Wie entstand das Leben?

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
Geologie, Plattentektonik, Archäologie, Anthropologie
Anton B.
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#1171 Re: Wie entstand das Leben?

Beitrag von Anton B. » Mi 30. Sep 2015, 14:13

2 Anmerkungen:

Wenn 2 Theorien kongruent sind, sind die beiden Mengen der Beobachtungsvorhersagen gleich. Keine Einzel-Vorhersage für eine bestimmte Parameter-Konfiguration weicht ab, hier oder dort gibt es keine Beobachtungsvorhersage mehr oder weniger. Diese Kongruenz ist beim Vergleich ART und Quantum-Gravity mit Feynmans Pfadintegralmethode nicht gegeben.

ThomasM hat geschrieben:Die Pfadintegral Methode wurde angewandt, um eine Quantisierung der Theorie zu ermöglichen. Dies misslang, da das Ergebnis nicht renormierbar ist.
Ob das bedeutet, dass Gravitonen eine Illusion sind oder ob das Problem lediglich mathematischer Natur ist, ist nicht bekannt.
Die Beobachtungsvorhersagen mit Hilfe der Feynman'schen "Quantum Gravity" und der Technik der Feynman'schen Pfadintegralmethode weichen bezüglich des UV-Spekrums ab. Das ist eine konkrete Folge der Nicht-Renormalisierbarkeit. Die ART dagegen ist renormalisierbar. Das wurde durch Steven Weinberg ausführlich analysiert und Hawking hat Behebungen vorgeschlagen, die das Feynman'sche Modell verlassen. Trotzdem existiert derzeit keine valide Quantentheorie der Gravitation.

ThomasM hat geschrieben:Solange wir also keine Messungen für eine Quantentheorie der Gravitation möglich sind, bleibt die Vorstellung der Krümmung eine nicht falsifizierbare Vorstellung der Physik.
Die "Vorstellung" einer Krümmung ist als Vorstellung ganz unerheblich. Es sind die Beobachtungsvorhersagen aus dem mathematischen Modell eines gekrümmten Raumes, die primär zählen. Davon unabhängig ist die Idee eines Austauschteilchens. Auch, wenn eine valide Theorie mithilfe eines Austauschteilchens einigen Charme hätte und die Physik bei der Entwicklung einer größeren einheitlichen Theorie ganz außerordentlich helfen würde.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#1172 Re: Wie entstand das Leben?

Beitrag von ThomasM » Mi 30. Sep 2015, 14:58

Anton B. hat geschrieben: Die "Vorstellung" einer Krümmung ist als Vorstellung ganz unerheblich. Es sind die Beobachtungsvorhersagen aus dem mathematischen Modell eines gekrümmten Raumes, die primär zählen.
Unabhängig von den Details.
Auf diese Aussage kam es mir an und insofern stimmen wir überein.

Ein Modell arbeitet in der Regel mit teils anschaulichen Vorstellungsobjekten (wie z.B. dem gekrümmten Raum). Aber auf diese kommt es nicht an, wenn das Modell korrekte Beobachtungsvorhersagen macht.
Ob die Vorstellungsobjekte "real" sind, ist nicht Aufgabe der Naturwissenschaft zu entscheiden. Und ihr auch relativ gleichgültig.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#1173 Re: Wie entstand das Leben?

Beitrag von Halman » Mi 30. Sep 2015, 19:50

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Zitat von Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene (Zeitindex 12:20 - 13:00):
Dann gibt es in manchen Disziplinen Vorhesagen, durchaus nicht in allen, aber in manchen Gebieten gibt es Vorhhersagen. Manche Wissenschafter. Naturwissenschaftler, experimentierende Naturwissenschaftler meinen, das etwas nur dann eine anständige Wissenschaft ist, wenn es auch zu Vorhersagen fähig ist. Das ist eine sehr engstirnige und falsche Meinung, weil es viele Disziplinen gibt, die nicht vorhersagen und deren Wissenschaftsstatus aber unbestritten ist. Selbst wenn man mit Naturwissenschaftlern redet, wird man natürlich sagen: Schau Dir doch mal die Paläontolöogie an. Und als Paläontologe kann man nichts vorhesagen.
Ok, ok. Dann nehme ich die Behauptung, "Hoyningen-Huene ist seriös", eben wieder zurück.
Das aufgrund einer einzigen schnellen Bemerkung zu folgern, ohne die gesamte Vorlesung zu kennen, ist schon sehr gewagt - wenn nicht sogar schon eine unverschämte Frechheit.

Anton B. hat geschrieben:Die ET ist nun mal auch eine Theorie der Paläontologie. Die Paläontologie steuert einiges an Theorien zur Paläogeographie und Paläoökologie bei. Sie erstellt Theorien in Form von konkreten Evolutionsreihen. Aus all diesen Theorien lassen sich falsifizierbare Beobachtungsvorhersagen ableiten. Wenn er sagt, die Paläontologie mache keine Beobachtungsvorhersagen, hat er sich nicht mit der Paläontologie beschäftigt und sich das Beispiel nach seinem Vorstellungsvermögen ausgedacht. Das finde ich als Geologe und Paläontologe jetzt nicht so prickelnd.
Okay, ein Beispiel hierfür nennt Martin Bäker in Scienceblogs. Doch stehen diesen wissencshaftlichen Arbeiten, aus denen sich falsifizierbare Beobachtungsvorhersagen ableiten lassen, nicht eine Menge von wissenschaftlichen Arbeiten in der Paläontologie gegenüber, die auch unbestritten als Wissenschaft anerannt sind, in denen nichts vorhergesagt wird, sondern schlicht die biologische Geschichte anhand von Fossilien rekonstruiert wird?

