Strafen - oder bessere Wege als Lösung der Probleme zu suchen

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Ruth
Beiträge: 2572
Registriert: Mi 3. Dez 2014, 12:42

#61 Beziehung zum eigenen Selbst

Beitrag von Ruth » Di 17. Mai 2022, 11:01

Naqual hat geschrieben:
Mo 16. Mai 2022, 20:44
Spirituelles Erleben und religiöse Anschauungen haben ein Wechselverhältnis zueinander, sie formen sich gegenseitig. So bewegt sich das spirituelle Erleben (mit Ausnahme einiger Extremerfahrungen) IMMER im Rahmen der gegebenen Anschauungen. Stellenweise wie eine undurchsichtige Wand, stellenweise wie ein Filter. Aber die vorhandenen Anschauungen setzen enge und starke Grenzen (und "be-grenzen" die Erfahrungen). Das funktioniert zu Gott genauso wie zum eigenen Selbst. Also wer über sich selbst eine sehr gefestigte Vorstellung hat, das ist kaum zu erschüttern, selbst wenn es irreale Züge annimmt. Wir kennen wohl alle Beispiele aus dem eigenen Leben dazu. Deswegen ist es auch gefährlich eigenes religiöses Erleben als Beweis für die Richtigkeit des eigenen Dogmen-Systems zu sehen.

Damit, dass du das eigene Selbst in seiner Begrenzung mit den Erfahrungen mit Gott gleichsetzt, hast du gerade bei mir ganz neue Gedankengänge ausgelöst. ;)

Der Blick auf mich selbst und meine persönlichen Erfahrungen empfinde ich oft als ziemlich chaotisch. Manchmal zweifele ich deshalb an mir selbst, weil ich mich bei spontanen Reaktionen im Nachhinein später oft über mich selbst wundere.
Mir fällt dazu gerade ein Bibelvers ein .... aus Jeremia 17,9
Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen?

.... vor vielen Jahren hat ein Bibelschullehrer dazu gesagt, dass nur Gott das Herz ergründen kann. Nicht einmal das eigene Herz können Menschen wirklich verstehen. Es hat mich schon damals nachdenklich gemacht. Aber so wirklich konnte ich es bis jetzt nicht wirklich nachvollziehen.

Durch deinen obigen Beitrag (dessen Teil ich fett hervorgehoben habe) macht die Erinnerung diesen Gedanken lebendig: es ist deshalb, weil das eigene Selbst mit Gott so sehr verbunden ist, dass je mehr die Verbindung zu Gott wächst, desto mehr spürt man auch die Grenzen, das eigene Herz zu ergründen.
Interessante Gedanken ...... :think:

Ruth
Beiträge: 2572
Registriert: Mi 3. Dez 2014, 12:42

#62 Beziehung zum eigenen Selbst

Beitrag von Ruth » Mi 18. Mai 2022, 15:03

Ruth hat geschrieben:
Di 17. Mai 2022, 11:01
Naqual hat geschrieben:
Mo 16. Mai 2022, 20:44
Spirituelles Erleben und religiöse Anschauungen haben ein Wechselverhältnis zueinander, sie formen sich gegenseitig. So bewegt sich das spirituelle Erleben (mit Ausnahme einiger Extremerfahrungen) IMMER im Rahmen der gegebenen Anschauungen. Stellenweise wie eine undurchsichtige Wand, stellenweise wie ein Filter. Aber die vorhandenen Anschauungen setzen enge und starke Grenzen (und "be-grenzen" die Erfahrungen). Das funktioniert zu Gott genauso wie zum eigenen Selbst. Also wer über sich selbst eine sehr gefestigte Vorstellung hat, das ist kaum zu erschüttern, selbst wenn es irreale Züge annimmt. Wir kennen wohl alle Beispiele aus dem eigenen Leben dazu. Deswegen ist es auch gefährlich eigenes religiöses Erleben als Beweis für die Richtigkeit des eigenen Dogmen-Systems zu sehen.

Damit, dass du das eigene Selbst in seiner Begrenzung mit den Erfahrungen mit Gott gleichsetzt, hast du gerade bei mir ganz neue Gedankengänge ausgelöst. ;)

Meine Gedanken dazu ....
.... erinnern mich an den Abschnitt in Prediger/Kohelet 3,11
 Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
.... wobei ich gerade den ganzen Abschnitt in diesem Kapitel, von Vers 1-15 sehr aufschlussreich zum Thema finde.

Gott hat also ein Stück von sich selbst (Ewigkeit) ins Herz der Menschen eingefügt. Das ist der Teil, der "Gott in uns" erkennbar macht. Dann sind es also genau diese Grenzen, die uns zeigen, dass Gott in uns lebt. Gleichzeitig vermittelt diese Begrenzung, dass man, wenn man mit Gott lebt, besser dran ist, um ein Stückweit, soweit es für das Lebensumfeld gerade nötig ist, "Ewigkeit/Gott" zu verstehen .... soweit Gott es zulässt.
Wenn Menschen ohne Gott leben wollen (obwohl das eigentlich gar nicht möglich ist), werden sie leichter durch ihre eigene Begrenztheit fehlgeleitet, als wenn man mit Gott lebt. Stolpern und fallen kann man auch auf dem Weg mit Gott. Aber es gibt die Möglichkeit, Gott zu vertrauen, dass er durch die Täler, über die Berge zu dem Ziel führt, das "gut" für uns ist.

