Gott und die Zeit ….

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Ruth
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#1 Gott und die Zeit ….

Beitrag von Ruth » So 4. Jul 2021, 11:55

…. oder: „Vorstellungen von dem, wer/was Gott sei … und dessen Verhältnis zu der Zeit“


Das ist eine unendliche Frage, die ebenso wie die Frage nach der „Wahrheit“ nie wirklich beantwortet werden kann: das Verhältnis von Gott zur Zeit.

Ich denke immer mal wieder darüber nach, ob meine Vorstellung zu dem Thema in mein Welt- und Glaubensbild (das sich fortwährend verändert) noch passt.

Im Moment würde ich das so erklären:
Gott steht über der Zeit. Er hat die Zeit den Menschen gegeben (oder sie haben es sich selbst so ausgesucht) um den Überblick über Geschehnisse des Lebens und der Welt zu behalten.

So sehe ich die Zeiteinteilung wie ein „Fenster“ ähnlich wie beim Computer, der die verschiedenen Seiten zeigt, während das Innere, welche diese Seiten „zusammenhält“ wesentlich komplexer ist.

Gott kann das Ganze unbegrenzt überblicken, während die Menschen immer nur ein oder mehrere ausgewählte „Fenster“ ansehen und verändern können.


Ich finde die Frage nach dem Verhältnis „Gott und der Zeit“ immer wieder neu spannend.
Es interessiert mich darum, wie Ihr darüber denkt.

Wenn jemand oder mehrere darüber berichten mögen, wie sie selbst das verstehen, wäre es mir lieb, wenn in diesem Thread nicht speziell wissenschaftlich diskutiert wird, sondern hauptsächlich über die persönlichen Vorstellungen.

Natürlich darf auch so mancher „Wissenschaftler“ seine Meinung dazu schreiben. Wenn möglich, wäre es aber schön, wenn jeder das so ausdrücken würde, dass man auch als „Nicht-Wissenschaftler“ versteht, was gemeint ist.

Also: ich bin gespannt …. 👀

Ruth
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#2 Gott und die Zeit ….

Beitrag von Ruth » So 4. Jul 2021, 13:29

Ruth hat geschrieben:
So 4. Jul 2021, 11:55
Gott steht über der Zeit. Er hat die Zeit den Menschen gegeben (oder sie haben es sich selbst so ausgesucht) um den Überblick über Geschehnisse des Lebens und der Welt zu behalten.

So sehe ich die Zeiteinteilung wie ein „Fenster“ ähnlich wie beim Computer, der die verschiedenen Seiten zeigt, während das Innere, welche diese Seiten „zusammenhält“ wesentlich komplexer ist.

Gott kann das Ganze unbegrenzt überblicken, während die Menschen immer nur ein oder mehrere ausgewählte „Fenster“ ansehen und verändern können.


Diese Vorstellung ist u.a. auch aus Berichten entstanden, in denen gesagt wurde, dass man etwas verloren hätte und Gott dafür gesorgt hat, es wiederzufinden. Oder wo irgendetwas, das eigentlich einen natürlichen Hergang schilderte, was aber zeitlich genau passend geschah, so dass man es als Gottes Hilfe zur richtigen Zeit versteht.

Solchen Berichten folgten oft spöttische Kommentare, ob Gott erst was verschwinden ließ, um es dann wieder hervorholte ... oder ob Gott da extra für gesorgt hat, dass alle Beteigten nicht eher die dazugehörigen Schritte unternehmen, sondern erst wenn es dem einen Menschen passt ... und ähnliches.

Ich verstehe es eher so:
Was auf der Welt passiert, das passiert eben ... logische Folgerungen. Da, wo ein Mensch von Gott geführt wird, kann es passieren, dass Gott diesen Menschen genau zur passenden Zeit in eine Lage führt (eines laufenden natürlichen Vorgangs) damit er seine "Lektion" lernt, die er braucht für sein Leben.
Also: nicht die Situation führt Gottes Wirken herbei, sondern Gott nutzt das, was geschieht, um einen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein zu lassen, damit dieser Gottes Wirken in dem Geschehen erkennt.

... so in Etwa ... :g222:

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sven23
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#3 Gott und die Zeit ….