Könnte man sagen, Paläontologen verhalten sich zu Biologen so, wie Archäologen zu Historikern?

Anton B. hat geschrieben:Daneben wird in der Paläontologie viel geleistet, was als "vorwissenschaftlich".bezeichnet wird. Das ist Aufsammeln, Beschreiben usw., die vor jeder Theoriegenerierung stehen. "Vorwissenschaft" ist jedoch arbeitsmäßiger Teil einer jeden Naturwissenschaft.
Ist denn diese "Vorwissenschaft" nicht auch bereits Teil der Wissenschaft? Die Abgrenzung scheint mir unscharf zu sein.

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Prof. Hoyningen-Huene führt insgesamt neun "Dimensionen", auf, die Wissenschaft kennzeichnen. die Vorhersagen sind hier die "3, Dimension". Besonders hebt der Professor ...
Sind die "9 Dimensionen" Konsens in der Wissenschaftstheorie, werden vielleicht in der Wissenschaftstheorie gerade als Erklärungskandidat für für die Entwicklung der Wissenschaft diskutiert? Oder ist es des Professors eigene Sicht?
Dazu müsstest Du Prof. Hoyningen-Huene selbst fragen. Soweit ich ihn verstanden habe, hat er diese neun "Dimensionen" selbst entwickelt. Wie auf dem Gebiet der Wissenschaftsphilosophie über die Fragestellung (was ist Wissenschaft?), von Konsens bis Kontroverse, derzeit diskutiert wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls wurde diese Hoyningen-Huene-Systematik, welche die neun "Dimensionen" entfaltet, 2013 an der Leibniz Universität Hannover gelehrt und ist somit Teil der akademischen Fachwelt.

Als Stützen für seine Argumentation verweist er auf Thomas Kuhn und sein Buch „Die strukturwissenschaftliche Revolution“ (1962) und Paul Feyerabend.
Zitat aus Zeitindex 41:50 min:
Schlage mir eine wissenschaftliche Methode vor. Also sagt mal irgendwas, zum Beispiel: Irgendwelche Ansprüche müssen immer experimentell überprüft werden, oder soweit du ein Gegenbeispiel hast, muss du aufgeben – schlag mir irgendwas vor, was du meinst, es sei die wissenschaftliche Methode, und ich bringe dir Beispiele von anerkannten wissenschaftlichen Fortschritt, der nur durch Verletzung dieser Methode möglich war. … Es gibt einfach keine substantiellen Regeln für die Wissenschaftsausübung, die nicht aus guten Gründen und mit gutem Erfolg in den Wissenschaften nicht schon verletzt worden wären.

Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene bezieht sich mit seiner Fragestellung (Was ist Wissenschaft?) allerdings nicht nur auf Naturwissenschaften, sondern er meint alles, was im deutschen Sprachgebrauch mit dem Begriff Wissenschaft gemeint ist.
Zitat von Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene:
Also, von der Theologie bis zur Mathematik und Elementarteilchenphysik und Germanistik und Ethnologie, Informatik – alles. Also alles, was Sie an so einer Volluniversität finden … an dem, was da irgendwie daherkommt als Wissenschaften soll hier subsumiert sein, also in der größtmöglichen disziplinären Breite. ... Selbst die Theologie wird an Hochschulen gelehrt und sollte irgendwie Wissenschaft sein, mal sehen, ob sie das ist.
Zitatquelle: Zeitindex 03:05 min
Im geht es um die Abgrenzung zum Alltagswissen, er deutet allerings schon an, dass Pseudowissenschaft und Metaphysik keine Wissenschaften sind.
Besonders ernst ist die Diskussion über Abgrenzung von Wissenschaft zur Pseudowissenschaft in den USA, was mit dem Anspruch des Kreationismus zusammenhängt, wissenschaftlich sein zu wollen.
Allerdings weiß der Professor auch darauf hin, dass Wissenschaft nicht immer scharf abgrenzbar ist. Als Analogie nennt er die Farbe Rot. Wie wissen natürlich was rot ist, doch wir können sie nicht vollkommen scharf von gelb abgrenzen.

Zitat von Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene:
Es gibt zum Beispiel Tätigkeiten, wissenschaftliche Tätigkeiten der Forschung, die können sie, wenn sie nur die Tätigkeit anschauen, nicht von der Anwendung von Wissenschaft zu praktischen Zwecken unterscheiden.
Zitatquelle: Zeitindex 21:02 min

Die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung in Unternehmen ist nicht immer scharf bestimmbar, z.B. bei der Fusionsforschung. So führt er die Plasmaforschung an, die aus dem Entwicklungsprozess heraus entstanden ist. - Also, Entwicklungsschritte sind nicht immer scharf von Grundalgenforschung abgrenzbar.

