Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Säkularismus
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Rembremerding
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#1 Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Beitrag von Rembremerding » Mo 30. Sep 2013, 15:41

Hallo, alle zusammen :)

Eigentlich mehr zur Information setze ich hier einen Link eines Artikels, der die sogenannte "Memetik" von Dawkins als überholt deklariert und wieder zu einem fruchtbaren Dialog auf Augenhöhe zwischen Religion und Naturwissenschaft/Atheismus aufruft. Zitat des renommierten Evolutionsforschers und Religionswissenschaftlers Michael Blume:

"Papst Benedikt XVI. hat völlig Recht damit, die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Religion zu wahren, aber zugleich zu betonen, dass sie sich auf einer höheren Ebene begegnen und befruchten können."

http://www.merkur-online.de/aktuelles/w ... 33180.html
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closs
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#2 Re: Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Beitrag von closs » Mo 30. Sep 2013, 19:55

Stimme Benedikt zu. - Das Problem der Memetik schien mir schon immer zu sein, dass sie sich rein naturalistisch definiert - dementsprechend tritt sie von vorneherein reduziert auf.
Zuletzt geändert von closs am Mo 30. Sep 2013, 22:39, insgesamt 1-mal geändert.

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Naqual
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#3 Re: Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Beitrag von Naqual » Mo 30. Sep 2013, 22:19

Rembremerding hat geschrieben: "Papst Benedikt XVI. hat völlig Recht damit, die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Religion zu wahren, aber zugleich zu betonen, dass sie sich auf einer höheren Ebene begegnen und befruchten können."
Soweit volle Zustimmung.
Dawkins ist m.E. recht einseitig im Denken. Natürlich kann man "Egoismus" biologisch begründen (wenn auch das "Ego-Gen" eine schöne fantastische Konstruktion ist, bzw. eine einseitige wertende Überbetonung des Überlebenswillens) aber auch das Gegenteil, den Altruismus findet man bereits auf biologischer Ebene (z.B. Stichwort "Mutterinstinkt", oder der den Nachwuchs schützenden "Kindchen-Schema-Reflex).
Religion ist an sich auch nichts Schlechtes (wie für Dawkins), wenn auch nicht von vornherein gut. Es kommt - wie stets - darauf an, wie es im Konkreten aussieht. Religion hat seine Funktion im Bezug auf Verhaltensregeln, die über das Individuum hinausgehen und auf Gemeinschaften abzielen. Man mag diese zwar auch durch nichtreligiöse Mechanismen gesellschaftlich etablieren können, aber das nimmt den Religionen diese Funktion nicht weg. Und pervertieren kann man auch Religionen, z.B. durch Festhalten an antike Verhaltensmuster (die allenfalls in arachischen Strukturen noch sinnvoll waren), die heute schlicht nicht mehr sinnvoll sind. Und gesellschaftspolitische Betonköpfe, die längst Überholtes auf ewig zementieren wollen, gibt es auch bei völlig nichtreligiösen Menschen (siehe z.B. das Verhalten der DDR-Führung in den 80er Jahren).
In einem Ausschnitt, den ich von Dawkins Buch Gotteswahn gelesen hatte, mockierte er sich über angebliche Gottesbeweise, die keine Sinn geben würden. Er erwähnte aber mit keiner Silbe, dass diese aus dem eigenen kirchlichen Lager (!) bereits 3 Wochen später heftig widerlegt worden waren in Schriften. Und damit kommt er dann ganz locker zu unangemessener Polemik gegen den Geisteszustand Religiöser.

Leztlich ist in der Sache Naturwissenschaft immer provokativ für Religion, aber auch Religion provokativ für die Naturwissenschaft. Mit einfachen populistischen Schnellschüssen, die gut klingen, bringt man sie aber nicht nutzbringend und gegenseitig befruchtend zusammen.

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#4 Re: Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Beitrag von Pluto » Mo 30. Sep 2013, 22:49

Rembremerding hat geschrieben:Eigentlich mehr zur Information setze ich hier einen Link eines Artikels, der die sogenannte "Memetik" von Dawkins als überholt deklariert und wieder zu einem fruchtbaren Dialog auf Augenhöhe zwischen Religion und Naturwissenschaft/Atheismus aufruft.
Interessanter Thread, Rembremerding.
Danke!

