Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Säkularismus
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sven23
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#11 Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Beitrag von sven23 » So 28. Mär 2021, 07:38

SamuelB hat geschrieben:
Sa 27. Mär 2021, 20:42
sven23 hat geschrieben:
Sa 27. Mär 2021, 16:03
Stell dir vor, du hättest Allmacht. Würdest du dann nicht als Mutter alles tun, um Schaden von deinem Kind abzuwehren?
Bräuchte ich nicht mal. Egal, was das Kind macht, es kommt von mir nicht weg. Es wäre alles ich, auch der Schaden aus Sicht des Kindes, der dann aus meiner Sicht keiner wäre. 🤯
Als Fan von Selbstbestimmung rollen sich mir bei dieser Vorstellung die Zehennägel hoch. 😂 Aber wir können es gern gedanklich durchspielen.
Auch mit Selbstbestimmung kann dem Kind Schaden durch Naturkatastrophen, Kriege, Krankheit, Unfall oder Verbrechen widerfahren.
Die Bibel verwendet oft das Bild vom Hirten und seinen Schaften. Würde ein guter Hirte nicht alles tun, damit es seinen Schafen gut geht? Würde er sich nicht um kranke Tiere kümmern und Gefahren von außen abwehren, soweit es in seiner Macht steht? Mit Allmacht ginge das natürlich viel leichter.

SamuelB hat geschrieben:
Sa 27. Mär 2021, 20:42
Punch hat geschrieben:
Sa 27. Mär 2021, 15:35
Und dieser Gott sollte zornig sein, wenn ein Mensch "sündigt"? Oder ein Mensch nicht so will, wie er es angeblich will und möchte.
Genau das meine ich auch. Absolut lächerlich.
Ein Gott, der Partikularinteressen vertritt, ist in der Tat kleinkariert und provinziell. Ist er dazu noch rachsüchtig, eifersüchtig und grausam, wie in der Bibel, dann fragt man sich, wie ein solches Gottesbild überhaupt noch Anhänger finden kann.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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SamuelB
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#12 Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Beitrag von SamuelB » So 28. Mär 2021, 08:23

sven23 hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 07:38
Würde ein guter Hirte nicht alles tun, damit es seinen Schafen gut geht? Würde er sich nicht um kranke Tiere kümmern und Gefahren von außen abwehren, soweit es in seiner Macht steht?
Ich denke, dass es den Geschöpfen aus Sicht des allmächtigen Gottes in dem Sinne gut geht, weil er allumfassend ist. Aus seiner Perspektive ist alles ok. Aus subjektiver Sicht der leidenden Schöpfung natürlich nicht. Mir stellt sich gerade die Frage, ob ein allumfassendes Wesen das Leid überhaupt erkennt und nicht blind sein muss, weil er eben alles ist. ❓

sven23 hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 07:38
Ist er dazu noch rachsüchtig, eifersüchtig und grausam, wie in der Bibel, dann fragt man sich, wie ein solches Gottesbild überhaupt noch Anhänger finden kann.
Diese Anhänger sind genauso, die stehen da drauf.

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sven23
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#13 Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Beitrag von sven23 » So 28. Mär 2021, 11:06

SamuelB hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 08:23
sven23 hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 07:38
Würde ein guter Hirte nicht alles tun, damit es seinen Schafen gut geht? Würde er sich nicht um kranke Tiere kümmern und Gefahren von außen abwehren, soweit es in seiner Macht steht?
Ich denke, dass es den Geschöpfen aus Sicht des allmächtigen Gottes in dem Sinne gut geht, weil er allumfassend ist. Aus seiner Perspektive ist alles ok.
Dann wäre er ziemlich blind und hätte keine Empathie. Es ist aber noch schlimmer. Der Gott des AT und auch in der Hiob-Geschichte ist sogar der Verursacher von Leid.
Insofern ergibt sich die paradoxe Situation, dass der unsympathische AT-Gott kompatibler ist mit dem Theodizeeproblem, das ja erst entsteht, wenn man einen liebenden, gütigen und allmächtigen Gott postuliert.

Entweder will Gott das Übel beseitigen und kann es nicht, oder er kann es und will es nicht, oder er kann es nicht und will es nicht, oder er kann es und will es. Wenn er nun will und nicht kann, ist er schwach, was auf Gott nicht zutrifft. Wenn er kann und nicht will, ist er missgünstig, was ebenfalls Gott fremd ist. Wenn er nicht will und nicht kann, dann ist er sowohl missgünstig wie schwach und dann auch nicht Gott. Wenn er aber will und kann, was allein sich für Gott ziemt, woher kommen dann die Übel, und warum nimmt er sie nicht weg?
(Epikur, gr. Philosoph, 341-ca. 270)


