Der unbekannte Gott

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Lena
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#11 Der unbekannte Gott

Beitrag von Lena » Sa 20. Mär 2021, 16:03

Einen Gott, denes gibt" - gibt es nicht.
Bonhoeffer 

Es ist keinem Menschen gegeben, Gott so zu kennen, dass er sagen könnte: Es gibt Gott. 
Menschen können Gott erkennen wollen. Um am Ende doch nur einen Augenblick, "den Saum
seines Gewandes", erhascht zu haben. 

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Naqual
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#12 Der unbekannte Gott

Beitrag von Naqual » Sa 20. Mär 2021, 16:09

Lena hat geschrieben:
Sa 20. Mär 2021, 15:55
Christus hat alles mit seinem Leben und seinem Sterben für uns bereinigt. Alles was uns angetan wurde und alles was wir andern angetan haben. Leben wir im Glauben an das was Gott für uns getan hat. Wir sind erlöst. Wir sind frei. Gebrauchen wir unsere neue Freiheit, um Gott und andern Menschen und vor allem uns selber, Freude zu bereiten. 
Was ist für Dich Freiheit? Du musst bestimmte Regeln befolgen, sonst droht Dir die Hölle. Selbst wenn Dir die Schuld erlassen wird, ist die Vorgabe sündenfrei zu leben bei Todesandrohung da. Und Regeln befolgen unter Androhung ewiger Folter ist eigentlich das höchste Maß an Unfreiheit. Woher kommt nun das Gefühl von Freiheit für den Bekehrten? Ist es nicht das bloße Glücksgefühl für seine Taten nicht gerade stehen zu müssen? Wie gibt dieser (egoistisch strukturierte) Sachverhalt die Kraft eine liebevollere Person zu werden?

Punch
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#13 Der unbekannte Gott

Beitrag von Punch » Sa 20. Mär 2021, 16:49

Naqual hat geschrieben:
Sa 20. Mär 2021, 16:01
 
(Im übrigen halte ich jede Weltreligion, aus ihrem Selbstverständnis heraus, für gerechtfertigt. Das ist sozusagen der Finger, der, für die Anhänger der jeweiligen Religion, auf Gott zeigt, für jeden Menschen seines, also seines Glaubens ist Gott immer ein IST.)
 Denn der Typus ist "kein Alpha-Tier" und braucht sichere Anweisungen. Der Buddhismus wiederum ist "do-it-your-self-Psychologie" mit einem eigenen komplexen System von Fachwörtern um Sachverhalte zu erfassen.

Für dein "komplexen System von Fachwörtern", da hätte dir ein Zen-Meister jetzt aber ein paar kräftige Ohrfeigen verpasst! Samt einigen Koans als Hausaufgabe.

Ansonsten sehe ich das alles entspannt, in dem Sinne von Shakespeare: "Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, Horatio, von denen sich eure Schulweisheit nichts träumen lässt".
(Aus - Hamlet, Prinz von Danemark.)

Wobei mir die Glaubenssysteme des Taoismus und Buddhismus immer am nächsten waren, selbst so eine sublime Blume wie der Shintō, hier fand ich damals viele Antworten auf meine spirituellen Fragen, also Glaubenssysteme die nicht so grausam,  unmenschlich und manchmal auch teilweise pervertiert sind, wie der Monotheismus.

Das ist auch zu einem festen Bestandteil meiner Weltanschauung geworden. Abgesehen von den substanziellen Fragen des, was wissen wir wirklich? Oder was bilden wir uns nur ein zu wissen, wir als Menschen auf einem kleinen Planeten, einsam und allein auf uns selbst gestellt durch Zeit und Raum reisend.
Und welch langer und schmerzvoller Weg muss es für Sokrates gewesen sein, um aus voller Überzeugung zu sagen, hier dann in Platons - Apologie des Sokrates:  Ich weiß, das ich nicht weiß.
(Also nicht weiß, nicht - nichts weiß)

Was wissen wir eigentlich wirklich, was die Grundfragen der Menschheit angeht, gut, es gibt vielgestaltige Religionen und vielerlei Wissenschaften, aber die existenziellen Fragen des Menschen, sind diese nun wirklich mit Göttern, Evolution und Urknall restlos und für alle Zeit beantwortet?
Ich denke nicht.

