Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Säkularismus
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closs
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#91 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » Fr 10. Apr 2015, 16:40

ThomasM hat geschrieben:Eine schwächere Form der Fügung ist die folgende
Das liefe vermutlich vom Ergebnis auf meine Version hinaus. - Allerdings sehe ich aus folgendem Grund eigentlich keinen Unterschied zwischen Version 1 und 2:

Wenn Gott bereits (nach unserem Verständnis) "heute"weiss, was Thomas am 17.11.2027 um 11:43 h frei entscheidet, kann er im Wissen dessen "freier Entscheidung" bereits "in den Vortagen" (2.Kön. 19,25) fügen, was er (Gott) daraus macht. - Mit anderen Worten: Auch Deine Version 1 interferiert nicht mit dem "freien Willen" des Menschen, weil Fügung aus Gottes Sicht Folge daraus ist.

Unser Denkfehler besteht darin, unser Zeit-Verständnis zu hinterlegen und "in den Vortagen" nicht göttlich über-zeitlich, sondern menschlich zeitlich ("vorher") zu verstehen. - Löst man sich von diesem Denkfehler, sind Version 1 und 2 de facto identisch.

Pluto
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#92 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von Pluto » Fr 10. Apr 2015, 17:09

ThomasM hat geschrieben:Es ist tatsächlich richtig, dass eine Sicht wie die von closs oder mir (oder dir) von dem Gottesbild abhängt.
Ich habe kein Gottesbild. Allzu oft wurde ich hier zurecht gewiesen wenn ich bezweifle, dass die Bibel Gotte Wort ist. Nun glaube ich, wenn es den Gott Abrahams gibt, dann ist die Bibel sein unumstößliches Wort.

ThomasM hat geschrieben:Ist der Mensch ein klassischer chemischer Computer, dann hat er auch keine Wahlfreiheit.
Walhfreiheit hat der Mensch schon, nur keine Willensfreiheit, denn er entscheidet immer nach seiner Veranlagung und seiner Erfahrung unter den jeweils gegebenen Alternativen. Etwas anderes ist nicht möglich.
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sven23
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#93 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von sven23 » Fr 10. Apr 2015, 17:36

closs hat geschrieben: "Fügung" ist, wenn Gott im Wissen des individuellen Handelns des Menschen es so richtet, wie er es am Ende haben will. -
.
Also sollen wir glauben, daß Gott am Ende Ausschwitz haben wollte?

Das Problem bei der Fügung ist nun mal, daß ein Eingreifen von außen angenommen wird. Fügung von außen ohne aktives Eingreifen widerspricht der Definition von Fügung.
Wenn wir glauben sollten, daß Gott den Flug eines Passagieres umgebucht hat, (gefügt hat) dann ist das ja eine ganz nette Vorstellung, aber wirft auch wieder neue Fragen auf.
Wenn er etwas Gutes tun wollte, wäre es nicht gescheiter gewesen, dem psychisch kranken Piloten einen lichten Moment zu schenken, der ihn von seinem Vorhaben abbringt?
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#94 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » Fr 10. Apr 2015, 17:47

sven23 hat geschrieben:Also sollen wir glauben, daß Gott am Ende Ausschwitz haben wollte?
Nein - wie kommst Du darauf, wenn ich eigentlich genau das Gegenteil sage.

"Auschwitz" entsteht durch menschliche Entscheidungen, in deren Kenntnis Gott etwas fügt (was, wissen wir nicht, weil Fügung immer nur das Individuum betrifft).

sven23 hat geschrieben:Fügung von außen ohne aktives Eingreifen widerspricht der Definition von Fügung.
Heute ist das offensichtlich so - Pluto hat ja schon darauf hingewiesen, dass man "Fügung" als Synonym für "Determinismus" versteht. - Damit geht aber die eigentliche Bedeutung des Wortes "Fügung" verloren - wenn es leichter ist, können wir vereinbaren, für diese eigentliche Bedeutung zukünftig das Wort "pkoniölbkg" zu verwenden - dann gibt es wenigstens keine rezeptions-geschichtlichen Diskussionen.

sven23 hat geschrieben:Wenn wir glauben sollten, daß Gott den Flug eines Passagieres umgebucht hat
Hat er ja nicht. - Die Umbuchung erfolgte durch "freien Willen" von dem, der umgebucht hat. Dass dem so ist, wird in Gottes Fügung eingebaut.

