Was ist Zufall?

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W.Bodensee
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#101 Re: Was ist Zufall?

Beitrag von W.Bodensee » Mo 11. Aug 2014, 19:56

Liebe Lena, ... Ich fand das Folgende recht hilfreich (Von closs am 19. April geschrieben; für mich etwas Ordnung u. ein wenig mehr Verstehen in die Diskussion um den BEGRIFF Zufall bringend )
Vielleicht nicht gleich bei einzelnen "Reizworten" od. Aussagen dichtmachen. Es wird hier diskutiert. In einer Diskussion sollte man weitgehendst für alle Möglchkeiten offen bleiben - Schubladen hindern da nur .. Klingt jetzt etwas schulmeisterlich, sorry -) :

Geistesgeschichtlich ist - bei christlich motivierter Literatur - "Zufall", wenn der Mensch nicht weiß, warum etwas geschieht. Erklärt wird dieser Zufall dann mit "Fügung" (s.u.). - In der griechischen Literatur wird "Zufall" eher verstanden als "kairos" - vielleicht vergleichbar mit dem "Bifurkationspunkt" der Chaostheorie. - In der Kathedrale von Coventry steht ein Spruch, der dem entspricht und sowohl christlich als auch griechisch interpretierbar ist: "Wenn der Mensch am Scheideweg steht, halten die Engel die Luft an".

Der Unterschied über dem Daumen zwischen "christlich" und "griechisch": Beim Christlichen steht die "Nemesis" dahinter (das kausal begründbare Schicksal resp. "Gott") - beim Griechischen steht die "Tyche" dahinter (das blinde Schicksal).

Die griechische Tyche-Variante kommt dem, was man umgangssprachlich als "Zufall" bezeichnet, nahe. - Im christlichen Sinne gibt es keinen "Zufall", allenfalls als Ausdruck menschlicher Erkenntnis-Schwäche in Bezug auf "Fügung". - Man kann den Begriff "Zufall" in beiden Fällen ersetzen: christlich mit "Fügung" - griechisch mit "(Tyche-) Schicksal".

= > "Wenn der Mensch am Scheideweg steht, halten die Engel die Luft an" ist in etwa das, was Du wohl meinst.

Gruss - W.v B.

Isaac Newton: > "Wir Menschen bauen oft zuviele Mauern und zu wenige Brücken !! "

Lena
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#102 Re: Was ist Zufall?

Beitrag von Lena » Mo 11. Aug 2014, 20:28

Am 19. April habe ich nichts gefunden Bodensee.

Wenn der Mensch am Scheideweg steht, kann er innehalten und sich entscheiden, ob er den geführten oder den zufälligen Weg einschlagen will.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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#103 Re: Was ist Zufall?

Beitrag von Pluto » Mo 11. Aug 2014, 20:49

Lena hat geschrieben:Am 19. April habe ich nichts gefunden Bodensee.
Bodensee hat versentlich das Registrierungsdatum von closs zitiert. (19. April 2013)
Guckst du bitte hier.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Pluto
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#104 Re: Was ist Zufall?

Beitrag von Pluto » Mo 11. Aug 2014, 21:31

W.Bodensee hat geschrieben:Ich fand das Folgende recht hilfreich (Von closs am 19. April geschrieben; für mich etwas Ordnung u. ein wenig mehr Verstehen in die Diskussion um den BEGRIFF Zufall bringend )
Dann schaumermal was da genau steht...
closs hat geschrieben:Geistesgeschichtlich ist - bei christlich motivierter Literatur - "Zufall", wenn der Mensch nicht weiß, warum etwas geschieht. Erklärt wird dieser Zufall dann mit "Fügung" (s.u.). - In der griechischen Literatur wird "Zufall" eher verstanden als "kairos" - vielleicht vergleichbar mit dem "Bifurkationspunkt" der Chaostheorie.
Das im alten Griechenland von den Sophisten stammende Wort kairos hat eigentlich mit Zeit zu tun (chronos und kairos), und bedeutet so was wie (zufällig) "zum richtige Zeitpunkt". Allerdings wäre ich dankbar, wenn mir Jemand erklären könnte, was das mit Chaostheorie zu tun hat?
closs hat geschrieben:beim Griechischen steht die "Tyche" dahinter (das blinde Schicksal).
In der Tat. Tyche hat was mit Schicksal oder Glück zu tun. Die alten Griechen glaubten, wenn etwas unerklärbares geschah, müsse man das der Göttin Tyche zuschreiben.
closs hat geschrieben:Die griechische Tyche-Variante kommt dem, was man umgangssprachlich als "Zufall" bezeichnet, nahe.
Richtig!
closs hat geschrieben:Im christlichen Sinne gibt es keinen "Zufall",
Im säkularen Sinn ebenfalls nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#105 Re: Was ist Zufall?

