Macht Religion die Menschen moralisch besser?

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Naqual
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#61 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Naqual » Mo 17. Jun 2013, 08:45

Pluto hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Im Mittelpunkt steht eigentlich immer inwieweit Leute egoistisch agieren oder ganze Bevölkerungsgruppen egoistisch agieren. Und das funktioniert - wenn auch mit Einschränkungen - auch in Demokratien.
In dem besagten Beispiel habe ich auch für ein Minarett Verbot gestimmt.
So was darf ein Demokratie per Volksentscheid eben machen. Das Volk ist der Souverän, und nicht die Verfassungsrechtler.
Das Volk kann in Einzelfragen undemokratisch ausgerichtet sein. Und was dann? Dann entscheidet die Mehrheit der Undemokratischen.
Eine Demokratie hat deswegen Schutzmechanismen eingebaut. Eine davon ist, Minderheitenschutz in einer Verfassung zu garantieren und Verfassungsrichter dann entscheiden zu lassen. Finde ich gut.

Beispiel am Minarett-Verbot:
Der Schweizer Staat versteht sich als laizistischer. Also er ist in Folge in religiösen Fragen neutral (die Schweizer Gesellschaft sicher nicht, die ist wahrscheinlich mit theoretisch verfassungsändernder Mehrheit christlich).
Das korrespondierende Schutzrecht für Minderheiten ist eine verfassungsmäßig verankerte Regelung, die besagt, dass:
niemand wegen seiner Religion diskriminiert (benachteiligt) werden darf. Siehe Art 8 II der Schweizer Verfassung.
Wenn nun der Staat Christen Kirchtürme bauen lässt und Moslems keine Minarette, dann ist dies eine offensichtliche Ungleichstellung zum Nachteil der Moslems.
Für sich alleine gesehen ist verfassungsrechtlich eine Ungleichstellung noch nicht einmal unmittelbar das Problem. Es gebe ja nun die Möglichkeit, dass eine Ungleichstellung inhaltlich rational begründbar ist aus Gründen, die nicht religiös sind.
Das dürfte nur schwer zu begründen sein im konkreten Fall. Wenn man auf eine kulturelle Identität abstimmt, auf ein Erscheinungsbild, das eine gewisse Homogenität hat, dann dürfte man noch ganz andere Gebäude nicht zulassen, meinetwegen von gewagt-kreativen Architekten oder Rundkuppeln jüdischer Synagogen, buddhistischer Tempel, usw.
Zudem wäre man dann im Zuständigkeitsbereich kommunaler Bauverwaltung, nicht auf der gesamtstaatlichen Schweizer Ebene. Die Fragestellung des Volksentscheids war aber zielgerichtet, gegen religiöse Stätten einer einzigen Religion gerichtet. Alleine die Tatsache, dass dies verfassungsrechtlich problematisch ist und zudem geltende übernationale Vertrage verletzt werden, hätte dazu führen müssen, dass man ERST die Verfassung ändert und zweitens die Verträge cancelt, die dem entgegenstehen. Das wäre dann anders ausgegangen, wie man sich leicht vorstellen kann ohne Prophet sein zu müssen.

Aber egal, wie man es wertet, deutlich wird zumindest, dass irrationale Elemente ständig in die Demokratie einfließen.
Eine Demokratie ist immer eine empfindliche Pflanze die gepflegt sein will, das bloße Vorhandensein einer pluralistisch-demokratischen Staatsform ist kein dauerhafter Garant für Fairness im politischen Interessensausgleich.

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Naqual
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#62 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Naqual » Mo 17. Jun 2013, 09:22

Hi Barbara,
barbara hat geschrieben: War's da nicht eher das Parlament, das sich selbst abschaffte, nicht das Volk? Soviel ich weiss, kriegte Hitler in Wahlen nie die notwendigen Mehrheiten, die eine Diktatur auch nur halbwegs rechtfertigen konnten.
Die Weimarer Republik war eine repräsentative Demokratie. Die Repräsentanten im Deutschen Reichstag als Vertreter des Volkes haben vollständig legal die Demokratie abgeschafft. Die Legitimitätsfrage ist ein anderes Blatt.

Wie Pluto sagte: der Souverän ist das Volk. Und der Souverän hat das Recht, Dinge zu beschliessen, die in sich widersprüchlich sind.
Siehe meine Antwort an Pluto.

