Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

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Agent Scullie
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#221 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Fr 7. Okt 2016, 18:18

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Spricht er von dem dynamischen Casimir-Effekt, um den es in folgendem Link geht?
http://www.astropage.eu/index_news.php?id=299
Ja.
Es ist für mich neu, dass tatsächlich reale Photonen im dynamischen Casimir-Experiment entstehen.
Ist es ein Beweis für die Teilchen-Theorie?
Zunächst einmal ist das, was du hier "Teilchen-Theorie" nennst, gar keine Theorie, sondern eine populärwissenschaftliche Darstellung. Die Anforderungen an eine wissenschaftliche Theorie erfüllt diese Darstellung nichtmal ansatzweise. Zweitens gibt es für Theorien keine Beweise, sondern bestenfalls Bestätigungen (eine Theorie kann, auch wenn es bereits viele Bestätigungen für sie gibt, immer noch widerlegt werden, somit ist sie grundsätzlich niemals beweisbar). Drittens kann es für die besagte Darstellung aber auch keine Bestätigungen geben, weil sie keine Vorhersagen macht (außer rein qualitative). Viertens kann das Auftreten realer Photonen beim dynamischen Casimir-Effekt ganz einfach dadurch erklärt werden, dass das elektromagnetische Strahlungsfeld aus dem Vakuumzustand in einen angeregten Zustand mit einer Photonenzahl > 0 übergeht.
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#222 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Pluto » Fr 7. Okt 2016, 19:46

Agent Scullie hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es ist für mich neu, dass tatsächlich reale Photonen im dynamischen Casimir-Experiment entstehen.
Ist es ein Beweis für die Teilchen-Theorie?
Zunächst einmal ist das, was du hier "Teilchen-Theorie" nennst, gar keine Theorie, sondern eine populärwissenschaftliche Darstellung.
Einspruch!
Sorry, aber jede Darstellung, jedes Modell kann eine Theorie sein. Es genügt, wenn die Idee (das Modell) empirisch bestätigt werden kann. Das ist seit mehr als 50 Jahren so... Guckst du bitte (nur eine Minute):


Agent Scullie hat geschrieben:Die Anforderungen an eine wissenschaftliche Theorie erfüllt diese Darstellung nichtmal ansatzweise.
Welche Anforderungen wären dies?

Agent Scullie hat geschrieben:Zweitens gibt es für Theorien keine Beweise, sondern bestenfalls Bestätigungen (eine Theorie kann, auch wenn es bereits viele Bestätigungen für sie gibt, immer noch widerlegt werden, somit ist sie grundsätzlich niemals beweisbar).
Sehe ich genauso. Meine Rede seit gefühlt 100 Jahren... :thumbup:
(Deshalb spreche ich NIE von Beweisen einer Theorie.)

Aber es kommt noch schlimmer...
Wir können nur falsifizieren, niemals endgültig bestätigen. Damit wurde übrigens der Positivismus durch Karl Popper begraben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Positivismusstreit

Agent Scullie hat geschrieben:Drittens kann es für die besagte Darstellung aber auch keine Bestätigungen geben, weil sie keine Vorhersagen macht (außer rein qualitative).
In vielen Bereichen der Wissenschaft, gibt es nichts anderes als qualitative Bestätigungen die sich nur statistisch erfassen lassen. Oder willst du behaupten, die Evolutionstheorie sei keine Theorie, weil sie keine quantitativen Vorhersagen macht?
Wenn man deinen Gedanken weiter denkt, so könnte man vermuten, das Römische Reich hätte nie existiert.
Hmm...

Agent Scullie hat geschrieben:Viertens kann das Auftreten realer Photonen beim dynamischen Casimir-Effekt ganz einfach dadurch erklärt werden, dass das elektromagnetische Strahlungsfeld aus dem Vakuumzustand in einen angeregten Zustand mit einer Photonenzahl > 0 übergeht.
Also doch!? Du drükst es zwar eleganter aus, als ich es jemals könnte... aber das ist genau die Bestätigung die ich suchte. :D
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#223 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von seeadler » Sa 8. Okt 2016, 06:33

Pluto hat geschrieben:Agent Scullie hat geschrieben:
Viertens kann das Auftreten realer Photonen beim dynamischen Casimir-Effekt ganz einfach dadurch erklärt werden, dass das elektromagnetische Strahlungsfeld aus dem Vakuumzustand in einen angeregten Zustand mit einer Photonenzahl > 0 übergeht.
Also doch!? Du drükst es zwar eleganter aus, als ich es jemals könnte... aber das ist genau die Bestätigung die ich suchte

Mit anderen Worten und einer Umkehrung dessen : Wenn diese geforderte Geschwindigkeit von 260.000 km/s erreicht wird für die entsprechenden Teilchen, dann entsteht ebenfalls Materie, wo es zuvor gar keine gab (außer der Ruhemasse). Aus der Strahlung (Photonen) werden Elektronen?! Oder mit anderen Worten, wo zuvor nichts ist, ist auf einmal etwas.

Das ist meiner Meinung nach genau das, was "unmittelbar" nach dem Urknall eingetreten ist - die Strahlung wurde "abgebremst" und im Rahmen dessen entstand aus "purer Energie" Materie

dabei interessant folgende Aussage: Die Van-der-Waals-Kraft zwischen leitenden Platten kann also einfacher berechnet werden, wenn angenommen wird, dass das Vakuum ein Raum voller virtueller Teilchen ist, die als Vakuumfluktuation bezeichnet werden. Solchen Teilchen kann eine De-Broglie-Wellenlänge zugeordnet werden. Dabei muss der Abstand der beiden Platten einem Vielfachen der halben Wellenlänge der virtuellen Teilchen entsprechen Anstelle der angenommenen leitenden Platten kannst du auch zwei entgegen gesetzt wirkende Kraftfelder annehmen, zwischen denen dann das gleiche passiert. So gesehen hatte ich ja auch die Existenz der Galaxien an sich erklärt... und in diesem Sinne kannst du sogar den Urknall erklären.
Alles, was ich hier schreibe, verstehe ich lediglich als Gedanken und Anregungen, Inspirationen, keine Fakten! Wenn es mit tatsächlichen abgleichbaren Fakten übereinstimmt, dann zufällig.

