Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

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Pluto
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#1 Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

Beitrag von Pluto » So 31. Jan 2016, 17:58

Halman hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben: Das Universum als Ganzes bildet ein abgeschlossenes System.
https://de.wikibooks.org/wiki/Lehrbuch_ ... rmodynamik
Wann genau wurde das Universum abgeschlossen? Und von wem?
Meines Wissens wird das Unviersum praktischerweise als geschlossenes System angesehen. Daraus folgt global-kosmologisch allerdings nicht, dass die Gesamtenergie der kosmischen Hintergrundstrahlung stehts gleich bliebe. Dies ist ein nicht-triviales Thema.
Ein sehr interessantes Thema...
So wie du es beschreibst, steht in jedem Physiklehrbuch, der erste Gesetz der Thermodynamik. Energie kann weder geschaffen noch vernichtet werden... So z.B. hier.
Die Gesamtenergie in einem geschlossenen System lässt sich mathematisch wie folgt formulieren: ΔU = ΔQ + ΔW

Aber ist es wirklich so?

In der klassischen, newtonschen Physik stimmt der 1. Hauptsatz allemal, aber mit der neuen Physik gerät meiner Meinung nach einiges in Schieflage.

Ein Gedankenexperiment... [Das Bild stammt aus obigem Link]
Bild

Man nehme einen Zylinder mit veränderlichem Inhalt, der mit Gas gefüllt ist. Nun verdoppeln wir den Inhalt des Kolbens in dem wir den Kolben anheben. Das Ergebnis: Es befinden sich darin gleich viele Gasteilchen (Moleküle) wie zuvor, bzw. in einem Kubikcentimeter befinden sich nur noch halb so viele Moleküle wie zuvor.

Fazit: Das klassische Bild stimmt!

Nun zum eigentlichen Gedankenexperiment.
Man denke sich die Gasteilchen ganz weg und wiederholt das Experiment ohne Teilchen. Die Logik sagt uns, die Hälfte von Nichts ist nichts.
Kein Problem, oder?

Heute wissen wir aber dank dem Casimir-Effekt, dass selbst das Nichts (Vakuum) mit Energie gefüllt ist, weil ständig virtuelle Teilchen entstehen und verschwinden (und die müssen ja irgendwo her kommen). Man nennt das auch das "brodelnde" Quantenvakuum. Was geschieht nun mit dieser Quantenenergie wenn wir den Inhalt von Nichts verdoppeln? Bleibt die Energie konstant oder ist doppelt so viel drin wie zuvor?

Doppelt so viel Energie...?
Wie kann das sein, wo doch nach dem ersten Satz der Thermodynamik, Energie weder geschaffen, noch zerstört werden kann? :oops:

Nehmen wir nun das Universum...
In einem statischen Universum geschieht erst mal nichts. Die moderne Kosmologie geht heute aber von einem expandierenden Universum aus.
Was geschieht nun mit der dunklen Energie die das Universum durchzieht? Bleibt diese Energie konstant, oder vergrößert sie sich nicht ständig?

Hmm...
Ich muss sagen, solche Argumente lassen mich an den Grundlagen der Thermodynamik zweifeln. :silent:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Zeus
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#2 Re: Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

Beitrag von Zeus » So 31. Jan 2016, 19:30

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Wann genau wurde das Universum abgeschlossen? Und von wem?
Meines Wissens wird das Unviersum praktischerweise als geschlossenes System angesehen. Daraus folgt global-kosmologisch allerdings nicht, dass die Gesamtenergie der kosmischen Hintergrundstrahlung stehts gleich bliebe. Dies ist ein nicht-triviales Thema.
Ein sehr interessantes Thema...
So wie du es beschreibst, steht in jedem Physiklehrbuch, dass das erste Gesetz der Thermodynamik. Energie kann weder geschaffen noch vernichtet werden... So z.B. hier.
Die Gesamtenergie in einem geschlossenen System lässt sich mathematisch wie folgt formulieren: ΔU = ΔQ + ΔW

Aber ist es wirklich so?

