Religiöse Rituale ...

Säkularismus
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sven23
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#11 Religiöse Rituale ...

Beitrag von sven23 » So 4. Jul 2021, 15:52

piscator hat geschrieben:
So 4. Jul 2021, 15:36
Rituale können natürlich aus dazu benutzt werden, sich innerhalb der Glaubenden abzugrenzen und eine Machtposition zu erlange bzw. zu festigen.
Das ist insbesondere  dann der Fall, wenn nur bestimmte Personen diese Rituale ausüben dürfen und dem normalen Glauben dies verwehrt ist.

Letztendlich führt dies dazu, dass eine Barriere zwischen dem Glaubenden und dem Göttlichen aufgebaut wird und der Zugang reglementiert wird.

Organisierte Religionen sind da besonders gefährdet, ein Klerus, der sich aus einem bestimmten Personenkreis zusammensetzt, besonders ausgebildet wird und  
Rituale ausführt, die nur ihm zugänglich sind, sind das beste Beispiel dafür.
Das war sicher auch ein Grund dafür, dass die Kirche die Gnostiker von Anfang an energisch bekämpft hat.
Nach gnostischer Auffassung ist es jedem Menschen möglich, eine Beziehung zu Gott herzustellen, auch ohne Vermittlung der Priester.
Das hätte letzendlich die Kirche überflüssig gemacht.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Naqual
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#12 Religiöse Rituale ...

Beitrag von Naqual » Mo 5. Jul 2021, 17:29

sven23 hat geschrieben:
So 4. Jul 2021, 15:52
Das war sicher auch ein Grund dafür, dass die Kirche die Gnostiker von Anfang an energisch bekämpft hat.
Nach gnostischer Auffassung ist es jedem Menschen möglich, eine Beziehung zu Gott herzustellen, auch ohne Vermittlung der Priester.
Das hätte letzendlich die Kirche überflüssig gemacht.
Im NT ist dies für mich bildhaft beschrieben. Als Jesus am Kreuz verschied, riss der Vorhang im Innersten Tempel. Also da, wo man als Otto-Normal-Gläubiger gar nicht rein durfte wurde der Tempel "geöffnet" und es wehte ein frischer Wind sozusagen. Gott ist nicht gebunden an ein Gebäude und er bedarf keines MIttlers. Allerdings sind "Lehrer", mit Glaubenserfahrungen, sinnvoll. Das ist aber eine völlig andere Kategorie. Bekanntlich monopolisierte die Kirche Funktionen und Lehrberechtigungen. Wobei die Lehrberechtigung sich auf Dogmatik bezieht und (fast) nicht auf Lebenserfahrung im Glauben. Wenn man natürlich einen ganzen Kontinent (Europa) in der Spätantike zwangsmissioniert, kann man nicht mit Glaubenserfahrungen operieren (das dauert zu lange und ist nicht planbar), sondern da geht es um Dogmen-Glauben (der die Glaubenserfahrungen ersetzt).
Die Rituale wieder unterlagen diesem dogmatischen Monopolisierungskult. Also z.B. wenn Weihwasser nur von einem Priester "hergestellt" werden kann, der von einem Bischof geweiht ist, der wiederum vom Papst ernannt ist. Andere Rituale sind allerdings (so seltsam wie sie manchmal auch anmuten) psychologisch geschickt gemacht. Der Rosenkranz z.B. fördert einen meditativen Geisteszustand, wenn der Sinn vom Rosenkranzbeten am Anfang wohl weniger darin bestand, Maria zu huldigen, als die Leute in den hinteren Reihen, die der lateinischen Predigt nicht folgen konnten, eine halbwegs sinnvoll Aufgabe zu geben ohne zu stören. Unterm Strich hat die Katholische Kirche auch mehr Rituale, die die Menschen auf der emotionalen Ebene ansprechen, als der protestantische Konkurrent.
 

JackSparrow
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#13 Religiöse Rituale ...

