Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#31 Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Beitrag von Naqual » Do 13. Mai 2021, 09:34

Ich denke wir sind in der Gefahr von dem eigentlichen Thema von Ruth abzuweichen.
Gleichwohl sind hier natürlich einige Punkte, die irritieren können.

Ruth hat geschrieben:
Mi 12. Mai 2021, 11:10
Kann man das Gute überhaupt ohne das Böse wahrnehmen?
Zuerst sollte man klären, was das Gute und was das Böse sein soll.
Hier kann man eine hochphilosophische Diskussion führen. Das Ergebnis steht aber schon fest: das objektiv Böse und objektiv Gute ist nicht allgemeingültig formulierbar.
Daraus kann man jedoch nicht schlussfolgern, dass es das nicht gebe.
Man wird feststellen, dass das Gute und das Böse für uns eine subjektive Angelegenheit ist. Das heißt aber nicht, dass dies verkehrt ist.
Also ich finde es völlig okay ganz subjektiv zu sagen, für mich ist es nicht okay, wenn A den B anlügt um von diesem etwas für sich zu erhalten, was er sonst nicht bekommen hätte.
Um überhaupt in Gemeinschaften von Menschen leben zu können, MÜSSEN Regeln aufgestellt werden. Ohne geht es nicht. Sie sollten allerdings hinterfragbar bleiben für rationale Argumente. In dem Moment in dem Regeln aufgestellt werden, habe ich bereits gut und böse. Böse ist eben das missachten der Regeln.

Wenn man das soweit akzeptiert, müsste man eigentlich die Diskussion, die Ruth angeregt hat, führen können. Die Alternative ist ins Uferlose abzugleiten und drumherum endlos zu philosophieren.

Gut und Böse als Subjektive zu verwenden sehe ich als erst einmal unproblematisch an. Genauso wie es das "Abstrakte" gibt, und das hat auch noch nie jemand rumhüpfen gesehen (zur Wertung von Detlef). Die Wertung von Gut und Böse ist notwendig (auch wenn es mit anderen Begriffen läuft wie "zweckmäßig" und "unzweckmäßig für"). Die Problematik kommt an anderer Stelle: wer hat die Macht, Gut und Böse zu definieren und inwieweit ist jegliches Eigeninteresse bei diesem Prozess ausgeschlossen. Aber auch das ist eine andere Diskussion, als die Thread-Eröffnerin beabsichtigt hat.

Ich persönlich be-urteile nicht in gut und böse, sondern in Ursache-Wirkung.
Beurteilen heißt bewerten. Da gibt Ursache und Wirkung keinen Sinn für mich. Wenn A den B nicht mag und ermordert dann weiß ich, z.B. der Hass von A ist die Ursache dafür, dass B tot ist. Damit habe ich jetzt Ursache und Wirkung. Was mache ich jetzt damit? Ich muss ja jetzt beurteilen. Oder einfach sagen, das interessiert mich nicht, ist mir egal.
Beurteilen findet auch immer dualistisch statt: gut und böse, richtig und verkehrt, zweckmäßig oder nicht zielführend, nützlich oder unnütz, gefährlich oder nicht, usw.
Und ohne Beurteilen geht es nicht. Wir machen dies eigentlich immer und hier gefährlicher: oftmals sogar schon unterbewusst.
Und dann stellt man fest: das Gute erkennt man über das Vorhandensein des Bösen (oder dessen Fehlen, aber dann muss man trotzdem eine Vorstellung vom Bösen haben das fehlt). Zumindest Erkenntnis-bezogen dient das Böse dem Guten. Und umgekeht das Gute dient dem Erkennen des Bösen.

Jetzt kann ich noch einen Schritt weiter gehen und sagen: das Böse hilft mir mit dem Guten zum Guten. Das Böse ist eigentlich insofern gut, weil es mir mit dem Guten hilft.
Das Böse ist eine Herausforderung die es zu meistern gilt. Oder auch: ich brauche einen Armen (der Zustand ist böse oder ungut oder unschön....) um diesem etwas zu spenden um ihn zu helfen (das ist nett oder gut oder zweckmäßig.....).