Was die internationalen Verträge betrifft: die wurden, soweit ich mich erinnere, nur in seltenen Fällen durch eine Volksabstimmung legitimiert. Das heisst, was die da in Bern alles international unterschreiben, kommt hinter den Entscheiden von Volksabstimmungen. Auch wenn das in andern Ländern eine abstruse Haltung scheinen mag, ich halte sie für die richtige.
Diese Haltung ist tatsächlich abstrus. Das liegt daran, dass dann von der Schweiz unterschriebene Verträge nicht verbindlich wären. Der Schweizer Staat wird wohl genug getan haben die letzten 150 Jahre um dies nicht zum Anschein seiner Vertrauenswürdigkeit zu machen. Und das Aushebeln von Staatsverträgen allenfalls eine seltene Ausnahme ist.
Aber ähnliche Mechanismen gibt es auch anderswo. z.B. die Deutsche Verfassung steht über EU-Recht. Das kann aber in Einzelfällen durchaus auch mal kollidieren. Der Effekt ist der gleiche. Andere Staaten in der EU haben teils nicht einmal eine schriftliche Verfassung (z.B. das United Kingdom) für die wirkt das Deutsche Denken dann etwas seltsam.

Politik ist nicht rational und kann es auch nie sein - schliesslich geht es um die Gestaltung der Zukunft, und was die Zukunft alles bringt, weiss man nicht. Es fehlen in der Politik immer die notwendigen Informationen, die man für eine rationale Entscheidung bräuchte.
Fehlende Informationen sind erheblich seltener das Problem, als massive Eigeninteressen sowohl der Volksvertreter als auch der Bürger selbst. Ohne diese wäre Politik sogar m.E. sehr rational.


Egoismus ist ja ganz in Ordnung, wenn es ein weit gefasster Egoismus ist, in der Art: wenn es allen Leuten rund um mich gut geht, ist die Chance gross, dass es mir selbst auch gut geht.
Egoismus verstehe ich so, dass der einzelne (oder die einzelne gesellschaftliche Gruppe) ihre Interessen auf Kosten der Interessen anderer verfolgt.
Vermeidung von Egoismus als Selbstlosigkeit bis zur komplexbehafteten Selbstverlorenheit würde ich als krankhaft sehen.
Nehme an, das siehst Du auch so. Zur seelischen Gesundheit gehört auch, eigene Interessen vertreten zu können (in angemessenem Rahmen, also nicht auf Kosten anderer).

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#63 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Pluto » Mo 17. Jun 2013, 13:28

Naqual hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:So was darf ein Demokratie per Volksentscheid eben machen. Das Volk ist der Souverän, und nicht die Verfassungsrechtler.
Das Volk kann in Einzelfragen undemokratisch ausgerichtet sein. Und was dann? Dann entscheidet die Mehrheit der Undemokratischen.
Sorry, Naqual. Aber das ist ein Oxymoron. Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes. Wie immer das Volk entscheidet, ist das per definitionem demokratisch. Wenn du persönlich damit nicht einverstanden bist, bleibt es dennoch ein Volksentscheid, dem man sich zu fügen hat.

Der Schweizer Staat versteht sich als laizistischer. Also er ist in Folge in religiösen Fragen neutral (die Schweizer Gesellschaft sicher nicht, die ist wahrscheinlich mit theoretisch verfassungsändernder Mehrheit christlich).
Das korrespondierende Schutzrecht für Minderheiten ist eine verfassungsmäßig verankerte Regelung, die besagt, dass:
niemand wegen seiner Religion diskriminiert (benachteiligt) werden darf. Siehe Art 8 II der Schweizer Verfassung.
Wenn nun der Staat Christen Kirchtürme bauen lässt und Moslems keine Minarette, dann ist dies eine offensichtliche Ungleichstellung zum Nachteil der Moslems.
Selbst wenn der Staat laizistisch ist, die Entschedung gegen Minarette war/ist Mehrheitsfähig. Letzlich kommt nur darauf an.

