Macht Religion die Menschen moralisch besser?

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Pflanzenfreak
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#181 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Pflanzenfreak » Di 2. Jul 2013, 08:02

Manoman habt Ihr hier schon viel geschrieben. So viel kann ich gar nicht nachlesen.
Ich denke, dass ein Zuviel immer schädlich ist für den einzelnen Menschen und für seine Gesellschaft. Egal ob es sich dabei um Essen, Kleidung, Anerkennung oder Bildung handelt.
Ein zu wenig kann der Mensch sehr viel besser überstehen als ein zu viel. Es sei denn es ist ein deutliches zu wenig oder ein nichtvorhandensein.

Die Eingangsfrage war: macht Religion Menschen moralisch besser. Ich finde eindeutig nein. Eiferer und radikal denkende Menschen - egal welcher Glaubensrichtung sie angehören - waren schon immer und sind es noch heute, eine Gefahr für die Menschheit.
Dennoch ist ein: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ein christlicher Wert, denn Jesus hat uns diesen Auftrag gegeben. Das ist die zentrale Botschaft für all unser Tun und denken. Wenn wir sie aus den Augen verlieren werden wir leicht zu einem radikalen Eiferer. Kämpfen um der Sache willen und nicht mehr um Gottes Willen. Wir müssen darauf achten, dass wir in unserem Leben als Christen Gott nicht überholen.

Sola
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#182 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Sola » Di 2. Jul 2013, 09:48

Demian hat geschrieben:Mit dem Begriff "moderne Bedürfnisbefriedigungsmaximierung" suggerierst du eine etwas einseitige Stoßrichtung modernen Denkens, die es in dieser Art und Weise nicht gibt - auch nicht als Gegenbegriff zur Askese. Da würde ich widersprechen.
barbara hat geschrieben:
Wenn menschliche GRUNDbedürfnisse nicht erfüllt werden, ist der Mensch recht schnell tot. So ohne Luft lebt es sich keine zehn Minuten, für die meisten. Und ohne Wasser keine Woche lang.

Eine sinnvolle Askese ist eher, sich selbst die Frage zu stellen, was brauche ich wirklich - und was ist zuviel? Ein Mensch, der zB in Hinblick auf Nahrung nur das zu essen, was er braucht (und das gerne in bester und teuerster Qualität), und nicht mehr, lebt nicht schlechter als ein Vielfrass, sondern besser. Ein Mensch, der genau jene Kleidungsstücke besitzt, die er braucht (und die gerne in sehr guter und teurer Qualität), übt Askese - und lebt damit besser als jemand, der den Schrank vollgestopft hat mit überflüssigem Zeug, das nie getragen wird.


Aus diesen absolut gegensätzlichen Ansichten ergibt sich fûr mich schon die Frage, welcher Weg bring mehr "Glück" bzw welches Mass an Bedürfnisbefriedigung ist optimal?

Das Finden des richtigen Masses dürfte ein guter Garant für Glück sein; und diese Dosen sind individuell verschieden. Was ich im Detail zu meinem Glück benötige, ist nicht dasselbe, als was du zu deinem Glück benötigst.

Um das zu klären, was ich vielleicht ein wenig zu knapp da hingeworfen habe:
Meiner Ansicht nach ist der Begriff "Bedürfniserfüllung" sehr relativ vor allem die Erfüllung und Befriedigung , die man daraus ziehen kann.

Ein Beispiel: Der Genuss, den man beim Essen einer köstlichen Speise empfindet, hängt nicht in erster Linie von der Speise selbst ab, sondern vor allem davon, wie hungrig der Betreffende ist ("Hunger ist der beste Koch"). Einem Aushehungerten schmeckt ein Stück trockenes Brot besser als einem Übersättigten der beste Kaviar.
Und du kannst dich tagelang ins Bett legen und ausruhen - nie wirst du dabei das Gefühl erleben, das ein total ausgepowerter Sportler hat, wenn er sich nach der Anstrengung aufs Sofa legt und die Erholung geniesst.