Nicht ganz zum Thema: da reizt es mich immer die christliche Himmelsvorstellung ein wenig aufs Korn zu nehmen: wir haben also ein "himmlisches Reich", in dem es nur noch Gutes gibt. Oder anders ausgedrückt: von denen im Himmel ist niemandem mehr zu helfen. Wozu sollte man dann gut sein um dahin zu kommen? Gott muss ja etwas damit wollen, dass nicht jeder da hineinkommt.


 

Spice
Beiträge: 801
Registriert: Di 22. Mai 2018, 15:38

#32 Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Beitrag von Spice » Do 13. Mai 2021, 09:38

Ruth hat geschrieben:
Mi 12. Mai 2021, 11:10

Ich denke sogar, dass die Überwindung des Bösen durch das Gute Schwerpunkt der Botschaft von Jesus war.

Das Urböse ist, sich mit dem eigenen Leib zu identifizieren. Aber das geht erst einmal nicht anders. Warum ist es das Urböse? Weil man da aus der ganz persönlichen Sicht alles nach gut und böse wertet und nicht nach dem, was objektiv gut ist. Das Böse ist aber immer - früher oder später erkennt man es - mit Leiden verbunden. Wenn man also vom Leiden freiwerden will, muss man das Urböse, also die Identifikation mit dem eigenen Leib überwinden und sich mit dem Ewigen identifizieren. Damit tut man sich und anderen etwas Gutes. Das erfahre ich täglich.

Ruth
Beiträge: 2572
Registriert: Mi 3. Dez 2014, 12:42

#33 Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Beitrag von Ruth » Do 13. Mai 2021, 10:05

Naqual hat geschrieben:
Do 13. Mai 2021, 09:34
Um überhaupt in Gemeinschaften von Menschen leben zu können, MÜSSEN Regeln aufgestellt werden. Ohne geht es nicht. Sie sollten allerdings hinterfragbar bleiben für rationale Argumente. In dem Moment in dem Regeln aufgestellt werden, habe ich bereits gut und böse.
Danke Naqual, du hast es gut auf den Punkt gebracht, um den es mir geht. Und dabei hast du sehr anschaulich die Gegensätze und Abzweigungen dargestellt... dass es jeder verstehen müsste.... denke ich zumindest.

Naqual hat geschrieben:
Do 13. Mai 2021, 09:34
Die Alternative ist ins Uferlose abzugleiten und drumherum endlos zu philosophieren.

Ja stimmt ... das war mir am Anfang nicht bewusst. Ich hatte einfach nur meine eigenen Gedankengänge im Visir und dachte, durch die Fragen wäre klar, worum es mir geht.

Benutzeravatar
SamuelB
Beiträge: 3740
Registriert: Sa 30. Sep 2017, 17:02

#34 Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Beitrag von SamuelB » Do 13. Mai 2021, 10:27

Spice hat geschrieben:
Do 13. Mai 2021, 09:38
Warum ist es das Urböse? Weil man da aus der ganz persönlichen Sicht alles nach gut und böse wertet und nicht nach dem, was objektiv gut ist.
Klar, für diejenigen, die meinen, Objektivität für sich gepachtet zu haben, ist so jmd natürlich ärgerlich. Jmd, der sich selbst wichtiger nimmt als all das Gequatsche. So kann man auch den Fall der Engel darstellen und Stolz gilt als die gefährlichste Sünde. Das hat schon seinen Grund; solche Leute sind nicht so einfach zu unterdrücken, außer vllt mit Gewalt.

