lovetrail hat geschrieben:Ist es nicht so, dass diese zwei auseinanderentwickelten Arten (falls es dies gibt) genetisch ärmer sind, als die Ausgangsart?
Eine Höherentwicklung scheint durch diesen Vorgang daher schwer vorstellbar.
Was ist denn "genetisch ärmer"?
Ich habe diesen thread eröffnet, weil die Frage nach Artbildung und Unterscheidung von Arten eine wissenschaftlich schwierige ist und der zitierte Artikel hier neue Einsichten erlaubt.
"Genetisch ärmer" ist ein kreationistischer Kampfbegriff, der nichts mit Wissenschaft zu tun hat.
Wenn sich zwei Populationen auseinanderentwickeln und schließlich zwei Arten bilden, dann unterscheidet sich zunächst der genetische Bestand. Wie Pluto bereits betonte, ist das reine zählen der Gene ziemlich wenig aussagekräftig. Wissenschaftlich ist es daher sinnvoll, keine Wertungen vorzunehmen, sondern einfach von Unterschieden zu sprechen.
Dein Beispiel von Hunden und Wölfen ist ein interessanter, denn es zeigt, wie Selektion wirkt. Bei Wölfen wirkt die Selektion der Natur, also des natürlichen Umfelds. Wölfe müssen sich ernähren, in den verschiedenen Witterungsbedingungen überleben usw. Ist der Mensch abwesend, dann schafft die Art das durch entsprechende körperliche Merkmale und soziale Verhaltensweisen. In Gegenwart des Menschen schafft die Art das nicht, der Wolf wird verdrängt und stirbt aus.
Bei Hunden wirkt der Mensch als selektierendes Umfeld. Er sorgt dafür, dass selbst Rassen überleben, die in der Natur nicht den Hauch einer Chance hätten. Aber das macht nichts, weil der Mensch ja für Nahrung und Fortpflanzung sorgt. Allerdings gehören Hunde immer noch derselben Art an, wie der Wolf, insofern ist das ein interessantes Beispiel einer - teils massiven (Wolf - Chihuahua) - Auseinanderentwicklung verschiedener Gruppen, die aber noch nicht zu einer Arttrennung geführt haben.
Ein Faktor ist natürlich die Zeit, denn der Mensch verändert die Selektion des Hundes ja erst seit ein paar tausend Jahren. Aber der von mir zitierte Artikel zeigt ja, dass es mehr als nur ein Faktor gibt, der zu einer Arttrennung führen kann.
lovetrail hat geschrieben:
Es ist einfach völlig abgehoben und realitätsfremd zu sagen, dass es keinerlei Wertigkeit gibt, was das Vorhandensein der Gene betrifft.
Dann könnte man auch den Begriff Höherentwicklung aufgeben. Ja, selbst der Begriff Entwicklung wäre nicht mehr richtig.
Tatsächlich müssen beide Begriffe sorgfältig bedacht werden.
"Höherentwicklung" ist ein problematischer Begriff, weil die Frage besteht "Höher" nach welchem Maßstab?
Ganz von der Hand zu weisen ist der Begriff nicht, denn es bieten sich schon mögliche Maßstäbe an, wie z.B. Komplexität oder Intelligenz.
Aber es zeigt sich, dass diese naheliegenden Maßstäbe schwierig zu handhaben sind. Denn Komplexität z.B. ist sehr schwer zu definieren.
Wann ist etwas komplexer? Rein gefühlmäßig würde man einen Mehrzeller für komplexer halten als einen Einzeller und ein Säugetier komplexer als meintewegen Algen. Aber kann man das auch mit Fakten füllen?
Es ist mir nicht bekannt, ob es eine klare Definition gibt. Ich vermute, es gibt keine
Und ohne Definition kann es kein biologischer Begriff sein. Das ist etwas, was die Biologen auch erst in den letzten jahrzehnten lernen mussten.
Noch ein Wort zur Beziehung von Evolution und Höherentwicklung (falls man das definieren kann). Man kann beobachten, dass die biologische Vielfalt im Verlauf der Zeit zunimmt.
Aber selbst, wenn man "Höherentwicklung" definieren kann, ist es klar, dass Evolution nicht automatisch darauf hinausläuft. Viele Arten sind einfach geblieben. Es gibt auch heute noch unzählige Einzeller und sogar viele Beispiele, in denen Komplexität (vermutlich) verringert wurde.
Als Beispiel würde ich hier Viren nennen, die sich die Gene für einen Fortpflanzungsapparat gespart haben, da sie diesen ja von ihren Wirten klauen. Ob Viren aber weniger "komplex" sind als Einzeller, ist fraglich - eine Defintion fehlt ja.
Und schließlich der Begriff der Entwicklung.
Wichtig ist, dass man diesen begriff in der Biologie nur rückwirkend benutzen kann.
Man kann also z.B. sagen "Über diese und jene Arten und Veränderungen hat sich der Mensch aus dem gemeinsamen Vorfahren von Affe und Mensch entwickelt"
Das kann man sagen, weil man entsprechende Funde hat und durch Analysen die Verwandtschaft feststellen kann.
Eine Aussage wie "da und da hin wird sich die Art entwickeln", das kann man nicht, dazu gibt es weder die Methoden noch die Werkzeuge, dies aus den heutigen Fakten abzuleiten. Es gibt auch ganz allgemeine Gründe, dass man selbst eine Wahrscheinlichkeitesaussage für eine "mögliche Entwicklung" in der Zukunft nur selten machen kann.
Entwicklung ist also in der Biologie ein alleine auf die Vergangenheit gerichteter Begriff.