieht sich die Schlinge immer enger zu.
Vollkommen falsch. - Die großkirchlichen Theologien haben keinerlei Probleme mit der Evolutionstheorie und können sich von ihr deshalb nicht bedroht fühlen, weil sich die Aussageebenen von Biologie und Theologie gegenseitig nicht in die Quere kommen.
Aber nur, weil du das Christentum nach der Aufklärung mit dem der letzten 1800 Jahre verwechselst.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das Problem bei den Ratzingers, Glaubensdogmatikern und evangelikalen Biblvergötzern ist doch, dass sie Mythen und Legenden des NT nicht als solche stehen lassen, sondern ganz in der Tradition der Kirche daraus historisches Geschehen postulieren.
Falsch - sie verstehen nicht Mythen historisch, sondern sagen umgekehrt, dass man Historie nicht Mythos nennen darf.
Das ist closssches Geschwurbel und kommt auf dasselbe raus.
Die Forschung hat nun mal die Diskrepanz zwischen Historie und Legendenbildung ganz klar aufgezeigt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und erst wenn man das verinnerlicht hat, und sich im "rechten Glauben" wähnt, ist man auch bereit, Verbrechen im Namen Gottes zu begehen.
Das ist jetzt extra-wirr. :lol:
Das ist eine Replik auf die Kriminalgeschichte des Christentums und heute live beim radikalen Islam zu beobachten.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Entweder sind Jesu Worte authentisch, dann begehen Christen seit 2000 Jahren (jüdischen) Gesetzesbruch, oder sie sind unecht (wie die Forschung sagt), dann würde ihr Konzept von der Inspiriertheit und Irrtumsfreiheit zusammenbrechen.
Aus dieses Dilemma weist Kubitza hin.
Wenn du eine Lösung anbieten kannst, dann lass uns daran teilhaben.
Oje - das habe ich mehrfach getan.

"Authentisch" bedeutet im Christlichen, dass hier etwas steht, was dem Denken und Meinen Jesu entspricht.

Authentisch/Historisch bedeutet, dass etwas wie in den Textquellen beschreiben stattgefunden hat. Und da hat nun mal die Forschung gezeigt, dass vieles eben nicht historisch ist. Da trifft auch auf nachträgliche Veränderungen der Lehre Jesu zu.
Hier geht es aber um etwas anderes, was du nicht verstanden hast.
Jesus sagt: ich bin gekommen, das Gesetz nicht aufzuheben, sondern zu erfüllen. Dass es sich um jüdische Gesetze handelt, ist auch klar.
Die Kirche aber hat Jesus als den Aufheber des Gesetzes verkauft.
Diese Diskrepanz ist nicht zu leugnen.

"In der Bergpredigt bei Matthäus finden sich Sätze, die dies weiter unterstreichen und
die noch heute Christen Probleme bereiten. „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das
Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern
um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht
der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist.“ (Mt 5,17–
18) Jesus betont die Gültigkeit des Gesetzes. Doch die Kirche hat Jesus gerade als
Aufheber des Gesetzes verstanden. Und es kommt noch stärker: „Wer auch nur eines von
den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im
Himmelreich der Kleinste sein.“ (Mt 5,19) Hier nun zeugen Jesu (vorgeblich) eigene
Worte gegen diesen Topos der christlichen Theologie. Der angebliche
Gesetzesüberwinder pocht auf die strikte Einhaltung des jüdischen Gesetzes. Allerdings
muss eingeräumt werden, dass in der Forschung die Historizität dieser Stelle umstritten
ist, denn man kann sie auch als Apologie der frühen judenchristlichen Gemeinde
verstehen, die mit der Erfindung dieser Geschichte belegen wollte, dass sie nicht
außerhalb des Judentums steht. Christen, die sich für besonders fromm ansehen
(Katholiken oder Protestanten aus dem evangelikalen Spektrum), stehen nun also vor
dem Problem, dass entweder Jesus diese Sätze tatsächlich gesagt hat; dann wären die
Christen als Gesetzesbrecher überführt, denn sie haben ja nicht nur eines der kleinsten
Gesetze aufgehoben, sondern gleich das Gesetz insgesamt. Nach Jesu Wort dürften sie
sich also keine Hoffnungen mehr auf eine besondere Stellung im Himmelreich machen.
Oder Jesus hat diese Worte nicht gesagt; dann müssten sie auch für andere Bibelstellen
die Möglichkeit eines unechten Jesuswortes einräumen."