Wenn also die Methodik nicht immer kennzeichnend für das ist, was wir als Wissenschaft bezeichnen und nur die Fallibilität beibt, was macht sie denn so besonders? In der Vorlesung wird eine These (Zeitindex 36:00 min.) aufgestellt, die im weiteren untersucht wird (dazu morgen o. nächste Woche).
Wissenschaftliches Wissen unterscheidet sich vom Alltagswissen von anderen Wissensarten, besonders dem Alltagswissen, primär durch seinen höheren Grad an Systematizität.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1174 Re: Wie entstand das Leben?

Beitrag von Halman » Mi 30. Sep 2015, 19:56

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Gödels onthologischer Gottesbeweis (Theoriem)
... ist weder eine Theorie noch ein Theorem.
Irrtum Pluto. Ich nannte es schon ganz zu recht Theoriem.

Pluto hat geschrieben:Ich bin überzeugt, dass Gödel den logischen Unterschied zwischen einer reinen Vorstellung und einem realen Begriff sehr gut kannte (darauf wurde bereits zu Lebzeiten Anselms von einem Mönch Namens Gaunilo von Marmoutiers hingewiesen).
Ich vermute, hier legte Gödel lediglich einen (skurrilen) Humor an den Tag. Gödel bemerkte, dass sich das Argument mathematisch sehr elegant formulieren lässt, dennoch wusste er genau, dass Anselms "Beweis" keiner ist.
Gödel wollte ja genau dies damit aufzeigen, also unterstreichen, dass Mathematik, wie die Logik, eine Formalwissenschaft ist. Genau aus diesem Grund hatte ich auch die Fussnote gesetzt. Ist Dir der Sinnzusammenhang evtl. entgangen?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1175 Re: Wie entstand das Leben?

Beitrag von Pluto » Mi 30. Sep 2015, 20:19

Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Daneben wird in der Paläontologie viel geleistet, was als "vorwissenschaftlich".bezeichnet wird. Das ist Aufsammeln, Beschreiben usw., die vor jeder Theoriegenerierung stehen. "Vorwissenschaft" ist jedoch arbeitsmäßiger Teil einer jeden Naturwissenschaft.
Ist denn diese "Vorwissenschaft" nicht auch bereits Teil der Wissenschaft? Die Abgrenzung scheint mir unscharf zu sein.
Ja. Du hast Recht. Aber Anton schreibt nichts Gegenteiliges.

Halman hat geschrieben:Dazu müsstest Du Prof. Hoyningen-Huene selbst fragen. Soweit ich ihn verstanden habe, hat er diese neun "Dimensionen" selbst entwickelt. Wie auf dem Gebiet der Wissenschaftsphilosophie über die Fragestellung (was ist Wissenschaft?), von Konsens bis Kontroverse, derzeit diskutiert wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls wurde diese Hoyningen-Huene-Systematik, welche die neun "Dimensionen" entfaltet, 2013 an der Leibniz Universität Hannover gelehrt und ist somit Teil der akademischen Fachwelt.
Wie viele Wissenschaftsphilosophen teilen seine Meinung?

Halman hat geschrieben:Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene bezieht sich mit seiner Fragestellung (Was ist Wissenschaft?) allerdings nicht nur auf Naturwissenschaften, sondern er meint alles, was im deutschen Sprachgebrauch mit dem Begriff Wissenschaft gemeint ist.
Das mag zwar richtig sein, aber ich kenne keine Disziplin die ohne Empirie auskommt und sich auf Wissenschaftlichkeit beziehen kann.

Halman hat geschrieben:Allerdings weiß der Professor auch darauf hin, dass Wissenschaft nicht immer scharf abgrenzbar ist. Als Analogie nennt er die Farbe Rot. Wie wissen natürlich was rot ist, doch wir können sie nicht vollkommen scharf von gelb abgrenzen.
Da hat er sich IMO ein schlechtes Beispiel ausgesucht, denn Farben sind subjektiv. In der realen Welt gibt es keine Farben; nur unterschiedliche Wellenlängen von Licht, die wir per Konvention als "Farben" bezeichnen. Deshalb sind Farben keine objektiven Größen die man wissenschaftlich untersuchen könnte.

Prof. Hoyningen-Huene scheint hoch intelligent zu sein. Dennoch bin ich mit Vielem aus seinen Vorträgen nicht einverstanden. Ich würde sehr gerne mal meine Einwände mit ihm diskutieren.

Halman hat geschrieben:
Wissenschaftliches Wissen unterscheidet sich vom Alltagswissen von anderen Wissensarten, besonders dem Alltagswissen, primär durch seinen höheren Grad an Systematizität.
Ich verstehe nicht was er mit "Systematizität" meint. Was verstehst du darunter?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1176 Re: Wie entstand das Leben?

Beitrag von Anton B. » Mi 30. Sep 2015, 20:38

Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Ok, ok. Dann nehme ich die Behauptung, "Hoyningen-Huene ist seriös", eben wieder zurück.
Das aufgrund einer einzigen schnellen Bemerkung zu folgern, ohne die gesamte Vorlesung zu kennen, ist schon sehr gewagt - wenn nicht sogar schon eine unverschämte Frechheit.
Wieso Unverschämtheit? Unverschämt ist, etwas als Beispiel zu gebrauchen, was er garnicht weiter untersucht hat und als Beispiel in einem Kontext bringt, wo sich niemand im Publikum dazu fundiert äußern kann.