Wenn man also vom Leiden freiwerden will, muss man das Urböse, also die Identifikation mit dem eigenen Leib überwinden und sich mit dem Ewigen identifizieren.
Verrätst du bitte auch, wovon man dann noch frei wird? Es wird dich nicht mehr geben. Aber wer das gut findet... 🧘‍♀️

Spice
Beiträge: 801
Registriert: Di 22. Mai 2018, 15:38

#35 Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Beitrag von Spice » Do 13. Mai 2021, 10:54

SamuelB hat geschrieben:
Do 13. Mai 2021, 10:27
Spice hat geschrieben:
Do 13. Mai 2021, 09:38
Wenn man also vom Leiden freiwerden will, muss man das Urböse, also die Identifikation mit dem eigenen Leib überwinden und sich mit dem Ewigen identifizieren.
Verrätst du bitte auch, wovon man dann noch frei wird? Es wird dich nicht mehr geben. Aber wer das gut findet... 🧘‍♀️
Doch, natürlich gibt es mich dann noch, nämlich als Gott in all seiner Kraft und Herrlichkeit!

Ruth
Beiträge: 2572
Registriert: Mi 3. Dez 2014, 12:42

#36 Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Beitrag von Ruth » Do 13. Mai 2021, 13:12

Helmuth hat geschrieben:
Do 13. Mai 2021, 07:53
Ich muss nicht erst einen Ehebruch begehen und damit all die in dem Zusammenhang stehenden bösen Erfahrungen machen, nur damit ich erkenne, dass Ehebruch tatsächlich böse ist.
Es geht hier nicht darum, das Böse zu erkennen und zu benennen, sondern um das Zusammenspiel von Beiden: Gut + Böse.... wie weit Beides im Umgang miteinander nützlich ist (sein kann)

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#37 Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Beitrag von Naqual » Do 13. Mai 2021, 16:13

Eusebius hat geschrieben:
Mi 12. Mai 2021, 14:18
.... Ich habe es quasi "studiert". Ich will es nicht immer das Böse nennen, weil böse nochmal etwas Spezielles ist. Sondern lieber negativ. Am liebsten verwende ich den Ausdruck "negative Kraft". Ich halte das für passender, treffender, angemessener. Jedenfalls, ich drücke es mal so aus, die negative Kraft hat ein Interesse daran, dass wir uns auf die ihr angenehme und vertraute Art ausleben, und darum unterstützt sie uns grundsätzlich darin, das zu tun. In meinem Fall hat sie mir indirekt - wenn man so will - Methoden der Manipulation und Verführung offenbart, damit ich sie anwende. Sinn und Zweck war nicht, mich darin zu schulen, damit ich sie erkenne und mich dem entziehe. Genau das aber hat es letztlich bewirkt. Weil ich es gelernt und auch angewendet habe, erkenne ich es und kann mich dadurch auch bewusst und sicher davon abgrenzen. Besser aus ihrer Sicht wäre es gewesen, mich unbewusst in Beziehungen hinein zu treiben. So aber habe ich eine Menge dazu gelernt.
 Das mit der Verwendung des Begriffs "das Böse" geht mir auch so, damit wird es ohne es zu wollen (jedenfalls bei mir gefühlsmäßig assoziiert) sowohl personalisiert als auch demonisiert. "Das Böse" ist aber mehr eine Funktion, eine Richtung als etwas Personifiziertes. Wobei "das Böse" zu studieren (man tut es dann ja auch) bewirkt das Böse zu lernen. Man erkennt schneller und früher das Böse, wo man vorher "ein ahnungsloses Huhn" war. Und man kann es dann zum Guten einsetzen.
Ich kenne das aus der Kommunalpolitik in der ich viele Jahre aktiv war. Einerseits mochte man mich, weil ich recht geradelinig war. Ich musste aber die Tricks und Kniffs gegenläufiger Kräfte ahnen und verstehen. Das kriegt man im Laufe der Jahre dann schon mit. :-) Und manchmal kam ich mir dann wie ein "Höllenhund mit göttlichem Auftrag" vor, weil man manche Leute, sehr gute Menschen eigentlich, geradezu schützen musste, weil die "zuuuu harmlos" waren und dachten.
Das konnte dann erstaunliche Blüten schaffen. Einmal redete ich mit einem oberen Funktionär der Gegenpartei und erklärte ihm mühselig, warum ich an seiner Stelle dies und das nicht machen würde, weil es für IHN nachteilige Folgen hat. Ich fand, das hätte er nicht verdient (er war irgendwie ein guter Kerl). Er ignorierte das alles und es trat so ein, wie ich es ihm gesagt hatte. Natürlich sprach ich ihn danach darauf an. Er dachte, er müsse verschärft sogar genau das Gegenteil tun, weil ich sei ja ein bekannter Intriganter von der Gegenseite. LoL. Dass er mir so misstraut hatte (wir hatte viele Jahre in einem ehrenamtlichen Vorstand, nicht parteigebunden, zusammengearbeitet), traf mich irgendwie.

