Anton B. hat geschrieben:Aussagen darüber hinaus sind un-diszipliniert, wenn sie als "wissenschaftlich" angepriesen werden.
So ist es.
Anton B. hat geschrieben:Und wenn man es tatsächlich beobachten würde, was ist dann die Theorie?
Dass Leben aus anorganischen Molekülen entstehen kann. - Ob man dazu eine Theorie dazu braucht, weiss ich nicht. Man beobachtet es und weist es nach. - Ist damit aus Sicht der Naturwissenschaft nicht alles getan?
Aus Sicht einer Weltanschauung kann man daraus die Theorie (?) oder das Postulat rekrutieren, dass damit der christliche Schöpfungsgedanke falsifiziert sei. Aus meiner Sicht wäre das albern, weil Vorgänge auf materialistischer Ebene irrelevant sind in Bezug auf geistige Dinge. - Aber passieren können solche Postulate schon.
Anton B. hat geschrieben:In den Fachzeitschriften, die ich so konsumiere, wird das m.E. eher weniger in die Arbeiten hinein verwurstet.
Wenn es naturwissenschaftliche Fachzeitschriften sind, ist das auch kaum zu erwarten, weil man dort vermutlich sehr diszipliniert ist. - Man findet es öfter in "philosophischen" Äußerungen - da ist in der letzten ZEIT gerade ein Artikel über den sogenannten "Neuen Realismus" gewesen, dem man anmerkt, dass sich die heutige Philosophie ungeheuer schwertut, über die Methodik der Naturwissenschaft ("was nicht falsifizierbar ist, ist irrelevant") hinauszugehen - obwohl genau da der Punkt wäre, anzufangen.
Aber Du fragst nach einem weiteren Beispiel - eines aus der Erinnerung:
In einer Wissenschaftssendung wurde vor längerer Zeit das Thema „Nahtod-Erlebnisse“ behandelt. Die Glaubwürdigkeit der berichtenden Nahtod-Erlebenden wurde seitens der Wissenschaft durchaus anerkannt, weshalb für die Wissenschaft das Phänomen des Nahtod-Erlebnisses für untersuchungswürdig befunden wurde. Aufwendige wissenschaftliche Untersuchungen führten schließlich zum Ergebnis, dass bei Nahtod-Erlebnissen ein bestimmter Teil des Gehirns besonders aktiviert würde, dass also Nahtod-Erlebnisse aus Sicht der Wissenschaft nachweisbar seien. - Soweit so gut. – Interessant waren jedoch die Schlussfolgerungen:
Aus geistlicher Sicht war damit eine bestehende Realität, nämlich der Nahtod, auch wissenschaftlich nachvollziehbar. - Aus naturwissenschaftlicher Sicht kam – auf dem ersten Blick völlig überraschend – eine ganz andere Schlussfolgerung: Da nun nachgewiesen sei, dass der Ausnahmezustand „Nahtod-Erlebnis“ einherginge mit Aktivitäten im Gehirn, bei denen spezielle Stoffe ausgeschüttet werden würden, die in bereits untersuchten anderen Ausnahmezuständen als verantwortlich für die Erzeugung euphorischer Zustände nachgewiesen seien, sei davon auszugehen, dass das Nahtod-Erlebnis hirnstoffwechselbedingt euphorische Zustände mit sich bringe. Schlussfolgerung: Der Nahtod sei keine objektive Realität, sondern subjektives Erleben infolge einer körperlichen Schutzfunktion in Form von gezielter Ausschüttung geeigneter Botenstoffe. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Nahtod – genau die Schlussfolgerung, die der Wissenschaftsjournalist – aus seiner Sicht „objektiv – damals gezogen hat.
Diese Schlussfolgerung ist nur auf dem ersten Blick überraschend, auf dem zweiten Blick nicht, da sie systemkonform im Sinne naturwissenschaftlicher Koordinaten ist. Für die Naturwissenschaft ist ein geistliches Phänomen wie der Nahtod keine objektiv nachvollziehbare Realität, da dieses Phänomen jenseits der physikalischen Möglichkeiten stattfindet. Also greift man auf das zurück, was naturwissenschaftlich wahrnehmbar ist, und das sind in diesem Falle durch Ausnahmesituationen ausgelöste und nachweisbare Hirnaktivitäten.