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#224 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Janina » Sa 8. Okt 2016, 11:09

Agent Scullie hat geschrieben:Ich vermute mal, mit den diskreten meinst du vermutlich, dass man beim Doppelspaltexperiment auf dem Schirm immer scharf lokalisierte Punkte vorfindet. Das widerspricht jedoch in keinster Weise der quantentheoretischen Beschreibung: in den Fällen, in die Teilchen, die die Punkte auf dem Schirm bilden, anschließend noch weiterexistieren, wie z.B. im Fall von Elektronen, haben die anschließend eine entsprechend scharf lokalisierte Wellenfunktion.
Fast. Die Wellenfunktion bildet das gewohnte Muster, die Teilchen sind (scharf lokalisierte) Punkte darin. Viele Teilchen bilden viele Punkte, die mit zunehmender Menge die Wellenfunktion abbilden.

Agent Scullie hat geschrieben:die Frage, wie es genau dazu kommt, dass eine Wellenfunktion, die zunächst über die ganze Messapparatur delokalisiert ist, nun plötzlich scharf lokalisiert ist, ist noch Anlass für rege Diskussionen.
Das ist mit der Kopenhagener Deutung vorbei. Statistik kollabiert nicht.
Ich denke dass dieses Gespenst vom Kollaps der Wellenfunktion noch von der Sehnsucht herrührt, ein Teilchen theoretisch vollständig beschreiben zu können, auch wenn das vergangener Käse ist.

Agent Scullie hat geschrieben:Wollte man unterstellen, die Welt sei immer körnig, also nicht nur dann, wenn man gerade eine Messung macht, sondern auch sonst immer, dann liefe das auf die Interpretation der verborgenen Parameter hinaus: dass also der "glatte" quantenmechanischen Zustand ein System nicht vollständig beschreibt, sondern es darüberhinaus "körnige" verborgene Parameter gibt.
Wir wissen aber, dass es die verborgenen Parameter nicht gibt, und Teilchen trotzdem körnig auftreten. So wie Elektronen auf dem Beugungsschirm, so treten halt virtuelle Teilchenpaare im Vakuum auf, obwohl die Wellenfunktion glatt bleibt.

Agent Scullie hat geschrieben:Übrigens: die echten virtuellen Teilchen, also die bei Wechselwirkungsprozessen, sind auch überhaupt nicht körnig, sondern im Gegenteil äußerst glatt, auch wenn Feynman-Diagramme anderes suggerieren. Der Austausch eines virtuellen Photons z.B. zwischen zwei Elektronen bei der Möller-Streuung ist ein hochgradig glatter Vorgang, da ist gar nichts körnig: die Elektronen (die man sich als Wellenpakete vorstellen kann) fliegen aufeinander zu, dadurch wird die elektrische Abstoßung (vermittelt durch das elektromagnetische Feld) zwischen ihnen immer stärker, dadurch wird die Annäherung gebremst, bis sie schließlich in ein Auseinanderdriften umschlägt. Dabei nimmt die Entfernung zu, so dass die elektrische Abstoßung wieder schwächer wird, sie beschleunigt das Auseinanderdriften aber noch weiterhin.
Das ist kein Unkörnigkeitsbeweis, nur ein klassischer Übergang durch beliebig viele Streuvorgänge. Die gestreuten Elektronen sind danach ja noch da, und stoßen sich weiter ab. Das Feynman-Diagramm hätte dann tausende innere Photonenlinien.

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#225 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Sa 8. Okt 2016, 14:45

Janina hat geschrieben:Was spricht dagegen, die "faule Ausrede" zu akzeptieren?
Wenn man die Kopenhagener Deutung konsequent anwendet, bekommt man nämlich genau das: Eine Wellenfunktion gibt Raum für Statistik. Wenn die Energie (wegen ΔE * Δt > ħ/2) nicht gleich Null sein kann, bietet die Statistik kurz (Δt) Raum für Teilchen, obwohl die Wellenfunktion glatt ist.
Klingt so, als würdest du von der Vorstellung ausgehen, dass die Unschärfebeziehung zwischen Energie und Zeit aussagen würde, dass für die kurze Zeit Δt die Energie ΔE entstehen dürfe, z.B. in Form von Teilchen, also in der Quantentheorie der Energieerhaltungssatz kurzzeitig verletzt werden dürfe. Das ist jedoch auch wieder nur so eine Darstellung, die ausschließlich in populärwissenschaftlichen Quellen zu finden ist. Es gibt in der Quantentheorie zwar eine Unschärfebeziehung zwischen Energie und Zeit, die sagt jedoch etwas ganz anderes aus. Betrachten wir dazu mal drei Beispiele:

1) Nimm ein Teilchen, dessen Wellenfunktion ein entlang der x-Achse voranschreitendes Wellenpaket sei:

https://de.wikipedia.org/wiki/Wellenpaket

Das Wellenpaket habe die Breite Δx und schreite mit der Geschwindigkeit v voran. Jetzt nimm an, du willst den Zeitraum Δt bestimmen, den das Wellenpaket benötigt, um z.B. den Punkt x = 0 zu durchlaufen. Für diesen Zeitraum kommt ganz einfach Δt = Δx/v heraus, d.h. je breiter und langsamer das Wellenpaket ist, desto länger braucht das Wellenpaket. Nun gilt, dass die Impulsunschärfe des Teilchens durch Δp = h/Δx gegeben ist (je schmaler das Wellenpaket im Ortsraum ist, desto breiter ist das entsprechende Wellenpaket im Impulsraum). Außerdem gilt für den mittleren Impuls <p> des Teilchens <p> = m*v, wobei m die Teilchenmasse ist. Nun betrachten wir die kinetische Energie des Teilchens. Einfachheitshalber nehmen wir das Teilchen als nichtrelativistisch an, dann ist die mittlere kinetische Energie <E_kin> = 1/2 m*v^2 = <p>^2 / (2m). Da der Impuls nicht scharf ist, ist auch die kinetische Energie nicht scharf, ihre Unschärfe berechnet sich zu ΔE_kin = (<p>/m) * Δp, sie hängt also von der Impulsunschärfe und dem mittleren Impuls <p> ab. Falls die Formel für ΔE_kin nicht klar sein sollte, die ergibt sich aus den Regeln der Fehlerfortpflanzung:

https://de.wikipedia.org/wiki/Fehlerfor ... .B6.C3.9Fe

dabei ist der Impuls die Größe x und die kinetische Energie die davon abhängige Größe y(x).

Jetzt betrachten wir die beiden Größen Δt und ΔE_kin. Dazu drücken wir Δt = Δx/v über den mittleren Impuls <p> und die Impulsunschärfe aus, indem wir Δx durch h/Δp ersetzen und v durch <p>/m:

Δt = (h/Δp) / (<p>/m) = m*h / (<p> * Δp)

Dann gilt für das Produkt Δt * ΔE_kin:

Δt * ΔE_kin = [m*h / (<p> * Δp)] * [(<p>/m) * Δp] = h

Alle Größen außer h fallen heraus. Wir erhalten also das Resultat, dass je länger das Wellenpaket zum Passieren des Punktes x = 0 (oder irgendeines beliebigen anderen Punktes, völlig egal) benötigt, desto schärfer die kinetische Energie des Teilchens ist. Und umgekehrt: je schneller das Wellenpaket den Punkt durchläuft, desto unschärfer ist die kinetische Energie. Und da wir von einem freien Teilchen ausgegangen sind, das außer der kinetischen Energie keine sonstige Energie (z.B. potentielle Energie) hat, ist die Unschärfe der kinetischen Energie zugleich die Unschärfe der Gesamtenergie (bei einem Elektron in einem Atom ist das z.B. ganz anderes: da ist die Gesamtenergie scharf, obwohl die kinetische Energie unscharf ist, es ist daneben eben noch die potentielle Energie durch die Anziehung des Atomkerns vorhanden).

2) Nimm deine eigene Internetverbindung. Nehmen wir an, du bist über eine drahtlose (d.h. Funk-)Verbindung online. Jedes Mal, wenn dein Computer Daten ins Internet versendet, werden diese in kleine Pakete zerlegt (ich meine nicht die TCP/IP-Datenpakete, sondern noch viel kleinere) und für jedes Paket ein Wellenpuls erzeugt, der von der Funkschnittstelle einer Trägerwelle aufmoduliert wird. Um nun möglichst viele Daten pro Sekunde versenden zu können, muss jedes Paket und damit jeder Wellenpuls möglichst kurz sein. Je kürzer ein Wellenpuls ist, desto höher ist jedoch seine Frequenzbandbreite, und desto höher ist damit die Frequenzbandbreite der modulierten Welle, die die Antenne deiner Netzwerkkarte absendet. Sei Δt die Dauer eines Wellenpulses und Δf die Frequenzbandbreite, so gilt Δf = 1/Δt. Man kann hier schon die Unschärfebeziehung zwischen Energie und Zeit erahnen, allerdings ist an dieser Stelle noch alles klassisch, da ist noch nicht Quantentheorie im Spiel.

Jetzt bringen wir die Quantentheorie ins Spiel: wir berücksichtigen, dass die von der Antenne abgestrahlten Funkwellen aus Photonen bestehen. Wir erinnern uns: ein Photon hat die Energie E = h*f. Hier aber haben die Funkwellen keine eindeutige Frequenz f, sondern eine gewisse Frequenzbandbreite Δf. Für die Photonen heißt das, dass die keine scharfe Energie E = h*f haben, sondern ihre Energie unscharf ist, mit der Unschärfe ΔE = h*Δf. Nun gehen wir noch einen Schritt weiter, wir reduzieren die Sendeleistung der Antenne, und zwar so weit, dass für jeden aufmodulierten Wellenpuls gerade noch ein einziges Photon übrig bleibt. Das kann man sich dann so vorstellen, dass für jeden Wellenpuls ein einzelnes Photon emittiert wird, und somit die Dauer Δt eines Wellenpulses zur Länge des zugehörigen Photons wird. Dann gilt für die Energieunschärfe eines Photons

ΔE = h*Δf = h/Δt

Man kann es so ausdrücken: je kürzer der Zeitraum ist, den die Abstrahlung eines Photons dauert, desto unschärfer ist die Energie des Photons.

3) Nimm ein Elektron in einem Atom. Das Elektron befinde sich nicht auf dem niedrigsten verfügbaren Energieniveau (z.B. im Wasserstoff-Atom nicht auf dem 1s-Niveau), sondern auf einen angeregten Niveau. Auf diesem verbleibt es aber nicht sehr lange, sondern fällt irgendwann auf ein niedrigeres Niveau, und sendet dabei ein Photon aus. Jetzt misst du die Energie dieses Photons. Und du machst das nicht nur bei einem einzigen Atom und einem einzigen Photon, sondern bei ganz vielen gleichartigen Atomen, in denen du zuvor Elektronen auf das immer gleiche Niveau angeregt hast. Dann stellst du folgendes fest: die gemessene Energie der Photonen ist nicht immer gleich, sondern schwankt geringfügig. Anders formuliert: die zugehörige Spektrallinie hat eine gewisse Linienbreite. Nun misst du außerdem noch die mittlere Lebensdauer des angeregten Niveaus, d.h. wie lange ein Elektron im Mittel auf diesem Niveau verbleibt. Dabei fällt dir auf: je geringer diese mittlere Lebensdauer ist, desto größer ist die Linienbreite, d.h. desto stärker sind die gemessenen Photonenenergien gestreut. Hier wird das sehr schön erklärt:

https://de.wikipedia.org/wiki/Linienbreite

Man kann das so verstehen: je geringer die mittlere Lebensdauer des angeregten Zustandes, desto kürzer dauert die Abstrahlung des emittierten Photons, und desto größer ist dadurch die Energieunschärfe des Photons.