Beitrag von sven23 » So 4. Jul 2021, 15:33

Ruth hat geschrieben:
So 4. Jul 2021, 13:29
Diese Vorstellung ist u.a. auch aus Berichten entstanden, in denen gesagt wurde, dass man etwas verloren hätte und Gott dafür gesorgt hat, es wiederzufinden. Oder wo irgendetwas, das eigentlich einen natürlichen Hergang schilderte, was aber zeitlich genau passend geschah, so dass man es als Gottes Hilfe zur richtigen Zeit versteht.

Solchen Berichten folgten oft spöttische Kommentare, ob Gott erst was verschwinden ließ, um es dann wieder hervorholte ... oder ob Gott da extra für gesorgt hat, dass alle Beteigten nicht eher die dazugehörigen Schritte unternehmen, sondern erst wenn es dem einen Menschen passt ... und ähnliches.
Oder alles ist viel simpler und beruht lediglich auf der Verwechselung von Kausalität mit Koinzidenz.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Ruth
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#4 Gott und die Zeit ….

Beitrag von Ruth » Mo 5. Jul 2021, 14:08

sven23 hat geschrieben:
So 4. Jul 2021, 15:33
Oder alles ist viel simpler und beruht lediglich auf der Verwechselung von Kausalität mit Koinzidenz.
Wobei das eine nicht das andere ausschließen muss ... denke ich jedenfalls. Gott steht ÜBER dem allen, was uns Menschen hilft, den Überblick über die Dinge des Lebens zu behalten.

Die Frage, ob Gott überhaupt existiert und in meinem Leben wirkt, ist dabei FÜR MICH schon längst nicht mehr relevant. Dafür sind in meinem Leben mit Gott schon viel zu viele Dinge geschehen, die durch verschiedene unvorhersehbare Wegführung zu einem Ziel geführt haben, welches ich, wenn ich nach meinem eigenen Ermessen gehandelt hätte, niemals so erreicht hätte ... und welche im Rückblick perfekt ineinander passen, wie ein Puzzle.

Das ist eben MEINE Art, wie ich Gott erlebe. Aber weil ich das wiederholt erlebe, und es immer besser passt, als meine eigenen Vorstellungen, ist es FÜR MICH Fakt, dass Gott in meinem Leben aktiv mitwirkt.

Ich würde meine Art, wie ich mit Gott lebe, aber nie als absolute Vorlage benutzen, wenn ich mit anderen Menschen über meine Erfahrungen rede. Wenn ich drüber rede, dann nur, weil es mich interessiert, ob es noch mehr ähnliche "Geschichten" gibt, wie meine, und ob man einen gemeinsamen Nenner mit anderen Gläubigen finden kann. Über den gemeinsamen Nenner kann dann Gemeinschaft entstehen. Echte Gemeinschaft, die nicht willkürlich durch zufügen zu einer Freundesliste entsteht, sondern durch die innere "Antenne", die mit Gott verbunden ist.

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Naqual
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#5

Beitrag von Naqual » Mo 5. Jul 2021, 17:46

Ruth hat geschrieben:
So 4. Jul 2021, 13:29
Also: nicht die Situation führt Gottes Wirken herbei, sondern Gott nutzt das, was geschieht, um einen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein zu lassen, damit dieser Gottes Wirken in dem Geschehen erkennt.

Der Frage um die Zeit bin ich eigentlich religiös noch nie nachgegangen und fühle mich erst einmal hoffnungslos überfordert. Aber kritische Anmerkungen sind noch drin! :-)

Vor ewigen Zeiten, ich machte meinen Führerschein, hatte ich einen Riesenbammel vor der praktischen Fahrprüfung. Ich betete zu Gott und um Antwort, ob ich es schaffe. Also nahm ich ein Messer und eine Bibel, und ließ das Messer in die Bibel gleiten. Dort schlug ich dann das Buch auf. Da stand an der Stelle auf die ich zuerst schaute: "Fürchte Dich nicht, der Herr wird vor Dir herfahren". Ich war begeistert. Gott hatte geantwortet. Mit welcher Wahrscheinlichkeit kommt der Begriff "fahren" bei der Frage um die Fahrprüfung vor? Doch fast bei Null. Ein lang ersehntes Wunder! - Nur: bei der Prüfung einen oder zwei Tage drauf bin ich dann durchgefallen. Seufz. Das hatte mich lange beschäftigt. Die Situation war eine Überforderung von meinem Glauben. Gut, vielleicht habe ich es auch gebraucht (insofern Gottes Wirken). Diese "rituelll-okkulte Art des Glaubens" von damals als Spätjugendlicher kann ich heute auch nicht mehr teilen.