Das erklärt auch, dass Gott in den biblischen Berichten immer zur Umkehr auffordert. Zur Umkehr zu dem, der sowieso anwesend ist - den Menschen aber nur dann spüren/mit dem Herzen sehen können, wenn man das eigene Herz auf Gott richtet.

Ich empfand eben beim Lesen den Prediger-Abschnitts in der Beschreibung, wie Menschen mit Gott leben können, eine gewisse Leichtigkeit, die in den Religionen gar nicht so vorkommt. Leben heißt, HEUTE fröhlich sein und das zu genießen, was man hat. Nur im Hier und Jetzt kann man etwas bewegen und sich bewegen lassen. Die Vergangenheit ist vorbei und die Zukunft liegt im Nebel, gibt es nicht wirklich. Mit Gott zu leben lässt hoffen, dass Gott alles zu einem guten Ziel führen kann. Führen nicht im Sinne von gängeln, sondern eher wie Wegweiser, an denen man selbst entscheidet, welche Richtung man einschlägt.

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#63 Beziehung zum eigenen Selbst

Beitrag von Naqual » Do 19. Mai 2022, 20:24

Ruth hat geschrieben:
Mi 18. Mai 2022, 15:03
Meine Gedanken dazu ....
.... erinnern mich an den Abschnitt in Prediger/Kohelet 3,11
 Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
.... wobei ich gerade den ganzen Abschnitt in diesem Kapitel, von Vers 1-15 sehr aufschlussreich zum Thema finde.

Gott hat also ein Stück von sich selbst (Ewigkeit) ins Herz der Menschen eingefügt. Das ist der Teil, der "Gott in uns" erkennbar macht. Dann sind es also genau diese Grenzen, die uns zeigen, dass Gott in uns lebt. Gleichzeitig vermittelt diese Begrenzung, dass man, wenn man mit Gott lebt, besser dran ist, um ein Stückweit, soweit es für das Lebensumfeld gerade nötig ist, "Ewigkeit/Gott" zu verstehen .... soweit Gott es zulässt.
Wenn Menschen ohne Gott leben wollen (obwohl das eigentlich gar nicht möglich ist), werden sie leichter durch ihre eigene Begrenztheit fehlgeleitet, als wenn man mit Gott lebt. Stolpern und fallen kann man auch auf dem Weg mit Gott. Aber es gibt die Möglichkeit, Gott zu vertrauen, dass er durch die Täler, über die Berge zu dem Ziel führt, das "gut" für uns ist.

Das erklärt auch, dass Gott in den biblischen Berichten immer zur Umkehr auffordert. Zur Umkehr zu dem, der sowieso anwesend ist - den Menschen aber nur dann spüren/mit dem Herzen sehen können, wenn man das eigene Herz auf Gott richtet.

Ich empfand eben beim Lesen den Prediger-Abschnitts in der Beschreibung, wie Menschen mit Gott leben können, eine gewisse Leichtigkeit, die in den Religionen gar nicht so vorkommt. Leben heißt, HEUTE fröhlich sein und das zu genießen, was man hat. Nur im Hier und Jetzt kann man etwas bewegen und sich bewegen lassen. Die Vergangenheit ist vorbei und die Zukunft liegt im Nebel, gibt es nicht wirklich. Mit Gott zu leben lässt hoffen, dass Gott alles zu einem guten Ziel führen kann. Führen nicht im Sinne von gängeln, sondern eher wie Wegweiser, an denen man selbst entscheidet, welche Richtung man einschlägt.
Ja, der Kohelet ist ein jüdischer Philosoph seiner Zeit und ja, er fordert dazu auf das Leben wirklich zu leben (also auch zu genießen). Aber es sieht es auch in der Dualität: Alles (!) ist letztlich ein Windhauch (vergänglich), s. Kap2,1. - Danke für den Hinweis, es ist tatsächlich ein fast verstecktes Buch im AT, das nicht so wirklich gewürdigt wird. Vielleicht auch wegen der komplexen und abstrakten Philosphie dahinter, die sich nicht so leicht ins christliche Denken biegen lässt.