Und heutzutage schraubt man - um im Bild zu bleiben - die Exquisitheit und Raffinesse der "Speisen" immer weiter hoch, um den "Übersättigten", die aber dennoch das Gefühl haben, ihnen fehlt noch etwas zum Glück, doch noch einen "Kick" zu verschaffen.

während Askese genau den entgegengesetzten Weg geht. Durch zeitweiligen Verzicht zum wahren Genuss.
(das ist jetzt natürlich eine krasse Vereinfachung, aber mir gehts ja um das "Prinzip"/"Schema" dahinter).
Liebe Grüsse
Sola

Sola
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#183 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Sola » Di 2. Jul 2013, 10:02

Demian hat geschrieben:Es gibt Grundbedürfnisse, die alle Menschen miteinander teilen. Grundlegend wären das eine erfüllte Sexualität, die Entfaltung und Erweiterung der eigenen Fähigkeiten, Selbst- und Welterkenntnis, die Anerkennung des eigenen Seins und Tun und ein ausreichendes Maß an stofflich-realem Reichtum, um alles das zu gewährleisten ( wozu auch freie Bildung gehört ). Auf gesellschaftlicher Ebene braucht es dazu eine partizipative Demokratie mit ausreichend Transparenz und Minderheitenschutz. ;)

Das wäre meine Konzeption einer "humanistischen" Ethik ( also prinzipiell eine Bedürfnisethik die den Glücksbegriff ins Zentrum rückt ), wenn man das überhaupt so nennen möchte. Die Bedürfnisse sind nicht ethisch determiniert und immer wieder neu - als Spielregeln der individuellen Möglichkeiten - unter den Mitgliedern einer Gesellschaft auszutarieren.

Hört sich für mich gut an, ein solches "System" fände meine volle Zustimmung.

Nur sehe ich da trotzdem Probleme mit der "Ethik", die als Grundlage für ein solches Handeln dienen soll. Wie willst du das für alle so verbindlich machen, dass jeder "von Herzen" dahinter steht? Und wie geht man mit "Interessenskonflikten"um? Wenn 2 Interessen nicht vereinbar sind und einer muss zurückstecken.
Hier sehe ich das grösste Problem, wenn "Bedürfnisse" der alleinige Masstab sind. Nach welchen Kriterien wird entschieden? Wer will festlegen, ob jemand auf etwas verzichten muss zugunsten von einem anderen? Was ist, wenn einer von Rechts wegen den Vorrang hätte, ein andere braucht aber etwas ganz dringend, weil er bspw psychisch labil ist oder sonstwie "bedürftiger" ist als der andere?

Und für die Befriedigung von Bedürfnissen im zwischenmenschlichen Bereich gehören ja immer mindestens 2. Die haben nun aber nicht immer dieselben Interessen, bspw beim Sex. Einer will öfter, einer will es auf eine andere Art als der andere - wer muss sich nun nach wem richten? Wessen Interessen sind höher zu bewerten und wer ist wem zu was verpflichtet?

Da muss man zumindest eine andere Motivation ausserhalb der Bedürfnisbefriedigung voraussetzen, so etwas wie Liebe und/oder Rücksichtnahme
Und hier hat wieder jeder andere Vorstellungen. Also braucht es doch wieder verbindliche Grundsätze in einer Art Ideologie
Liebe Grüsse
Sola

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#184 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Naqual » Di 2. Jul 2013, 14:07

Pflanzenfreak hat geschrieben: Die Eingangsfrage war: macht Religion Menschen moralisch besser. Ich finde eindeutig nein. Eiferer und radikal denkende Menschen - egal welcher Glaubensrichtung sie angehören - waren schon immer und sind es noch heute, eine Gefahr für die Menschheit.
Dennoch ist ein: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ein christlicher Wert, denn Jesus hat uns diesen Auftrag gegeben. Das ist die zentrale Botschaft für all unser Tun und denken.

Sehe ich auch so. Und es bringt mich auf eine Idee. Vielleicht sollte man es so formulieren:

Ob Religion einen Menschen moralisch besser macht, hängt davon ab, welche moralischen Werte sie vermittelt und wie wirksam sie dabei ist.