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#38 Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Beitrag von Naqual » Do 13. Mai 2021, 16:22

Spice hat geschrieben:
Do 13. Mai 2021, 09:38
Ruth hat geschrieben:
Mi 12. Mai 2021, 11:10
Ich denke sogar, dass die Überwindung des Bösen durch das Gute Schwerpunkt der Botschaft von Jesus war.
Das Urböse ist, sich mit dem eigenen Leib zu identifizieren. Aber das geht erst einmal nicht anders. Warum ist es das Urböse? Weil man da aus der ganz persönlichen Sicht alles nach gut und böse wertet und nicht nach dem, was objektiv gut ist. Das Böse ist aber immer - früher oder später erkennt man es - mit Leiden verbunden. Wenn man also vom Leiden freiwerden will, muss man das Urböse, also die Identifikation mit dem eigenen Leib überwinden und sich mit dem Ewigen identifizieren. Damit tut man sich und anderen etwas Gutes. Das erfahre ich täglich.
Erst einmal stimmt die Einschätzung von Ruth, dass die Überwindung des Bösen mit Gutem bei Jesus etwas Besonderes war. Aus meiner Sicht, was ihn auch von anderen Predigern abhob. Denn normalerweise trifft böses Verhalten auf die Reaktion böses Verhalten und wird in einem Teufelskreislauf wieder zur Ursache des nächsten bösen Verhaltens.
Du kannst es auch statt "böse" einfach "unangenehm" nennen, in vielen Zusammenhängen geht es auf. Mit Gutem auf Bösen zu antworten ist total ungewöhnlich. Weil wir denken normalerweise auf schlechte Tat muss unangenehme Strafe folgen.... Jesus hat das ein völlig anderes Konzept ausgearbeitet, das im übrigen mit daran beteiligt war Indien in die Unabhängigkeit zu führen: Mahatma Gandhi und der gewaltlose Widerstand. Man braucht also einen Hindu in der WElt, der Christus kapiert hat.

Der advaitistische Gedanke der Nichtidentifikation mit dem Leib ist in dieser Vorstellungswelt eigentlich noch konsequenter. Denn Du bist auch nicht Deine Gedanken und Gefühle. Aber das wäre ein komplexes und völlig anderes Thema als "Das Gute braucht das Böse".

Eusebius
Beiträge: 434
Registriert: Di 13. Apr 2021, 18:38

#39 Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Beitrag von Eusebius » Do 13. Mai 2021, 16:29

Naqual hat geschrieben:
Do 13. Mai 2021, 16:13
Er dachte, er müsse verschärft sogar genau das Gegenteil tun, weil ich sei ja ein bekannter Intriganter von der Gegenseite.

Eigentlich recht typisch.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#40 Das Gute und das Böse brauchen einander ...

Beitrag von sven23 » Do 13. Mai 2021, 17:27

Ruth hat geschrieben:
Do 13. Mai 2021, 13:12
Helmuth hat geschrieben:
Do 13. Mai 2021, 07:53
Ich muss nicht erst einen Ehebruch begehen und damit all die in dem Zusammenhang stehenden bösen Erfahrungen machen, nur damit ich erkenne, dass Ehebruch tatsächlich böse ist.
Es geht hier nicht darum, das Böse zu erkennen und zu benennen, sondern um das Zusammenspiel von Beiden: Gut + Böse.... wie weit Beides im Umgang miteinander nützlich ist (sein kann)
Dazu muss man aber erst mal definieren, was gut und böse sein soll.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Antworten