Der Windhauch (jetzt aus meinem spotanen "Gedankenkarussel") steht ja gut symbolisch im übergeordneten Kernthema des Verhältnisses von Gott und Mensch.
Gott steht für die Ewigkeit und ist als "Bewusstsein" allumfassend. Das Bewusstsein des Menschen ist begrenzt in Raum und Zeit. MIt einem Bewusstsein in enger Symbiose zu seinem (begrenzten) Körper. Alles was Mensch weiß und wahrnimmt (von außerhalb seiner Selbst) ist Windhauch. Ansammeln (so Kohelet) kann man überhaupt nur Windhauche. Und doch sieht er (Kap3,11) die Ewigkeit in das begrenzte Vergängliche hineingelegt (auch im Menschen, wenn man so will den "göttlichen Funken" in diesem). Letztlich braucht die Ewigkeit die Vergänglichkeit, ohne letztere wäre die Ewigkeit nicht (="leer"). Umgekehrt scheint für ihn entsprechend das Vergängliche auf das Ewige zu verweisen, aber genau dies überfordert - auch in all seiner gesammelten Weisheit - wohl jeden Menschen. Leben ist nur im HIer und Jetzt möglich. Quasi im Windhauch. Nutze den Augenblick (Koholet: "alles hat seine Zeit")! Wobei es scheint, das Kohelet auch die Person (!) als Windhauch sieht. Also selbst diese wird vergehen, aufgegangen in der Ewigkeit. Letztlich der Einzelne in Gott. (Das ist zumindest mit der christlichen Vorstellung von "HImmel" nicht kompatibel, Christ erschrickt an dieser Stelle, weil seine Person nur ein kurzer Hauch ist, aufgehend in Gott.)

Im Prediger tastet sich einer, der vor Jahrtausenden gelebt hat gedanklich auf eine Art vor, dass der Durchschnittsbürger (mit guter Bildung) heutiger Zeit schnell überfordert ist.

Ich könnte mir vorstellen, dass Meister Eckhart (der m.E. das abstrakte religiöse Denken auf absolute Höhen katapultiert hat) an der Stellen oben ausführen würde, dass nicht nur Mensch Gott, sondern Gott auch Mensch braucht (so wie Ewigkeit als Summe der Vergänglichkeiten letztere braucht). Also die GANZ enge Verbindung von Gott und Mensch.

Womit auch der vor Tagen genannte Aspekt wieder reinkommt. Da gibt es Leute, die sich rühmen ein persönliches Verhältnis zu Gott zu haben und man stellt gleichzeitig fest, das sie sich selbst gar nicht einschätzen können (geschweige den andere). Wenn Sie sich selbst schon nicht klar sehen können, wie dann Gott (dessen begrenztes "Abbild" sie selbst auch sind)?
Du hast geschrieben in der Selbstbetrachtung (des Herzens) Verwirrung zu empfinden. Du rühmst Dich auch nicht. Sondern Du empfindest nur ganz selbstehrlich, was jeder "Begrenzte" - es liegt in der Natur der Sache (des Windhauchs) an irgendeiner Stelle empfinden muss. Es ist nur eine Frage, wie tief man dabei geht. Bei einem kommt die Verwirrung früher, beim anderen später. Aber sie kommt - das gehört einfach zum Leben - zwingend dazu.

Bin ich noch halbwegs verständlich? Es ist ein wenig komplex und abstrakt das Ganze.
 

Ruth
Beiträge: 2572
Registriert: Mi 3. Dez 2014, 12:42

#64 Mensch <--> Gott ... ein Zusammenspiel

Beitrag von Ruth » Fr 20. Mai 2022, 11:15

Naqual hat geschrieben:
Do 19. Mai 2022, 20:24
Bin ich noch halbwegs verständlich? Es ist ein wenig komplex und abstrakt das Ganze.
Jaa super 👍 ..... danke dass du so auf dieses Thema eingehst 😊

Naqual hat geschrieben:
Do 19. Mai 2022, 20:24
Der Windhauch (jetzt aus meinem spotanen "Gedankenkarussel") steht ja gut symbolisch im übergeordneten Kernthema des Verhältnisses von Gott und Mensch.
Gott steht für die Ewigkeit und ist als "Bewusstsein" allumfassend. Das Bewusstsein des Menschen ist begrenzt in Raum und Zeit. MIt einem Bewusstsein in enger Symbiose zu seinem (begrenzten) Körper. Alles was Mensch weiß und wahrnimmt (von außerhalb seiner Selbst) ist Windhauch. Ansammeln (so Kohelet) kann man überhaupt nur Windhauche. Und doch sieht er (Kap3,11) die Ewigkeit in das begrenzte Vergängliche hineingelegt (auch im Menschen, wenn man so will den "göttlichen Funken" in diesem). Letztlich braucht die Ewigkeit die Vergänglichkeit, ohne letztere wäre die Ewigkeit nicht (="leer"). Umgekehrt scheint für ihn entsprechend das Vergängliche auf das Ewige zu verweisen, aber genau dies überfordert - auch in all seiner gesammelten Weisheit - wohl jeden Menschen. Leben ist nur im HIer und Jetzt möglich. Quasi im Windhauch. Nutze den Augenblick (Koholet: "alles hat seine Zeit")! Wobei es scheint, das Kohelet auch die Person (!) als Windhauch sieht. Also selbst diese wird vergehen, aufgegangen in der Ewigkeit. Letztlich der Einzelne in Gott. (Das ist zumindest mit der christlichen Vorstellung von "HImmel" nicht kompatibel, Christ erschrickt an dieser Stelle, weil seine Person nur ein kurzer Hauch ist, aufgehend in Gott.)
Finde ich grad faszinierend. Beim lesen entsteht in mir ein "aha ... ja " ... und je mehr ich mich darauf einlasse, scheint das Ergebnis unendlich und unfassbar zu sein. Zunächst erscheint es mir wie ein "schwarzes Loch" ... und trotzdem lädt es dazu ein, weiter darüber nachzudenken, aus der Erfahrung und der Erwartung heraus, dass stückweise neue Facetten der Erkenntnis entstehen könnten ... die Entfernung zwischen der Begrenztheit und der Ewigkeit sich ein kleines bisschen verringern kann. Oder einfach nur ein paar neue Facetten sichtbar werden können, von dem was eigentlich unbeschreiblich ist.