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#95 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von Pluto » Fr 10. Apr 2015, 17:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Fügung von außen ohne aktives Eingreifen widerspricht der Definition von Fügung.
Heute ist das offensichtlich so - Pluto hat ja schon darauf hingewiesen, dass man "Fügung" als Synonym für "Determinismus" versteht.
Damit geht aber die eigentliche Bedeutung des Wortes "Fügung" verloren...
Nein. Früher meinte man im Allgemeinen mit Fügung was man heute Determinismus nennt. Das muss man einfach als das Fortschreiten der Sprache hinnehmen.

closs hat geschrieben:wenn es leichter ist, können wir vereinbaren, für diese eigentliche Bedeutung zukünftig das Wort "pkoniölbkg" zu verwenden
Klar doch. Es bleibt aber auf Deutsch "Determiniertheit".
closs hat geschrieben:dann gibt es wenigstens keine rezeptions-geschichtlichen Diskussionen.
Es gibt keine, es sei denn in deinem persönlichen Verständnis.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn wir glauben sollten, daß Gott den Flug eines Passagieres umgebucht hat
Hat er ja nicht. - Die Umbuchung erfolgte durch "freien Willen" von dem, der umgebucht hat. Dass dem so ist, wird in Gottes Fügung eingebaut.
Eben. Also ist die Willensfreiheit nur eine Illusion.

Du kommst mir in dieser Diskussion vor, wie der kleine Junge der Beides will: das Schleckzeug und den Groschen.
Das geht nun mal nicht.
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#96 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von sven23 » Fr 10. Apr 2015, 18:02

Pluto hat geschrieben: Du kommst mir in dieser Diskussion vor, wie der kleine Junge der Beides will: das Schleckzeug und den Groschen.
Das geht nun mal nicht.
:lol:
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#97 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » Fr 10. Apr 2015, 18:06

Pluto hat geschrieben:Es bleibt aber auf Deutsch "Determiniertheit".
Was bringt das, wenn damit ein Inhalt verbunden ist, der dem eigentlichen Gedanken diametral entgegensteht? - Das wäre doch Täuschung.

Pluto hat geschrieben: Also ist die Willensfreiheit nur eine Illusion.
DANN Zustimmung, wenn wir uns einig sind, dass es grundsätzlich keine Willensfreiheit gibt.

Deine Unterscheidung zwischen "Wahlfreiheit" und "Willensfreiheit" ist doch absolut hinreichend: Der Mensch kann INNERHALB situativer Möglichkeiten frei entscheiden - das reicht vollkommen. - Aber das ist doch keine spezifische Aussage in Bezug aufs Christentum, sondern eine universale Aussage - weil es einfach logischerweise immer so ist.

Pluto hat geschrieben:der kleine Junge, der Beides will: das Schleckzeug und den Groschen.
Der Junge bekommt nur eines davon - die Wahlfreiheit. - Die Fügung geht ihn nichts an.

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#98 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von sven23 » Fr 10. Apr 2015, 18:11

closs hat geschrieben:Hat er ja nicht. - Die Umbuchung erfolgte durch "freien Willen" von dem, der umgebucht hat. Dass dem so ist, wird in Gottes Fügung eingebaut.
Sagst du, andere hier glauben das aber. Wobei sie wieder mal nicht zu Ende denken. Wenn Gott eingreifen kann, dann hätte er das Unglück verhindern können und man müßte ihm unterlassene Hilfeleistung unterstellen.
Oder aber er greift zum Nachteil von Menschen ein (siehe Hiobgeschichte)
Egal ob man jetzt Wahl- oder Willensfreiheit meint: die ermordeten Kinder Hiobs waren in beiden Fällen enorm eingeschränkt. ;)
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#99 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von Pluto » Fr 10. Apr 2015, 18:32

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es bleibt aber auf Deutsch "Determiniertheit".
Was bringt das, wenn damit ein Inhalt verbunden ist, der dem eigentlichen Gedanken diametral entgegensteht? - Das wäre doch Täuschung.
Es geht an der Bedeutung nichts verloren. Wieso sollte es eine Täuschung sein?

Die Bedeutung von Fügung und Determiniertheit ist identisch. Beide Begriffe widersprechen der Wahlfreiheit des Menschen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#100 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » Fr 10. Apr 2015, 18:33

sven23 hat geschrieben:Sagst du, andere hier glauben das aber.
Dass es Teil der Fügung ist, stimmt doch auch. - Aber es geschieht, ohne dass dem Menschen dabei von Gott ins Handwerk gepfuscht wird - derjenige, der umgebucht hat, hat es in diesem Moment aus freien Stücken und nicht im Bewusstsein einer Marionette einer göttlichen Anweisung gemacht.

sven23 hat geschrieben:Oder aber er greift zum Nachteil von Menschen ein (siehe Hiobgeschichte)
Wenn 250.000 Menschen durch einen Tsunami sterben, dann deshalb, weil die Naturgesetze dies möglich machen - da greift Gott nicht ein.

sven23 hat geschrieben: die ermordeten Kinder Hiobs waren in beiden Fällen enorm eingeschränkt
Woher willst Du das wissen? - Geistig gesehen hatten sie sich nicht mit dem Daseins-Gerümpel auseinanderzusetzen und waren nach einem kurzen Auftritt wieder da, wo sie herkamen.

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