Und bitte unterlasse solche Anwürfe und beziehe Dich auf die Argumente.

Anton B. hat geschrieben:Okay, ein Beispiel hierfür nennt Martin Bäker in Scienceblogs. Doch stehen diesen wissencshaftlichen Arbeiten, aus denen sich falsifizierbare Beobachtungsvorhersagen ableiten lassen, nicht eine Menge von wissenschaftlichen Arbeiten in der Paläontologie gegenüber, die auch unbestritten als Wissenschaft anerannt sind, in denen nichts vorhergesagt wird, sondern schlicht die biologische Geschichte anhand von Fossilien rekonstruiert wird?
Wenn etwas rekonstruiert wird, dann in der Form von falsifizierbaren Modellen.

Halman hat geschrieben:Könnte man sagen, Paläontologen verhalten sich zu Biologen so, wie Archäologen zu Historikern?
Historiker im engen Sinne beschäftigen sich mit überlieferten Texten. Und diese Texte schießen nicht wie Pilze aus dem Boden. Das heißt, hier existiert ein "Flaschenhals" an "Beobachtungen".

In der Paläontologie ist das nicht so. Ok, Archaeopterixe fallen auch nicht einfach so vom Himmel ( :lol: ), und doch kommt Archaeopterix zu Archaeopterix. Im Allgemeinen beschäftigt sich der Paläontologe aber mit weitaus häufiger vorkommenden Objekten.


Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Daneben wird in der Paläontologie viel geleistet, was als "vorwissenschaftlich".bezeichnet wird. Das ist Aufsammeln, Beschreiben usw., die vor jeder Theoriegenerierung stehen. "Vorwissenschaft" ist jedoch arbeitsmäßiger Teil einer jeden Naturwissenschaft.
Ist denn diese "Vorwissenschaft" nicht auch bereits Teil der Wissenschaft? Die Abgrenzung scheint mir unscharf zu sein.
Nö. "Echte" Wissenschaft ist alles um Theorien. Vorwissenschaft nicht. Außerdem ist auch mein Tuen vorwiegend "Vorwissenschaft". Ich habe überhaupt keinen Grund "Vorwissenschaft" schlecht zu machen.

Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Sind die "9 Dimensionen" Konsens in der Wissenschaftstheorie, werden vielleicht in der Wissenschaftstheorie gerade als Erklärungskandidat für für die Entwicklung der Wissenschaft diskutiert? Oder ist es des Professors eigene Sicht?
Dazu müsstest Du Prof. Hoyningen-Huene selbst fragen. Soweit ich ihn verstanden habe, hat er diese neun "Dimensionen" selbst entwickelt. Wie auf dem Gebiet der Wissenschaftsphilosophie über die Fragestellung (was ist Wissenschaft?), von Konsens bis Kontroverse, derzeit diskutiert wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls wurde diese Hoyningen-Huene-Systematik, welche die neun "Dimensionen" entfaltet, 2013 an der Leibniz Universität Hannover gelehrt und ist somit Teil der akademischen Fachwelt.
Also sind die 9 Dimensionen nun "commen sense" oder nicht? Wenn nicht, er sie aber in seiner Vorlesung thematisiert, dann stellt er in seiner Vorlesung nicht einfach den weitgehend anerkannten Jetzt-Stand der Forschung dar. Das kann auch so sein und muss Hoyningen-Huene auch nicht diskreditieren. Dann nämlich, wenn seine Vorlesung ein diesen Darlegungen entsprechendes Thema behandelt. Aber sich einfach auf die Aussage zurück zu ziehen, man könne sich ohne weiteres auf in youtube eingestellte Vorlesungsmitschnitte stützen, geht so einfach auch nicht.

Halman hat geschrieben:Als Stützen für seine Argumentation verweist er auf Thomas Kuhn und sein Buch „Die strukturwissenschaftliche Revolution“ (1962) und Paul Feyerabend.
Zitat aus Zeitindex 41:50 min:
Schlage mir eine wissenschaftliche Methode vor. Also sagt mal irgendwas, zum Beispiel: Irgendwelche Ansprüche müssen immer experimentell überprüft werden, oder soweit du ein Gegenbeispiel hast, muss du aufgeben – schlag mir irgendwas vor, was du meinst, es sei die wissenschaftliche Methode, und ich bringe dir Beispiele von anerkannten wissenschaftlichen Fortschritt, der nur durch Verletzung dieser Methode möglich war. … Es gibt einfach keine substantiellen Regeln für die Wissenschaftsausübung, die nicht aus guten Gründen und mit gutem Erfolg in den Wissenschaften nicht schon verletzt worden wären.
Und? Kannst Du so ein Beispiel bringen?

Halman hat geschrieben:Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene bezieht sich mit seiner Fragestellung (Was ist Wissenschaft?) allerdings nicht nur auf Naturwissenschaften, sondern er meint alles, was im deutschen Sprachgebrauch mit dem Begriff Wissenschaft gemeint ist.
Aber mit Paläontologie meint er doch das, was wir alle unter Paläontologie verstehen?

