Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Säkularismus
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SilverBullet
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#11 Re: Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Beitrag von SilverBullet » Di 18. Jun 2019, 19:51

“closs“ hat geschrieben:Die Kirche sollte darauf verzichten, auch wenn das Geld einem guten Zweck zukommt.
„Der gute Zweck“ ist ein Detail, das man aus Anhängerseite bestimmt gerne hervorkramen möchte, um ein kleinwenig die Offensichtlichkeit des Wahnsinns zu „mildern“, jedoch ist dieses Detail (laut Artikel) als Folge der 2009 ablaufenden Verhandlungen mit der Kirche (angestossen vom Stadtrat) als eine Art „Kompromiss“ entstanden, d.h. die „Barmherzigkeit“ wurde aufgezwungen, die Kirche hat von sich aus rein gar nichts zu Korrigierendes „entdeckt“ - geweiht bis in die Fingerspitzen (insbesondere der Schuldschein empfangende Erzbischof und Kurfürst aus dem 16.Jhd) und dennoch funktioniert die Religion nicht wirklich, „na so was aber auch“.

Wie war das damals, die Stadt leiht sich 4000 Goldgulden, um einen Prozess für die Unabhängigkeit vom Kurfürsten „Schöneberg“ zu führen. Sie leiht sich das Geld vom Statthalter „Flade“ dem „Vertreter“ des Bischofs/Kurfürst „Schöneberg“,

Moment, ganz langsam, der Statthalter, also der Vertreter des Bischofs/Kurfürsten verleiht Geld, damit eine äusserst weltliche Aktion gegen den Bischof/Kurfürsten angestossen werden kann.
Der vom Vorgänger des Bischofs/Kurfürsten eingesetzte und danach weiter übernommene Weihbischof „Binsfeld“ (wobei „Schöneberg“ dafür stand, die von seinem Vorgänger verfolgte „strenge Kirchenlinie“ fortzuführen) beschuldigt den Statthalter der Hexerei, worauf dieser „peinlich befragt“ wird, gesteht und hingerichtet wird. Als Folge gehen die Schulden der Stadt an den Bischof/Kurfürsten über.

„Nachtigal ick hör dir trapsen“ oder anders gesagt: „Nachtigal, stampf nicht so laut auf!!“ :-)

Kann es sein, dass das Vermögen dieses Vereins („Kirche“) ein wenig auf Schlawinereien zurückzuführen ist und wir hier einen dieser Fälle vorliegen haben (und zwar einen sehr aktuellen)?

closs
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#12 Re: Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Beitrag von closs » Di 18. Jun 2019, 23:08

SilverBullet hat geschrieben:
Di 18. Jun 2019, 19:51
Kann es sein, dass das Vermögen dieses Vereins („Kirche“) ein wenig auf Schlawinereien zurückzuführen ist und wir hier einen dieser Fälle vorliegen haben (und zwar einen sehr aktuellen)?
Man kann der Kirche vorwerfen, dass sie in weltlichen Dingen genauso weltlich handelt wie Weltliche. - Wie gesagt: An Stelle der Kirche würde ich auf das Geld verzichten.

SilverBullet
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#13 Re: Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Beitrag von SilverBullet » Mi 19. Jun 2019, 12:41

“closs“ hat geschrieben:Man kann der Kirche vorwerfen, dass sie in weltlichen Dingen genauso weltlich handelt wie Weltliche.
Das Interessante bei diesen „weltlichen“ Handlungen ist, dass es bei maximalem Schaden für andere, stetig zum „weltlichen“ Gewinnausbau der Kirche gekommen ist (im hier genannten Fall ging es nicht nur um den „kleinen Schuldschein“, sondern „Flade“ galt wohl als „reichster Mann Triers“ und viele, einschliesslich dem Kurfürsten, hatten bei ihm Schulden).

Nun ist ja die „Einteilung“ in „weltlich“ und „???“, wobei sich die Kirche für „???“ zuständig erklärt und dort „Hexen“ erkennen können möchte, auch eine „weltliche“ Handlung, die letztlich einen Vorteil für die Kirche darstellt (sofern niemand „den Kaiser als nackig“ erklärt).

Das riecht enorm nach einem einheitlichen Prinzip.

Da es ja hier im Thread um Rehabilitation (also letztlich um ein Eingeständnis der Kirche) geht, würde ich sagen, dies wäre erst erreicht, wenn das obige Prinzip nachhaltig gebrochen ist, was man aber an der Haltung der heutigen Kirche im Falle „Flade“ komplett vergessen kann.

“closs“ hat geschrieben:Wie gesagt: An Stelle der Kirche würde ich auf das Geld verzichten.
Welches Geld steht der Kirche zu?

Gerade in Trier des 16. und 17.Jhds wurden wohl mehrere sehr wohlhabende Bürger „durchs Feuer von ihrem Hexendasein befreit“, was wohl zu einem Geldfluss (und Beseitigung von unliebsamen Abhängigkeiten) in einen sehr einheitlichen Topf geführt hat.

PeB
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#14 Re: Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Beitrag von PeB » Mi 19. Jun 2019, 14:57

SamuelB hat geschrieben:
Mo 17. Jun 2019, 20:38
Was haltet ihr davon? Einige Städte stellen nachträglich per Beschluss die Unschuld der Opfer fest. Das ist der rechtliche Aspekt. Wobei ich nicht weiß, ob es das Urteil rechtskräftig aufhebt wegen der Rechtsnachfolge... In anderen Orten gibt es Gedenkplätze:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hexenve ... verfolgung

Ist die Hexenverfolgung grundsätzlich etwas, das mehr thematisiert werden sollte?

