Atheismus- und Gotteswahn

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Demian
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#1 Atheismus- und Gotteswahn

Beitrag von Demian » Di 1. Okt 2013, 17:36

...

Godehard Brüntrup
: Atheismuswahn statt Gotteswahn
Buchbesprechung aus: Stimmen der Zeit, 1/2008, S. 130-134

Den Titel hier habe ich etwas angepasst ... ein und statt ein statt. ;)

Alister McGrath ist Professor für Theologie an der Oxford University, seine Ehefrau Joanna Collicutt McGrath doziert Religionspsychologie am Heythrop College der University of London. Im folgenden wird für beide Autoren meistens der Singular "McGrath" benutzt. Alister McGrath ist der Hauptautor des Buchs, Joanna Collicut McGrath war federführend insbesondere bei den Teilen, die sich mit Psychologie und Neurowissenschaften beschäftigen. Dies liegt nahe, da sie neben Theologie auch klinische Psychologie studierte und immer noch in der klinischen Praxis tätig ist. Alister McGrath ist ebenfalls Naturwissenschaftler. Er bemerkt, daß sein persönlicher Werdegang in Dawkins' Weltbild kaum verstehbar ist. McGrath war überzeugter Atheist. Sein Ziel war es, sein Leben der Naturwissenschaft zu widmen. In Oxford erwarb er ein Doktorat in molekularer Biophysik. Seine Bekehrung zum Christentum änderte seine Pläne einer akademischen Karriere in der Naturwissenschaft, und er begann in Cambridge Theologie zu studieren, wurde in der anglikanischen Kirche ordiniert und erwarb später ein "Doctorate in Divinity" in Oxford. Heute hat er dort einen Lehrstuhl für historische Theologie inne. In der Tat kann Dawkins eine solche intellektuelle Entwicklung nur als eine Regression ins kindliche Bewußtsein erklären. Er verglich den Glauben an Gott mit dem Glauben an den Weihnachtsmann, den jedes Kind im Lauf seiner Reifung ablegt. McGrath kontert, daß diese Analogie ganz offensichtlich fehlerhaft ist: "Wieviele Menschen kennen Sie, die in reifen Jahren zum Glauben an den Weihnachtsmann zurückgekehrt sind?"

Ein Beispiel ist der britische Philosoph Antony Flew, der über Jahrzehnte als einer der einflußreichsten atheistischen Denker galt. Im Jahr 2004 gab er der Zeitschrift "Philosophia Christi" ein Interview, in dem er sich zum Glauben an die Existenz Gottes bekannte - eine Meinungsänderung, die bis heute unter den Philosophen Wellen schlägt. Für Dawkins kann das nur dadurch erklärt werden, daß Flew den Verstand verloren hat.

McGrath widmet das erste Kapitel der These Dawkins', daß Religion eine Verirrung des Verstandes sei. Dawkins begründet das unter anderem mit einigen kurzen Gedanken über die Unmöglichkeit von Gottesbeweisen. Die Art und Weise, wie er beispielsweise die "Fünf Wege" des Thomas von Aquin präsentiert, macht deutlich, daß er sich hier weit außerhalb des Gebiets seiner Expertise bewegt. McGrath problematisiert den Begriff des Gottesbeweises und interpretiert die Gottesbeweise als eine rationale Selbstvergewisserung des Glaubens, nicht aber als Grund des Glaubens, wie Dawkins sie verstehen will. Dawkins argumentiert weiter, daß die Existenz Gottes extrem unwahrscheinlich sei, da es immer weniger Lücken im wissenschaftlichen Weltbild gebe, die einen Rekurs auf Gott erlauben würden.

Dawkins' Gegner ist hier offensichtlich William Paleys berühmte "Natürliche Theologie" von 1801, die explizit mit dem Konzept des Lückenbüßergottes arbeitete. Wer auch nur ein wenig mit der Diskussion zwischen Naturwissenschaft und Glaube in den letzten 200 Jahren vertraut ist, fühlt sich jetzt geneigt zu gähnen. Natürlich hat McGrath leichtes Spiel nachzuweisen, daß der christliche Gott kein Lückenbüßergott ist, der sich als die fehlende Kausalerklärung in wissenschaftlichen Beweisketten zur Verfügung stellt. In Anlehnung an Richard Swinburnes Argument für die Existenz Gottes behauptet McGrath, daß es nicht die Lücken in unserem wissenschaftlichen Weltbild seien, die Gott als Erklärung benötigten, sondern die Verstehbarkeit und Erklärbarkeit des Universums selbst, die erklärt werden müßten. Die theologische oder religionsphilosophische Frage liegt nicht auf derselben Ebene wie die naturwissenschaftliche, sondern auf einer Metaebene.

Quelle

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Lamarck
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#2 Re: Atheismus- und Gotteswahn

Beitrag von Lamarck » Di 1. Okt 2013, 18:42

Hi Demian!

Demian hat geschrieben:...