Soweit die drei Beispiele. Es sollte nun deutlich geworden sein: die Unschärfebeziehung zwischen Energie und Zeit hat nichts mit kurrzeitigen Verletzungen der Energieerhaltung zu tun, und auch nicht damit, dass die Statistik "kurz Raum für Teilchen bietet, obwohl die Wellenfunktion glatt ist". Vielmehr beschreibt sie Eigenschaften der glatten Wellenfunktion.

Und sie hängt mit folgender wichtiger Eigenschaft der Quantentheorie zusammen: eine zentrale Rolle in der Quantentheorie spielen Energieeigenzustände, also Zustände mit scharfer Energie, diese sind zugleich stationäre Zustände, d.h. Zustände, bei denen sich über lange Zeit nie etwas ändert. So sind z.B. die 1s,2s,2p,...-Zustände im Atom stationäre Zustände, oder die Zustände n=0,1,2,3,... beim harmonischen Oszillator, oder eben in der QFT der Vakuumzustand und Zustände mit eindeutiger Teilchenzahl. Um Zustände zu erhalten, bei denen sich etwas ändert, muss man mehrere Energieeigenzustände überlagern, auf diese Weise kann man z.B. ein lokalisiertes Wellenpaket konstruieren. Durch die Überlagerung unterschiedlicher Energieeigenzustände wird aber unweigerlich die Energie unscharf. In der Quantentheorie gibt es somit einerseits stationäre Zustände mit scharfer Energie und andererseits veränderliche Zustände, die in denen unterschiedliche stationäre Zustände überlagert sind, und in denen dadurch die Energie unscharf ist.

Das kann man gut auf den statischen und dynamischen Casimir-Effekt übertragen. Beim statischen Casimir-Effekt ist das elektromagnetische Feld im Vakuumzustand, also einem stationären Zustand mit scharfer Energie. In dem ändert sich nichts, zumindest nicht solange, die beiden Metallplatten nicht bewegt werden. Fängt man an, eine oder beide Platten zu bewegen, so kommt Dynamik in die Sache: die Energie des elektromagnetischen Feldes wird unscharf, und damit auch die Zahl der Photonen, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ist das Feld also nicht mehr im Vakuumzustand, sondern in einem angeregten Zustand. Und wohlgemerkt gibt es auch dabei keinerlei Verletzung der Energieerhaltung, auch nicht kurrzeitig. Denn die Energie des elektromagnetischen Feldes wird nicht einfach so von alleine unscharf, sondern durch einen äußeren Einfluss, nämlich dadurch, dass jemand eine oder beide Platten bewegt, und so Energie von außen zuführt.
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#226 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Pluto » Sa 8. Okt 2016, 17:32

Agent Scullie hat geschrieben:Klingt so, als würdest du von der Vorstellung ausgehen, dass die Unschärfebeziehung zwischen Energie und Zeit aussagen würde, dass für die kurze Zeit Δt die Energie ΔE entstehen dürfe, z.B. in Form von Teilchen, also in der Quantentheorie der Energieerhaltungssatz kurzzeitig verletzt werden dürfe. Das ist jedoch auch wieder nur so eine Darstellung, die ausschließlich in populärwissenschaftlichen Quellen zu finden ist. Es gibt in der Quantentheorie zwar eine Unschärfebeziehung zwischen Energie und Zeit, die sagt jedoch etwas ganz anderes aus. Betrachten wir dazu mal drei Beispiele:
Vielleicht versteckt sich hinter deinem Begriff der "populärwissenschaftlichen Quellen" gar nichts weiter als eine alternative aber dennoch gültige Erklärung, die im englischen Sprachraum öfter verwendet wird, als hierzulande.

Agent Scullie hat geschrieben:Man kann es so ausdrücken: je kürzer der Zeitraum ist, den die Abstrahlung eines Photons dauert, desto unschärfer ist die Energie des Photons.
Genau genommen, gehst du davon aus, dass ein Photon IMMER ein Wellenpaket ist, und niemals ein Teilchen sein kann.
Das ist eine Sicht der ich folgen kann, aber warum sollte es nicht legitim sein, das Photon als Teilchen zu betrachten; eine Betrachtung die ja im photoelektrischen Effekt belegt werden konnte: je mehr Photonen auf das Substrat treffen, umso mehr Elektronen werden freigesetzt.
Die Frage stellt sich dann, sind Elektronen auch nur Wellenpakete?

Agent Scullie hat geschrieben:Man kann das so verstehen: je geringer die mittlere Lebensdauer des angeregten Zustandes, desto kürzer dauert die Abstrahlung des emittierten Photons, und desto größer ist dadurch die Energieunschärfe des Photons.
Ja. Man kann es so darstellen, aber warum schließt es die Teilchen/Wellen-Dualität von Licht aus.