Und so lang du das nicht hast,
dieses Stirb und Werde,
bist du nur ein trüber Gast
auf der dunklen Erde.

(Goethe, West-östlicher Divan, Buch des Sängers, Selige Sehnsucht)








 

Lena
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#14 Der unbekannte Gott

Beitrag von Lena » Sa 20. Mär 2021, 16:56

Naqual, 
Immer wieder ein Ja zu finden, "zum Schicksal", zu dem was mir geschieht - das empfinde ich als Freiheit.
Die Hölle, was immer das sein wird, ist ausserhalb der Liebe und betrifft den Glaubenden nicht. Das Glück 
kommt daher, dass man schon "in der Verlobungszeit" etwas schmecken darf, von der Herrlichkeit Gottes.  
 

 
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Mirjam
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#15 Der unbekannte Gott

Beitrag von Mirjam » Sa 20. Mär 2021, 21:06

Ruth hat geschrieben:
Fr 19. Mär 2021, 13:31
Paulus, auf Missionsreise in Griechenland, verkündigt keinen „anderen“ Gott. In Apg.17,22-32 spricht er zu den Menschen dort von dem Gott, den sie bereits verehren. Paulus verspricht den Zuhörern, dass er ihnen mehr erzählen kann und will über den Gott, den sie verehren.

Mir ist das heute mal wieder ganz neu aufgefallen, dass Paulus nicht davon spricht, dass man sich zu den richtigen Gott bekehren müsse … weg von den Göttern, die sie bisher angebetet haben. Er sagt nur: „ich weiß manches über diesen Gott, den ihr schon verehrt, was euch näher zu Gott führen könnte.

Das ist so ganz anders, als die christliche Botschaft oft darstellt. Dort wird meistens eher darum gestritten, wer den richtigen Gott habe, und wie die Strafen dafür aussehen, wenn man diesen nicht so anbetet, wie es von dem jeweiligen „Botschafter“ vorgeschrieben wird..
Nun ja, ganz so sehe ich diese Stelle nicht. Ich empfinde es als ziemlich arrogant, dass Paulus den gläubigen Athenern erzählt, er wüsste mehr über ihren(!) "unbekannten Gott" als sie selbst. Und dann schwenkt er sehr rasch auf die übliche christliche Botschaft ein: Weg vom "Götzendienst" und Absolutheitsanspruch der eigenen Botschaft:
29 Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht. 30 Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun. 31 Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er richten will den Erdkreis

Ich sehe hierin lediglich den rhetorischen Kniff eines Missionars... er will die Menschen dort "abholen", wo sie stehen, aber er hat keinen Respekt vor ihrem Standpunkt. Denn er will sie ja davon weg führen und sie von seiner eigenen Botschaft überzeugen. Von religiöser Toleranz sehe ich da nichts.



Ruth hat geschrieben:
Fr 19. Mär 2021, 13:31
Ich werfe darum einfach mal die Frage in den Raum, wie Ihr/du denk(s)t, wie die Verkündigung des „richtigen“ Gottes aussehen sollte (?)
Gar nicht. Ein "richtiger" Gott verkündigt sich selber.
Denn dem "richtigen" Gott - oder der richtigen Göttin! - kann ein Mensch nur ganz allein und individuell begegnen. Vielleicht noch im kleinen Kreis einer gleichgesinnten religiösen Gemeinschaft. Diese individuelle Erfahrung aber auf die ganze Welt übertragen zu wollen ist meiner Meinung nach völliger Blödsinn.

Man kann über seine Göttinnen mit anderen sprechen, man kann meinetwegen Bücher schreiben über die eigenen Erfahrungen und Überzeugungen - aber es sollte stets mit Zurückhaltung geschehen, immer in dem Wissen, dass solcherlei Überzeugung nicht unbedingt auf andere Menschen übertragbar ist.
"Verkündigung" klingt für mich viel zu sehr nach einer öffentlichen Bekanntgabe, nach Religionen, die öffentlichen Raum beanspruchen und ihre Botschaften gleich einer Sachinformation vor die Menschen bringen. Das finde ich überaus unpassend.
Glaube an eine Gottheit, oder der Verzicht darauf, ist Privatsache.