Sola
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#185 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Sola » Di 2. Jul 2013, 14:35

Naqual hat geschrieben:
Pflanzenfreak hat geschrieben: Die Eingangsfrage war: macht Religion Menschen moralisch besser. Ich finde eindeutig nein. Eiferer und radikal denkende Menschen - egal welcher Glaubensrichtung sie angehören - waren schon immer und sind es noch heute, eine Gefahr für die Menschheit.
Dennoch ist ein: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ein christlicher Wert, denn Jesus hat uns diesen Auftrag gegeben. Das ist die zentrale Botschaft für all unser Tun und denken.

Sehe ich auch so. Und es bringt mich auf eine Idee. Vielleicht sollte man es so formulieren:

Ob Religion einen Menschen moralisch besser macht, hängt davon ab, welche moralischen Werte sie vermittelt und wie wirksam sie dabei ist.

Ich würde hinzufügen: es hängt in erster Linie von jedem einzelnen ab - in wie weit er bereit ist, die vermittelten Werte "zu seinem eigenen Anliegen" zu machen und sich nicht irgendwie "durch zu mogeln" aund andere "auszutricksen", um seinen eigenen Vorteil durchzusetzen.
Liebe Grüsse
Sola

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#186 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Naqual » Di 2. Jul 2013, 17:42

Sola hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Ob Religion einen Menschen moralisch besser macht, hängt davon ab, welche moralischen Werte sie vermittelt und wie wirksam sie dabei ist.
Ich würde hinzufügen: es hängt in erster Linie von jedem einzelnen ab - in wie weit er bereit ist, die vermittelten Werte "zu seinem eigenen Anliegen" zu machen und sich nicht irgendwie "durch zu mogeln" aund andere "auszutricksen", um seinen eigenen Vorteil durchzusetzen.

Ich bin ein wenig pessimistischer, was den eigenen Anteil anbelangt, der sicherlich auch eine entscheidende Rolle dabei hat.

Ich nenne mal Faktoren, die aus meiner Sicht, die Wirksamkeit einer Religion erhöhen in Bezug auf die "Annahme der Moral":

- die Religion ist kulturell gewachsen
- die Religion umfasst eine Vielzahl von Lebensbereichen des öffentlichen Lebens
- die Religion ist die überwiegende Mehrheitsreligion
- die Religion hat sich in den Gesetzen des Landes etabliert und wird auch mit diesem durchgesetzt

- die Religion ist rational einsichtig und in sich schlüssig (je mehr, desto besser)
- die Religion kommt über ihre Vertreter (und deren Leben) anschaulich und klar rüber
- die Religion befriedigt die Bedürfnisse der Betroffenen, je unmittelbarer und je weniger jenseitig, desto besser
- die Religion vermittelt Ziele, die auch als erstrebenswert eingestuft werden (je mehr desto besser)
- die Religion ist umso erfolgreicher, je weniger sie vom einzelnen verlangt bzw. diesen in seinen Wünschen beinträchtigt
usw.

Das von Dir erwähnte "Durchsetzen eigener Vorteile" ist im Denken vieler Christen ganz massiv verankert, auch wenn man dies nicht gerne hört. Der feste Glaube an jenseitige Vorteile und Belohnungen korresponiert mit dem Anliegen, sich eigene Vorteile zu sichern. Es ist völlig egal, ob man direkt nach "gottgefälligen Verhalten" eine Belohung bekommt, oder ob man es lange Zeit später erhält, wenn man nur daran glaubt.

Betrachtet man das Christentum unter dem Aspekt Eigennutz versus Einsatz für andere, sehe ich folgende kritischen Punkte:
- die quasi-Selbsterrettung durch Glauben, während man der Praxis der Glaubens (praktische Moral) sekundäre Beachtung schenkt
- die Zufriedenheit vieler Christen damit, dass sie selbst meinen einen Anspruch auf den Himmel zu haben kraft Glaubens, während die Mehrheit der Menschheit verdammt werden würde, potentiell die eigenen Eltern, Freunde und Kinder (der Gedanke wird schlicht verdrängt oder führt in einen missionarischen Eifer, der aber mit der Moral im Leben wenig zu tun hat)
- der Glaube, dass alles in Butter ist, weil jemand anderes die eigene Schuld trägt (am Kreuz). Zum seligmachenden Element des Glaubens tritt nun das Abschieben der Verantwortung an einen anderen (und sei es Gott). Normalerweise müsste man sich dagegen wehren, wenn man Nächstenliebe verinnerlicht hat. Selbst wenn der andere freiwillig Schuld übernehmen möchte
- Eine Art Zwangartigkeit dabei dogmalastig Wertigkeiten zu setzen und die praktische Moral als Anhängsel zu betrachten. Das wird besonders deutlich in der Abgrenzung zu anderen Religionen. Moralische Praxis wird dann zu etwas, was vor Gott unbedeutend sei, da ja eh unnütz wegem verkehrtem Glauben.