Godehard Brüntrup
: Atheismuswahn statt Gotteswahn
Buchbesprechung aus: Stimmen der Zeit, 1/2008, S. 130-134

Den Titel hier habe ich etwas angepasst ... ein und statt ein statt. ;)

[...]

McGrath widmet das erste Kapitel der These Dawkins', daß Religion eine Verirrung des Verstandes sei. Dawkins begründet das unter anderem mit einigen kurzen Gedanken über die Unmöglichkeit von Gottesbeweisen. Die Art und Weise, wie er beispielsweise die "Fünf Wege" des Thomas von Aquin präsentiert, macht deutlich, daß er sich hier weit außerhalb des Gebiets seiner Expertise bewegt. McGrath problematisiert den Begriff des Gottesbeweises und interpretiert die Gottesbeweise als eine rationale Selbstvergewisserung des Glaubens, nicht aber als Grund des Glaubens, wie Dawkins sie verstehen will. Dawkins argumentiert weiter, daß die Existenz Gottes extrem unwahrscheinlich sei, da es immer weniger Lücken im wissenschaftlichen Weltbild gebe, die einen Rekurs auf Gott erlauben würden.

Dawkins' Gegner ist hier offensichtlich William Paleys berühmte "Natürliche Theologie" von 1801, die explizit mit dem Konzept des Lückenbüßergottes arbeitete. Wer auch nur ein wenig mit der Diskussion zwischen Naturwissenschaft und Glaube in den letzten 200 Jahren vertraut ist, fühlt sich jetzt geneigt zu gähnen. Natürlich hat McGrath leichtes Spiel nachzuweisen, daß der christliche Gott kein Lückenbüßergott ist, der sich als die fehlende Kausalerklärung in wissenschaftlichen Beweisketten zur Verfügung stellt. In Anlehnung an Richard Swinburnes Argument für die Existenz Gottes behauptet McGrath, daß es nicht die Lücken in unserem wissenschaftlichen Weltbild seien, die Gott als Erklärung benötigten, sondern die Verstehbarkeit und Erklärbarkeit des Universums selbst, die erklärt werden müßten. Die theologische oder religionsphilosophische Frage liegt nicht auf derselben Ebene wie die naturwissenschaftliche, sondern auf einer Metaebene.

Quelle

Ich kenne nicht nur die Buchbesprechung, ich habe auch den betreffenden Band hier herumliegen. Aber diese 'Verteidiger des Glaubens sind schon sagenhaft' - und zwar so dermaßen, dass ich schon fast geneigt bin, an Gott zu glauben, damit ich ausrufen kann: "Oh Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!"

McGrath hätte vielleicht erst mal darlegen sollen, warum er meint, Dawkins zeigt bezüglich entsprechender Gottesbeweise mangelnde Expertise. Das ganze Buch ist frei von jeglichem Argument [sic!], allein, es wird gezeigt, McGrath hat Schaum vorm Mund. Genau, Gott ist erklärungsnotwendig für sich selbst, um ihm in die Metaebene abzuschieben - und das ist auch keine Lückenbuße, nein, nein, nein ... .

McGrath geht in seiner Wissenschaft gänzlich anders vor - aber muss er, weil er das Wasser nicht halten kann, unbedingt seiner Religion einen Bärendienst erweisen?!




Cheers,

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#3 Re: Atheismus- und Gotteswahn

Beitrag von Demian » Di 1. Okt 2013, 22:00

Lamarck hat geschrieben: McGrath hätte vielleicht erst mal darlegen sollen, warum er meint, Dawkins zeigt bezüglich entsprechender Gottesbeweise mangelnde Expertise.

Dawkins mag ein beachtlicher Evolutionsbiologe sein, aber von Spiritualität hat er keine wirkliche Ahnung. Dazu kritisiert er Religion viel zu einseitig. Die verschiedenen sprituellen Traditionen interessieren ihn überhaupt nicht.

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#4 Re: Atheismus- und Gotteswahn

Beitrag von Pluto » Di 1. Okt 2013, 22:42

Demian hat geschrieben:Dawkins mag ein beachtlicher Evolutionsbiologe sein, aber von Spiritualität hat er keine wirkliche Ahnung. Dazu kritisiert er Religion viel zu einseitig. Die verschiedenen sprituellen Traditionen interessieren ihn überhaupt nicht.
Muss dir hier durchaus Recht geben, Demian.

Auch McGraths Kritik kann ich unterschreiben:
McGrath hat geschrieben:Die Art und Weise, wie er [Dawkins] beispielsweise die "Fünf Wege" des Thomas von Aquin präsentiert, macht deutlich, daß er sich hier weit außerhalb des Gebiets seiner Expertise bewegt.
Genau aus diesem Grund fand ich Dawkins' Gotteswahn sei sein schlechtest Buch. Alles was er zuvor und danach geschreiben hat ist wesentlich besser. Schade, denn von Evolutionsbiologie verseht er eine ganze Menge und gehört auf jeden Fall in der heutigen Zeit zu den 10 besten Zoologen der Welt.
[IMHO natürlich]
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#5 Re: Atheismus- und Gotteswahn

Beitrag von Pluto » Di 1. Okt 2013, 22:50

Ein kleineLEckerbissen für McGrath und Dawkins Fans gleichermassen...
Eine Debatte zwischen den Beiden... (Englisch)

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#6 Re: Atheismus- und Gotteswahn

Beitrag von Lamarck » Mi 2. Okt 2013, 00:30

Hi Demian!