Beitrag von JackSparrow » Mo 5. Jul 2021, 21:19

Naqual hat geschrieben:
Mo 5. Jul 2021, 17:29
Allerdings sind "Lehrer", mit Glaubenserfahrungen, sinnvoll
Welchem praktischen Zweck könnte eine "Glaubenserfahrung" je von Nutzen sein?

Unterm Strich hat die Katholische Kirche auch mehr Rituale, die die Menschen auf der emotionalen Ebene ansprechen, als der protestantische Konkurrent.
Unterm Strich arbeit der protestantische Konkurrent hauptsächlich mit Schuldgefühlen, indem er dem dummen sündhaften Durchschnittsbürger ein makelloses liebes Jesulein gegenüberstellt und das eigene Erlösungsmonopol dann noch durch diverse subtile Höllendrohungen zu untermauern versucht.

Wenn nun aber der Mensch ein Sünder ist, dann kann logischerweise auch jede menschliche "Glaubenserfahrung" immer wieder nur weitere Sünden bewirken. Auch die katholische Kirche und der protestantische Konkurrent bestehen ja hauptsächlich aus Menschen.

piscator
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#14 Religiöse Rituale ...

Beitrag von piscator » Di 6. Jul 2021, 13:52

Den Katholizismus empfinde ich als eine Art "Eventreligion". Schöne Kirchen, prächtige Gewänder, Weihrauch, die Liturgie, Rosenkranz, das Niederknien, Prozessionen und viel Prunk und Pomp, sind etwas für die Sinne. Dazu der Papst, der Klerus, die vielen Heiligen und Seligen, das macht richtig was her.

Demgegenüber der nüchterne Protestantismus, kein Pomp, kein Prunk, schlichte Kirchen, Konzentration auf das Kreuz, okay, mich spricht das an, bin ja schließlich auch im pietistisch geprägten Schwabenlande groß geworden und das prägt einen fürs Leben. Erfreulich wenig Rituale, es gibt einen Pfarrer und eine paar Bischöfe, die man nur im TV sieht. Gefällt mir.

Was gibt sin der Kirche noch? Eine gescheite Orgel und hoffentlich einen Organisten, der sein Handwerk verseht. Wir Protestanten haben dazu den göttlichen Bach und seine Musik. :hart2: :music2:

Bach'sche Kirchenmusik, wunderbar.

 
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SamuelB
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#15 Religiöse Rituale ...

Beitrag von SamuelB » Di 6. Jul 2021, 14:21

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 5. Jul 2021, 21:19
Wenn nun aber der Mensch ein Sünder ist, dann kann logischerweise auch jede menschliche "Glaubenserfahrung" immer wieder nur weitere Sünden bewirken.
Der Mensch ist kein Sünder. Wir brauchen uns darüber also keine Gedanken machen.

Tree of life
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#16 Religiöse Rituale ...

Beitrag von Tree of life » Do 8. Jul 2021, 16:23

SamuelB hat geschrieben:
Di 6. Jul 2021, 14:21
Der Mensch ist kein Sünder.
Yup, wir sind alle unschuldige Engerl, die kein Wässerchen trüben können ;)

Ruth
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#17 Ist der Mensch ein Sünder?

Beitrag von Ruth » Do 8. Jul 2021, 17:38

Tree of life hat geschrieben:
Do 8. Jul 2021, 16:23
SamuelB hat geschrieben:
Di 6. Jul 2021, 14:21
Der Mensch ist kein Sünder.
Yup, wir sind alle unschuldige Engerl, die kein Wässerchen trüben können ;)

Ich denke, es gibt einen Unterschied zwischen der Aussage: der Mensch ist ein Sünder... oder: Der Mensch begeht Sünden.

Die erste Aussage definiert den Menschen als Sünder. So wie es manche Christen tun, indem sie ihr Menschsein nur mit der Sünde definieren. So als wenn es nichts anderes gibt, was den Menschen ausmacht. Darum betrachten sie sich auch als "verloren", wenn sie nicht durch Jesus "veredelt" werden (der ihre Sünden wegnehmen solll, damit sie vor Gott bestehen können). Genau genommen haben sie dann ihr Menschsein an der Sünde verloren ... es gibt den Menschen quasi gar nicht mehr, weil er nur noch Sünder ist.