Naqual hat geschrieben:
Do 19. Mai 2022, 20:24

Ich könnte mir vorstellen, dass Meister Eckhart (der m.E. das abstrakte religiöse Denken auf absolute Höhen katapultiert hat) an der Stellen oben ausführen würde, dass nicht nur Mensch Gott, sondern Gott auch Mensch braucht (so wie Ewigkeit als Summe der Vergänglichkeiten letztere braucht). Also die GANZ enge Verbindung von Gott und Mensch.

Da bin ich jetzt gerade drüber "gestolpert". Weil ich bisher immer generell widersprochen habe, wenn jemand behauptet hat, Gott brauche die Menschen (für dies oder das). Ich habe immer gemeint, klarstellen zu müssen, dass der Mensch Gott braucht, nicht umgekehrt.
Jetzt lasse ich mich nun einfach mal darauf ein, dass Gott Menschen braucht.
Meine Fragen dazu: wofür braucht Gott Menschen? ... kann Mensch etwas bei Gott bewirken? ... fehlt Gott etwas, wenn es keine Menschen gäbe?

Spontan fällt mir dazu ein: .... so wie das Licht nur sichtbar ist, weil es auch die Dunkelheit gibt. .... wie das Gute erst wahrgenommen wird, wenn es auch das Böse gibt ..... ein Spiegel der Begrenztheit die Unendlichkeit ist ....
.... wie in der Bibel von zwei Menschen die Rede ist, die "ein Fleisch werden" .... oder wie aus einzelnen Puzzleteilen ein Bild werden kann, wenn die richtigen Teile miteinander verbunden sind.

Insgesamt bleibt Gott eben immer unendlich und unfassbar für Menschen. Und Menschen haben die Freiheit, die eigenen Wege zu wählen.
Richtig entfalten und "Frucht bringen" funktioniert im Zusammenspiel im miteinander.

Rein menschlich gesehen wirkt "Ewigkeit" ohne Gegensätze, die miteinander in verschiedener Form kombiniert/verbunden/überwunden werden können, langweilig. Es gibt nichts, was anregt, zu Bewegung, zur Veränderung .... zu fühlen und einfach leben.

Wie macht sich das bemerkbar, dass (wenn) Gott die Menschen braucht?
Was wäre Gott ohne die Menschen?
Kann man das Verhältnis Gott<->Mensch mit einen Spiegel vergleichen, in dem man erst sich selbst erkennen kann, wenn man hineinschaut?

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#65 Mensch <--> Gott ... ein Zusammenspiel

Beitrag von Naqual » Fr 20. Mai 2022, 20:29

Ruth hat geschrieben:
Fr 20. Mai 2022, 11:15
Finde ich grad faszinierend. Beim lesen entsteht in mir ein "aha ... ja " ... und je mehr ich mich darauf einlasse, scheint das Ergebnis unendlich und unfassbar zu sein. Zunächst erscheint es mir wie ein "schwarzes Loch" ... und trotzdem lädt es dazu ein, weiter darüber nachzudenken, aus der Erfahrung und der Erwartung heraus, dass stückweise neue Facetten der Erkenntnis entstehen könnten ... die Entfernung zwischen der Begrenztheit und der Ewigkeit sich ein kleines bisschen verringern kann. Oder einfach nur ein paar neue Facetten sichtbar werden können, von dem was eigentlich unbeschreiblich ist.

Mich fasziniert es ja auch. Genau genommen könnte man sagen, es ist ein Bereich der "spekulativen Philosophie". Aber irgendwie (für mich) auch mehr und es gibt etliche religiöse Denker, die auch auf solche Gedanken kommen. Ich nehme an, teils aus spirituellen Erfahrungen heraus. Gerade im Bereich der "Mystik", ist es so, dass das spezifisches Erleben einen noch viel mehr Fragezeichen schenkt, man bemüht es zu erklären, weil es einen auch intellektuell nicht loslässt (außer es ist genug Zeit vergangen). Ich bin aber optimistisch, dass man gute Versuche haben kann, die zumindest die Richtung zeigen, ohne alles zu klären.

