closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben: Welche es sein wird, ist objektiv unbestimmt und wird erst durch die Messung festgelegt.
Das ist der entscheidende Satz, auf den ich gewartet habe.
Zur Sicherheit:
Beim Verlassen der Quelle ist das Photon also NICHT festgelegt auf eine bestimmte Polarisierung - richtig?
Richtig, gem. der Quantenmechanik besitzt ein Teilchen überhaupt keine bestimmte Polarisierung, keinen bestimmten Zustand.
Auch der
Spin (eine Art quantensierter "Drehimpuls") ist unbestimmt.
Es sei denn, es würden
verborgene Parameter vorliegen. In so einem Fall würde die Polarisierung der Photonen von Anfang an feststehen, also sobald das Teilchenpaar von der EPR-Quelle erzeugt wird. Würde dies zutreffen, wäre der "Kollaps der Wellenfunktion" eine Täuschung.
Der einfallsreiche Phyiker John Bell fand eine Möglichkeit, ein Experiment zu ersinnen, indem lokale-verborgene Parameter zu einem anderen Ergebnis führen als der Interdeterminsmus der Quantenmechanik: das
Stern-Gerlach-Experiment, bei dem die Spinorientierungen von Elektronen gemessen werden.
Zitat von
Agent Scullie:
Beim EPR-Experiment, wie es von Alain Aspect realisiert wurde, ist es nun so, dass die Richtungen, in die man auf den beiden Seiten misst, unabhängig voneinander variiert werden. Es wird also nicht immer nur z.B. in z-Richtung gemessen, so dass immer das Set (up,down) oder (down,up) als Messwert herauskommt, sondern es wird etwa auf der einen Seite in z-Richtung gemessen und auf der anderen Seite in eine Richtung 30° gedreht zur z-Richtung. Neben (up,down) und (down,up) treten dann mit einer gewissen Häufigkeit auch die Resultate (up,up) und (down,down) auf, und diese Häufigkeit ist es, die über die Einhaltung oder Verletzung der Bellschen Ungleichung entscheidet.
Somit hatte Alain Aspect zwei Theorien zur Verfügung, deren unterschiedlichen Vorhersagen überprüfbar waren. Das Ergebnis sind die Bell'schen Ungleichungen, womit die Theorie lokaler verborgener Parameter falsifiziert wurde.*
Daraus folgt, dass die Spinorientierungen der Elektronen vor der Messung objektiv unbestimmt sind. Dies gilt auch für die Polaristation der Photonen im EPR-Experiment.
Wichtig für das Experiment ist, dass die Entfernung Δ
s der Teilchen A und B größer ist, als die Strecke, die das Licht in der Zeit Δ
t zurücklegen kann. Somit ist ausgeschlossen, dass die Teilchen sich gegenseitig beeinflussen können, sie sind lokal getrennt: Man spricht von der
Lokalität der Teilchen A und B. Somit ist eine Interaktion in der Zeit Δ
t zwischen den Teilchen ausgeschlossen, wenn mindestens Δ
s =
c*Δ
t gilt.
Da durch die
Verschränkung die Einzelzustände der Teilchen A und B miteinander korrelliert sind, bilden sie ein quantenmechanisches Gesamtsystem aus Ψ
AB. Ein weiteres Kriterium besteht darin, dass der Gesamtspin 0 beträgt. Objektiv unbestimmt sind die einzelnen Spinzustände der Teilchen A und B.
Unsere Experten Janina und Thomas können sicher die genauere Herleitung des Bell'schen Ungleichungen adäquat darlegen.
*
Dies schließt nicht-lokale verborgene Parameter, wie sie die Bohm'sche Mechanik postuliert, nicht prinzipiell aus.
closs hat geschrieben:Durch das Messen des Photons A wird die Polarisierung erst festgelegt - und instantan dadurch auch die Polarisierung des Partner-Photons B festgelegt - egal wie weit sich beide voneinander entfernt haben. - Richtig?
Ja.
Im Grunde gilt immer die gleiche Grundregel: Der Zustand eines Quantenobjektes ist objektiv unbestimmt. So ist beim Doppelspaltexperiment der Ort
x eines Teilchens unbestimmt. Erst auf der Dedektor-Platte registrieren wir das Teilchen punktförmig, allerdings ist der Detektionsort objektiv zufällig.
Es scheint so, als würde eine delokalisierte Welle beide Spaltöffnungen passieren, um dann als punktförmiges Teilchen detektiert zu werden. Erst bei der Messung wird der Ort
x bestimmt.
Analog verhält es sich mit der Polaristation der Photonen, der Spinorientierung der Elektronen, dem Zerfall des Isotops und dem Zustand der Katze. Wobei Letzteres unsere Vorstellung von Realität auf den Kopf stellt.
Jedwede Wechselwirkung (wie Messungen) führt zum Kollaps der Wellenfunktion, daher erscheint ein mesokosmisches Objekt (wie Schrödingers Katze), welches immer mit der Umgebung wechselwirkt, auch nicht im Zustand der Superposition.
closs hat geschrieben:Wenn ich das richtig verstanden habe - weiter:
Halman hat geschrieben:"Diejenigen, die nicht schockiert sind, wenn sie zum ersten Mal mit Quantenmechanik zu tun haben, haben sie nicht verstanden"
Die Festlegung einer Realität durch Wahrnehmung/Messung sowie die instantane Wirkung von A auf B sind wirklich nicht verständlich - schockiert muss man deshalb nicht sein. - Denn unter dialektischen Gesichtspunkten hat man ständig damit zu tun.
Inwiefern?
Aus physikalischer Sicht ist dies schockierend, jedenfalls für einen Deterministen.
closs hat geschrieben:Dass lokale Parameter durch Bell falsifiziert sind, ist zu erwarten - denn es ist nicht zu erwarten, dass die Lösung innerhalb des Horizonts unserer Wahrnehmungs-/Messungs-Möglichkeiten zu finden ist. - Deshalb: Welche Parameter sind theoretisch/mathematisch (?) außerhalb unseres Horizonts der Wahrnehmungs-/Messungs-Möglichkeiten denkbar? - Denn da müsste man meines Erachtens suchen.
Lokalität meint, dass sich die Teilchen innerhalb der Zeit Δ
t nicht gegenseitig beeinflussen können, da selbst die maximale Ausbreitungsgesschwindigkeit für Information
c in dieser Zeit die Distanz Δ
s nicht überbrücken kann. Daher können die Teilchen A und B lokal betrachtet werden.
Wenn also durch die Bell'schen Ungleichungen lokale verborgene Parameter ausgeschlossen wurden, könnten nur noch nicht-lokale verborgene Parameter vorliegen. Liegen diese nicht vor, ist der Mikrokosmos interdeterminiert.
closs hat geschrieben:Nochmals: Wir kommen nicht drum, dass es eine Lösung zu dieser Frage gibt. - Dass wir diese Lösung in unserer "Dimension" (siehe "2-D-Häftling") nicht finden können, sagt objektiv nichts aus.
Das experimentelle Ergebnis der Bell'schen Ungleichungen ist m. W. von fundamtentaler Bedeutung. Natürlich könnte man versuchen, über Extradimensionen oder die LQG verborgene Parameter einzuführen, doch diese können nur nicht-lokal sein.