Godehard Brüntrup: Atheismuswahn statt Gotteswahn
Buchbesprechung aus: Stimmen der Zeit, 1/2008, S. 130-134
Den Titel hier habe ich etwas angepasst ... ein und statt ein statt.

Alister McGrath ist Professor für Theologie an der Oxford University, seine Ehefrau Joanna Collicutt McGrath doziert Religionspsychologie am Heythrop College der University of London. Im folgenden wird für beide Autoren meistens der Singular "McGrath" benutzt. Alister McGrath ist der Hauptautor des Buchs, Joanna Collicut McGrath war federführend insbesondere bei den Teilen, die sich mit Psychologie und Neurowissenschaften beschäftigen. Dies liegt nahe, da sie neben Theologie auch klinische Psychologie studierte und immer noch in der klinischen Praxis tätig ist. Alister McGrath ist ebenfalls Naturwissenschaftler. Er bemerkt, daß sein persönlicher Werdegang in Dawkins' Weltbild kaum verstehbar ist. McGrath war überzeugter Atheist. Sein Ziel war es, sein Leben der Naturwissenschaft zu widmen. In Oxford erwarb er ein Doktorat in molekularer Biophysik. Seine Bekehrung zum Christentum änderte seine Pläne einer akademischen Karriere in der Naturwissenschaft, und er begann in Cambridge Theologie zu studieren, wurde in der anglikanischen Kirche ordiniert und erwarb später ein "Doctorate in Divinity" in Oxford. Heute hat er dort einen Lehrstuhl für historische Theologie inne. In der Tat kann Dawkins eine solche intellektuelle Entwicklung nur als eine Regression ins kindliche Bewußtsein erklären. Er verglich den Glauben an Gott mit dem Glauben an den Weihnachtsmann, den jedes Kind im Lauf seiner Reifung ablegt. McGrath kontert, daß diese Analogie ganz offensichtlich fehlerhaft ist: "Wieviele Menschen kennen Sie, die in reifen Jahren zum Glauben an den Weihnachtsmann zurückgekehrt sind?"
Ein Beispiel ist der britische Philosoph Antony Flew, der über Jahrzehnte als einer der einflußreichsten atheistischen Denker galt. Im Jahr 2004 gab er der Zeitschrift "Philosophia Christi" ein Interview, in dem er sich zum Glauben an die Existenz Gottes bekannte - eine Meinungsänderung, die bis heute unter den Philosophen Wellen schlägt. Für Dawkins kann das nur dadurch erklärt werden, daß Flew den Verstand verloren hat.
McGrath widmet das erste Kapitel der These Dawkins', daß Religion eine Verirrung des Verstandes sei. Dawkins begründet das unter anderem mit einigen kurzen Gedanken über die Unmöglichkeit von Gottesbeweisen. Die Art und Weise, wie er beispielsweise die "Fünf Wege" des Thomas von Aquin präsentiert, macht deutlich, daß er sich hier weit außerhalb des Gebiets seiner Expertise bewegt. McGrath problematisiert den Begriff des Gottesbeweises und interpretiert die Gottesbeweise als eine rationale Selbstvergewisserung des Glaubens, nicht aber als Grund des Glaubens, wie Dawkins sie verstehen will. Dawkins argumentiert weiter, daß die Existenz Gottes extrem unwahrscheinlich sei, da es immer weniger Lücken im wissenschaftlichen Weltbild gebe, die einen Rekurs auf Gott erlauben würden.
Dawkins' Gegner ist hier offensichtlich William Paleys berühmte "Natürliche Theologie" von 1801, die explizit mit dem Konzept des Lückenbüßergottes arbeitete. Wer auch nur ein wenig mit der Diskussion zwischen Naturwissenschaft und Glaube in den letzten 200 Jahren vertraut ist, fühlt sich jetzt geneigt zu gähnen. Natürlich hat McGrath leichtes Spiel nachzuweisen, daß der christliche Gott kein Lückenbüßergott ist, der sich als die fehlende Kausalerklärung in wissenschaftlichen Beweisketten zur Verfügung stellt. In Anlehnung an Richard Swinburnes Argument für die Existenz Gottes behauptet McGrath, daß es nicht die Lücken in unserem wissenschaftlichen Weltbild seien, die Gott als Erklärung benötigten, sondern die Verstehbarkeit und Erklärbarkeit des Universums selbst, die erklärt werden müßten. Die theologische oder religionsphilosophische Frage liegt nicht auf derselben Ebene wie die naturwissenschaftliche, sondern auf einer Metaebene.
Quelle