Zitat des renommierten Evolutionsforschers und Religionswissenschaftlers Michael Blume:
"Papst Benedikt XVI. hat völlig Recht damit, die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Religion zu wahren, aber zugleich zu betonen, dass sie sich auf einer höheren Ebene begegnen und befruchten können."
http://www.merkur-online.de/aktuelles/w ... 33180.html
Michael Blume hat Religionswissnschaften studiert. Man könnte ihn auf run essen als Theologe einstufen. Aber er hat meines Wissens keinerlei formale Ausbildung als Naturwissenschaftler, so dass man ihn nicht als Evolutionsforscher bezeichnen sollte. Der gute Herr Blume mag was von Religionswissenschaft verstehen, aber von Evolution hat er nicht viel mehr als der Durchsnitts-Bürger. Bekannt wurde Blume durch seine Hypothese eines "Religionsgens". Dieses Gen wurde allerdings bisher nicht entdeckt, und es nac heutigem Stand der Genforschung auch sehr zweifelhaft, ob es so was gibt.
____________________________________

In dem von dir verlinkten Artikel steht u. a.
Der ehemalige Theologie-Professor Ratzinger bezweifelt schlichtweg die wissenschaftliche Seriosität des Biologen Dawkins.
Starke Worte, für einen Mann der die Naturwissenschaft nicht kennt, und dessen Institution die Evolutionstheorie vollumfänglich anerkennt (offizielle Haltung des Vatikans).
Meiner Meinung nach hat Dawkins in Richtung Glaube un Religon wenig zu bieten ausser polemischer Religionskritik. Aber als Biologe gehört er sehr wohl zur Weltspitze seines Fachs. Er hätte lieber bei seiner Stärke als Evolutionsbiologe bleiben sollen, anstatt sich über Religion zu äussern, wo er eindeutig ausserhalb seines Kompetenzbereichs spricht.

Weiter heisst es in dem Artikel:
Fast 40 Jahre nachdem Dawkins seine Mem-Theorie erstmals verkündete, ist diese laut Blume reif für ihre Entsorgung. Eine eigene Fachzeitschrift, das "Journal of Memetics", musste mangels Substanz wieder eingestellt werden.
Damit hat Blume gar nicht mal so Unrecht, denn die Memetik konnte sich nie als eigenständige Disziplin in der Naturwissenschaft durchsetzen.

In seinem Wissenschaftklassiker "Das egoistische Gen", welches selbst nach fast 40 Jahren immer noch die Grundzüge der Evolution fehelerfrei beschreibt, widemt Dawkins der Memetik nur ein einziges Kapitel. Der Grund: Er hatte nach einer Analogie für die Weitergabe von Erbinformationen durch die Gene gesucht, und sitess dabei auf die Meme -- zur damaligen Zeit war das so was wie eine visionäre Erkenntnis!

Im Wesentlichen scheiterte die Memetik daran, dass sie nicht in der Lage ist, Vorhersagen zu machen, die man überprüfen könnte. Das gab ihr schliesslich den Stempel der Unwissenschaftlichkeit.
Andererseits hat sie sich als ungemein wertvoll bei der Untersuchung der kulturelllen Entwicklung unserer Gesellschaft erwiesen. Sie gibt Antworten auf Fragen zur Entwicklung unserer Sprache, und beantwortet offene Frage, wie z. Bsp. neue Worte, Denkweisen, Melodien, ja sogar architektonische Elemente im Gedächnis der Menschen einnisten?

Memetik ist ein nicht mehr wegzudenkendes Werkzeug innerhalb der Sprach- und Kulturforschung.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#5 Re: Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Beitrag von closs » Mo 30. Sep 2013, 22:52

Pluto hat geschrieben:Bekannt wurde Blume durch seine Hypothese eines "Religionsgens".
Das ist aus dem Stand großer Schwachsinn und zeigt, was dabei herauskommt, wenn man Geist naturalistisch definieren will.

Pluto hat geschrieben:Memetik ist ein nicht mehr wegzudenkendes Werkzeug innerhalb der Sprach- und Kulturforschung.
Als Werkzeug ja - nicht aber als normative Größe.