Halte ich für grundfalsch. Wenn man ein Urteil nachträglich aufhebt, erkennt man die ursprüngliche Instanz als rechtsverbindlich an. Sonst brauch man das Urteil nicht aufzuheben und kann einfach darauf verweisen, dass es sich hier um Verbrechen durch Verbrecher gehandelt hat.

SilverBullet
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#15 Re: Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Beitrag von SilverBullet » Do 20. Jun 2019, 09:04

“PeB“ hat geschrieben:dass es sich hier um Verbrechen durch Verbrecher gehandelt hat.
Das ist bemerkenswert, denn du machst hier keine Einschränkung à la „weltlich sind sie fehlbar, wie jeder andere“. Aus meiner Sicht schon mal gar nicht schlecht.

Nun stellen sich natürlich Anschlussfragen: was gehört alles zum Verbrechen, wo beginnt es und welchen Umfang hat es?

Ich nehme an, die Quälereien, mit denen Menschen zu Aussagen gezwungen wurden, so dass dem Hinrichtungs-Theaterstück genüge getan wurde, gehören für uns beide eindeutig zum Verbrechen.
Beim Sich-Bereichern der Kirche am Vermögen der Hingerichteten müssten wir uns auch noch einig sein -> Verbrechen.

Ich setze natürlich noch viel früher an und suche die Motivation bereits in der „Vorgeschichte“, also im Umfeld, in dem das Risiko zum „Möglichhalten von Hexen“ und deren „eindeutige Abwertung“ vermittelt wird – Motto: „wo beginnt das Zündeln, das Brandstiften?“

Gehst du auch soweit oder unterscheiden wir uns an diesem Punkt?

“PeB“ hat geschrieben:Wenn man ein Urteil nachträglich aufhebt, erkennt man die ursprüngliche Instanz als rechtsverbindlich an.
Wie man aus meinem Link zum „Trierer Hexenfall“ erkennen kann, gibt es durch die Besitzstandproblematik eindeutig eine Anerkennung, auf die die Kirche explizit besteht und der die politischen Staatsvertreter entsprechen.
Der entstandene Kompromiss „Zahlung für einen guten Zweck“ ist ja nur eine Art „Versuch zur Wahrung des (Heiligen-)Scheines“.

JackSparrow
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#16 Re: Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Beitrag von JackSparrow » Mi 21. Aug 2019, 09:26

SamuelB hat geschrieben:
Mo 17. Jun 2019, 20:38
Was haltet ihr davon? Einige Städte stellen nachträglich per Beschluss die Unschuld der Opfer fest.
Wie können wir denn dreihundert Jahre später wissen, welche Opfer unschuldig verurteilt wurden und welche Opfer sich tatsächlich der Zauberei schuldig gemacht haben?

Munro
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#17 Re: Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Beitrag von Munro » Mi 21. Aug 2019, 13:42

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 21. Aug 2019, 09:26
Wie können wir denn dreihundert Jahre später wissen, welche Opfer unschuldig verurteilt wurden und welche Opfer sich tatsächlich der Zauberei schuldig gemacht haben?

Ganz einfach:
ALLE jene Opfer sind UNSCHULDIG.
NIEMAND hat sich damals der Zauberei schuldig gemacht.

Oder glaubst du im Ernst jener Hetzschrift "Hexenhammer"?
Jean Paul Getty:
Die Sanftmütigen werden die Erde besitzen, aber nicht die Schürfrechte.

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#18 Re: Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Beitrag von JackSparrow » Mi 21. Aug 2019, 17:03

Munro hat geschrieben:
Mi 21. Aug 2019, 13:42
Oder glaubst du im Ernst jener Hetzschrift "Hexenhammer"?
Ich war immer der irrtümlichen Meinung, die Hetze gegen Zauberinnen entstamme der Bibel.

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#19 Re: Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Beitrag von Travis » Mi 21. Aug 2019, 17:19

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 21. Aug 2019, 09:26
SamuelB hat geschrieben:
Mo 17. Jun 2019, 20:38
Was haltet ihr davon? Einige Städte stellen nachträglich per Beschluss die Unschuld der Opfer fest.
Wie können wir denn dreihundert Jahre später wissen, welche Opfer unschuldig verurteilt wurden und welche Opfer sich tatsächlich der Zauberei schuldig gemacht haben?
Diese Frage hat eine bestechende Logik. Der einzige Haken daran wäre wohl, dass es im Neuen Bund keine Grundlage für eine Verbrennung von Menschen gibt. Egal wie man sich dreht und wendet muss man der Inquisition also zugestehen, in jedem Fall falsch gehandelt zu haben.

Geht man davon aus, Zauberei hat es nie wirklich gegeben, ist die Antwort natürlich wesentlich einfacher.
Ich weiß, dass ich nicht einmal weiß das ich nichts weiß.

JackSparrow
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#20 Re: Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung

Beitrag von JackSparrow » Do 22. Aug 2019, 13:32

Travis hat geschrieben:
Mi 21. Aug 2019, 17:19
Der einzige Haken daran wäre wohl, dass es im Neuen Bund keine Grundlage für eine Verbrennung von Menschen gibt.
Verstehe. Woher wissen wir, welchem der beiden Bünde die Inquisitoren angehört haben?

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