Agent Scullie hat geschrieben:Das kann man gut auf den statischen und dynamischen Casimir-Effekt übertragen. Beim statischen Casimir-Effekt ist das elektromagnetische Feld im Vakuumzustand, also einem stationären Zustand mit scharfer Energie. In dem ändert sich nichts, zumindest nicht solange, die beiden Metallplatten nicht bewegt werden. Fängt man an, eine oder beide Platten zu bewegen, so kommt Dynamik in die Sache: die Energie des elektromagnetischen Feldes wird unscharf, und damit auch die Zahl der Photonen, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ist das Feld also nicht mehr im Vakuumzustand, sondern in einem angeregten Zustand.
Wenn du von der Zahl der Photonen ausgehst, so nimmst du immer an, es handle sich dabei um "Wellenpakete". Das ist aus meiner Sicht vollkommen i.O. wenn man das tun möchte. Aber das schließt eine Teilchen-Betrachtung nicht aus. Man kann dasselbe mit Protonen und leichten Atomkernen auch tun, aber umso größer die Masse der betrachteten Teilchen wird, um so sinnloser wird die Betrachtung als Welle und umso sinnvoller wird die reine Materieteilchen-Betrachtung. Was ich damit sagen will... es ist ein fließender Übergang von einer reinen Wellenbetrachtung zum Teilchen.

Agent Scullie hat geschrieben:Denn die Energie des elektromagnetischen Feldes wird nicht einfach so von alleine unscharf, sondern durch einen äußeren Einfluss, nämlich dadurch, dass jemand eine oder beide Platten bewegt, und so Energie von außen zuführt.
Ich glaube hier irrst du: die Energie wird nicht durch die Energiezufuhr unscharf. Die Unschärfe ist von äußeren Einflüssen unabhängig und beträgt stets 'h'.

Die Bewegung führt zwar Energie zu, aber was ist denn falsch, zu sagen, diese Energie "verwandelt" die virtuellen Photonen in reale Photonen und durch die Energiezufuhr werden die entsprechenden virtuellen Antiphotonen "vernichtet".

Was bitte, soll an dieser Erklärung falsch sein?
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#227 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von seeadler » Sa 8. Okt 2016, 22:18

Pluto hat geschrieben:Agent Scullie hat geschrieben:
Man kann es so ausdrücken: je kürzer der Zeitraum ist, den die Abstrahlung eines Photons dauert, desto unschärfer ist die Energie des Photons.
Genau genommen, gehst du davon aus, dass ein Photon IMMER ein Wellenpaket ist, und niemals ein Teilchen sein kann.
Das ist eine Sicht der ich folgen kann, aber warum sollte es nicht legitim sein, das Photon als Teilchen zu betrachten
Pluto hat geschrieben:Wenn du von der Zahl der Photonen ausgehst, so nimmst du immer an, es handle sich dabei um "Wellenpakete". Das ist aus meiner Sicht vollkommen i.O. wenn man das tun möchte. Aber das schließt eine Teilchen-Betrachtung nicht aus. Man kann dasselbe mit Protonen und leichten Atomkernen auch tun, aber umso größer die Masse der betrachteten Teilchen wird, um so sinnloser wird die Betrachtung als Welle und umso sinnvoller wird die reine Materieteilchen-Betrachtung. Was ich damit sagen will... es ist ein fließender Übergang von einer reinen Wellenbetrachtung zum Teilchen.

ich weiß, dass du mich nicht sonderlich ernst nimmst, und einige andere hier offenbar auch nicht... aber auf dieses Problem sind wir auch schon einige Male eingegangen und ich habe dir damals erklärt, dass du das gleiche Problem im makroskopischen Bereich, also auch bei den Planeten, Monden und Sonnen wieder findest. Der schlüssel dazu ist nun mal die Geschwindigkeit, oder besser gesagt die Betrachtungsdauer eines Ereignisses.
Jedenfalls sehe ich dies ebenso, wie du es hier beschrieben hast, aber dazu muss man dann auch den eigentlichen Unterschied zwischen dem Ergebnis, wann es sich um ein Teilchen handelt, und wann um eine Welle.

Vor einiger Zeit hatte ich deshalb hier darauf aufmerksam gemacht, dass es dir unmöglich ist, zu erkennen, dass es eine Welle ist, auf der du sitzt, wnen du Teil dieser Welle bist. In diesem Fall siehst du die Teilchenstruktur der Welle, stellst du fest, dass die dich umgebende und tragende Welle eigentlich aus "Teilchen" besteht. Könnten wir uns aus diesem System herausnehmen, in dem wir uns hier im Universum befinden, so würdenwir feststellen, dass wir es bei dem, was wir da betrachten, mit eine Welle zu tun haben. In diesem Sinne hatte ich ebenfalls geschrieben, wenn wir eine hypothetische Reise zum Rand des Universums unternehmen würden, dann hätten wir die kuriose Situation, dass wir einerseits exakt an den gleichen Ort zurück kehren, von dem wir gestartet sind, nur mit dem Unterschied, dass sich die Größenverhältnisse zueinander geändert haben - denn wir selbst sind Teilchen einer Welle geworden, welches sich im Raum mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Jene Erkenntnis Heisenbergs bezüglich der Unschärfe beinhaltet ja nun mal auch den Übergang von Welle und Teilchen, also dem, was ich nun beobachten möchte. Und dies hängt davon ab, wie ich selbst zu jenem Beobachtungsobjekt stehe.

Wie gesagt, die Erde, unser Mond, die anderen Planeten und Monde, sie alle sind Teil einer entsprechenden Welle, die eine bestimmbare Energie in sich trägt - die Gravitationsenergie - und die wir nur als "Teilchen" sehen, weil wir uns mit den "Teilchen" relativ mitbewegen......
Alles, was ich hier schreibe, verstehe ich lediglich als Gedanken und Anregungen, Inspirationen, keine Fakten! Wenn es mit tatsächlichen abgleichbaren Fakten übereinstimmt, dann zufällig.