Ein geistlicher Mensch würde sagen: Die Realität „Nahtod“ „ist“ an sich und äußert sich zudem über im Gehirn nachweisbares spezifisches Stoffwechsel-Geschehen – und würde weiterfahren: Auch wenn dieses spezifische Stoffwechsel-Geschehen nicht oder noch nicht nachweisbar wäre, hätte dies keinen Einfluss auf Sein oder Nichtsein der Realität Nahtod. Denn das Sein definiert sich nicht dadurch, dass es nachweisbar oder erkannt ist, sondern einzig und allein dadurch, dass es „ist“.
Bleiben beide bei ihren Leisten, würde der geistliche Mensch weiterhin sagen: „Ich nehme aus der Realität wahr, dass es das Phänomen ‚Nahtod‘ gibt. Ob und wie dieser Hinweis für Euch, Naturwissenschaftler, mit Euren Mitteln, die ich nicht beherrsche, wahrnehmbar ist, ist zwar interessant, aber für mich nicht entscheidend.“ – Der Naturwissenschaftler könnte sagen: „Ja, unsere Untersuchungen zeigen, dass mit dem Nahtod-Erlebnis wissenschaftlich nachweisbare Vorgänge verknüpft sind. Dadurch ist nachgewiesen, dass es etwas gibt, was Betroffene als Nahtod-Erlebnis bezeichnen. Ob dieses Phänomen nur subjektive Wahrnehmung aufgrund eines rauschähnlichen Zustandes ist, oder ob das Phänomen „Nahtod“ eine von der subjektiven Wahrnehmung unabhängige, eigenständige Größe ist, kann ich mit meinem naturwissenschaftlichen Inventar grundsätzlich nicht entscheiden. Denn ich habe ja nur das Gehirn des Menschen untersucht und nicht den Nahtod selbst.“ - Ein Naturwissenschaftler, der auch geistlicher Mensch ist, würde sagen: „Geistlich nehme ich sehr wohl wahr, dass es den Nahtod als Realität gibt, aber in meiner Eigenschaft als Wissenschaftler kann ich dies seriöserweise nicht behaupten, weil das die Methodik der Naturwissenschaft nicht hergibt. – In meiner Eigenschaft als Naturwissenschaftler stoße ich hier an Grenzen, die ich nur in meiner Eigenschaft als geistlicher Mensch überschreiten kann.“
Die Message der Wissenschaftssendung (Bublath) war aber eine andere: Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass es "Nahtod" als geistiges Phänomen NICHT gäbe, sondern
nur subjektiv so empfundener Ausnahmezustand sei, welcher allein hirnstoffwechsel-mäßig begründet sei. - Und schon haben wir die Melange aus Naturwissenschaft und Weltanschauung/Ideologie.
Anton B. hat geschrieben:und sprechen wir daneben von einem "sozialen bzw. soziologisch-psychischem Geschlecht" und alle sind happy.
Vielleicht. - Es geht hier aber um die Frage der Vertrauenswürdigkeit dessen, was Menschen (und somit auch transzendenz-fähigen Menschen) unter dem Label "Naturwissenschaft" vorgesetzt wird. - Es ist doch unübesehbar, dass die erwähnte Habilitation (und daraus wird ein Professor, und dieser Professor hat Doktoranden) so designt ist, dass sie gesellschaftliche Trends und Weltanschauungen bedient.
Würde jemand eine neuro-biologische Arbeit machen mit dem Titel "Geschlechter aus katholischer Sicht", würde man diese Arbeit zurecht zerreißen. - Dasselbe geschieht hier elgant umgekehrt. - Und da wundert man sich, wenn Naturwissenschaft bei Gläubigen nur bedingt vertrauenswürdig ist?