Naqual hat geschrieben:
Do 19. Mai 2022, 20:24
Ich könnte mir vorstellen, dass Meister Eckhart (der m.E. das abstrakte religiöse Denken auf absolute Höhen katapultiert hat) an der Stellen oben ausführen würde, dass nicht nur Mensch Gott, sondern Gott auch Mensch braucht (so wie Ewigkeit als Summe der Vergänglichkeiten letztere braucht). Also die GANZ enge Verbindung von Gott und Mensch.
Da bin ich jetzt gerade drüber "gestolpert". Weil ich bisher immer generell widersprochen habe, wenn jemand behauptet hat, Gott brauche die Menschen (für dies oder das). Ich habe immer gemeint, klarstellen zu müssen, dass der Mensch Gott braucht, nicht umgekehrt.
Jetzt lasse ich mich nun einfach mal darauf ein, dass Gott Menschen braucht.
Meine Fragen dazu: wofür braucht Gott Menschen? ... kann Mensch etwas bei Gott bewirken? ... fehlt Gott etwas, wenn es keine Menschen gäbe?

Spontan fällt mir dazu ein: .... so wie das Licht nur sichtbar ist, weil es auch die Dunkelheit gibt. .... wie das Gute erst wahrgenommen wird, wenn es auch das Böse gibt ..... ein Spiegel der Begrenztheit die Unendlichkeit ist ....
.... wie in der Bibel von zwei Menschen die Rede ist, die "ein Fleisch werden" .... oder wie aus einzelnen Puzzleteilen ein Bild werden kann, wenn die richtigen Teile miteinander verbunden sind.
Ja, alles gut nachvollziehbar für mich.
Der Widerstand gegen die Vorstellung, dass Gott umgekehrt auch den Menschen braucht, ist dem (standard-) christlichen Denken extrem fremd, scheint aus Gott etwas Hilfloses zu machen gegen die (vermutete) Allmacht. Eine andere Denkrichtung (die mich fasziniert, der ich intellektuell und emotional nahe stehe) geht von dem EINEN (Gott) aus. Also konsequenterweise wird alles auf den Ursprung (das EINE) zurückgeführt. Und da ist man bei Deinem Licht braucht Dunkelheit (ein schönes wenn auch extrem kurzes Gleichnis).
In Gott im Ursprung ist alles eins und harmonisch. Wie das Zentrum einer rotierenden Drehscheibe. In der MItte ist alles "ruhig", keine widerstreitenden Kräfte wie z.B. die Zentrifugalkraft oder Fliehkraft nach außen. Das umfassende Allbewusstsein "erweitert sich nun" in die dabei geschaffene Welt des Vergänglichen hinein. Diese zeichnet sich aus durch "Gegensätze" (Dualität). Also bewusst wird man sich über "etwas" dadurch dass es auch ein "nicht-etwas" gibt (Licht, Nichtlicht=Dunkelheit). Das ist der Teil, in dem wir bewusst werden, bzw. es ist Charakteristika unseres Bewusstseins. Das was wir als Person verstehen (also uns selbst) geht nur in Abgrenzung. So von Gott. Und hier ist der schwierige Part. Der Mystiker (unio mystica) empfindet sich selbst als nicht von Gott getrennt (zumindest im Moment des spirituellen Erlebens). Wobei "Einssein mit Gott" als Begriff auch irreführend ist. Es ist eher so, als wenn das umfassende Bewusstsein (Gott) sich in der Welt realisiert in "Bewusstseine, die in der materiellen Welt begrenzt sind". Und das ist gut so, bzw. ein Erfordernis des Seins in einer Sphäre der Dualitäten. Oder anders ausgedrückt: die Abgrenzung von Mensch und Gott ist nicht wirklich vorhanden. Es ist nur eine Folge unterschiedlicher "Perspektiven" (Wahrnehmungsformen). Meister Eckhart nimmt jetzt die Bibel her und erläutert diese (ohne jetzt nachzuschlagen) in etwa mit "Gott gebiert sich im Menschensohn immer wieder selbst". Wobei Jesus dann der Idealtypus ist für den Vorgang (zum Beispiel die "Rückkehr" zum Vater, erhält eine neue Bedeutung).
Wenn Du in diesem Denken einmal drin bist, ist die Feststellung, dass Gott den Menschen braucht, nichts Schlimmes oder Provokatives. Sondern nur Folge seines Seins (mit uns in ihm) ohne seiner Erhabenheit auch nur einen Abbruch zu tun.

Insgesamt bleibt Gott eben immer unendlich und unfassbar für Menschen. Und Menschen haben die Freiheit, die eigenen Wege zu wählen.
Richtig entfalten und "Frucht bringen" funktioniert im Zusammenspiel im miteinander.
Theoretisch ist Gott in Gänze im Menschen, also grundsätzlich fassbar. Praktisch schaffen wir es mit unserer "Weltverbundenheit" (die gut und notwendig ist!) aber nur in homöopathischen Dosierungen. Jesus ist hier der Idealtypus dafür das Theorie und Praxis im genannten Sinne total eins werden.

Rein menschlich gesehen wirkt "Ewigkeit" ohne Gegensätze, die miteinander in verschiedener Form kombiniert/verbunden/überwunden werden können, langweilig. Es gibt nichts, was anregt, zu Bewegung, zur Veränderung .... zu fühlen und einfach leben.
Diesen Gedankengang habe ich nicht verstanden.