Beitrag von ThomasM » Mo 11. Aug 2014, 22:40

Pluto hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Und der Zahlenwert einer Wahrscheinlichkeit hängt von dem Modell ab, das ich nutze, um einen physikalischen Prozess zu beschreiben.
Ein Beispiel wäre hier sehr nützlich, denn ich sehe nichts außer den von mir bereits erwähnten erwähnten Rahmenbedingungen, was hier einen Einfluss haben könnte.
Es ist etwas schwierig ein Beispiel zu finden, das so einfach ist, dass du nicht sofort sagst "das ist doch klar", aber komplex genug, damit ich meinen Punkt rüberbringen kann.
Ich versuchs mal:

Nehmen wir das klassische Ziegenproblem. 3 Türen, 2 Ziegen, 1 Sportwagen jeweils dahinter. Ein Ratender, ein Moderator.
Der Ratende wählt eine Tür, die aber noch nicht geöffnet wird.
Der Moderator verrät eine andere Tür, hinter der eine Ziege ist.
Soll der Ratende jetzt zur anderen Tür wechseln oder nicht?

Modell 1 (nennen wir es das intuitive Modell)
Das besagt, dass nachdem der Moderator eine Ziegentür verraten hat, zwei Türen übrig bleiben. Hinter einer ist eine Ziege, hinter der anderen das Auto. Die Wahl ist egal. Also ist es auch egal, ob der Ratende wechselt oder nicht.
Ergebnis: Wahrscheinlichkeit zu gewinnen 50%.

Modell 2 (das schlaue Modell)
Das besagt, dass die Wahl des Moderators ja von der ersten Wahl abhängig ist. Wir haben es also mit bedingten Wahrscheinlichkeiten zu tun, bei denen man aufpassen muss. Der Schlaue macht eine Tabelle, in der die Wahlmöglichkeiten aufgeführt sind.
Ergebnis: Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, wenn man wechselt, egal welches die erste Wahl war 2/3

Experiment
Nun prüfe die Theorie nach. Wir machen das Experiment mit 100 Personen. Wir finden, dass 65 gewonnen hätten, wenn sie gewechselt hätten oder gewonnen haben, wenn sie gewechselt haben.

Diskussion:
Wir haben zwei Modelle, die zu unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten führen. Das Modell entscheidet die Wahrscheinlichkeit.
Das Experiment legt nahe, dass Modell 2 korrekt ist, dass also die "wahre" Wahrscheinlichkeit 2/3 beträgt.
Aber wissen wir das? Wir können nur endlich viele Versuche machen. Wahrscheinlichkeit gilt aber im Grenzwert gegen unendlich. Vielleicht hatten wir bei unseren 100 Versuchen nur Pech?

Nun zur täglichen Praxis:
Das war ein einfaches, überschaubares Beispiel. Da kann man sich einigen, dass wir in den Versuchen kein Pech hatten, oder mit dem Computer Milliarden Versuche durchführen und die Theorie ist auch ok. Modell 2 ist korrekt und die normale Intuition falsch.
Aber so eine Situation haben wir eher selten. Weder bei Evolution, noch bei medizinischen, noch bei psychologischen Phänomenen kennen wir alle Einflussfaktoren, wir haben keine gute Unterscheidung der Modelle, unsere Versuchs- und Datenbasis ist mangelhaft oder schlecht usw. usw.

Nun kannst du sagen: Wenn ich annehme, dass es nur eine Realität gibt und in dieser einen Realität ein setup auch nur eine Wahrscheinlichkeit trägt, dann hat ein Vorgang exakt eine, eben "die" wahrscheinlichkeit. Aber was haben wir von dieser Annahme, wenn unsere Theorie sie nicht berechnen kann (weil die Komplexität des Phänomens zu groß ist) und Versuche nicht möglich oder sehr beschränkt sind (zu kleine oder ungenaue Datenbasis)?
Und closs würde deine Annahmen mit dem pösen Wort Setzungen bezeichnen.