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#228 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » So 9. Okt 2016, 01:35

Janina hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:Ich vermute mal, mit den diskreten meinst du vermutlich, dass man beim Doppelspaltexperiment auf dem Schirm immer scharf lokalisierte Punkte vorfindet. Das widerspricht jedoch in keinster Weise der quantentheoretischen Beschreibung: in den Fällen, in die Teilchen, die die Punkte auf dem Schirm bilden, anschließend noch weiterexistieren, wie z.B. im Fall von Elektronen, haben die anschließend eine entsprechend scharf lokalisierte Wellenfunktion.
Fast. Die Wellenfunktion bildet das gewohnte Muster, die Teilchen sind (scharf lokalisierte) Punkte darin. Viele Teilchen bilden viele Punkte, die mit zunehmender Menge die Wellenfunktion abbilden.
Also kurz zusammengefasst: du bist Anhängerin der Minimalen statistischen Interpretation (die du allerdings mit der Kopenhagener Deutung verwechselst). OK, kein Problem. Also, stellen wir nochmal heraus: die Minimale statistische Interpretation besagt, dass wenn man einen Zustand hat, der Teilchen enthält (also kein Vakuumzustand ist), und man eine Messapparatur aufbaut, die Teilchenpositionen registrieren kann (wie der Schirm beim Doppelspaltexperiment), dass dann in dem Augenblick, in dem die Messapparatur eine Teilchenposition registriert (sich ein Punkt auf dem Schirm bildet), das registrierte Teilchen eine scharfe Position (da wo der Punkt auf dem Schirm ist) hat. Darüber, was vor dieser Messung war, ob das Teilchen da auch schon eine scharfe Position hatte oder verschmiert oder sonst was war, darüber ist laut der Minimalen statistischen Interpretation keine Aussage möglich.

Kommen wir nach dieser Herausstellung deiner Ansicht noch einmal zu einer Aussage von dir aus einem früheren Posting zurück:
Janina hat geschrieben:Die quantentheoretische Beschreibung ist "glatt", die Welt aber "körnig". Gegenstand der QT ist die Wellenfunktion, beobachten tun wir aber diskrete Teilchen.
Diese Aussage ist, soweit es Messprozesse anbetrifft, wo Teilchen beteiligt sind und die Messapparatur deren Positionen registriert, wie z.B. beim Doppelspaltexperiment, demnach auch vollkommen richtig. Vollkommen falsch ist jedoch dein Analogieschluss zum Vakuumzustand bzw. zum Casimir-Effekt:
Janina hat geschrieben:Ein elektromagnetisches Feld ist "glatt", virtuelle Teilchen dagegen "körnig".
Der Casimir-Effekt unterscheidet sich vom Doppelspaltexperiment in zwei wesentlichen Punkten. Zum einen wird beim Casimir-Effekt keine Teilchenpositionsmessung gemacht, so dass da gar nichts "körnig" sein kann, und zum zweiten hat man es beim Casimir-Effekt mit dem Vakuumzustand zu tun, also einem Zustand, der gar keine Teilchen enthält. Wo keine Teilchen sind, kann man auch keine Statistik für Teilchen oder Teilchenpositionen machen, und folglich kommt da in der theoretischen Beschreibung auch keine Wellenfunktion ψ(x) wie beim Doppelspaltexperiment vor. Im Vakuumzustand ist die Wahrscheinlichkeitsdichte w dafür, ein Teilchen vorzufinden, überall 0, und damit kann die Beziehung w(x) = |ψ(x)|^2 keine Anwendung finden. Im Grunde genommen kannst du so einen Zustand auch beim Doppelspaltexperiment einstellen, indem du den Teilchenstrom (die Anzahl der pro Zeiteinheit den Messaufbau durchlaufenden Teilchen) auf 0 herunterregelst, so dass sich keine Punkte mehr auf dem Schirm bilden. Dann könnte man auch keine Statistik mehr für sich bildende Punkte machen, die sich durch eine Wellenfunktion ψ(x) beschreiben ließe. Auch das elektromagnetische Feld ist im Vakuumzustand keiner Wellenfunktion ψ(x) vergleichbar.

Es gibt zwar die Wellenfunktionen der Feldmoden, aber die haben keine Position x im Ortsraum als Parameter, sondern die Feldveränderliche q_r der jeweiligen Mode. Anders gesagt ist die Wellenfunktion der r-ten Mode keine Wellenfunktion auf dem Ortsraum, sondern auf dem (abstrakten) Raum der Feldveränderlichen. Diese Wellenfunktion beschreibt keine Statistik für Teilchen(-positionen), sondern für die Feldveränderlichen bzw. für die elektrische Feldstärke.

Wendet man die Minimale statistische Interpretation rigoros auf den Casimir-Effekt an, so kann man tatsächlich argumentieren, dass die auf die Platten wirkende Casimir-Kraft nicht auf Fluktuationen der elektrischen Feldstärke zurückführen lasse. Denn Messungen der elektrischen Feldstärke, die eventuell zu schwankenden Feldstärkemesswerten führen könnten, werden ja gar keine gemacht, so dass die Feldmoden-Wellenfunktion, die nach der Minimalen statistischen Interpretation nichts weiter als Statistik für Feldstärkemessungen ist, nicht ins Spiel kommt. Auf virtuelle Teilchenpaare jedoch lässt sich der Casimir-Effekt nach der Minimalen statistischen Interpretation noch viel weniger zurückführen: Messungen, die Teilchen oder Teilchenpositionen registrieren, wenn ja auch keine gemacht.

Eventuell könnte man den Aufbau beim Casimir-Effekt so modifizieren, dass die Möglichkeit zur Messung von Teilchenpositionen gegeben, wäre, ohne das System gleich so sehr zu stören, dass der Casimir-Effekt durch andere Effekte überdeckt würde, z.B. durch einen Schirm zwischen den beiden Platten. Dann aber wäre das Ergebnis der Teichenpositionsmessungen so wie beim Doppelspaltexperiment, wenn man den Teilchenstrom auf 0 herunterschraubt: der Schirm würde einfach leer bleiben, es würden sich keine Punkte bilden.

