Macht Religion die Menschen moralisch besser?

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GanzBaff
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#171 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von GanzBaff » Mo 1. Jul 2013, 23:02

Sola hat geschrieben:Zu der Schlussfolgerung (dass du nicht mehr so viel von Christen hältst) kam ich durch die viele Anklagen, die ich in deinen Beiträgen gelesen habe. Mir schien, als ob du den christlichen Glauben inzwischen für die Quelle von Gewalt und Ungerechtigkeit gegen Menschen betrachtest; vielleicht täuscht ja dieser Eindruck.

Ja, der Eindruck täuscht. Ich habe tatsächlich in letzter Zeit mehrere kritische Beiträge geschrieben, die bezog ich jedoch mehr auf die Existenz von Gott als Solches und auf die Glaubwürdigkeit der Bibel. Der Mensch ist in der Lage jegliche Anschauung für sich zu nutzen um seine eigenen Interessen durchzusetzen und seine Macht auszuspielen. Ich denke zuvörderst, dass immer der Mensch die Quelle von Gewalt und Ungerechtigkeit gegen Menschen ist (homo homini lupus). Und ich ahne, dass eben vieles woran ich glaube, auch nur "Tand aus Menschenhand" ist.

Ich erschrak vor mir selbst, weil ich Dinge zu verteidigen begann die mir selbst zuwider waren. Ich glaube, der Mensch macht es sich zu leicht, wenn er die Verantwortung für alles auf ein transzendentes Wesen projeziert und dieses zur Rechtfertigung seines Handelns benutzt.

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Demian
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#172 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Demian » Mo 1. Jul 2013, 23:30

So ist es. Die Geschichte tut gar nichts, sie kämpft keine Kämpfe und sie gewinnt keine Schlachten - es ist der Mensch, der alles macht. Die Tiefe der Religion ergibt sich nicht aus einem moralischen "Müssen" und "Sollen", sondern aus einem geistigen "Können" und "Dürfen". Ich würde vorschlagen, dass man sich weg bewegt vom religiösen Moralensemble, hin zu einer spirituellen Praxis, die den ganzen Menschen in seinem Für und Wider anspricht.

GanzBaff hat geschrieben: Der Mensch ist in der Lage jegliche Anschauung für sich zu nutzen um seine eigenen Interessen durchzusetzen und seine Macht auszuspielen.

Sola
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#173 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Sola » Mo 1. Jul 2013, 23:59

GanzBaff hat geschrieben: Ich glaube, der Mensch macht es sich zu leicht, wenn er die Verantwortung für alles auf ein transzendentes Wesen projeziert und dieses zur Rechtfertigung seines Handelns benutzt.
Ja, ein so verstandenes Christentum lehne ich allerdings auch ab.
Ich versuche, so gut zu verstehen, wie ich kann und das so gut umzusetzen wie ich kann. Nicht, weil ich meine, ich muss das so tun, damit ich eines Tages in den Himmel komme. Sondern weil ich nur dadurch mein Leben hier und jetzt als so reich und sinnerfüllt erfahre, dass ich es als "schon auf Erden angebrochenes Himmelreich" empfinde, das nach meinem körperlichen Tod seine "natürliche Fortsetzung in anderer Form" erfahren wird (und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich mich getäuscht haben und "aufs falsche Pferd gesetzt" haben sollte, hat es sich auf alle Fälle auch so "gelohnt"; ich kenne es auch anders und das möchte ich um keinen Preis zurück haben)

Was andere anders verstehen und was sie evtl (in meinen Augen) für Fehler und Verbrechen im Namen des (meiner Ansicht nach falsch verstandenen christlichen Glauben) begehen, ist dabei erstmal nicht mein Problem. Meine primäre Sorge ist mein eigener Weg. Natürlich versuche ich, Fehler aufzuzeigen, wo ich sie sehe, und gerade zu rücken, wo meiner Ansicht nach etwas in die falsche Richtung läuft. Aber dadurch lasse ich mich nicht aus der Bahn werfen; Mein eigener Weg hat mit den Fehlern anderer nichts zu tun; das sind meine ureigenen Erfahrungen mit diesem Glauben und die sprechen für sich selbst.
Liebe Grüsse
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#174 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Sola » Di 2. Jul 2013, 00:16

Pluto hat geschrieben: Ich bin nicht Christ und lehne viele Doktrinen und Riten der Christen ab. Andererseits kann ich mich gut mit den meisten Christen unterhalten. Das kommt daher, weil ich zuerst den Menschen im Gegenüber sehe, und nicht seine Religion.
Es gibt allerdings auch eine Minderheit von radikal religiösen Menschen mit denen kommt man nicht klar.