Ruth hat geschrieben:
Fr 19. Mär 2021, 13:31
Welche Merkmale hat der EINE Gott?
Deine Frage impliziert, Gott sei "Einer" und männlich.
Aber um dir einen Antwort zu geben: meine EINE Gottheit existiert immer nur für den Moment, in dem ich IHR begegne, und mit exakt jenen Merkmalen, die ich in diesem Moment wahrnehmen kann. Was ich aber wahrnehme, das ist notwendigerweise begrenzt und gefiltert durch mein Menschsein. Ich mag also beispielsweise die Gottheit, wie sie mir im Nachthimmel als Nut begegnet, so beschreiben: Still, unendlich weit, kühl, beruhigend, glitzernd. Dies aber ist lediglich die Beschreibung eines kleinen Fragments, und auch wiederum nur der ungenügende Versuch, die Weite meines Herzenserlebens in Worte zu pressen.
Darüber hinaus kann ich die Göttinnen und Götter nur im Sinne einer negativen Theologie beschreiben... nicht menschlich, unbegrenzt, unfassbar, immateriell, nicht wissbar...

Ruth hat geschrieben:
Fr 19. Mär 2021, 13:31
Wie kann man auf die „richtige“ Art Gott näher kommen?
Indem man eine gutes Gleichgewicht findet zwischen Innen und Außen.
Außen: anderen Menschen zuhören, über verschiedene Religionen lernen, offen für neue Erkenntnis sein, die Schöpfung mit allen Sinnen wahrnehmen.
Innen: ins eigene Herz hinein lauschen, über die eigenen Gefühle und Erfahrungen nachsinnen, mit der eigenen Ba-Seele sprechen, auf seine Wahrnehmungen vertrauen.

Ruth hat geschrieben:
Fr 19. Mär 2021, 13:31
Gibt es Vorschriften, wie es richtig oder gar falsch ist, Gott anzubeten oder auch nur zu verkündigen?
Vorschriften? Ja, die gibt es. Eine Menge. Bei jeder Gottheit wieder andere.
Aber allgemeingültige Vorschriften gibt es für mich nur eine: Dass ein jeder Mensch Respekt haben sollte vor anderen Menschen und anderen Kreaturen. Und dass dieser Respekt bedeutet, sich nicht über andere zu erheben und die eigenen Erkenntnisse über Religion und Glauben für besser oder richtiger zu halten.

Ansonsten sind allgemeingültige Vorschriften keine Sache zwischen Mensch und Gott, sondern für die Menschen untereinander und im Umgang mit der materiellen Schöpfung auf unserer Erde. Also, ich finde es wichtig, dass die Menschheit über allgemeingültige ethische Grundsätze übereinkommt, die für alle gelten sollen.
Bei der Religion ist ein einziger, allgemeingültiger und "richtiger" Weg dagegen ausgesprochen kontraproduktiv.


Liebe Grüße

Mirjam

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sven23
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#16 Der unbekannte Gott

Beitrag von sven23 » So 21. Mär 2021, 08:03

Ruth hat geschrieben:
Fr 19. Mär 2021, 13:31
Paulus, auf Missionsreise in Griechenland, verkündigt keinen „anderen“ Gott. In Apg.17,22-32 spricht er zu den Menschen dort von dem Gott, den sie bereits verehren. Paulus verspricht den Zuhörern, dass er ihnen mehr erzählen kann und will über den Gott, den sie verehren.

Mir ist das heute mal wieder ganz neu aufgefallen, dass Paulus nicht davon spricht, dass man sich zu den richtigen Gott bekehren müsse … weg von den Göttern, die sie bisher angebetet haben. Er sagt nur: „ich weiß manches über diesen Gott, den ihr schon verehrt, was euch näher zu Gott führen könnte.
Theoretisch ein geschichkter Schachzug von Paulus. Er sagt nicht, ich bringe euch einen völlig neuen Gott, sondern will auf bereits Bekanntem aufbauen. Allerdings hat er die griechischen Philosophen, die ihn auslachen, völlig unterschätzt. (Falls die Begegnung so stattgefunden hat). In Athen konnte Paulus jedenfalls keine neue Gemeinde gründen.

Da man nicht mal weiß, ob es Gott überhaupt gibt, wie soll man ihn da beschreiben und ihm bestimmte Eigenschaften zuweisen können?
In der Bibel steht, Gott habe den Menschen nach seinem Ebenbilde geschaffen. Feuerbach sagt sinngemäß, dass es genau umgekehrt war: die Menschen schufen sich Gott/Götter nach ihrer Vorstellung.