Wie macht sich das bemerkbar, dass (wenn) Gott die Menschen braucht?
Was wäre Gott ohne die Menschen?
Gott wäre absolute Ruhe. Was wir als "Leben" verstehen, setzt das Aufeinandertreffen von "Gegensätzen" (Dualität) voraus. Also Bewegung zwischen dual geordneten "Polen".

Kann man das Verhältnis Gott<->Mensch mit einen Spiegel vergleichen, in dem man erst sich selbst erkennen kann, wenn man hineinschaut?
Spontan würde ich den Spiegel eher im Verhältnis Mensch -Mensch sehen. Man kann sich selbst im anderen finden (auch Gott) und sei es ein mongoloides Kind.
Wenn man es nicht verkehrt versteht, stimmt Dein Satz aber natürlich. Allerdings (und hier klingt es provokativ) Gott findet von sich auch in Dir. Notwendigerweise.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#66 Mensch <--> Gott ... ein Zusammenspiel

Beitrag von sven23 » Sa 21. Mai 2022, 06:54

Naqual hat geschrieben:
Fr 20. Mai 2022, 20:29
Spontan würde ich den Spiegel eher im Verhältnis Mensch -Mensch sehen. Man kann sich selbst im anderen finden (auch Gott) und sei es ein mongoloides Kind.
Könnte man auch in Hitler oder Putin Gott finden? Wenn man den alttestamentarischen Gott als Referenz zu Grunde legt, könnte das sogar passen. Aber sollte ein Gott nicht auch gewisse ethische Mindeststandards erfüllen?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Ruth
Beiträge: 2572
Registriert: Mi 3. Dez 2014, 12:42

#67 Mensch - Gott ... ein Zusammenspiel

Beitrag von Ruth » Sa 21. Mai 2022, 12:09

Naqual hat geschrieben:
Fr 20. Mai 2022, 20:29
Gerade im Bereich der "Mystik", ist es so, dass das spezifisches Erleben einen noch viel mehr Fragezeichen schenkt, man bemüht es zu erklären, weil es einen auch intellektuell nicht loslässt (außer es ist genug Zeit vergangen). Ich bin aber optimistisch, dass man gute Versuche haben kann, die zumindest die Richtung zeigen, ohne alles zu klären.
Ich bin ja auch unter strengem christlichen Regime aufgewachsen. Begab mich schon als Kind oft bewusst in eine "Traumwelt", um der harten Realität zu entfliehen. Es war für mich ganz natürlich, diese "Welten" zu trennen, und trotzdem am Leben teilzunehmen, ohne beide zu vermischen.
Ich sehe da einen gewissen Zusammenhang zu mystischen Erfahrungen, dass man sie überhaupt wahrnehmen kann.
Als ich dann älter wurde, gab es eine Phase, wo ich glaubte, bewusstes Träumen sei eine Sünde, weil man damit der Realität, in die Gott uns hineingestellt hat, entflieht. Vielleicht war das in dem Moment auch nötig für mich, damit die Grenzen mir bewusst bleiben. Irgendwann viel später, als Erwachsene, habe ich entdeckt, dass diese Form für mich auch beide "Welten" öffnen kann, weil das Unsichtbare für mich nicht bedrohlich war, in der Form, dass man darinnen "versinken" könnte.
Im Laufe der Zeit habe ich dann auch etliche Gotteserfahrungen dadurch gemacht, indem ich es einfach zuließ, auch die außerirdischen/innerlichen Impulse wahrzunehmen und zu deuten. Ich denke heute, dass es auch eine "Gabe von Gott" sein kann, mystische Dinge ganz natürlich im eigenen Leben auch zuzulassen und selbst zu kontrollieren. Gerade auch deshalb, weil so viele Gläubige regelrecht Angst davor haben, sich mit dieser Art zu denken und fühlen und leben auseinanderzusetzen... also scheinbar nicht fähig sind, außersinnliche Impulse wahrzunehmen.

Naqual hat geschrieben:
Fr 20. Mai 2022, 20:29
Eine andere Denkrichtung (die mich fasziniert, der ich intellektuell und emotional nahe stehe) geht von dem EINEN (Gott) aus. Also konsequenterweise wird alles auf den Ursprung (das EINE) zurückgeführt. Und da ist man bei Deinem Licht braucht Dunkelheit (ein schönes wenn auch extrem kurzes Gleichnis).

Ja, diese Art, Gott zu definieren oder verstehen, ist für mich auch im Moment noch die, welche mir am meisten plausibel zu sein scheint.

Naqual hat geschrieben:
Fr 20. Mai 2022, 20:29
In Gott im Ursprung ist alles eins und harmonisch. Wie das Zentrum einer rotierenden Drehscheibe. In der MItte ist alles "ruhig", keine widerstreitenden Kräfte wie z.B. die Zentrifugalkraft oder Fliehkraft nach außen. Das umfassende Allbewusstsein "erweitert sich nun" in die dabei geschaffene Welt des Vergänglichen hinein.