Ach ja, noch etwas: in den populärwissenschaftlichen Darstellungen mit den virtuellen Teilchenpaaren beim Casimir-Effekt werden die virtuellen Teilchen auch gar nicht als körnig, also als mit scharfen Positionen ausgestattet, beschrieben, im Gegenteil, es heißt da, dass zwischen den beiden Metallplatten nur solche virtuellen Teilchen zugelassen seien, deren Wellenfunktion eine zum Plattenabstand passende Wellenlänge habe. Die virtuellen Teilchen werden da folglich als über den Zwischenraum zwischen den Platten delokalisiert dargestellt. Als Anhängerin der Minimalen statistischen Deutung müsstest du solche Darstellungen dann ja erst recht ablehnen: Wellenfunktionen (im Ortsraum) sind deiner Ansicht ja nur Statistik für Teilchenpositionsmessungen, über virtuelle Teilchen heißt es in solche Darstellungen aber, dass sie nicht direkt beobachtbar seien und man somit schon gar nicht ihre Positionen messen könne - dann sollte die Vorstellung, dass sie Wellenfunktionen haben, für dich ja ganz und gar inakzeptabel sein.

Janina hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:die Frage, wie es genau dazu kommt, dass eine Wellenfunktion, die zunächst über die ganze Messapparatur delokalisiert ist, nun plötzlich scharf lokalisiert ist, ist noch Anlass für rege Diskussionen.
Das ist mit der Kopenhagener Deutung vorbei. Statistik kollabiert nicht.
Nein, die Diskussion darüber, welche Deutung die richtige ist, ist damit, dass du persönlich dich für die Minimale statische Deutung (nicht die Kopenhagener Deutung) entschieden ist, ganz sicher nicht vorbei. So ausschlaggebend ist deine Meinung nicht ;)

Janina hat geschrieben:Ich denke dass dieses Gespenst vom Kollaps der Wellenfunktion noch von der Sehnsucht herrührt, ein Teilchen theoretisch vollständig beschreiben zu können, auch wenn das vergangener Käse ist.
Dass die Minimale statistische Interpretation, die ohne Kollaps auskommt, quantenmechanische Systeme nur unvollständig beschreibt, das ist eine Ansicht, zu der man gelangen kann, ja. Und der Wunsch, quantenmechanische Systeme vollständig beschreiben zu können, wird nicht dadurch "vergangener Käse", dass du der Ansicht bist, dass er es würde.

Janina hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:Wollte man unterstellen, die Welt sei immer körnig, also nicht nur dann, wenn man gerade eine Messung macht, sondern auch sonst immer, dann liefe das auf die Interpretation der verborgenen Parameter hinaus: dass also der "glatte" quantenmechanischen Zustand ein System nicht vollständig beschreibt, sondern es darüberhinaus "körnige" verborgene Parameter gibt.
Wir wissen aber, dass es die verborgenen Parameter nicht gibt, und Teilchen trotzdem körnig auftreten.
Kurze Anmerkung: durch den Nachweis der Verletzung der Bellschen Ungleichung sind lediglich diejenigen Varianten der verborgenen Parameter widerlegt, die zu den sog. lokalen verborgenen Parametern zählen, nach denen es also beim Aspect-Experiment keine Informationsübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit gibt. Daneben gibt es aber noch die Varianten der nicht-lokalen verborgenen Parameter, wie z.B. die Bohmsche Mechanik, wo dann eine Informationsübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit stattfindet, die sind nicht widerlegt.

Janina hat geschrieben:So wie Elektronen auf dem Beugungsschirm, so treten halt virtuelle Teilchenpaare im Vakuum auf, obwohl die Wellenfunktion glatt bleibt.
Wie gerade noch einmal ausführlich beschrieben, ist dieser Analogieschluss vom Doppelspaltexperiment auf den Casimir-Effekt falsch: beim Casimir-Effekt gibt keine Teilchen und damit keine Ortsraum-Wellenfunktion ψ(x), die glatt bleiben könnte. Daran ändert auch die minimale statistische Interpretation nichts.
Zuletzt geändert von Agent Scullie am So 9. Okt 2016, 04:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Agent Scullie
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#229 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » So 9. Okt 2016, 02:03

Anmerkung: dies ist der zweite Tei der vorherigen Postings von mir. Aufgrund einer Längenbeschränkung passte nicht alles in ein einziges Posting.

Janina hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:Übrigens: die echten virtuellen Teilchen, also die bei Wechselwirkungsprozessen, sind auch überhaupt nicht körnig, sondern im Gegenteil äußerst glatt, auch wenn Feynman-Diagramme anderes suggerieren. Der Austausch eines virtuellen Photons z.B. zwischen zwei Elektronen bei der Möller-Streuung ist ein hochgradig glatter Vorgang, da ist gar nichts körnig: die Elektronen (die man sich als Wellenpakete vorstellen kann) fliegen aufeinander zu, dadurch wird die elektrische Abstoßung (vermittelt durch das elektromagnetische Feld) zwischen ihnen immer stärker, dadurch wird die Annäherung gebremst, bis sie schließlich in ein Auseinanderdriften umschlägt. Dabei nimmt die Entfernung zu, so dass die elektrische Abstoßung wieder schwächer wird, sie beschleunigt das Auseinanderdriften aber noch weiterhin.
Das ist kein Unkörnigkeitsbeweis, nur ein klassischer Übergang durch beliebig viele Streuvorgänge. Die gestreuten Elektronen sind danach ja noch da, und stoßen sich weiter ab. Das Feynman-Diagramm hätte dann tausende innere Photonenlinien.
Auch da liegst du falsch. Feynman-Diagramme mit mehreren Linien entsprechen keineswegs mehreren nacheinander ablaufenden Streuvorgängen, sondern höheren Ordnungen der Störungsrechnung.