Das war der Punkt von mir. Sehr oft sagt uns unser Modell eine Wahrscheinlichkeit, aber wir haben kaum Möglichkeiten zu entscheiden, wie "richtig" das ist. Das gilt vor allem und gerade in der Evolutionstheorie.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Pluto
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#106 Re: Was ist Zufall?

Beitrag von Pluto » Mo 11. Aug 2014, 23:02

ThomasM hat geschrieben:Nehmen wir das klassische Ziegenproblem. 3 Türen, 2 Ziegen, 1 Sportwagen jeweils dahinter. Ein Ratender, ein Moderator.
Der Ratende wählt eine Tür, die aber noch nicht geöffnet wird.
Der Moderator verrät eine andere Tür, hinter der eine Ziege ist.
Soll der Ratende jetzt zur anderen Tür wechseln oder nicht?
JAAAAA!! Die Chance ist dann, und nur dann 2/3.
Das erste Modell ist ein Strohmann.
Das war der Punkt von mir. Sehr oft sagt uns unser Modell eine Wahrscheinlichkeit, aber wir haben kaum Möglichkeiten zu entscheiden, wie "richtig" das ist.
Schon klar.
Das beweist aber nur, dass die Wahrscheinlichkeit nur so gut sein kann, wie das darunter liegende Modell. Sie hängt also von den gesetzten Rahmenbedingungen ab.

Die Wahrscheinlichkeit ist trotzdem im Rahmen der Annahmen mathematisch eindeutig berechenbar.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#107 Re: Was ist Zufall?

Beitrag von Pluto » Mo 11. Aug 2014, 23:04

ThomasM hat geschrieben:Ich glaube, dass das so ist, weil sich GOTT damit alle Freiheiten läßt. Er kann sich situativ entscheiden. Er kann jederzeit lenken und eingreifen, ohne seine eigene Schöpfung durcheinander zu bringen. Er hat das so geschaffen als eigenen Steuerungsmechanismus.
Zufall ist nicht nur böses Spiel der Menschen, sondern göttlicher Weg der Schöpfung.
Widersprichst du damit der Annahme einer "göttlichen Fügung"?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#108 Re: Was ist Zufall?

Beitrag von closs » Di 12. Aug 2014, 01:34

Pluto hat geschrieben:Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses ist absolut und steht nicht in Bezug zu irgendetwas (außer den Rahmenbedingungen des Experiments).
Das ist doch gerade das EntscheidendeDer Mensch konzipiert Rahmenbedingungen als Koordinaten-System, an dem man misst, was wahrscheinlich ist und was nicht. - Ändert sich das (vom Menschen vorgegeben) Korrdinaten-System, passt sich die Wahrscheinlichkeits-Rechnung dem an (und führt - normalerweise - zu anderen Ergebnissen). - Genau die Antwort auf die Frage, im Verhältnis zu was etwas un-/wahrscheinlich ist.

Pluto hat geschrieben: Demnach ist also der Wille nur scheinbar frei.
Was ist "frei"? - Wenn man alles nach seinem Willen frei gestalten kann? - Oder wenn man alles innerhalb der eigenen Positionierung nach seinem Willen frei gestalten kann? - Ich meine, es kommt nur letzteres in Frage.

closs
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#109 Re: Was ist Zufall?

Beitrag von closs » Di 12. Aug 2014, 01:38

Pluto hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Ich glaube, dass das so ist, weil sich GOTT damit alle Freiheiten läßt. Er kann sich situativ entscheiden. Er kann jederzeit lenken und eingreifen, ohne seine eigene Schöpfung durcheinander zu bringen. Er hat das so geschaffen als eigenen Steuerungsmechanismus.
Zufall ist nicht nur böses Spiel der Menschen, sondern göttlicher Weg der Schöpfung.
Widersprichst du damit der Annahme einer "göttlichen Fügung"?
Wieso denn das? - Das ist doch Fügung.

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#110 Re: Was ist Zufall?

Beitrag von Pluto » Di 12. Aug 2014, 02:08

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Demnach ist also der Wille nur scheinbar frei.
Was ist "frei"? - Wenn man alles nach seinem Willen frei gestalten kann? - Oder wenn man alles innerhalb der eigenen Positionierung nach seinem Willen frei gestalten kann? - Ich meine, es kommt nur letzteres in Frage.
Natürlich haben wir nur die frei Wahl und keinen freien Willen.
Aber beides beißt sich nun mal mit Fügung.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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