SamuelB hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 08:23
sven23 hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 07:38
Ist er dazu noch rachsüchtig, eifersüchtig und grausam, wie in der Bibel, dann fragt man sich, wie ein solches Gottesbild überhaupt noch Anhänger finden kann.
Diese Anhänger sind genauso, die stehen da drauf.
Da könntest du wohl Recht haben. Gottesbilder sagen ja nichts aus über Gott, aber sehr viel über diejenigen, die diese Bilder vertreten.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Ruth
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#14 Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Beitrag von Ruth » So 28. Mär 2021, 11:23

SamuelB hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 08:23
Mir stellt sich gerade die Frage, ob ein allumfassendes Wesen das Leid überhaupt erkennt und nicht blind sein muss, weil er eben alles ist. ❓
Die Frage habe ich mir auch schon gestellt, in Bezug auf das Leben und Leiden von Jesus.
Weil Gott, wenn er alles so gemacht hat, dass es so funktioniert wie es funktioniert, dann muss er selbst "drüber" stehen. Das könnte, in meiner Vorstellung, ein Grund dafür gewesen sein, warum Jesus als Mensch auf der Erde lebte, und all das durchgemacht hat, was Leiden hervorrufen kann ... quasi als Experiment. Es wird berichtet, dass Jesus oft auf einem Berg allein mit Gott geredet (gebetet) hat. Dort könnte Jesus dann seinem Vater geschildert haben, wie man als Mensch fühlt und was diese Gefühle auslösen.

Es gibt auch in der Bibel Aussagen, die sagen, dass Jesus jetzt "mitleiden" kann, weil er alles selbst erlebt hat. Das Erleben geht so weit, dass Jesus sogar glaubte, sein Vater hätte ihn verlassen ... und das in seiner dunkelsten Stunde. Für mich ist das "Mitleiden" eine logische Erklärung für das Leben und Leiden von Jesus ... und Gottes Anteil daran.

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Naqual
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#15 Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Beitrag von Naqual » So 28. Mär 2021, 11:41

sven23 hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 07:22
Naqual hat geschrieben:
Sa 27. Mär 2021, 19:59
Die Theodizee-Problematik ist m.E. im christlichen Glauben erheblich stärker vorhanden aber als im jüdischen.
In der Antike war die Tun-Ergehen-Philosophie in die Krise gekommen. Die Schreiber der Hiob-Geschichte reagierten darauf mit der Wette zwischen Gott und Satan. Aber wenn man ehrlich ist, ist damit das Theodizeeproblem in keiner Weise gelöst worden.
Das interessiert mich jetzt: was verstehst Du unter "Tun-Ergehen-Philosophie" in der Antike?

In der Antike war man wohl eher so orientiert, dass Leid nicht einfach böse ist und abzulehnen, sondern einem hilft besser zu werden, also gut ist. Die haben ja durchgängig naturrechtlich gedacht. Gott ist auf Seiten des Stärkeren und stark kann man schon werden. Aber nicht durch ein antikes Spa-Center, sondern durch harte leidvolle Arbeit.

Gleichwohl entsteht das Theodizeeproblem dann neu. Es gibt ja auch Leid, das offensichtlch in keiner Richtung zielführend ist. Man kann dann wirlich nur feststellen, es kann irgendwo Sinn haben, aber den weiß man irgendwie nicht, man ist ja nicht Gott. Beispiel: der Sohn von Josef wird von einer Schlange gebissen und stirbt. Das ist erst einmal dem Anschein nach gar nicht gut. Aber es könnte sein dass es zu einem zukünftigen Zeitpunkt gut geworden wäre. (z.B. wenn der Josef ein Mann namens Adolf Hitler gewesen wäre).

Also so total theoretisch zwingend halte ich das Theodizee-Problem nicht. MIt der Phantasie des theoretisch Möglichen kann man noch ausweichen. Aber - für meinen Geschmack - es wirkt schal, etwas arg konstruiert.

Spice
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#16 Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Beitrag von Spice » So 28. Mär 2021, 12:44

SamuelB hat geschrieben:
Sa 27. Mär 2021, 13:56
Dieses Thema kam durch den Thread Liebe deinen Nächsten zustande.

Ich stelle mir einen allmächtigen Gott als allumfassend vor. Niemand bewegt sich außerhalb seines Machtbereiches. Sobald dies geschieht, ist die Allmacht aufgehoben. Insofern, wenn man Liebe als einend definiert - bei mir die höchste Form von Akzeptanz, zu der ich fähig bin - kann man einen allmächtigen Gott als die Liebe oder Alles bezeichnen.

Vor diesem Hintergrund wäre es inkonsequent, wenn Vertreter eines solchen Gottesbildes meinen, Lästerungen könnten ihn treffen. Schwer vorstellbar ohnehin, dass ein Wesen, das alles erschaffen haben soll, sich persönlich angegriffen fühlt. Das ist menschliches Empfinden aus der nicht allmächtigen Perspektive.