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#187 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Sola » Di 2. Jul 2013, 18:43

Hi Naqual
Was ich gesagt habe, war ganz allgemein gemeint und hatte nichts mit dem Christentum zu tun ;) - ich habe es so verstanden, dass es hier gerade um eine Art "Staadtsideologie" gehen sollte, in der die Bedürfnisse aller optimal zum Zuge kommen und die Frage, inwiefern ein ideologischer Überbau sinnvoll und nötig wäre.
Liebe Grüsse
Sola

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#188 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Naqual » Di 2. Jul 2013, 19:45

Hi Sola,
Sola hat geschrieben:Was ich gesagt habe, war ganz allgemein gemeint und hatte nichts mit dem Christentum zu tun ;)
Tja, ich habe mich nicht bremsen können. :devil:
Es war auch bei mir nur ein Beispiel. Wenn es um Moral geht, ist es ja schon bedeutend etwas unter der Perspektive Egoismus-Altruismus (oder Eigennutz - Nächstenliebe) zu betrachten. Und da schleichen sich - aus meiner Sicht - durchaus unangenehme Dinge, meist unbemerkt, in Religionen ein.
Das Gefährlichste, jedenfalls von den Auswirkungen her, sind dann aber mehr die "Gruppenegoismen" (statt Einzelegoismus), der religiösen Organisationen. Dabei ist die Religion nicht einmal hier unmittelbar verantwortlich und hat in ihren Ursprüngen dies wohl meist gar nicht so gemeint. (Egal welche)

- ich habe es so verstanden, dass es hier gerade um eine Art "Staatsideologie" gehen sollte, in der die Bedürfnisse aller optimal zum Zuge kommen und die Frage, inwiefern ein ideologischer Überbau sinnvoll und nötig wäre.
Religion und Staatsideologie sind ja bekanntlich gefährlich zu kreuzen. Siehe Iran heute, oder Europa im Mittelalter.
Denke, das Beste ist, dass nicht die Inhalte, sondern die Verfahrensfragen politisch geregelt sind (pluralistische Demokratie). Die Inhalte, auch die moralischen, sind dann von den Betroffenen festzulegen.
Letztlich geht es immer um die Personen. Die beste Staatsform ist unnütz, wenn die Leute ein egoistischer Mafiosi-Haufen sind. Der alte Platon hat das schon erkannt. Er forderte, dass die Leitung eines Staates (Stadt) im Idealfall aus einem bettelarmen, moralisch bewährten Mann besteht, der aufgrund seines freiwillig geführten bescheidenen Lebens nicht bestechlich ist.

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#189 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Heliaia » Mi 3. Jul 2013, 11:47

wenn Religion solche Früchte wie hier trägt ,dann ist sie ein wahrer Segen für andere
hier kommt ein Mann ,der Jesus und dem guten Samariter in nichts nachsteht
herzerwärmendes Handeln eines wahren Menschen
An individual who breaks a law that conscience tells him is unjust, and who willingly accepts the penalty of imprisonment in order to arouse the conscience of the community over its injustice, is in reality expressing the highest respect for the law

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#190 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Demian » Mi 3. Jul 2013, 15:08

Umgekehrt: je wirksamer ein Mensch zu sich selbst und ins Leben geführt wird, desto überflüssiger sind "moralische" Werte. Denn wenn ich liebe brauche ich kein Gebot der Nächstenliebe, usw.

Naqual hat geschrieben: Ob Religion einen Menschen moralisch besser macht, hängt davon ab, welche moralischen Werte sie vermittelt und wie wirksam sie dabei ist.
Zuletzt geändert von Demian am Mi 3. Jul 2013, 16:58, insgesamt 1-mal geändert.

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