Eine Demokratie ist immer eine empfindliche Pflanze die gepflegt sein will, das bloße Vorhandensein einer pluralistisch-demokratischen Staatsform ist kein dauerhafter Garant für Fairness im politischen Interessensausgleich.
Um Fairness geht es in einem Staat nie. Ich muss dabei immer an den Spruch eines der größten Demokraten des 20. Jahrhunderts denken:

  • Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.
    [Winston Churchill]
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#64 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Naqual » Mo 17. Jun 2013, 14:32

Pluto hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Das Volk kann in Einzelfragen undemokratisch ausgerichtet sein. Und was dann? Dann entscheidet die Mehrheit der Undemokratischen.
Sorry, Naqual. Aber das ist ein Oxymoron. Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes. Wie immer das Volk entscheidet, ist das per definitionem demokratisch. Wenn du persönlich damit nicht einverstanden bist, bleibt es dennoch ein Volksentscheid, dem man sich zu fügen hat.
Du musst differenzieren: Formal korrekt demokratisch können völlig undemokratische Inhalte beschlossen werden.
Es bleibt dabei lediglich formal demokratisch, also legal. Aber nicht legitim, weil das Undemokratische nun umgesetzt wird.
Hitler hat formal korrekt ganz demokratisch eine Diktatur eingeführt.
Es hat einen guten Grund, warum man in den Politikwissenschaften streng Legalität und Legitimität unterscheidet. Die Ergebnisse werden sonst auf perverse Weise legitimiert.

Selbst wenn der Staat laizistisch ist, die Entscheidung gegen Minarette war/ist mehrheitsfähig. Letzlich kommt nur darauf an.
Aus den genannten Gründen nicht.
Wenn der Staat unter Wahrung der demokratischen Spielregeln (z.B. Beschluss des Bundesparlaments, wenn dafür zuständig) ein Gesetz einführt, nachdem Ausländer ab dem nächsten Tag vogelfrei sind und umgebracht werden können, dann ist das völlig legal. Schluck. Aber nicht legitim.
Im konkreten Schweizer Fall haben wir das Problem, dass ein Volksentscheid nach den demokratischen Spielregeln des Staates formal korrekt zustandekam. Es ist erst einmal legal. Dann haben wir aber das Problem, dass nach den gleichen Spielregeln des Staates, zu denen die Verfassung gehört, eine Benachteiligung wegen der Religion auszuschließen ist.
Wenn man diesen Widerspruch nicht heilen kann ist die Entscheidung des Volksentscheid nicht legitim. "Nicht legal" wird sie erst, wenn nach den Spielregeln das zuständige Organ (z.B. ein Verfassungsgericht) die Verletzung der Verfassung feststellt.
So klingts vielleicht ein wenig vertrackt und kleinlich, aber nur so ist es staatsrechtlich korrekt. Und man kann dann vor allem klar sehen, dass es nicht nur auf Mehrheitsentscheidungen ankommt. Aus gutem Grund haben sich Demokratien in klar definierten Bereichen gegen Mehrheitsentscheidungen gesichert. Da geht es dann um den sog. Minderheitenschutz.
Also Minderheiten dürfen bestimmte Rechte nicht entzogen werden. Und im Minderheitenschutz entscheidet sich die Qualität einer Demokratie, nicht in der Anzahl der Volksentscheide.


Um Fairness geht es in einem Staat nie. Ich muss dabei immer an den Spruch eines der größten Demokraten des 20. Jahrhunderts denken:
  • Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.
    [Winston Churchill]
Den Spruch von Churchill kann ich sofort unterschreiben, auch wenn ich vielleicht nicht die englische Demokratie dabei im Blick habe (die schaffen es theoretisch, dass eine Partei mit 25 Prozent im Parlament (Unterhaus) vertreten ist, obwohl sie 51 Prozent der Stimmen bei der Wahl hatten).
Um Fairness geht es trotzdem, nur sie ist manchmal nicht leicht durchzusetzen.
Ich z.B. würde gegenwärtig seit dem Jahresersten ein 19 Prozent höheres Einkommen haben (Entfall der Pflicht Umsatzsteuer abzuführen wie bei vergleichbaren Berufsgruppen). Das kriege ich nicht, obwohl es bei allen Parteien als unstrittig gilt für meine Berufsgruppe. Der Grund liegt darin, dass das Gesamtpaket Steueränderungen dieses Jahr nicht durchgeführt wird, weil die beiden großen Parteien sich nicht einigen konnten bei ganz anderen Fragen. Im Vermittlungsausschuss kamen die "Unstrittigen Angelegenheiten" nicht durch, weil die Oppositionspartei von der Regierungspartei erst Zugeständnisse sehen will bei den Rechten für die Homo-Ehe.
Hier werden schlicht Fairness-Gesichtspunkte gegeneinander ausgepielt im üblichen Machtgeplänkel. Oder in anderen Worten bei ideologischen Glaubensfragen wirds eng. Und inhaltlich alles andere als rational (nur die Machtspiele selbst laufen rational ab).
Deswegen bin ich ja so skeptisch ob Demokratien wirklich rationaler sind als Religionen (denke, das war der eigentliche Ausgangspunkt unseres Disputs).

