Nicht von Armut ist die Rede, sondern von der Not. Sie ist Armut ohne Vertrauen, ohne Solidarität, ohne Hoffnung.
Man kann drei Arten der Not unterscheiden: spirituelle, moralische und materielle Not. Die erste lässt die weiteren folgen.
Die materielle Not leiden Menschen, die ihrer Grundrechte auf Nahrung, Wasser, Hygiene und Arbeit beraubt sind. Sie können sich weder persönlich noch kulturell entfalten.
Die moralische Not der Welt und der Menschen lässt sie zu Slaven der Sünde und Laster werden. Alkohol, Drogen, Glücksspiel, Pornographie oder allgemeine Maßlosigkeit berauben sie ihrer Freiheit. Kein Lebenssinn und Zukunftsperspektiven sind Folge einer Hoffnungslosigkeit. Die moralische Not der Welt schafft Ungleichheit in Bildung und Gesundheit, ungerechte soziale Bedingungen.
Die spirituelle Not der Welt erfährt der Mensch, wenn er sich von Gott entfernt und seine Liebe ablehnt. Der Mensch verarmt, weil er sich selbst genügen will und Gottes entgegengestreckte Hand abweist. So begibt er sich auf einen Weg des Scheiterns, gerät in die moralische Not, bürdet diese andere auf und verursacht so oft genug materielle Not.
Das Evangelium ist ein Gegenmittel gegen die spirituelle Not. Christen sind aufgerufen dieses Gegenmittel der kranken Welt zu bringen, damit sie befreit und miteinander versöhnt wird. Gott ist immer größer als unsere Sünde, unsere Not aufgrund seiner Liebe und Barmherzigkeit.
Im November 2014 hat Papst Franziskus, ein Mann aus Lateinamerika, im EU-Parlament gesprochen und die europäische Verantwortung für die kulturelle Entwicklung der Menschheit angemahnt. Das kulturelle Erbe Europas ist kein museales Vermächtnis der Vergangenheit, sondern ein Schatz der Inspiration der gesamten Menschheit. Besonders muss sich Europa seiner christlichen Wurzeln besinnen. Franziskus führt aus:
In dieser Perspektive ist der Beitrag zu verstehen, den das Christentum heute zur kulturellen und gesellschaftlichen europäischen Entwicklung im Rahmen einer rechten Beziehung zwischen Religion und Gesellschaft leisten kann. Aus christlicher Sicht sind Vernunft und Glaube, Religion und Gesellschaft berufen, einander zu erhellen, indem sie sich gegenseitig unterstützen und, falls nötig, sich wechselseitig von den ideologischen Extremismen läutern, in die sie fallen können. Die gesamte europäische Gesellschaft kann aus einer neu belebten Verbindung zwischen den beiden Bereichen nur Nutzen ziehen, sei es, um einem religiösen Fundamentalismus entgegenzuwirken, der vor allem ein Feind Gottes ist, sei es, um einer "beschränkten" Vernunft abzuhelfen, die dem Menschen nicht zur Ehre gereicht.
Und weiter:
Ebenso bin ich überzeugt, dass ein Europa, das fähig ist, sich die eigenen religiösen Wurzeln zunutze zu machen, indem es ihren Reichtum und ihre inneren Möglichkeiten zu ergreifen versteht, auch leichter immun sein kann gegen die vielen Extremismen, die sich in der heutigen Welt verbreiten – auch aufgrund des großen ideellen Vakuums, das wir im sogenannten Westen erleben, denn es ist gerade die Gottvergessenheit und nicht seine Verherrlichung, die Gewalt erzeugt.
Die Not der Welt ist eine spirituelle Not, die entweder Gott für den eigenen Egoismus vermenschlicht und damit vereinnahmt oder durch die Abweisung Gottes ein spirituelles Vakuum hinterlässt, welches der Mensch wiederum mit seinen Egoismen füllt, die moralische und materielle Not verursachen.
Vernunft, Glaube, Religion und Gesellschaft können zusammen die Not der Welt lindern.
Danke fürs zu Ende lesen.
Servus