Die zweite Aussage bezieht sich auf etwas, das der Mensch tut. Und da stimmt es natürlich, dass jeder Mensch irgendwo schon gesündigt hat und es auch immer mal wieder tut. Trotzdem bleiben sie Menschen mit ihren Gaben und Fähigkeiten, die sie für die Menschheit und die ganze Schöpfung einsetzen können.... Gutes tun können, oder eben nicht.

Sünde ist etwas was jemand tut ... nicht was jemand ist.

JackSparrow
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#18 Religiöse Rituale ...

Beitrag von JackSparrow » Fr 9. Jul 2021, 16:17

Tree of life hat geschrieben:
Do 8. Jul 2021, 16:23
Yup, wir sind alle unschuldige Engerl, die kein Wässerchen trüben können :wink:
Ein Wässerchen zu trüben macht niemanden zum Sünder.


Ruth hat geschrieben:
Do 8. Jul 2021, 17:38
Die zweite Aussage bezieht sich auf etwas, das der Mensch tut. Und da stimmt es natürlich, dass jeder Mensch irgendwo schon gesündigt hat
Das stimmt natürlich in keiner Weise, da ich selbst beispielweise noch niemals gesündigt habe und auch sonst niemanden kenne, der dies je getan hätte.

Sünde ist etwas was jemand tut
Zum Beispiel atmen oder sich die Zähne putzen?

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SamuelB
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#19 Klönschnack

Beitrag von SamuelB » Fr 9. Jul 2021, 20:23

Tree of life hat geschrieben:
Do 8. Jul 2021, 16:23
Yup, wir sind alle unschuldige Engerl, die kein Wässerchen trüben können ;)
Glücklicherweise nicht. Das wäre ja langweilig. Es langt erst mal, wenn wir so aussehen. Überraschung.

Ich lehne den Begriff "Sünde" aus religiösen Gründen ab, denn das würde heißen, dass der Mensch Gott etwas schuldet und das sehe ich überhaupt nicht ein.

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sven23
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#20 Religiöse Rituale ...

Beitrag von sven23 » Sa 10. Jul 2021, 07:12

Naqual hat geschrieben:
Mo 5. Jul 2021, 17:29
Gott ist nicht gebunden an ein Gebäude und er bedarf keines MIttlers.
Das wäre aber eher die gnostische Position, nicht die jüdische (Jesus) und nicht die christliche (biblische Autoren und die spätere Kirche)
Sprach Jesus nicht vom Tempel als "Haus meines Vaters"?
Wie wichtig ihm der Tempel war, wird ja durch die sog. Tempelreinigung beschrieben. Indem sich Jesus mit der jüdischen Tempelaristokratie (den Sadduzäern) anlegte, brachte er die gut geschmierte Maschine des Tempelkultes als sprudelnde Einnahmequelle in Gefahr. Dass die Tempelelite darauf regieren mußte, war auch klar. Da die Sadduzäer mit der römischen Besatzungsmacht kolaborierten, hatte Jesus nun gleich 2 mächtige Gegner. Viele Neutestamentler sehen darin auch den eigentlichen Grund für seine Hinrichtung.
Jesus hatte seine eigenen Möglichkeiten bei seinem ersten Besuch in Jerusalem überschätzt und gleichzeitig seine mächtigen Gegner unterschätzt.
Ein fataler Fehler.



Naqual hat geschrieben:
Mo 5. Jul 2021, 17:29
Also z.B. wenn Weihwasser nur von einem Priester "hergestellt" werden kann, der von einem Bischof geweiht ist, der wiederum vom Papst ernannt ist.
Das Kuriose ist ja, dass keiner der beteiligten Würdenträger Weihwasser von nicht geweihtem Wasser unterscheiden kann.



Naqual hat geschrieben:
Mo 5. Jul 2021, 17:29
Unterm Strich hat die Katholische Kirche auch mehr Rituale, die die Menschen auf der emotionalen Ebene ansprechen, als der protestantische Konkurrent.
Das ist wohl wahr. Und vor allem die schöneren Kleider. ;)

 
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