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#65 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von barbara » Mo 17. Jun 2013, 16:24

Naqual hat geschrieben: Eine Demokratie hat deswegen Schutzmechanismen eingebaut. Eine davon ist, Minderheitenschutz in einer Verfassung zu garantieren und Verfassungsrichter dann entscheiden zu lassen. Finde ich gut.

ich bin misstrauisch, wenn das letzte Wort einer so kleinen Gruppe überlassen wird, wie es die Gruppe der Verfassungsrichter sind - sogar wenn es eine gute ausgebildete Gruppe mit besten Absichten ist.


Beispiel am Minarett-Verbot:
Der Schweizer Staat versteht sich als laizistischer.

nicht wirklich. Die Verfassung beginnt mit den Worten "Im Namen Gottes des Allmächtigen". Und darunter wird selbstverständlich der Gott in christlicher Version verstanden.


Also er ist in Folge in religiösen Fragen neutral

da die Prämisse schon nicht stimmt, stimmt auch die Folgerung daraus nicht.


Wenn nun der Staat Christen Kirchtürme bauen lässt und Moslems keine Minarette, dann ist dies eine offensichtliche Ungleichstellung zum Nachteil der Moslems.

ja, ist es.

Es gab auch mal ein Jesuitenverbot.


Die Fragestellung des Volksentscheids war aber zielgerichtet, gegen religiöse Stätten einer einzigen Religion gerichtet. Alleine die Tatsache, dass dies verfassungsrechtlich problematisch ist und zudem geltende übernationale Vertrage verletzt werden, hätte dazu führen müssen, dass man ERST die Verfassung ändert und zweitens die Verträge cancelt, die dem entgegenstehen. Das wäre dann anders ausgegangen, wie man sich leicht vorstellen kann ohne Prophet sein zu müssen.

ja, aber in der Schweiz ist nun mal die allgemeine Haltung, dass das Volk auch über der Verfassung steht.


Aber egal, wie man es wertet, deutlich wird zumindest, dass irrationale Elemente ständig in die Demokratie einfließen.

Ich wiederhole: Politik kann gar nicht rational sein. Es fehlen immer die dazu notwendigen Daten.


Eine Demokratie ist immer eine empfindliche Pflanze die gepflegt sein will, das bloße Vorhandensein einer pluralistisch-demokratischen Staatsform ist kein dauerhafter Garant für Fairness im politischen Interessensausgleich.

sicher, es müssen die geeigneten Instrumente dafür geschaffen werden.Aber üblich ist doch, man gewinnt manchmal, man verliert manchmal, und im Grossen und Ganzen kommt es gut raus. Inklusive der Widersprüche.

grüsse, barbara

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#66 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von barbara » Mo 17. Jun 2013, 16:41

Naqual hat geschrieben: Die Weimarer Republik war eine repräsentative Demokratie. Die Repräsentanten im Deutschen Reichstag als Vertreter des Volkes haben vollständig legal die Demokratie abgeschafft. Die Legitimitätsfrage ist ein anderes Blatt.

Eben: das Parlament. Nicht das Volk.


Diese Haltung ist tatsächlich abstrus. Das liegt daran, dass dann von der Schweiz unterschriebene Verträge nicht verbindlich wären. Der Schweizer Staat wird wohl genug getan haben die letzten 150 Jahre um dies nicht zum Anschein seiner Vertrauenswürdigkeit zu machen. Und das Aushebeln von Staatsverträgen allenfalls eine seltene Ausnahme ist.

Es ist sicher eine seltene Ausnahme; aber wenn ich so sehe, mit welchen Räubermethoden die andern europäischen Staaten im Moment unterwegs sind, halte ich das Schweizer Verhalten im Vergleich dazu nicht mehr als "ein bisschen schrullig, aber grundsätzlich harmlos."

Andere Staaten in der EU haben teils nicht einmal eine schriftliche Verfassung (z.B. das United Kingdom) für die wirkt das Deutsche Denken dann etwas seltsam.

in der Tat, auf Schweizerinnen wirkt das deutsche Denken des öftern etwas seltsam. Besonders wenn es um Politik geht.


Fehlende Informationen sind erheblich seltener das Problem, als massive Eigeninteressen sowohl der Volksvertreter als auch der Bürger selbst. Ohne diese wäre Politik sogar m.E. sehr rational.