In der klassischen, newtonschen Physik stimmt der 1. Hauptsatz allemal, aber mit der neuen Physik gerät meiner Meinung nach einiges in Schieflage.

Ein Gedankenexperiment... [Das Bild stammt aus obigem Link]
Bild

Man nehme einen Kolben mit veränderlichem Inhalt, der mit Gas gefüllt ist. Nun verdoppeln wir den Inhalt des Kolbens.
Das Ergebnis: Es befinden sich darin gleich viele Gasteilchen (Moleküle) wie zuvor, bzw. in einem Kubikcentimeter befinden sich nur noch halb so viele Moleküle wie zuvor. Das klassische Bild stimmt!

Nun zum eigentlichen Gedankenexperiment.
Man denke man sich die Gasteilchen ganz weg und wiederholt das Experiment ohne Teilchen. Die Logik sagt uns, die Hälfte von Nichts ist nichts.
Kein Problem, oder?

Heute wissen wir aber dank dem Casimir-Effekt, dass selbst das Nichts (Vakuum) mit Energie gefüllt ist, weil ständig virtuelle Teilchen entstehen und verschwinden (und die müssen ja irgendwo her kommen). Man nennt das auch das "brodelnde" Quantenvakuum. Was geschieht nun mit dieser Quantenenergie wenn wir den Inhalt von Nichts verdoppeln? Bleibt die Energie konstant oder ist doppelt so viel drin wie zuvor?

Doppelt so viel Energie...?
Wie kann das sein, wo doch nach dem ersten Satz der Thermodynamik, Energie weder geschaffen, noch zerstört werden kann? :oops:

Nehmen wir nun das Universum...
In einem statischen Universum geschieht erst mal nichts. Die moderne Kosmologie geht heute aber von einem expandierenden Universum aus.
Was geschieht nun mit der dunklen Energie die das Universum durchzieht? Bleibt diese Energie konstant, oder vergrößert sie sich nicht ständig?

Hmm...
Ich muss sagen, solche Argumente lassen mich an den Grundlagen der Thermodynamik zweifeln. :silent:
Zur Klarstellung, ich denke du meinst mit "Inhalt" Volumen, nicht wahr?
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#3 Re: Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

Beitrag von Pluto » So 31. Jan 2016, 19:41

Zeus hat geschrieben:Zur Klarstellung, ich denke du meinst mit "Inhalt" Volumen, nicht wahr?
Richtig!
Mir geht es darum, dass wenn das Universum expandiert, Materie zwar "verdünnt" wird, aber die (dunkle) Energie nicht.

Wie Shakespeare in Hamlet sagte: Etwas ist faul im Staate Dänemark.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#4 Re: Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

Beitrag von closs » So 31. Jan 2016, 20:17

Pluto hat geschrieben:Ich muss sagen, solche Argumente lassen mich an den Grundlagen der Thermodynamik zweifeln.
Ich denke, dass die dahinter liegende Frage viel tiefgreifender ist, also von "Zweifel" oder "Irrtum" zu sprechen - und die Antwort liegt nach meinem Verständnis in der Chaos-Theorie, die unter anderem sagt, dass bei Verlassen eines Systems andere Gesetze herrschen (können). - Sogar Mathematik sei im Grenzbereich der Mathematik keine Mathematik mehr.

Im 2-D-System stimmt die euklidische Geometrie - im anderen System 3-D plötzlich nicht mehr. - Bei "normalen" Geschwindigkeiten gilt unser Zeitverständnis - verlässt man dieses System ins relativistische System, gelten relativistische Gesetze. - Im Universum gilt "normalerweise" der 1. Hauptsatz der Thermodynamik - verlässt man dieses "normale" System Richtung Quanten-Vakuum, nicht mehr.