Für mich ist das wichtigste Kriterium, mein wichtigster Anspruch an meinen Gesprächspartner, die Bereitschaft und Offenheit für ein Gespräch auf gleicher Augenhöhe und auch die Bereitschaft, Fragestellungen an sich heran zu lassen und zu durchdenken (und nicht mit vorgeformten bzw nachgeplapperten Argumenten totzuschlagen).

Was ich gar nicht leiden kann, ist Arroganz und Überheblichkeit. Wenn ich das im Gespräch spüre, kann ich denjenigen nicht mehr richtig ernst nehmen, da das für mich ein Zeichen für eklatanten Mangel an Selbstkritikfähigkeit offenbart - allerdings reizt es mich manchmal, gerade solchen Gesprächspartnern kontra zu geben.... :twisted: :mrgreen:
Liebe Grüsse
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#175 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Sola » Di 2. Jul 2013, 00:31

Demian hat geschrieben:Es gibt Grundbedürfnisse, die alle Menschen miteinander teilen. Grundlegend wären das eine erfüllte Sexualität, die Entfaltung und Erweiterung der eigenen Fähigkeiten, Selbst- und Welterkenntnis, die Anerkennung des eigenen Seins und Tun und ein ausreichendes Maß an stofflich-realem Reichtum, um alles das zu gewährleisten ( wozu auch freie Bildung gehört ). Auf gesellschaftlicher Ebene braucht es dazu eine partizipative Demokratie mit ausreichend Transparenz und Minderheitenschutz. ;)

Das wäre meine Konzeption einer "humanistischen" Ethik ( also prinzipiell eine Bedürfnisethik die den Glücksbegriff ins Zentrum rückt ), wenn man das überhaupt so nennen möchte. Die Bedürfnisse sind nicht ethisch determiniert und immer wieder neu - als Spielregeln der individuellen Möglichkeiten - unter den Mitgliedern einer Gesellschaft auszutarieren.


Ich habe deshalb gefragt, weil es ja auch die Auffassung gibt, dass man erst durch den Verzicht auf die Befriedigung von allen menschlichen Grundbedürfnissen ("Askese") die wahren Bedürfnisse des Menschen und ihre Erfüllung findet - praktisch der Gegenweg der modernen "Bedürfnisbefriedigungsmaximierung" als Weg zum "ultimativen Glück" .

Aus diesen absolut gegensätzlichen Ansichten ergibt sich fûr mich schon die Frage, welcher Weg bring mehr "Glück" bzw welches Mass an Bedürfnisbefriedigung ist optimal?
Liebe Grüsse
Sola

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#176 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Demian » Di 2. Jul 2013, 00:37

Die Frage ist aber auch, wie weit Offenheit wirklich sinnvoll ist, denn irgendeinen Standpunkt vertritt man nun mal. Was meinst du also mit Offenheit?

Sola hat geschrieben: Für mich ist das wichtigste Kriterium, mein wichtigster Anspruch an meinen Gesprächspartner, die Bereitschaft und Offenheit für ein Gespräch auf gleicher Augenhöhe und auch die Bereitschaft, Fragestellungen an sich heran zu lassen und zu durchdenken (und nicht mit vorgeformten bzw nachgeplapperten Argumenten totzuschlagen).

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#177 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Sola » Di 2. Jul 2013, 00:50

Demian hat geschrieben:Die Frage ist aber auch, wie weit Offenheit wirklich sinnvoll ist, denn irgendeinen Standpunkt vertritt man nun mal. Was meinst du also mit Offenheit?

Nein, mit "Offenheit" meine ich nicht "Beliebigkeit", keine eigene Meinung zu haben. Aber eben auch den anders denkenden Gesprächspartner nicht als "Angreifer" zu sehen und ihm gleich "voll gewappnet" mit Totschlagargumenten gegenübertreten, ohne überhaupt die Problematik einmal unvoreingenommen zu durchdenken, die Fragestellung an sich heran zu lassen und sie nicht gleich "abwehren".
Liebe Grüsse
Sola

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#178 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Demian » Di 2. Jul 2013, 00:53

Mit dem Begriff "moderne Bedürfnisbefriedigungsmaximierung" suggerierst du eine etwas einseitige Stoßrichtung modernen Denkens, die es in dieser Art und Weise nicht gibt - auch nicht als Gegenbegriff zur Askese. Da würde ich widersprechen.