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#6 Re: Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Beitrag von Pluto » Mo 30. Sep 2013, 23:09

Naqual hat geschrieben:Dawkins ist m.E. recht einseitig im Denken. Natürlich kann man "Egoismus" biologisch begründen (wenn auch das "Ego-Gen" eine schöne fantastische Konstruktion ist, bzw. eine einseitige wertende Überbetonung des Überlebenswillens) aber auch das Gegenteil, den Altruismus findet man bereits auf biologischer Ebene (z.B. Stichwort "Mutterinstinkt", oder der den Nachwuchs schützenden "Kindchen-Schema-Reflex).
Hast du eigentlich das Buch gelesen?
Ich frage deshalb, weil Dawkins iim Egoistischen Gen (in mehr als 2 Kapiteln) die These vertritt und erklärt warum Altruismus (zunächst als Mutterinstinkt) aus ebendiesen Genen entstand. Eine der schlüssigsten Erklärungen die ich je gelesen habe.
Das Buch hätte IMO besser den Titel "Das unsterbliche Gen" bekommen, sind doch selbst wir Menschen Träger von Genen, deren Alter wesentlich höher ist 500 Millionen Jahre, manche vermuten sogar ca. 1 Milliarde Jahre. Das kommt schon sehr nache an den Begriff derUnsterblichkeit heran. :D

Leztlich ist in der Sache Naturwissenschaft immer provokativ für Religion, aber auch Religion provokativ für die Naturwissenschaft. Mit einfachen populistischen Schnellschüssen, die gut klingen, bringt man sie aber nicht nutzbringend und gegenseitig befruchtend zusammen.
Zustimmung.
Dawkins kann sehr spannend schreiben, aber im Gotteswahn argumentiert er (IMO) ausserhalb seines Kompetenzgebiets, so dass das Buch dem kritischen Leser flach und polemisch erscheint. Danach hat er drei weitere Bücher zur Evolutionsbiologie geschrieben die alle wesentlich besser waren.

Komisch, dass an sich erfolgreiche Leute oft im Alter versuchen, sich auf Gebieten hervorzutun, wo sie nicht die notwendige Tiefe und Erfahrung besitzen. Gute Beispiele sind da auch Hanspeter Dürr mit seiner Bewusstseins-Hypothese, oder auch Werner Gitt (ein erfolgreicher Informatiker) mit seinen kreationistischen Vorträgen und Bücher.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#7 Re: Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Beitrag von Pluto » Mo 30. Sep 2013, 23:13

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Bekannt wurde Blume durch seine Hypothese eines "Religionsgens".
Das ist aus dem Stand großer Schwachsinn und zeigt, was dabei herauskommt, wenn man Geist naturalistisch definieren will.
Zustimmung.

Als Werkzeug ja - nicht aber als normative Größe.
Ja natürlich.
Als Theorie funktioniert sie ja wegen ihrer unfähigkeit Vorhersagen zu machen, schliesslich nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Anton B.
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#8 Re: Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Beitrag von Anton B. » Mo 30. Sep 2013, 23:54

Pluto hat geschrieben:
Als Werkzeug ja - nicht aber als normative Größe.
Ja natürlich.
Als Theorie funktioniert sie ja wegen ihrer unfähigkeit Vorhersagen zu machen, schliesslich nicht.
Warum als Werkzeug, wenn sie als Theorie keine Vorhersagen machen kann? Als vorwissenschaftliches Werkzeug vielleicht, aber was genau leistet sie dort? Das wäre dann aber auch nur auf den Terminus Mem bezogen. Als Memetik allerdings will sie doch "Erklären". Für mich passt das alles noch nicht so ganz "wissenschaftlich". Deshalb warte ich einfach mit einer aus Hemuls Beständen geklauten Tüte Popcorn in aller Ruhe ab, wie man künftig das "Konzept der Meme" bewertet. :Smiley popcorn:
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
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#9 Re: Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Beitrag von closs » Di 1. Okt 2013, 00:06

Anton B. hat geschrieben:Warum als Werkzeug, wenn sie als Theorie keine Vorhersagen machen kann?
Das war ein Zugeständnis, damit nicht Nichts davon übrig bleibt. - Trotzdem: Wenn man einen Entwurf hat, soll man die dazugehörigen Tools erst mal zugestehen. - Persönlich habe ich von Mems noch nie viel gehalten, weil es einmal mehr ein Versuch ist, Geist bottom-up zu erklären.

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#10 Re: Dialog Religion/Naturwissenschaft. Papst vs.Dawkins

Beitrag von Pluto » Di 1. Okt 2013, 00:12

Anton B. hat geschrieben: Als Memetik allerdings will sie doch "Erklären". Für mich passt das alles noch nicht so ganz "wissenschaftlich".
Erklären kann die Memetik schon, aber sie kann nicht vorhersagen, deshalb gilt sie für mich auch als Wissenschaft.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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