R.F. hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:
Nun ja, über Verschwörungstheorien kann man bekanntermaßen nicht streiten, denn sie sind kritikresistent, weil gegen Argumente immunisierend verschanzt. Jedes Gegenargument wird interpretiert als Argument mangelnden Glaubens. Das ist im orthodoxen Marxismus übrigens ebenso.
Der Kluge schweigt zu Verschwörungstheorien besser.

Sicher sprichst Du von Einsteins Relativitätstheorien, der Evolutionstheorie, der Historischen Geologie und der historisch-kritischen Methode - alles "Metaphysische Forschungsprogramme". Und das ist wahrlich viel zu nachsichtig ausgedrückt...
Mittlerweile amüsieren mich solche Diskussionen eher, als dass ich sie ernst nehme. Das ist wie ein geistiges Herumtollen in einem ball pit (ich weiß nicht, wie der deutsche Name ist) mit lauter bunten Bällen darin im Kinderspielparadies, - nur eben für Erwachsene.
Eigentlich ist es aber nicht lustig.
Ich habe während des Studiums in Tübingen in den Seminaren auch mit einigen schwäbischen Pietisten, Ostlern und evangelischen Fundamentalisten mit Hang zum Kreationsimus zusammen gesessen und habe gesehen, wie sie am Theolgiestudium regelrecht zerbrochen sind. Das tat mir immer sehr Leid, denn es waren intelligente junge Christen. Ich selbst war damals gläubiger als heute, aber diese evangelischen Spielarten waren mir fremd. Während ich mich durch das Studium der historisch-kritischen Methoden in den AT- und NT-Proseminaren in meinem Glauben sogar gestärkt sah, weil sie mir halfen, meinen Glauben mit meinem Verstand in Einklang zu bringen, verzweifelten die klügeren pietistischen und fundamentalistischen Kommilitonen an ihnen.
Aber nicht etwa, weil sie von den Seminarleitern gezwungen worden wären, diese wissenschaftlichen Methoden wider ihrem Glauben anzunehmen, sondern weil sie sie lernten und einsahen. Sie hatten wie ich ihre Sprachprüfungen absolviert und wussten um die Übersetzungsprobleme aus dem Griechischen und Althebräischen. Sie lasen wie ich ihre griechischen NT-Texte im Nestle/Aland:
Novum Testamentum Greace mit seinem kritischen Apparat, wo alle Quellen zu jeder Textstelle aufgeführt sind, aus denen sich der Text des Neuen Testamentes zusammensetzt mit all seinen Abweichungen in den diversen Quellen.
Sie studierten wie ich die altestamentlichen und neutestamentlichen Quellen und bemerkten natürlich, dass sich die heutige Bibel, auf ganz unterschiedliche Text-Quellen stützt, aus unterschiedlichen Zeiten, verfasst von ganz unterschiedlichen Autoren und sie sahen, wie die Redaktionsgeschichte diese Texte im Laufe der Zeit zusammenführte zu unserem heutigen Bibeltext.
Weil sie aufgrund
ihrer eigenen wissenschaftlichen Arbeit sahen, dass die Bibel nicht das ist, was ein theologisch nicht ausgebildeter Leser glaubt, das sie ist, verzweifelten sie. Sie konnten ihren Glauben und das, was sie gelernt hatten und wussten nicht in Einklang bringen.
Die fundamentalistischen evangelischen Studenten im Bengelhaus in Tübingen hatten diese Probleme nicht, weil die nie lernten, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet. Die haben einfach so getan, als sei ihre Bibel irgendwann vom Himmel gefallen.
Mein Glaube blühte zu dieser Zeit auf, weil ich nie gezwungen worden war, Glauben gegen Verstand und Wissen setzen zu müssen. Diesen armen pietistischen Studenten aber war offenbar beigebracht worden, das sie ihren Glauben gegen wissenschaftliche Erkenntnisse schützen müssen, weil nur das angeblich wahrer und fester Glaube sei.
Ich habe hierüber immer den Kopf geschüttelt und tue es auch heute noch. Und diese am Studium der Theologie verzweifelten Studenten tun mir auch heute noch Leid.
Sie dachten, es sei ein Ausdruck von Stärke ihres Glaubens, wenn sie ihn gegen die eigenen Einsichten schützen würden. Stattdessen kam mir es aber immer so vor, als seien sie am Ende sehr unsicher in ihrem Glauben.