Sola hat geschrieben: Ich habe deshalb gefragt, weil es ja auch die Auffassung gibt, dass man erst durch den Verzicht auf die Befriedigung von allen menschlichen Grundbedürfnissen ("Askese") die wahren Bedürfnisse des Menschen und ihre Erfüllung findet - praktisch der Gegenweg der modernen "Bedürfnisbefriedigungsmaximierung" als Weg zum "ultimativen Glück" .

Wenn ich von realen Bedürfnissen spreche, dann meine ich keine Extrempositionen, sondern exitenzielle Grundbedürfnisse. Was Menschen darüber hinaus erstreben, bleibt ihnen überlassen. Aber Grundlage jeder Ethik sind nun mal die wirklichen Bedürfnisse. Der ethische Wert einer Sache ist an der Befriedigung von Bedürfnissen zu messen.

Aus diesen absolut gegensätzlichen Ansichten ergibt sich fûr mich schon die Frage, welcher Weg bring mehr "Glück" bzw welches Mass an Bedürfnisbefriedigung ist optimal?

barbara
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#179 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von barbara » Di 2. Jul 2013, 06:58

Pluto hat geschrieben:
barbara hat geschrieben:Ein sich durchziehendes Muster der Geschichte ist, dass sexuell repressive Gesellschaften mehr zu Gewalt neigen als sexuell liberale Gesellschaften.
Es wäre schön, wenn du diese Behauptung auch sachlich begründen könntest.
Kannst du es?

nun, gucken wir mal:
Europa vor den zwei Weltkriegen: sexuell repressiv. Millionen Tote.
Europäische Geschichte generell: patriarchalisch geprägt, sexuell reguliert bis repressiv, immer wieder Krieg.
Islam heute: sexuell repressiv. Gewalt, Selbstmordattentäter, Kriegstreiber.

Europa seit den 70-er Jahren: kein Krieg, keine Kriegstreiber, Friedensbewegung.

Du hast ja sicher auch ein bisschen Geschichtswissen und kannst das an dir bekannten Beispielen nachvollziehen. Ein Problem dabei ist, dass praktisch während der ganzen bekannten Geschichte sexuelle Repression und Regulierung die Regel war, sexuelle Freiheit die grosse Ausnahme.

Eine Partnerin und somit regelmässigen Sex zu haben, macht Männer eben friedlich.

grüsse, barbara

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#180 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von barbara » Di 2. Jul 2013, 07:06

Sola hat geschrieben: Ich habe deshalb gefragt, weil es ja auch die Auffassung gibt, dass man erst durch den Verzicht auf die Befriedigung von allen menschlichen Grundbedürfnissen ("Askese") die wahren Bedürfnisse des Menschen und ihre Erfüllung findet -

Wenn menschliche GRUNDbedürfnisse nicht erfüllt werden, ist der Mensch recht schnell tot. So ohne Luft lebt es sich keine zehn Minuten, für die meisten. Und ohne Wasser keine Woche lang.

Eine sinnvolle Askese ist eher, sich selbst die Frage zu stellen, was brauche ich wirklich - und was ist zuviel? Ein Mensch, der zB in Hinblick auf Nahrung nur das zu essen, was er braucht (und das gerne in bester und teuerster Qualität), und nicht mehr, lebt nicht schlechter als ein Vielfrass, sondern besser. Ein Mensch, der genau jene Kleidungsstücke besitzt, die er braucht (und die gerne in sehr guter und teurer Qualität), übt Askese - und lebt damit besser als jemand, der den Schrank vollgestopft hat mit überflüssigem Zeug, das nie getragen wird.


Aus diesen absolut gegensätzlichen Ansichten ergibt sich fûr mich schon die Frage, welcher Weg bring mehr "Glück" bzw welches Mass an Bedürfnisbefriedigung ist optimal?

Das Finden des richtigen Masses dürfte ein guter Garant für Glück sein; und diese Dosen sind individuell verschieden. Was ich im Detail zu meinem Glück benötige, ist nicht dasselbe, als was du zu deinem Glück benötigst.

grüsse, barbara

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