Deshalb spreche ich immer von "System-Wissen".

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#5 Re: Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

Beitrag von Pluto » So 31. Jan 2016, 23:35

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich muss sagen, solche Argumente lassen mich an den Grundlagen der Thermodynamik zweifeln.
Ich denke, dass die dahinter liegende Frage viel tiefgreifender ist, also von "Zweifel" oder "Irrtum" zu sprechen - und die Antwort liegt nach meinem Verständnis in der Chaos-Theorie, die unter anderem sagt, dass bei Verlassen eines Systems andere Gesetze herrschen (können).
Nach deinem Verständnis?
Wie kommst du überhaupt auf die Chaos-Theorie?

closs hat geschrieben:Sogar Mathematik sei im Grenzbereich der Mathematik keine Mathematik mehr.
Das höre ich zum ersten Mal. Woher hast du das?

closs hat geschrieben:Im 2-D-System stimmt die euklidische Geometrie - im anderen System 3-D plötzlich nicht mehr.
Och... Nicht schon wieder Platons Höhle.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#6 Re: Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

Beitrag von closs » Mo 1. Feb 2016, 00:20

Pluto hat geschrieben:Nicht schon wieder Platons Höhle.
Gar nicht. - Es geht hier um die Zuständigkeitsbereiche von Systemen. - Die Begriffe "euklidische" und "relativistische" Geometrie sind eigentlich eingeführt.

Pluto hat geschrieben:Wie kommst du überhaupt auf die Chaos-Theorie?
Weil sie auch etwas über Systeme sagt.

Pluto hat geschrieben:Das höre ich zum ersten Mal. Woher hast du das?
Aus irgendeinem Buch eines amerikanische Chaos-Theoretikers, der versucht hat, die Chaos-Theorie für "normale" Menschen wie uns zu erklären - ist schon 20 Jahre her. - Es kam vom Muster so etwas raus, was Du zu "Quanten-Vakuum" und "1. Hauptsatz ..." gesagt hast: Der Satz funktioniert und wird plötzlich in einem Grenzbereich fragwürdig.

ThomasM
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#7 Re: Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

Beitrag von ThomasM » Mo 1. Feb 2016, 11:27

Pluto hat geschrieben: Ich muss sagen, solche Argumente lassen mich an den Grundlagen der Thermodynamik zweifeln. :silent:
Dazu wären mehrere Dinge zu sagen:

1.) Die Thermodynamik ist - wie alle Modelle - für bestimmte Situationen geschaffen. Es gibt Voraussetzungen, die erhoben werden müssen, damit sie gilt. Diese sind zum Beispiel
- ein klassisches System (keine Quanteneffekte).
- keine langreichweitigen Kräfte (die Gravitation ist damit schon raus)
- Geschwindigkeiten nicht relativistisch.

Insbesondere die zweite Bedingung zeigt, dass die Thermodynamik nicht für das Universum als Ganzes gilt. Anwendungen der Thermodynamik sind nur da richtig, wo man Teilgebiete untersucht (zum Beispiel Staubwolken)

2.) Energierhaltung ist keine Frage der Thermodynamik. Sie gilt wesentlich allgemeiner.
Die Grundlage der Energieerhaltung ist die Zeitinvarianz.
Energieerhaltung gilt für Systeme, deren physikalische Gleichungen invariant gegen Zeitverschiebung ist.

Das zeigt, dass die Frage von Halman sehr berechtigt ist. Ist das Universum als Ganzes invariant gegen Zeitverschiebung?
Ist der Urknall ein absoluter Beginn, dann gilt die Energieerhaltung offensichtlich nicht (Vorher war kein Universum, danach war ein Universum).
Nimmt man ein anderes Modell der Universumsentstehung, dann könnte die Energieerhaltung wieder gelten.
Muss aber nicht.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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Savonlinna
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#8 Re: Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

Beitrag von Savonlinna » Mo 1. Feb 2016, 12:12

Pluto hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Zur Klarstellung, ich denke du meinst mit "Inhalt" Volumen, nicht wahr?
Richtig!
Mir geht es darum, dass wenn das Universum expandiert, Materie zwar "verdünnt" wird, aber die (dunkle) Energie nicht.