Ruth
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#6 Gott und die Zeit ….

Beitrag von Ruth » Mo 5. Jul 2021, 19:59

Naqual hat geschrieben:
Mo 5. Jul 2021, 17:46

Vor ewigen Zeiten, ich machte meinen Führerschein, hatte ich einen Riesenbammel vor der praktischen Fahrprüfung. Ich betete zu Gott und um Antwort, ob ich es schaffe. Also nahm ich ein Messer und eine Bibel, und ließ das Messer in die Bibel gleiten. Dort schlug ich dann das Buch auf. Da stand an der Stelle auf die ich zuerst schaute: "Fürchte Dich nicht, der Herr wird vor Dir herfahren". Ich war begeistert. Gott hatte geantwortet. Mit welcher Wahrscheinlichkeit kommt der Begriff "fahren" bei der Frage um die Fahrprüfung vor? Doch fast bei Null. Ein lang ersehntes Wunder! - Nur: bei der Prüfung einen oder zwei Tage drauf bin ich dann durchgefallen. Seufz. Das hatte mich lange beschäftigt. Die Situation war eine Überforderung von meinem Glauben. Gut, vielleicht habe ich es auch gebraucht (insofern Gottes Wirken). Diese "rituelll-okkulte Art des Glaubens" von damals als Spätjugendlicher kann ich heute auch nicht mehr teilen.
Etwas Ähnliches habe ich auch erlebt, dass ich eine Antwort suchte, und sogar doppelt bekam ... aber letztendlich das Ganze ganz anders ausging, als ich glaubte, die Antwort verstanden zu haben.
Das war auch für mich der Abschied von dem Glauben, dass Antworten von Gott immer so ausfallen, dass ich genau weiß, wo es lang geht. Immerhin hatte er das aber vorher eine längere Zeit so getan. Das hat mein Vertrauen in dieser Zeit gestärkt. Natürlich hat es eine Zeit lang gedauert, bis ich diesen Fehlschlag verarbeitet habe .... bis ich an den Punkt kam, zu sagen: Gott, ich verstehe dich nicht ... aber ich vertraue dir.

Jetzt geht es bei mir eher meistens in die Richtung, dass ich erst im Nachhinein auf mehrere "Stationen" meiner Wege zurückblicke, und darin ein Muster erkennen kann. Meine Kommunikation mit Gott läuft aber eher immer so, dass ich Gott sage, was mich bewegt, ihm auch Fragen stelle ... und dann tue, was ich für richtig halte, was ich glaube, verstanden zu haben... im Vertrauen darauf, dass er mich nicht im Regen stehen lässt, oder gar in einen Abgrund laufen lässt, wenn ich ihm vertraue.. Das läuft oft nicht auf meine Wünsche und Vorstellungen hinaus, aber wie ich schon sagte: im Rückblick kann ich oft erkennen, dass alles, was so ganz anders lief, als ich gedacht habe, genau die Punkte waren, die mich in die Richtung geführt haben, wo ich gerade stehe.

Das Ganze ist natürlich viel komplexer, als ich jetzt so erzählen kann und will. Aber das ist genau der Punkt, warum ich immer mal über das Verhältnis "Gott und die Zeit" nachdenke. Ich denke, Gott "sieht", was in der Welt geschieht, und lenkt in der Zeit die Geschicke der Menschen, dass es passt. Ich erkenne viele Dinge erst im Rückblick, gehe manchmal eher "blind" einen Weg, den ich mir eigentlich nicht ausgesucht habe.... und kann dann letztendlich einen Zusammenhang zwischen den einzelnen "Stationen" feststellen. Und das passiert nicht, weil Gott mich zwingt, Wege zu gehen, sondern weil er die "Zeitfenster" meines Lebens so anpasst, dass ich sie gehen will.

Als ich noch jung war, wurde mal gesagt, man könne auch für jemand beten, wenn das, wofür man betet, schon in der Vergangenheit
liegt. Gestützt wurde das auf das Bibelwort:

Jesaja 65,24
Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.