Kubitza, Der Jesuswahn




closs hat geschrieben: "Authentisch" bedeutet in Geschichts-Wissenschaften, ob Quellen darauf hinweisen, dass ein solcher Text dem Original (hier Jesus) zuordenbar ist.
Genau das ist nun mal in vielen Fällen nicht der Fall.

closs hat geschrieben: Und vielleicht verstehst Du jetzt auch, warum HKM-Ergebnisse nicht vorrangig in Schulen und Gemeinden gelehrt werden:
Weil Conzelmann immer noch aktuell ist:

"Die Kirche lebt faktisch davon, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen Leben-Jesu-Forschung in ihr nicht publik sind"
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#1178 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » Fr 2. Jun 2017, 20:10

sven23 hat geschrieben: Als wenn Theißen und Co nicht einen Gesamtüberblick über die Forschunglage aller Texte hätten und sie die Intention der Schreiber ermittelt hätten.
Als ob es darum ginge. - Denn da Du unter "Forschung" nur historisch-kritische Forschung meinst, unterstreichst Du doch damit gerade meinen Satz:
Closs hat geschrieben:Die historisch-kritische Forschung tut dies aufgrund der Analyse von Rezeptions-Quellen und geht dabei sicherlich sehr intelligent vor - aber sie kann methodisch-bedingt keine geistigen Konsistenzen in der Gesamtschau beurteilen ("Verstehst Du auch WIRKLICH, was da steht - also nicht nur methodisch")
Welchen Sinn sollte es machen, ein ganz natürliches methodisches Defizit der HKM (keine Methode kann alles) dadurch zu eliminieren, dass man alle Veröffentlichungen der HKM dazu kennt. - Darum geht es hier doch gerade NICHT.

sven23 hat geschrieben:Aber nur, weil du das Christentum nach der Aufklärung mit dem der letzten 1800 Jahre verwechselst.
:?: Erstens tue ich das nicht, zweitens ist Deine Antwort ein Non Sequitur.

sven23 hat geschrieben:Das ist closssches Geschwurbel und kommt auf dasselbe raus.
Das ist etwas ganz Anderes - und weil Du es nicht verstehst, nennst Du es "Geschwurbel".

sven23 hat geschrieben:Authentisch/Historisch bedeutet, dass etwas wie in den Textquellen beschreiben stattgefunden hat.
Nein - Du verwechselst wieder mal "epistemologisch" mit "ontologisch", "System-Ergebnis" mit "was der Fall ist". - Zudem ist die Zitierung von Textquellen keine Antwort auf die Frage "Verstehst Du auch, was da steht?" (Apg. 8,30). - Deine Aussage ist voll ideologisch und/oder ganz einfach tragisch falsch.

sven23 hat geschrieben:Jesus sagt: ich bin gekommen, das Gesetz nicht aufzuheben, sondern zu erfüllen. ... Die Kirche aber hat Jesus als den Aufheber des Gesetzes verkauft.
Dieser Satz ist dialektisch schwieriger, als Du ahnst - und gleichzeitig ganz einfach. - Um abkürzenderweise gleich das Ergebnis zu nennen: Jesus hebt das AT-Verständnis des Gesetzes dialektisch auf und erfüllt es damit. Das AT ist also nicht einfach weggeworfen, sondern im NT aufgehoben.

Preisfrage: Sind solche Gedanken Aufgabe der HKM/Exegese oder der Theologie/Hermeneutik? - Wenn Du die richtige Antwort darauf gefunden hast, wirst Du erkennen, warum Christliche Hermeneutik NACH der Exegese kommt - denn auch die Hermeneutik hebt die Exegese im hegelschen Sinn auf. - Sollte ein HKM-ler aus Deiner Sicht bei solchen Fragestellungen mitwirken? Ich meine, dass er es methodisch nicht kann.

sven23 hat geschrieben:Genau das ist nun mal in vielen Fällen nicht der Fall.
Das will ich damit ausdrücken. - Warum läßt den Absatz danach aus, der begründet, warum dies nicht reicht?

sven23 hat geschrieben:Weil Conzelmann immer noch aktuell ist: "Die Kirche lebt faktisch davon, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen Leben-Jesu-Forschung in ihr nicht publik sind"
Nein - dieser Conzelmann-Satz ist vom ERgebnis her ganz einfach töricht, jedoch gut aus der damaligen Zeit nachvollziehbar - das ist eher ein wissenschafts-geschichtliches als ein theologisches Thema.