Mit dieser Vorstellung gehe ich konform. Die Schwierigkeit vieler Menschen resultiert daraus, dass sie Gott als persönlich ansehen. Aber selbst eine hochentwickelte Persönlichkeit würde nie etwas übel nehmen.
Hier mal schöne Vorstellungen über Gott aus wissenschaftlichen Überlegungen erwachsen: https://www.youtube.com/watch?v=lrgQakH ... icGRJLe_u8 (Hans Peter Dürr war Quantenphysiker. Aber keine Angst, der Vortrag ist allgemeinverständlich! Lohnt sich anzuschauen!)

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SamuelB
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#17 Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Beitrag von SamuelB » So 28. Mär 2021, 12:57

sven23 hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 11:06
Insofern ergibt sich die paradoxe Situation, dass der unsympathische AT-Gott kompatibler ist mit dem Theodizeeproblem, das ja erst entsteht, wenn man einen liebenden, gütigen und allmächtigen Gott postuliert.
Von dem Begriff "gütig" würde ich in dem Fall Abstand nehmen. Liebend, ok, wenn man es als einend versteht, was bei "allumfassend" so ist. Der AT Gott tritt für mein Verständnis nicht so auf. Er muss mehrfach andere fragen, um zu wissen, was auf der Erde läuft. Aber vllt liegt das dann an der Blindheit für das Detail, das Individuum.


Ruth hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 11:23
Das könnte, in meiner Vorstellung, ein Grund dafür gewesen sein, warum Jesus als Mensch auf der Erde lebte, und all das durchgemacht hat, was Leiden hervorrufen kann ... quasi als Experiment.
Ja, kann ich absolut nachvollziehen. Was hältst du davon, wenn das nicht nur für Jesus gilt, sondern für die gesamte Schöpfung? Gott macht seine Erfahrungen durch uns.
Ruth hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 11:23
Dort könnte Jesus dann seinem Vater geschildert haben, wie man als Mensch fühlt und was diese Gefühle auslösen.
Das können wir auch.


Spice hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 12:44
Die Schwierigkeit vieler Menschen resultiert daraus, dass sie Gott als persönlich ansehen.
Mache ich auch lieber, dass ich mich mit einzelnen beschäftige. Je nachdem, was bei mir gerade los ist. Die kann ich leichter verstehen als den Einen und ich vermute, dass sie auch näher an mir sind. Bestimmt weißt du, was ich meine.

Lena
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#18 Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Beitrag von Lena » So 28. Mär 2021, 13:34

Tree of life hat geschrieben:
Sa 27. Mär 2021, 15:09
Warum brichst du die Ehe nicht? Weil Gott es so will...

Was ist das für eine Einstellung?

Eine wunderbare. Denn ich habe erkannt, dass es das bessere ist, die Ehe nicht zu brechen.
So wurde der Wille Gottes zu meinem Willen. Ich tue das, was ich will und dies ist im Einklang 
mit Gott. 
 
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Tree of life
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#19 Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Beitrag von Tree of life » So 28. Mär 2021, 13:52

Lena hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 13:34
Denn ich habe erkannt
Du verstehst es nicht, was ich ausdrücken will.

Karli sagt zu Moni, meine Mama sagte, ich soll nicht vom 10 Stock runter springen
-Moni: Und warum?
Karli: Keine Ahnung, aber ich machs halt deswegen, weil Mama es so sagt.

Es geht darum die Sinnhaftigkeit dahinter zu verstehn und nicht aus Kadavargehorsam, weil irgendwer das halt sagt

Also, warum genau brichst du die Ehe nicht?
Um deinen Mann nicht zu verletzen? Oder weils ein Gebot ist?

Ruth
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Registriert: Mi 3. Dez 2014, 12:42

#20 Vorstellung eines allmächtigen Gottes

Beitrag von Ruth » So 28. Mär 2021, 14:01

SamuelB hat geschrieben:
So 28. Mär 2021, 12:57
Was hältst du davon, wenn das nicht nur für Jesus gilt, sondern für die gesamte Schöpfung? Gott macht seine Erfahrungen durch uns.
Ja, das könnte ich mir vorstellen. Ich habe das vor längerer Zeit schon mal so ausgedrückt: "Gott experimentiert mit uns"

Wenn man vom Angangsbericht der Bibel ausgeht, dann hat Gott alle Voraussetzungen geschaffen, dass es "gut" werden könne. (Gott schuf ...und es war sehr gut)

Ich stelle es mir so vor: dadurch, dass Gott wollte, dass die Menschen (die Schöpfung) sich frei entfalten und aus sich selbst heraus, mit sich selbst funktionieren, spielen die Gefühle/Instinkte/Reaktionen ihre eigene Rolle ... geprägt durch Erfahrungen/Umwelt (Evolution). Auf diese Weise driftet die Schöpfung vom Schöpfer ab ... entfernt sich von ihm. Gott schafft nun die Möglichkeiten zur (Rück)Verbindung , dadurch, dass er experimentiert.

Wenn Menschen Menschen beeinflussen wollen, dann manipulieren sie oft, indem sie einem anderen suggerieren, dass das, was man will, das sie tun sollen, aus eigenem Antrieb entsteht. So ähnlich stelle ich mir Gottes Experimente vor.

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