Ich habe mal in einer Predigt den Vergleich von einem Fahrrad und den Speichen gehört, in dem sich alles um die Mitte dreht, die Speichen dicht am Mittelpunkt harmonischer miteinander verbunden sind, und sich von dort aus weiter voneinander entfernen. Alles dreht sich um Gott, das Miteinander ist harmonischer, je näher man Gott ist. Nur miteinander "läuft es rund".... kann man beliebig weiterspinnen.

Naqual hat geschrieben:
Fr 20. Mai 2022, 20:29
Meister Eckhart nimmt jetzt die Bibel her und erläutert diese (ohne jetzt nachzuschlagen) in etwa mit "Gott gebiert sich im Menschensohn immer wieder selbst". Wobei Jesus dann der Idealtypus ist für den Vorgang (zum Beispiel die "Rückkehr" zum Vater, erhält eine neue Bedeutung).

Der "Menschensohn" - wobei ich da gerade an "Jesus" denke - ist für mich immer noch eines der ungelösten Fragen ... wodurch ja auch die Frage in meinem Eingangspost entstanden ist. So allgemein die Menschen in der Verbindung zu Gott ist für mich die am ehesten naheliegende Version zur Frage, in welchem Verhältnis Gott zu den Menschen steht und umgekehrt. Jesus ist (zumindest nach den biblischen Berichten) herausragend anders aufgetreten. Seine Botschaft scheint die Nähe zu Gott (nur durch Jesus) eher einzugrenzen, als aufzulösen. Auch wenn man davon ausgeht, dass die biblischen Geschichten und deren Auslegung sehr stark durch die jeweiligen Autoren und der nachträglichen Übersetzungen und Verbesserungen geprägt (und vielleicht auch teilweise verfälscht) ist, scheint Jesus eine Stellung zugeordnet zu sein, die alle anderen überragt.

Naqual hat geschrieben:
Fr 20. Mai 2022, 20:29
Ruth hat geschrieben:
Fr 20. Mai 2022, 20:29
Rein menschlich gesehen wirkt "Ewigkeit" ohne Gegensätze, die miteinander in verschiedener Form kombiniert/verbunden/überwunden werden können, langweilig. Es gibt nichts, was anregt, zu Bewegung, zur Veränderung .... zu fühlen und einfach leben.
Diesen Gedankengang habe ich nicht verstanden.


In der Vorstellung, wie es oft von Christen beschrieben wird, dass es nichts mehr gibt, was das eigene Handeln herausfordert, sondern einfach nur das Leben so dahinplätschern würde... klingt es für mich und für viele andere Menschen, mit denen ich schon gesprochen habe, langweilig.
Naqual hat geschrieben:
Fr 20. Mai 2022, 20:29
Spontan würde ich den Spiegel eher im Verhältnis Mensch -Mensch sehen. Man kann sich selbst im anderen finden (auch Gott) und sei es ein mongoloides Kind.
Wenn man es nicht verkehrt versteht, stimmt Dein Satz aber natürlich. Allerdings (und hier klingt es provokativ) Gott findet von sich auch in Dir. Notwendigerweise.
Das ist dann wohl das "Bildnis Gottes", als Vorlage für die Erschaffung des Menschen ... der Ursprung alles Seins.

Tree of life
Beiträge: 3688
Registriert: Sa 8. Okt 2016, 18:23

#68 Strafen - oder bessere Wege als Lösung der Probleme zu suchen

Beitrag von Tree of life » Sa 21. Mai 2022, 19:37

Ruth hat geschrieben:
Sa 21. Mai 2022, 12:09
Begab mich schon als Kind oft bewusst in eine "Traumwelt", um der harten Realität zu entfliehen.
Hab ich auch teilweise so getan. :)
Und es gibt Kinder, die sogar einen imaginären Freund haben, mit dem können sie über alles reden, was sie so bewegt(weil die Eltern oft nicht verstehn), der aber schon.
Auch wenn sie von dem keine Antwort erhalten, machmal sagten sie, er würde antworten (ich nehm aber an, es waren ihre eigenen Gedanken)
Die kleine Tochter einer Schulfreundin hatte lange so einen imaginären Freund, weil sie mit dem vieles "verarbeiten" konnte, worüber sie mit ihrer Mutter nicht reden wollte, erzählte sie dem.
Meine Freundin hat sie einige Male still beobachtet oder hat an der Ziimmertür gehört, wie sie im Kinderzimmer mit dem sprach.