Das gleiche gilt natürlich für alle Gebote und Gesetze, die Gott angeblich von den Menschen erwartet. Sie dienen lediglich als religiöser Kitt, der ein Gemeinwesen zusammenhalten soll und natürlich auch als Zuchtmittel. Wer die Gebote befolgt, wird belohnt, wer dagegen verstößt, wird bestraft. Das hatte auch immer einen ganz praktischen Nutzen:
mit götticher Legitimation im Rücken läßt sich auch eine weltlicher Herrschaftsanspruch leichter durchsetzen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Naqual
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#17 Der unbekannte Gott

Beitrag von Naqual » So 21. Mär 2021, 10:59

Punch hat geschrieben:
Sa 20. Mär 2021, 16:49
Naqual hat geschrieben:
Sa 20. Mär 2021, 16:01
Der Buddhismus wiederum ist "do-it-your-self-Psychologie" mit einem eigenen komplexen System von Fachwörtern um Sachverhalte zu erfassen.
Für dein "komplexen System von Fachwörtern", da hätte dir ein Zen-Meister jetzt aber ein paar kräftige Ohrfeigen verpasst! Samt einigen Koans als Hausaufgabe.
Loll!
Also wenn eines der Koans folgendes ist: "Was ist das klatschen mit einer Hand?" (Weil man zum Klatschen nunmal zwei benötigt, aber mit den Koans das duale Denken ja überwunden werden soll). Ich hätte geantwortet, indem ich dem Zen-Meister mit einer Hand auf die Wange klatsche mit der Frage, ob ich nun das duale Denken überwunde habe? :-)

Ansonsten dürfte es ziemlich unstrittig sein, dass der Buddhismus eine ganz eigene Terminologie hat. Das hat mich immer auch genervt, kann ich aber denen wirklich nicht zum Vorwurf machen. Ich lerne nur nicht gerne Vokabeln im großen Stil.

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Naqual
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#18 Der unbekannte Gott

Beitrag von Naqual » So 21. Mär 2021, 11:09

Lena hat geschrieben:
Sa 20. Mär 2021, 16:56
Immer wieder ein Ja zu finden, "zum Schicksal", zu dem was mir geschieht - das empfinde ich als Freiheit.
Die Hölle, was immer das sein wird, ist ausserhalb der Liebe und betrifft den Glaubenden nicht. Das Glück 
kommt daher, dass man schon "in der Verlobungszeit" etwas schmecken darf, von der Herrlichkeit Gottes.  
Freiheit besteht immer darin, dass man zwischen mindestens zwei Möglichkeiten wählen kann. Ohne Zwang eine Lösung zu bevorzugen.
"Schicksal" ist nur etwas was mir widerfährt, da habe keine Möglichkeiten der Entscheidung. Also auch keine Freiheit. Ich weiß ja nicht einmal was ich zustimme, weil das meiste noch nicht einmal passiert ist. Eine bewusste Entscheidung bei Auswahl (Freiheit) setzt aber auch voraus, dass ich weiß für was ich mich entscheide.
Und: Du entscheidest Dich für Dein Schicksal. Was passiert, wenn Du nein sagst? Nichts anderes. Also wo ist da die Wahl (die wiederum Grundsatz von Freiheit ist)?

Die christliche Gottesvorstellung hat mit Freiheit nichts zu tun. Es gibt auch keinen Sinn es als solches zu verkaufen. Außer, dass es einfach besser zum Zeitgeist passt.

Lena
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#19 Der unbekannte Gott

Beitrag von Lena » So 21. Mär 2021, 12:49

Auswählen zu können, kann Menschen sehr unfrei machen. Sie haben die Qual der Wahl.
Für mich ist Freiheit ein Ja zu haben, zu dem was ist. Anzunehmen wie es kommt.
Wie das Leben es mir anbietet. 
 
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Erbreich 

Tree of life
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#20 Der unbekannte Gott

Beitrag von Tree of life » So 21. Mär 2021, 12:58

Lena hat geschrieben:
So 21. Mär 2021, 12:49
Auswählen zu können, kann Menschen sehr unfrei machen. Sie haben die Qual der Wahl.
Für mich ist Freiheit ein Ja zu haben, zu dem was ist. Anzunehmen wie es kommt.
Wie das Leben es mir anbietet. 
 
:clap:

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