Es ist ja richtig, die eigenen Interessen zu vertreten.

Solange die Struktur der Entscheidungsverfahren alle Stimmen einbezieht und ernst nimmt, MUSS sogar jeder die eigenen Interessen vertreten.

Politik muss einfach sein und auf den menschlichen Schwächen beruhen - nicht auf einem Idealbild, das eh nie Realität ist.


Egoismus verstehe ich so, dass der einzelne (oder die einzelne gesellschaftliche Gruppe) ihre Interessen auf Kosten der Interessen anderer verfolgt.

nein, nur beschränkt auf "eigene Interessen verfolgen". Wenn Win-Win-Situationen dabei entstehen, umso besser. Es muss nicht auf Kosten anderer geschehen.

grüsse, barbara

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#67 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Naqual » Mo 17. Jun 2013, 17:45

barbara hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben: Eine Demokratie hat deswegen Schutzmechanismen eingebaut. Eine davon ist, Minderheitenschutz in einer Verfassung zu garantieren und Verfassungsrichter dann entscheiden zu lassen. Finde ich gut.
ich bin misstrauisch, wenn das letzte Wort einer so kleinen Gruppe überlassen wird, wie es die Gruppe der Verfassungsrichter sind - sogar wenn es eine gute ausgebildete Gruppe mit besten Absichten ist.
Zu Recht. Praktisch gesehen üben sie eine recht gute Kontrolle aus. Jedenfalls in Deutschland. Teils sind sie sogar "fortschrittlicher" wie Regierung und Parlament. (z.Z. z.B. in Fragen der Homo-Ehe)
Aber auch Verfassungsrichter sind natürlich nur Menschen, wenn auch beruflich bewährte Fachleute.
Und genau an diesem Punkt scheitert es bekanntlich beim Parlament: hier sind keine fachlichen Mindestanforderungen.
(Das würde ich allerdings auch ablehnen).
Eigentlich gar nicht so schlecht, wenn man ein Gremien hat, die sich nicht öffentlichen Wahlen stellen müssen mit den damit verbundenen Abhängigkeiten.
Und die Verfassungsrichter können letztlich nur die Verfassung anwenden, wenn auch interpretativ (und das geht hier rationaler wie die Bibelexegese bei den Theologen). Sie können nicht von sich aus aktiv werden, sondern auch hier gibt es klare Vorgaben (z.B. "abstraktes Normenkontrollverfahren" mit seinen Ansprüchen)



Beispiel am Minarett-Verbot:
Der Schweizer Staat versteht sich als laizistischer.
nicht wirklich. Die Verfassung beginnt mit den Worten "Im Namen Gottes des Allmächtigen". Und darunter wird selbstverständlich der Gott in christlicher Version verstanden.
Streng genommen versteht sich der Schweizer Staat auch nicht als laizistisch, sondern als säkularer Staat.
Laizistische Staaten gibt es verfassungsrechtlich (!) gesehen nur drei in Europa: Frankreich, Portugal und die Türkei (!).
Nr. 3 zeigt natürlich, wie sehr die Praxis von der Verfassung abweichen kann. Bei einem Bevölkerungsanteil von 98 Prozent zugunsten einer Religion auch nicht weiter verwunderlich.

In der Schweizer Verfassung wird Gott nicht weiter präzisiert auf ein bestimmtes Gottesbild. Die Gründe die für die Nennung Gottes in der Verfassung stehen, treffen letztlich jede Form des Theismus. Und man hätte ganz locker die Widmung dem "christlichen Gott" geben können.
Mit Gott als Begründung wird auch nicht weiter in der Verfassung bei den Regeln argumentiert. Es gibt auch keine Regel, die in irgendeiner Form Staat und Religion verbindet. Allerdings im Gegensatz zu STRENG laizistischen Staaten, wird hier die Verbindung auch nicht untersagt in der Verfassung. (Laizistisch heißt eigentlich Herrschaft der Nichtpriester)

Also er ist in Folge in religiösen Fragen neutral
da die Prämisse schon nicht stimmt, stimmt auch die Folgerung daraus nicht.
Es geht nur nicht um "Widmungen" sondern um konkrete verfassungrechtliche Regeln, die das Geschehen im Staate in irgendeiner Weise beeinflussen. Hier sehe ich die Schweizer Verfassung als neutral. Besonders deutlich das Benachteiligungverbot wegen Zugehörigkeit zu einer Religion. Das heißt, der Staat ist zwar nicht absolut getrennt von den Institutionen der Religionen (er darf z.B. solche bezuschussen), aber der Staat muss die Religonen gleich behandeln.
Wenn er sie unterschiedlich behandelt, muss das nichtreligiöse Gründe haben. Zum Beispiel kann man ganz religiös neutral festlegen, dass die subventionsfähigen religiösen Organisationen, im Rahmen der Verfassung des Landes stehen müssen.