Halman hat geschrieben:Allerdings weiß der Professor auch darauf hin, dass Wissenschaft nicht immer scharf abgrenzbar ist. Als Analogie nennt er die Farbe Rot. Wie wissen natürlich was rot ist, doch wir können sie nicht vollkommen scharf von gelb abgrenzen.
Deshalb ist der Physik auch "gelb", "rot" usw. auch schnurz und Wellenlängen zählen. Andererseits gibt es in der Biologie und Paläontologie z.T. willkürliche Schubladen, z.B. der taxonomisch-nomenklatorische Artbegriff, in der Geologie die Begründung der System- und Stufengrenzen als GSSPs, die dennoch Gutes leisten: Nämlich einfach als eindeutige "Korsettstangen", auf die man sich beziehen kann.

Halman hat geschrieben:Wenn also die Methodik nicht immer kennzeichnend für das ist, was wir als Wissenschaft bezeichnen und nur die Fallibilität beibt, was macht sie denn so besonders? In der Vorlesung wird eine These (Zeitindex 36:00 min.) aufgestellt, die im weiteren untersucht wird (dazu morgen o. nächste Woche).
Wissenschaftliches Wissen unterscheidet sich vom Alltagswissen von anderen Wissensarten, besonders dem Alltagswissen, primär durch seinen höheren Grad an Systematizität.
Das ist auch richtig. Aber da, wo es geht, werden höhere Anforderungen erhoben.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#1177 Re: Wie entstand das Leben?

Beitrag von Halman » Mi 30. Sep 2015, 22:24

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Dazu müsstest Du Prof. Hoyningen-Huene selbst fragen. Soweit ich ihn verstanden habe, hat er diese neun "Dimensionen" selbst entwickelt. Wie auf dem Gebiet der Wissenschaftsphilosophie über die Fragestellung (was ist Wissenschaft?), von Konsens bis Kontroverse, derzeit diskutiert wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls wurde diese Hoyningen-Huene-Systematik, welche die neun "Dimensionen" entfaltet, 2013 an der Leibniz Universität Hannover gelehrt und ist somit Teil der akademischen Fachwelt.
Wie viele Wissenschaftsphilosophen teilen seine Meinung?
Ich benötige mehr Informationen, um diese Frage beantworten zu können.

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene bezieht sich mit seiner Fragestellung (Was ist Wissenschaft?) allerdings nicht nur auf Naturwissenschaften, sondern er meint alles, was im deutschen Sprachgebrauch mit dem Begriff Wissenschaft gemeint ist.
Das mag zwar richtig sein, aber ich kenne keine Disziplin die ohne Empirie auskommt und sich auf Wissenschaftlichkeit beziehen kann.
Inwiefern ist Literturwissenschaft empirisch? Oder Theaterwissenschaft?

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Allerdings weiß der Professor auch darauf hin, dass Wissenschaft nicht immer scharf abgrenzbar ist. Als Analogie nennt er die Farbe Rot. Wie wissen natürlich was rot ist, doch wir können sie nicht vollkommen scharf von gelb abgrenzen.
Da hat er sich IMO ein schlechtes Beispiel ausgesucht, denn Farben sind subjektiv. In der realen Welt gibt es keine Farben; nur unterschiedliche Wellenlängen von Licht, die wir per Konvention als "Farben" bezeichnen. Deshalb sind Farben keine objektiven Größen die man wissenschaftlich untersuchen könnte.
Das war eine einfache Veranschaulichung, um den Zuhörern durch einen Vergleich die Unschärfe zu erklären. Im Übrigen ist auch der Untersuchte Gegenstand Wissenschaft kein physikalisches Phänomen oder Objekt, sondern ein intersubjektiv vermittelter Konsens (wobei dies durchaus anzweifelbar ist), ein sehr komplexes Kulturphänomen.

Pluto hat geschrieben:Prof. Hoyningen-Huene scheint hoch intelligent zu sein. Dennoch bin ich mit Vielem aus seinen Vorträgen nicht einverstanden. Ich würde sehr gerne mal meine Einwände mit ihm diskutieren.
Auf der Webside der Uni Hannover kannst Du ihn per E-Mail kontaktieren.
http://www.philos.uni-hannover.de/hoyningen.html

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Wissenschaftliches Wissen unterscheidet sich vom Alltagswissen von anderen Wissensarten, besonders dem Alltagswissen, primär durch seinen höheren Grad an Systematizität.
Ich verstehe nicht was er mit "Systematizität" meint. Was verstehst du darunter?
Darunter verstehe ich systematisch strukturiertes Arbeiten, welches aber nicht an einer bestimmten Methode gebunden ist. Im Grunde praktiziert der Professor in seiner Vorlesung Systematizität, z.B. durch die wissenschaftsphilosophische Gründlichkeit der Fragenerarbeitung, der Begriffsklärung, der Klarheit in der Absicht und der Zielverfolgung (nicht in Historie schwelgen, den Fokus auf das Wissen) und den Aufbau in neun Dimensionen. Man könnte auch eine andere systematische Herangehensweise entwickeln.
Entscheidend ist, dass die einzelnen Argumente und Dimensionen (gewissermaßen die "Elemente") ein "System" bilden, in diesem Falle eine Systematik, um eine Fragestellung zu einem komplexen Phänomen zu ergründen und zu beantworten.
In einem System wird die Bedeutung der Elemente durch den logischen Aufbau und den Zusammenhang definiert und nicht durch die einzelnen Bestandteile. (Falls mir semantische Fehler unterlaufen, bitte ich mich darauf aufmerksam zu machen - ich betrete hier "Neuland").
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1178 Re: Wie entstand das Leben?