Das war auch ein Punkt, an dem ich über die Zeit nachgedacht habe. Und so gab es schon etliche Punkte, wo ich den Eindruck hatte, dass es bei Gott keine Zeitfenster gibt, sondern diese Fenster für die Menschen gibt, damit sie immer mal wieder, wenn sie irgendwo gescheitert sind, nicht verzweifeln, sondern (im neuen Fenster) neu anfangen können.

JackSparrow
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#7 Gott und die Zeit ….

Beitrag von JackSparrow » Mo 5. Jul 2021, 20:44

Naqual hat geschrieben:
Mo 5. Jul 2021, 17:46
Da stand an der Stelle auf die ich zuerst schaute: "Fürchte Dich nicht, der Herr wird vor Dir herfahren".
Wen interessierts. Selbst wenn Bill Gates persönlich vor dir hergefahren wäre, wärst du doch immer noch selbst für das Fahrzeug verantwortlich gewesen.


Ruth hat geschrieben:
Mo 5. Jul 2021, 19:59
im Rückblick kann ich oft erkennen, dass alles, was so ganz anders lief, als ich gedacht habe, genau die Punkte waren, die mich in die Richtung geführt haben, wo ich gerade stehe.
Wie viele Richtungen standen insgesamt zur Verfügung und in welche davon hätten dich die Dinge geführt, die exakt so liefen wie du dachtest?

Ich denke, Gott "sieht", was in der Welt geschieht, und lenkt in der Zeit die Geschicke der Menschen, dass es passt.
Ich denke, Zeit ist eine Erfindung des Menschen. Woran wir uns zu erinnern glauben, bezeichnen wir als Vergangenheit, und was wir erhoffen oder befürchten, bezeichnen wir als Zukunft.

Dennoch erfolgt alles, was wir tun, immer nur im jetzigen Moment. Ohne dass sich je ein Gott in unser Verhalten einmischt.

Ruth
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#8 Gott und die Zeit ….

Beitrag von Ruth » Fr 9. Jul 2021, 10:08

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 5. Jul 2021, 20:44

Dennoch erfolgt alles, was wir tun, immer nur im jetzigen Moment. Ohne dass sich je ein Gott in unser Verhalten einmischt.

Deinem ersten (von mir zitierten) Satz stimme ich zu.
Dem zweiten Satz nur teilweise ...

... denn: Gott mischt sich nicht ein, im Sinne von Manipulation. ...

...aber wenn ein Mensch von Herzen aufrichtig darum bittet, dass Gott sich einmischt und hilft, neue gute Ziele zu finden, und die Wege dahin zu erkennen, dann antwortet Gott auch und öffnet die "Augen" (des Herzens) dafür.

Freilich nur so, dass der betreffende Mensch es erkennt und den Sinn dahinter versteht.
Außenstehende Betrachter mögen dahinter Gott nicht erkennen ... und das ist auch gar nicht nötig ... niemand, der mit Gott verbunden ist, braucht die Beurteilung von Menschen.

JackSparrow
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#9 Gott und die Zeit ….

Beitrag von JackSparrow » Fr 9. Jul 2021, 16:20

Ruth hat geschrieben:
Fr 9. Jul 2021, 10:08
...aber wenn ein Mensch von Herzen aufrichtig darum bittet, dass Gott sich einmischt
Wenn einen Dritten darum bitte, sich in mein Verhalten einzumischen, bin ich wohl kaum von Herzen aufrichtig.

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sven23
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#10 Gott und die Zeit ….

Beitrag von sven23 » Sa 10. Jul 2021, 07:26

Ruth hat geschrieben:
Mo 5. Jul 2021, 14:08
Das ist eben MEINE Art, wie ich Gott erlebe. Aber weil ich das wiederholt erlebe, und es immer besser passt, als meine eigenen Vorstellungen, ist es FÜR MICH Fakt, dass Gott in meinem Leben aktiv mitwirkt.

Es kann aber auch sein, dass sog. "Gotteserfahrungen" auf einer sehr selektiven und einseitigen Interpretation und Zuschreibung von Ereignissen beruhen.

- positive Ereignisse und Erfahrungen werden Gott zugeschrieben

- negative Ereignisse und Erfahrungen werden ignoriert oder uminterpretiert


Wenn man genügend Menschen beisammen hat, die so vorgehen, dann kann man von einer Glaubensgemeinschaft sprechen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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