Ruth
Beiträge: 2572
Registriert: Mi 3. Dez 2014, 12:42

#69 Strafen - oder bessere Wege als Lösung der Probleme zu suchen

Beitrag von Ruth » Sa 21. Mai 2022, 23:45

Tree of life hat geschrieben:
Sa 21. Mai 2022, 19:37
Ruth hat geschrieben:
Sa 21. Mai 2022, 12:09
Begab mich schon als Kind oft bewusst in eine "Traumwelt", um der harten Realität zu entfliehen.
Hab ich auch teilweise so getan. :)
Und es gibt Kinder, die sogar einen imaginären Freund haben, mit dem können sie über alles reden, was sie so bewegt(weil die Eltern oft nicht verstehn), der aber schon.
Auch wenn sie von dem keine Antwort erhalten, machmal sagten sie, er würde antworten (ich nehm aber an, es waren ihre eigenen Gedanken)
Die kleine Tochter einer Schulfreundin hatte lange so einen imaginären Freund, weil sie mit dem vieles "verarbeiten" konnte, worüber sie mit ihrer Mutter nicht reden wollte, erzählte sie dem.
Meine Freundin hat sie einige Male still beobachtet oder hat an der Ziimmertür gehört, wie sie im Kinderzimmer mit dem sprach.

Von solchen imaginären Freunden bei Kindern habe ich auch schon gehört. Ist aber etwas anders, als es bei mir war. Ich habe mir nur reale Situationen in meinen Tagträumen schöner gemacht, als sie in der Realität waren. Dabei war mir immer bewusst, dass es nur Träume sind. Es gab dabei keine Freunde, die mit mir geredet haben - oder ich mit denen. Man kann es vielleicht auch so beschreiben: da wo Liebe fehlte, habe ich mir die Liebe erträumt ... um in der Realität besser "überleben" zu können.

So ganz passend ist der Vergleich von (meinen) Traumwelten zum mystischen Denken auch nicht, ist mir im Nachhinein aufgefallen.
Als ich merkte, dass es manchen Gläubigen schwer fällt, innere Impulse wahrzunehmen und ernst zu nehmen, darüber nachzudenken - dachte ich nur an meine kindlichen Neigungen zu träumen, die mir auch selbst ein Stück weit etwas von mir selbst gezeigt haben. Und mir später auch leicht gemacht haben, zwischendurch auch mal "nach innen zu hören", und nicht nur auf das, was von außen wahrnehmbar ist.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#70 Strafen - oder bessere Wege als Lösung der Probleme zu suchen

Beitrag von sven23 » So 22. Mai 2022, 09:35

Tree of life hat geschrieben:
Sa 21. Mai 2022, 19:37
Und es gibt Kinder, die sogar einen imaginären Freund haben, mit dem können sie über alles reden, was sie so bewegt(weil die Eltern oft nicht verstehn), der aber schon.
...
Die kleine Tochter einer Schulfreundin hatte lange so einen imaginären Freund, weil sie mit dem vieles "verarbeiten" konnte, worüber sie mit ihrer Mutter nicht reden wollte, erzählte sie dem.
Meine Freundin hat sie einige Male still beobachtet oder hat an der Ziimmertür gehört, wie sie im Kinderzimmer mit dem sprach.
Ich denke, diese Beschreibung trifft es ganz gut. Gott ist ein imaginärer Freund, manchmal auch der Übervater im freudschen Sinne. Er ist ein psychologisches Phänomen, das seinen Ursprung naturgemäß im menschlichen Gehirn hat.
In einem Song von Andreas Bourani heißt es: Das ist alles nur in meinem Kopf.... Ich denke, das trifft auch auf Gott zu. Gott "wohnt" in menschlichen Gehirnen. Wenn eines Tages die Sonne die Erde verdampfen wird und es keine Menschen mehr geben wird, dann hat Gott keine Heimat mehr und hört auf zu "existieren".
Das heißt aber nicht, dass Gott nicht Teil unserer Realität wäre, wie der Philosoph Markus Gabriel zu bedenken gibt.
Dadurch, dass wir uns so starke, aber auch ambivalente Gottesbilder erschaffen, und meinen, seinen wie auch immer gearteten Willen zu erfüllen, hat es selbstverständlich auch Auswirkungen auf unsere Realität. Schließlich sind auch schon unzählige Menschen in seinem Namen verfolgt und ermordet worden.

Tree of life hat geschrieben:
Sa 21. Mai 2022, 19:37
 Auch wenn sie von dem keine Antwort erhalten, machmal sagten sie, er würde antworten (ich nehm aber an, es waren ihre eigenen Gedanken)
Natürlich sind es die eigenen Gedanken. Wenn aber ein Erwachsener nicht mehr differenzieren kann zwischen eigenen Gedanken und "Antworten", die er als Stimmen von außen wahrnimmt, die ihm angeblich Handlungsanweisungen geben, dann besteht der Verdacht auf Schizophrenie.
Dann ist der Gang zum Arzt dringend angesagt.

Gibt es Alternativen zu religiösen Phantasievorstellungen? Sigmund Freund meinte zwar, dass Religonen einen psychologisches Entlastungsphänomen darstellen können, aber Ziel sollte es sein, Religion durch Rationalität als moralischen Maßstab abzulösen.

Nicht religiöse Regeln und Verbote sollen die Triebwünsche des Menschen von oben herab bändigen, sondern die eigene Vernunft, die Intelligenz. Der Mensch soll seine Erwartungen vom Jenseits lösen und sich mit all seinen Fähigkeiten und Kräften auf seine diesseitige Existenz beziehen. Das kann und muss der mündige, erwachsene, reife Mensch leisten.
Quelle
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Antworten