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#1179 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von sven23 » Fr 2. Jun 2017, 21:17

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Als wenn Theißen und Co nicht einen Gesamtüberblick über die Forschunglage aller Texte hätten und sie die Intention der Schreiber ermittelt hätten.
Als ob es darum ginge. - Denn da Du unter "Forschung" nur historisch-kritische Forschung meinst, unterstreichst Du doch damit gerade meinen Satz:
Closs hat geschrieben:Die historisch-kritische Forschung tut dies aufgrund der Analyse von Rezeptions-Quellen und geht dabei sicherlich sehr intelligent vor - aber sie kann methodisch-bedingt keine geistigen Konsistenzen in der Gesamtschau beurteilen ("Verstehst Du auch WIRKLICH, was da steht - also nicht nur methodisch")
Welchen Sinn sollte es machen, ein ganz natürliches methodisches Defizit der HKM (keine Methode kann alles) dadurch zu eliminieren, dass man alle Veröffentlichungen der HKM dazu kennt. - Darum geht es hier doch gerade NICHT.
Das ist doch nur eine unsinnige Behauptung, die durch unzählige Abhandlungen widerlegt ist.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Authentisch/Historisch bedeutet, dass etwas wie in den Textquellen beschreiben stattgefunden hat.
Nein - Du verwechselst wieder mal "epistemologisch" mit "ontologisch", "System-Ergebnis" mit "was der Fall ist". - Zudem ist die Zitierung von Textquellen keine Antwort auf die Frage "Verstehst Du auch, was da steht?" (Apg. 8,30). - Deine Aussage ist voll ideologisch und/oder ganz einfach tragisch falsch.
Nein, wenn die Geburtslegenden als unhistorisch bezeichnet werden, dann heißt das schlicht und einfach, dass sie so nicht stattgefunden haben und literarische Erfindungen der Schreiber sind. Punkt!

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jesus sagt: ich bin gekommen, das Gesetz nicht aufzuheben, sondern zu erfüllen. ... Die Kirche aber hat Jesus als den Aufheber des Gesetzes verkauft.
Dieser Satz ist dialektisch schwieriger, als Du ahnst - und gleichzeitig ganz einfach. - Um abkürzenderweise gleich das Ergebnis zu nennen: Jesus hebt das AT-Verständnis des Gesetzes dialektisch auf und erfüllt es damit. Das AT ist also nicht einfach weggeworfen, sondern im NT aufgehoben.
Nein, der Jude Jesus hebt das jüdische Gesetz nicht auf, sondern verschärft es als religiöser Eiferer an vielen Punkten.

"In der Bergpredigt bei Matthäus finden sich Sätze, die dies weiter unterstreichen und
die noch heute Christen Probleme bereiten. „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das
Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern
um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht
der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist.“ (Mt 5,17–
18) Jesus betont die Gültigkeit des Gesetzes. Doch die Kirche hat Jesus gerade als
Aufheber des Gesetzes verstanden. Und es kommt noch stärker: „Wer auch nur eines von
den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im
Himmelreich der Kleinste sein.“ (Mt 5,19) Hier nun zeugen Jesu (vorgeblich) eigene
Worte gegen diesen Topos der christlichen Theologie. Der angebliche
Gesetzesüberwinder pocht auf die strikte Einhaltung des jüdischen Gesetzes. Allerdings
muss eingeräumt werden, dass in der Forschung die Historizität dieser Stelle umstritten
ist, denn man kann sie auch als Apologie der frühen judenchristlichen Gemeinde
verstehen, die mit der Erfindung dieser Geschichte belegen wollte, dass sie nicht
außerhalb des Judentums steht. Christen, die sich für besonders fromm ansehen
(Katholiken oder Protestanten aus dem evangelikalen Spektrum), stehen nun also vor
dem Problem, dass entweder Jesus diese Sätze tatsächlich gesagt hat; dann wären die
Christen als Gesetzesbrecher überführt, denn sie haben ja nicht nur eines der kleinsten
Gesetze aufgehoben, sondern gleich das Gesetz insgesamt. Nach Jesu Wort dürften sie
sich also keine Hoffnungen mehr auf eine besondere Stellung im Himmelreich machen.
Oder Jesus hat diese Worte nicht gesagt; dann müssten sie auch für andere Bibelstellen
die Möglichkeit eines unechten Jesuswortes einräumen."