Du musst bedenken, jeder Vertex in einem Feynman-Diagramm symbolisiert eine Integration im zugehörigen S-Matrix-Term, die über die gesamte Raumzeit geht, also auch von der unendlich fernen Vergangenheit bis in die unendlich ferne Zukunft. Um da mal einen Eindruck von zu gewinnen, siehe diese Quelle:

https://itp.tugraz.at/LV/ewald/QFP/qft7.pdf

Seite 100, Gleichung (7.13), und Seite 102, Abbildung 7.2. Das Feynman-Diagramm der Möller-Streuung in niedrigster Ordnung Störungsrechnung, d.h. zweiter Ordnung, enthält eine innere Photonenlinie zwischen zwei Vertices. Im S-Matrix-Term, Gleichung (7.13), siehst du ein Doppelintegral mit x1 und x2 als Integrationsvariablen, der Integrationsbereich ist für beide Variablen die gesamte Raumzeit. s1(x1) und s2(x2) sind die zu den beiden Elektronen gehörenden elektrischen Stromdichten, D_Fαβ(x1-x2) ist die Zweipunktfunktion des elektromagnetischen Feldes. Durch die doppelte Integration über die gesamte Raumzeit, und damit über den gesamten Zeitbereich, wird deutlich, dass es sich um einen über den gesamten Zeitbereich ausgedehnten Vorgang handelt.

Für höhere Ordnungen der Störungsrechnung als die zweite nimm als einfaches Beispiel ein Diagramm mit zwei inneren Photonenlinien, z.B. in diesem Bild:

https://inspirehep.net/record/1229552/f ... ops_01.png

das zweite hinter dem Gleichheitszeichen. Das hat vier Vertices, ist also vierter Ordnung. Im entsprechenden S-Matrix-Term steht dann ein Vierfach-Integral, mit vier Integrationen über die gesamte Raumzeit. Daran wird deutlich, dass dieses Diagramm keineswegs zwei zeitlich aufeinander folgende Streuprozesse beschreibt. Zudem ist der Beitrag, den zugehörige S-Matrix-Term zur S-Matrix liefert, wesentlich kleiner als der Beitrag von einem Term zweiter Ordnung, wie der, dessen Diagramm nur eine einzige Photonenlinie enthält. Terme zweiter Ordnung tragen mit einem Faktor (1/137)^2 / 2! bei, Terme vierter Ordnung nur noch mit (1/137)^4 /4!. Und Terme noch höherer Ordnung noch weniger.

Hauptsächlich wird die Möller-Streuung also durch das Diagramm niedrigster (zweiter) Ordnung beschrieben, mit nur einer einzigen Photonenlinie. Es ist einfach so, dass die Störungsrechnung ein iteratives Verfahren ist, mit unendlich vielen Ordnungen, wobei von Ordnung zu Ordnung der Beitrag immer kleiner wird, die entsprechenden Terme aber zugleich immer komplizierter werden. Siehe z.B. hier:

https://itp.tugraz.at/LV/ewald/QFP/qft6.pdf

Seite 81. In jeder Ordnung wird über den gesamten Zeitbereich von der unendlich fernen Vergangenheit in die unendlich ferne Zukunft integriert, die unterschiedlichen Ordnungen sind gewissermaßen parallel zueinander.

Außerdem kann man feststellen, dass der klassische Streuvorgang, also der, der sich im klassischen Grenzfall ergibt, im wesentlichen in der niedrigsten Ordnung der Störungsrechnung steckt, also der Ordnung, wo nur eine einzige Photonenlinie vorhanden ist. Die höheren Ordnungen hängen eher mit quantenmechanischen Korrekturen zusammen, da wirken sich z.B. die quantenmechanischen Fluktuationen der Feldstärke verstärkt aus. Es ist somit eher genau anders herum als du es dir gedacht hast: der klassische Übergang steckt nicht in Feynman-Diagrammen mit vielen inneren Photonenlinien, sondern umgekehrt in dem Diagramm, das nur eine einzige Photonenlinie enthält.
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#230 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » So 9. Okt 2016, 04:35

Pluto hat geschrieben:Teilchen sind auch eine Erklärung... und... sie braucht kaum Mathe.
Die populärwissenschaftlichen Darstellungen mit den virtuellen Teilchenpaaren im Vakuumzustand und beim Casimir-Effekt brauchen kaum Mathe, das stimmt, jedoch liegt das nur daran, dass es eben populärwissenschaftliche Darstellungen sind, und solche generell kaum Mathe brauchen. Oder sogar gar nicht viel Mathe enthalten dürfen, um den Laien, an den sie adressiert sind, nicht zu überfordern.

Wollte jedoch jemand mit solchen Darstellungen in einer Fachpublikation ankommen, läge die Sache ganz anders. Wollte so jemand z.B. den Casimir-Effekt mit so einer Darstellung erklären, so würde er sich schon noch in der Pflicht sehen, eine detaillierte Herleitung der Formel für die Casimir-Kraft zu präsentieren. Als Chemiker ist dir doch sicher die kinetische Gastheorie bekannt. Stell dir vor, mit der willst den Druck, den ein Gas in einer Gasflasche auf die Flaschenwand ausübt, berechnen. Dazu kannst du z.B. annehmen, dass die Teilchendichte (Gasteilchen pro Flaschenvolumen) n = N/V sei, und die Teilchen eine Geschwindigkeitsverteilung w(v), z.B. die Maxwell-Boltzmann-Verteilung, haben. Daraus kannst du dann errechnen, wie viele Teilchen pro Zeit- und Flächeneinheit auf die Flaschenwand treffen, und welchen Impuls sie im Mittel auf die Flaschenwand übertragen. Daraus kannst du dann den Druck ableiten. Der Casimir-Effekt mit virtuellen Teilchenpaaren ließe sich auf ähnliche berechnen, nur dass die Teilchendichte n und die Geschwindigkeits- bzw. Impulsverteilung keine freien Parameter wären, sondern selbst aus den allgemeinen Eigenschaften des Quantenvakuums berechenbar sein müssten.

Da würde ich die Aussage, dass das kaum Mathe braucht, so nicht mehr gelten lassen...
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