Beitrag von Halman » Mi 30. Sep 2015, 23:42

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Okay, ein Beispiel hierfür nennt Martin Bäker in Scienceblogs. Doch stehen diesen wissencshaftlichen Arbeiten, aus denen sich falsifizierbare Beobachtungsvorhersagen ableiten lassen, nicht eine Menge von wissenschaftlichen Arbeiten in der Paläontologie gegenüber, die auch unbestritten als Wissenschaft anerannt sind, in denen nichts vorhergesagt wird, sondern schlicht die biologische Geschichte anhand von Fossilien rekonstruiert wird?
Wenn etwas rekonstruiert wird, dann in der Form von falsifizierbaren Modellen.
Wie funktioniert dies bei einer historischen Rekonstruktion der Vergangenheit?

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Daneben wird in der Paläontologie viel geleistet, was als "vorwissenschaftlich".bezeichnet wird. Das ist Aufsammeln, Beschreiben usw., die vor jeder Theoriegenerierung stehen. "Vorwissenschaft" ist jedoch arbeitsmäßiger Teil einer jeden Naturwissenschaft.
Ist denn diese "Vorwissenschaft" nicht auch bereits Teil der Wissenschaft? Die Abgrenzung scheint mir unscharf zu sein.
Nö. "Echte" Wissenschaft ist alles um Theorien. Vorwissenschaft nicht. Außerdem ist auch mein Tuen vorwiegend "Vorwissenschaft". Ich habe überhaupt keinen Grund "Vorwissenschaft" schlecht zu machen.
Okay. Danke für die Erklärung.

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Sind die "9 Dimensionen" Konsens in der Wissenschaftstheorie, werden vielleicht in der Wissenschaftstheorie gerade als Erklärungskandidat für für die Entwicklung der Wissenschaft diskutiert? Oder ist es des Professors eigene Sicht?
Dazu müsstest Du Prof. Hoyningen-Huene selbst fragen. Soweit ich ihn verstanden habe, hat er diese neun "Dimensionen" selbst entwickelt. Wie auf dem Gebiet der Wissenschaftsphilosophie über die Fragestellung (was ist Wissenschaft?), von Konsens bis Kontroverse, derzeit diskutiert wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls wurde diese Hoyningen-Huene-Systematik, welche die neun "Dimensionen" entfaltet, 2013 an der Leibniz Universität Hannover gelehrt und ist somit Teil der akademischen Fachwelt.
Also sind die 9 Dimensionen nun "commen sense" oder nicht? Wenn nicht, er sie aber in seiner Vorlesung thematisiert, dann stellt er in seiner Vorlesung nicht einfach den weitgehend anerkannten Jetzt-Stand der Forschung dar. Das kann auch so sein und muss Hoyningen-Huene auch nicht diskreditieren. Dann nämlich, wenn seine Vorlesung ein diesen Darlegungen entsprechendes Thema behandelt. Aber sich einfach auf die Aussage zurück zu ziehen, man könne sich ohne weiteres auf in youtube eingestellte Vorlesungsmitschnitte stützen, geht so einfach auch nicht.
Offengestanden vermag ich Deine Kritik nicht nachzuvollziehen. Ich studiere die Vorlesungen, schreibe eigenhändig Zitate, höhre mir dazu einzelne Passagen mehrmals an (was sehr viel Arbeit ist), gebe Dir Zeitindexte und beziehe mich auf eine offizielle, fachliche Quelle und Dir genügt dies nicht? Und nun soll ich als Nichtakademiker den akademischen Kosmos bezüglich der Wissenschaftsphilosophie ganz nebenbei ausgelotet haben - idealerweise international? Oder wie meinst Du das?
Außerdem, darum disktuieren wir hier doch. - Aber gut, folgende Quelle, die Hoyningen-Huene Theorie der Wissenschaft zusammenfasst und aus der auch gefolgert werden kann, dass sein Modell mit den "neun Dimensionen" von ihm entwickelt wurde.
Der in Hannover lehrende Wissenschaftsphilosoph Paul Hoyningen-Huene gibt in seinem Buch «Systematicity – The Nature of Science» der Frage nach dem Wesen der Wissenschaft eine neue Wendung.
Ferner habe ich Dir eine Rezetion von Markus Seidel (Universität Münster) rausgesucht. Darin rezensiert er eileitend:
Insgesamt ist das Buch sehr empfehlenswert. Zum Ersten ist es zu begrüßen, dass sich H-H hier einer Fragestellung annimmt, die tatsächlich zentral für den Zusammenhalt der inzwischen recht disparaten Forschungstendenzen in der Wissenschaftstheorie ist, vor deren Bearbeitung allerdings viele aktuelle Wissenschaftstheoretiker zurückschrecken. Zum Zweiten scheint mir H-H tatsächlich einen wichtigen und auch richtigen Beitrag zur Beantwortung der Frage zu leisten: Von den gleich anzumerkenden Ausnahmen einmal abgesehen argumentiert er für seine Thesen überzeugend, solide und klar. Zum Dritten kann das Buch als Musterbeispiel für professionelle Wissenschaftstheorie dienen, die sich einem interessierten, aber nicht mit wissenschaftstheoretischen Spezialdebatten beschäftigten Publikum nicht verschließt. Aus meiner Sicht bietet das Buch neben der Argumentation für die Kernthese quasi nebenbei eine exzellente Einführung in viele Kerndiskussionen der Wissenschaftstheorie. (... Die Lebhaftigkeit der kontroversen und teilweise sehr kritischen Diskussionen, die auch wesentlich in die kritischen Bemerkungen dieser Rezension eingeflossen sind, ist aus meiner Sicht ein Beleg für die Qualität und Zugänglichkeit des Buches.)
Es scheint also eine kritische und fruchtbare Diskussion durch Hoyningen-Huene angstoßen worden zu sein. Könnte man ihn als "Pionier" der Wissenschaftstheorie bezeichnen?