Kubitza, Der Jesuswahn



closs hat geschrieben: Preisfrage: Sind solche Gedanken Aufgabe der HKM/Exegese oder der Theologie/Hermeneutik? - Wenn Du die richtige Antwort darauf gefunden hast, wirst Du erkennen, warum Christliche Hermeneutik NACH der Exegese kommt - denn auch die Hermeneutik hebt die Exegese im hegelschen Sinn auf. - Sollte ein HKM-ler aus Deiner Sicht bei solchen Fragestellungen mitwirken? Ich meine, dass er es methodisch nicht kann.
In der historischen Jesusforschung geht es nicht um theologische Verschwurbelungen, die sich Theologen Jahrhunderte oder Jahrtausende später ausgedacht haben. Hier geht es einzig und allein um die urprüngliche Intention des Verfassers. Nur über diesen ist eine Annäherung an den historischen Jesus möglich.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Weil Conzelmann immer noch aktuell ist: "Die Kirche lebt faktisch davon, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen Leben-Jesu-Forschung in ihr nicht publik sind"
Nein - dieser Conzelmann-Satz ist vom ERgebnis her ganz einfach töricht, jedoch gut aus der damaligen Zeit nachvollziehbar - das ist eher ein wissenschafts-geschichtliches als ein theologisches Thema.
Nein, Conzelmann trifft genau ins Schwarze und an seiner Aktualität hat sich in den letzten 50 Jahren nichts geändert.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#1180 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » Fr 2. Jun 2017, 22:14

sven23 hat geschrieben:Das ist doch nur eine unsinnige Behauptung, die durch unzählige Abhandlungen widerlegt ist.
Wahrscheinlich HKM-Abhandlungen, gell? - Falls ja: Was nützt das, wenn es um Fragen außerhalb des HKM-Mandats geht?

sven23 hat geschrieben:Nein, wenn die Geburtslegenden als unhistorisch bezeichnet werden, dann heißt das schlicht und einfach, dass sie so nicht stattgefunden haben
Das kann im Einzelfall so sein - es kann sogar meistens so sein - aber es ist nicht zwingend so.

Denn auch hier steckt immer der Interpret dahinter - konkret: Was nützt es, Jesu Proklamierung des "nahen Himmelreichs" nachzuweisen, wenn man (wie das Volk) nicht dechiffrieren kann, was damit gemeint ist? - Denn dann ist seine Naherwartung in "Deinem" Verständnis eben NICHT (ontologisch-)historisch.

sven23 hat geschrieben:Nein, der Jude Jesus hebt das jüdische Gesetz nicht auf, sondern verschärft es als religiöser Eiferer an vielen Punkten.
Non Sequitur - Du gehst auf meine Grundlagen-Aussage nicht ein.

sven23 hat geschrieben:Hier geht es einzig und allein um die urprüngliche Intention des Verfassers.
Erstens ist das richtig, zweitens musst Du immer auch die Interpretations-Ebene des Untersuchenden einbeziehen ("Was meine ich aus meiner Zeit, was der Verfasser gemeint hat?").

sven23 hat geschrieben:Nur über diesen ist eine Annäherung an den historischen Jesus möglich.
Das ist falsch, wenn man historisch mit "so war es damals wirklich" gleichsetzt.

sven23 hat geschrieben: Conzelmann trifft genau ins Schwarze und an seiner Aktualität hat sich in den letzten 50 Jahren nichts geändert.
Weder noch. - Es scheint ein Gassenhauer in abgekapselten HKM-Sphären zu sein.

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