Demian hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: McGrath hätte vielleicht erst mal darlegen sollen, warum er meint, Dawkins zeigt bezüglich entsprechender Gottesbeweise mangelnde Expertise.
Dawkins mag ein beachtlicher Evolutionsbiologe sein, aber von Spiritualität hat er keine wirkliche Ahnung. Dazu kritisiert er Religion viel zu einseitig. Die verschiedenen sprituellen Traditionen interessieren ihn überhaupt nicht.

Mmh, Dawkins hat also von Spiritualität deshalb keine Ahnung, weil er Religion einseitig kritisiert. Das ist eine Aussage von der Qualität, Demian ist deshalb nicht reich, weil er arm ist.

Dawkins beschäftigt sich auch nicht mit Spiritualität (Wozu sollte er auch?) sondern mit Gott & Religion.




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#7 Re: Atheismus- und Gotteswahn

Beitrag von Lamarck » Mi 2. Okt 2013, 00:50

Hi Pluto!

Pluto hat geschrieben:
Demian hat geschrieben: Dawkins mag ein beachtlicher Evolutionsbiologe sein, aber von Spiritualität hat er keine wirkliche Ahnung. Dazu kritisiert er Religion viel zu einseitig. Die verschiedenen sprituellen Traditionen interessieren ihn überhaupt nicht.
Muss dir hier durchaus Recht geben, Demian.

Da warte ich mit Spannung auf tiefergehendes ... .




Pluto hat geschrieben: Auch McGraths Kritik kann ich unterschreiben:
McGrath hat geschrieben: Die Art und Weise, wie er [Dawkins] beispielsweise die "Fünf Wege" des Thomas von Aquin präsentiert, macht deutlich, daß er sich hier weit außerhalb des Gebiets seiner Expertise bewegt.
Genau aus diesem Grund fand ich Dawkins' Gotteswahn sei sein schlechtest Buch. Alles was er zuvor und danach geschreiben hat ist wesentlich besser. Schade, denn von Evolutionsbiologie verseht er eine ganze Menge und gehört auf jeden Fall in der heutigen Zeit zu den 10 besten Zoologen der Welt.
[IMHO natürlich]

"Gotteswahn" ist ein Sach- kein Textbuch. Es enthält nichts gravierendes, was ein reflektierender Atheist nicht schon sowieso weiß (natürlich hat Dawkins seine Perspektive). Diese sind nicht die Zielgruppe, obwohl sich die Zielgruppe eher dadurch ausweist, zu kommentieren, aber nicht zu lesen ... .

In jedem entsprechendem Lehrbuch der Theologie werden die 'Gottesbeweise' sinngemäß mit dem Zusatz aufgeführt, diese sind keine Beweise. So auch die quinque viae. Im Prinzip tat hier Dawkins nichts anderes, als diesen Sachverhalt populär darzustellen. In dem Bändchen von Alister McGrath ist deutlich zu bemerken, dass er wohl schon sehr lange von den Naturwissenschaften gelöst hat. Nochmals: Er war nicht in der Lage, ein einziges echtes Argument anzuführen. Dies ist natürlich in der Theologie systemimmanent ... .




Cheers,

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#8 Re: Atheismus- und Gotteswahn

Beitrag von closs » Mi 2. Okt 2013, 01:04

Ich frage mich, ob es überhaupt Beweise gibt - außer innerhalb eines zugrunde gelegten Systems. - Es ist sicherlich kein Zufall, dass es die Reihe "Voraussetzung - Behauptung - Beweis" gibt - das qed bezieht sich immer auf die Voraussetzung. - Wie weit kommen wir eigentlich mit Behauptungen und deren Beweisen innerhalb des zugrunde liegenden jeweiligen Systems? - Sicherlich nicht weit genug, um Gott zu beweisen oder zu falsifizieren.

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#9 Re: Atheismus- und Gotteswahn

Beitrag von Pluto » Mi 2. Okt 2013, 01:26

Lamarck hat geschrieben:Hi Pluto!
Da warte ich mit Spannung auf tiefergehendes ...
Gerne. Was möchtest du hören?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Lamarck
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#10 Re: Atheismus- und Gotteswahn

Beitrag von Lamarck » Do 3. Okt 2013, 01:24

Hi Pluto!

Pluto hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Da warte ich mit Spannung auf tiefergehendes ...
Gerne. Was möchtest du hören?

Warum Du Demian hier durchaus Recht geben musst ... .




Cheers,

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