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Als Stützen für seine Argumentation verweist er auf Thomas Kuhn und sein Buch „Die strukturwissenschaftliche Revolution“ (1962) und Paul Feyerabend.
Zitat aus Zeitindex 41:50 min:
Schlage mir eine wissenschaftliche Methode vor. Also sagt mal irgendwas, zum Beispiel: Irgendwelche Ansprüche müssen immer experimentell überprüft werden, oder soweit du ein Gegenbeispiel hast, muss du aufgeben – schlag mir irgendwas vor, was du meinst, es sei die wissenschaftliche Methode, und ich bringe dir Beispiele von anerkannten wissenschaftlichen Fortschritt, der nur durch Verletzung dieser Methode möglich war. … Es gibt einfach keine substantiellen Regeln für die Wissenschaftsausübung, die nicht aus guten Gründen und mit gutem Erfolg in den Wissenschaften nicht schon verletzt worden wären.
Und? Kannst Du so ein Beispiel bringen?
Die Vorlesung erstreckt sich über viele Teile (Doppelstunden), da habe ich noch sehr viel vor mir.

Als Beispiel für „anything goes“ führt Feyerabend Galileo Galilei an. Mich persönlich überzeugt dieses Beispiel zugebendermaßen nicht. Zwar ist es richtig, dass Galilei gegen die damals gängige Methode verstieß und eine neue Methode entwickelte, doch damit begann erst das, was man unter Naturwissenschaft versteht (die Mathematisierung der Naturphilosophie) bis heute gängige Methode in der experimentellen Naturwissenschaft.
Einen methodischen Paradigmenwechsel als Beispiel zu bringen, scheint mir eine zu "dünne" Argumentationsbasis zu sein. Zumal Hoyningen-Huene in seiner Vorlesung ausführte, wie sich das, was man unter Wissenschaft versteht, im Lauf der Zeit veränderte. Wissenschaftliche Revolutionen, welche gegen die seinerzeit geltenen Regeln verstießen, als Grundlage dafür heranzuziehen, was HEUTE unter Wissenschaft zu verstehen ist, scheint mir methodisch problematisch zu sein. (Mag aber sein, dass ich hier falsch abgebogen bin.)

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene bezieht sich mit seiner Fragestellung (Was ist Wissenschaft?) allerdings nicht nur auf Naturwissenschaften, sondern er meint alles, was im deutschen Sprachgebrauch mit dem Begriff Wissenschaft gemeint ist.
Aber mit Paläontologie meint er doch das, was wir alle unter Paläontologie verstehen?
Ja, ich denke, davon können wir ausgehen.

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Wenn also die Methodik nicht immer kennzeichnend für das ist, was wir als Wissenschaft bezeichnen und nur die Fallibilität beibt, was macht sie denn so besonders? In der Vorlesung wird eine These (Zeitindex 36:00 min.) aufgestellt, die im weiteren untersucht wird (dazu morgen o. nächste Woche).
Wissenschaftliches Wissen unterscheidet sich vom Alltagswissen von anderen Wissensarten, besonders dem Alltagswissen, primär durch seinen höheren Grad an Systematizität.
Das ist auch richtig. Aber da, wo es geht, werden höhere Anforderungen erhoben.
Das ist ja auch nur vernünftig. Dies bedeutet aber doch, dass es auch Fälle gibt, in denen es nicht geht.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1179 Re: Wie entstand das Leben?

Beitrag von Pluto » Do 1. Okt 2015, 00:04

Halman hat geschrieben:Inwiefern ist Literturwissenschaft empirisch? Oder Theaterwissenschaft?
Sind das wirklich Wissenschaften, oder eher Verwaltungsfunktionen unseres kulturellen Erbes?