Wie Shakespeare in Hamlet sagte: Etwas ist faul im Staate Dänemark.
Du hast wirklich einen absurden Humor, Pluto. :clap:
Auf so einen Bezug muss man erst mal kommen! :thumbup:

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#9 Re: Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

Beitrag von Pluto » Mo 1. Feb 2016, 13:45

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nicht schon wieder Platons Höhle.
Gar nicht. - Es geht hier um die Zuständigkeitsbereiche von Systemen. - Die Begriffe "euklidische" und "relativistische" Geometrie sind eigentlich eingeführt.
Nein. Platons Höhlengleichnis hat mit der Vorstellung einer 3-D Welt zu tun. Dass dieses Gleichnis nicht einer genaueren Untersuchung standhält, sieht man am Beispiel unserer Vorstellung des Tesserakt-Schattens.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie kommst du überhaupt auf die Chaos-Theorie?
Weil sie auch etwas über Systeme sagt.
Tja...
  • Für einen Mann mit einem Hammer, sieht halt alles aus wie ein Nagel.
...und für dich sieht halt alles aus wie ein chaotisches System.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das höre ich zum ersten Mal. Woher hast du das?
Aus irgendeinem Buch eines amerikanische Chaos-Theoretikers, der versucht hat, die Chaos-Theorie für "normale" Menschen wie uns zu erklären - ist schon 20 Jahre her. - Es kam vom Muster so etwas raus, was Du zu "Quanten-Vakuum" und "1. Hauptsatz ..." gesagt hast: Der Satz funktioniert und wird plötzlich in einem Grenzbereich fragwürdig.
Ich glaube nicht, dass das in irgendeiner Weise hier relevant ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#10 Re: Stimmt der 1. Hauptsatz der Thermodynamik?

Beitrag von Pluto » Mo 1. Feb 2016, 13:54

ThomasM hat geschrieben: Die Thermodynamik ist - wie alle Modelle - für bestimmte Situationen geschaffen. Es gibt Voraussetzungen, die erhoben werden müssen, damit sie gilt. Diese sind zum Beispiel
- ein klassisches System (keine Quanteneffekte).
- keine langreichweitigen Kräfte (die Gravitation ist damit schon raus)
- Geschwindigkeiten nicht relativistisch.
Sagte ich nicht, die Gesetze der Thermodynamik gelten NUR in der klassischen Physik?
Wir leben aber in einer realen Welt wo Quanteneffekte die Welt beherrschen.

ThomasM hat geschrieben:Energieerhaltung gilt für Systeme, deren physikalische Gleichungen invariant gegen Zeitverschiebung ist.

Das zeigt, dass die Frage von Halman sehr berechtigt ist. Ist das Universum als Ganzes invariant gegen Zeitverschiebung?
Ist der Urknall ein absoluter Beginn, dann gilt die Energieerhaltung offensichtlich nicht (Vorher war kein Universum, danach war ein Universum).
Nimmt man ein anderes Modell der Universumsentstehung, dann könnte die Energieerhaltung wieder gelten.
Muss aber nicht.
Die Tatsache, dass wir die Hintergrundstrahlung sehen können, deutet darauf, dass wir eine privilegierte Stellung im Universum haben. Intelligente Wesen die etwa in 2-3 Billionen Jahren in den Weltraum gucken, werden (wegen der Expansion des Universums) diese Spuren vom Anfang von allem nicht mehr erkennen können.

Da stellt sich die Frage: Warum sind wir in der privilegierten Position, die "Nachwehen" des Urknalls sehen zu können?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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