Halman hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Da hat er sich IMO ein schlechtes Beispiel ausgesucht, denn Farben sind subjektiv. In der realen Welt gibt es keine Farben; nur unterschiedliche Wellenlängen von Licht, die wir per Konvention als "Farben" bezeichnen. Deshalb sind Farben keine objektiven Größen die man wissenschaftlich untersuchen könnte.
Das war eine einfache Veranschaulichung, um den Zuhörern durch einen Vergleich die Unschärfe zu erklären.
Mit führt diesem Beispiel hat er seine Zuhörer irregeleitet. Er hätte keinesfalls dieses Beispiel verwenden dürfen.

Halman hat geschrieben:Auf der Webside der Uni Hannover kannst Du ihn per E-Mail kontaktieren.
http://www.philos.uni-hannover.de/hoyningen.html
Danke. Ich hätte echt Lust, diese Themen mit ihm aufzunehmen, doch dazu muss ich erst mal alle seine Videos anschauen.

Halman hat geschrieben:Darunter verstehe ich systematisch strukturiertes Arbeiten, welches aber nicht an einer bestimmten Methode gebunden ist.
Wenn systematisches Arbeiten gefragt ist, sollten dann Buchhaltung oder Lagerverwaltung nicht auch Wissenschaften sein. Ist das gewollt?

Ist gute Forschung wirklich systematisch? (Ich bezweifle dies).Wurden die großen Entdeckungen und Gesetze systematisch gemacht?
Waren Leute wie Newton, Faraday, Helmholtz, Pasteur, Darwin, Planck, Freud, Curie oder Einstein Systematiker? Ganz entschieden: NEIN!
Ich glaube eher, dass diese Menschen brillante Denker waren, getrieben von einer unersättlichen Neugierde nach Wissen.

Halman hat geschrieben:Entscheidend ist, dass die einzelnen Argumente und Dimensionen (gewissermaßen die "Elemente") ein "System" bilden, in diesem Falle eine Systematik, um eine Fragestellung zu einem komplexen Phänomen zu ergründen und zu beantworten.
Sehe ich anders. Natürlich ist Systematik auch wichtig, aber diese Erkenntnis steht nicht am Anfang der Forschung sondern am Ende.

Nimm als Beispiel die kosmische Hintergrundstrahlung. Endeckt wurde sie durch Penzias und Wilson, die sie als ungewollte Störgeräusch abtaten.
Doch heute (ein halbes Jahrhundert später) ist das CMB eine schier unerschöpfliche Quelle von Informationen für die Physik. Erst im Nachhinein kommt die Systematik zum tragen.

Was ich damit sagen will... Systematik ist in der Wissenschaft nicht unwichtig, aber sie ist nicht die treibende Kraft hinter den großen Erkenntnissen.

Für einen Mann mit einem Hammer, sieht alles aus wie ein Nagel.
Ich meine Hoyningen-Huene ist selbst Systematiker, und versucht nun aus seiner Perspektive die Wissenschaft in (s)ein System-Korsett zu zwängen. Doch tut er der Wissenschaft damit einen Gefallen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#1180 Re: Wie entstand das Leben?

Beitrag von ThomasM » Do 1. Okt 2015, 09:03

Pluto hat geschrieben: Ich meine Hoyningen-Huene ist selbst Systematiker, und versucht nun aus seiner Perspektive die Wissenschaft in (s)ein System-Korsett zu zwängen. Doch tut er der Wissenschaft damit einen Gefallen?
Zumindest ist er von Haus aus theoretischer Physiker und er erzählt in seiner ersten Vorlesung auch von der Ansicht zu Wissenschaft, die unter Physikern durchaus keine Seltenheit ist:
"Es gibt Physik und es gibt Briefmarken Sammeln".
Tut mir leid, Pluto. Die Chemie zählt auch nur zum Briefmarken Sammeln. Ich bin aber nicht so, ich würde sie als "angewandte Physik" betrachten.

Will man nicht selbst dermaßen verbohrt sein und fragt sich nach Kriterien für Wissenschaft, dann stellt man fest, dass diese Kriterien
1.) nicht einheitlich sind, es gibt kein globales Kriterium, das Wissenschaft definiert. Auch Poppers Antwort ist relativ und nicht immer anwendbar.
2.) zeitlich veränderbar sind. Die Kriterien auch für Naturwissenschaft waren im 16. Jahrhundert anders als im 18. Jahrhundert und sind anders als heute. Es ist zu vermuten, dass in 100 Jahren sich die Welt ebenfalls weitergedreht hat.

Daher etwickelt er das Modell der Systematizität. Es ist eine Art Relativitätstheorie des Wissenschaftsbegriffs. Dabei zu behaupten, dass Systematik es vollständig erfasst ist ebenso eine grobe Vereinfachung wie wenn man Popper auf Widerlegbarkeit reduziert.
Hoyningen-Huene entwickelt dieses Modell recht ausführlich und durchaus in sehr ernstzunehmender Art und Weise. Seine Hauptzielrichtung ist es dabei "Wissenschaft" von "Alltagswissen" zu differenzieren. Ganz am Ende zeigt er auch, wie man seine Methodik verwenden kann, um Pseudowissenschaften zu identifizieren.
Es stellt sich dabei heraus, dass das manchmal gar nicht einfach ist. Aber wer meint, auf solche Fragen gäbe es eine einfache Antwort, der täuscht sich sowieso.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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