Ich hoffe ich habe Dich jetzt nicht genervt, aber es ist ein wenig kompliziert und die Tücken liegen im Detail. Bei allem was mit staatlichem Recht zu tun hat, sowieso.
Die Widmung für Gott in der Verfassung kann allerdings Bedeutung gewinnen, wenn eine Regelung in einem konkreten Fall auslegungsbedürftig wird. Nur praktisch dürfte das auch in der Schweiz wohl nicht so die große Rolle spielen, wenn überhaupt.

Wenn nun der Staat Christen Kirchtürme bauen lässt und Moslems keine Minarette, dann ist dies eine offensichtliche Ungleichstellung zum Nachteil der Moslems.
ja, ist es.
Es gab auch mal ein Jesuitenverbot.
LoL. Ist zwar jetzt ein wenig abseits vom Thema, aber was war der Grund? Wie ist das entstanden? Kann man das in Stichworten wiedergeben?


ja, aber in der Schweiz ist nun mal die allgemeine Haltung, dass das Volk auch über der Verfassung steht.
Genau genommen braucht man dann keine Verfassung mehr, wenn das Volk sich nicht daran halten muss.

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#68 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Naqual » Mo 17. Jun 2013, 18:04

Es ist sicher eine seltene Ausnahme; aber wenn ich so sehe, mit welchen Räubermethoden die andern europäischen Staaten im Moment unterwegs sind, halte ich das Schweizer Verhalten im Vergleich dazu nicht mehr als "ein bisschen schrullig, aber grundsätzlich harmlos."
Es gibt geschickte Formen der Piraterie und die Bankenwelt ist hier ganz groß drin. Die Konkretisierung erspare ich mir aus Höflichkeit. :devil:
Abgehen davon, dass ich nichts gegen die Schweiz habe. Außer manchmal eine gewisse Feindschaft für den nördlichen großen Nachbarn bei manchen Eidgenossen. Aber das kenne ich auch von hier: wenn man mit einem norddeutschen Namen im tiefsten Bayern wohnt und die Leute einen noch nicht näher kennengelernt haben. :D

in der Tat, auf Schweizerinnen wirkt das deutsche Denken des öftern etwas seltsam. Besonders wenn es um Politik geht.
Dann hoffe ich doch, nicht allzu schrullig zu wirken.


Solange die Struktur der Entscheidungsverfahren alle Stimmen einbezieht und ernst nimmt, MUSS sogar jeder die eigenen Interessen vertreten.
Politik muss einfach sein und auf den menschlichen Schwächen beruhen - nicht auf einem Idealbild, das eh nie Realität ist.
Keine Gegenwehr. Du rennst bei mir offene Türen ein damit.
Politische Ideologien, die vom guten Menschen ausgehen sind z.B. Kommunismus (Begründung reicht zurück bis auf Rousseau)
Ideologien, die stattdessen von einem bösen Wolf ausgehen, sind doch recht erfolgreich (z.B. Soziale Marktwirtschaft)
Wobei ich das politsch (wo es um Macht geht) gut finde, aber privat fände ich es Sch....

Egoismus verstehe ich so, dass der einzelne (oder die einzelne gesellschaftliche Gruppe) ihre Interessen auf Kosten der Interessen anderer verfolgt.
nein, nur beschränkt auf "eigene Interessen verfolgen". Wenn Win-Win-Situationen dabei entstehen, umso besser. Es muss nicht auf Kosten anderer geschehen.
Einigen wir uns: ich gab beim Laizismus-Begriff nach, Du beim Egoismus! ;)
Letztlich haben wir beim Egoismus beide recht. Man kann es so oder so verstehen. Allerdings ist Egoismus bei den meisten Menschen negativ besetzt. Von daher fasse ich den Begriff gerne entsprechend enger.
Aber ich denke, wir meinen hier das gleiche, wenn auch die Begrifflichkeit abweicht.

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#69 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Naqual » Mo 17. Jun 2013, 18:53

Hi Abischai,
Abischai hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:...Wie konkretisierst Du dies nun? Also wie wird durch Gott ein Mensch besser?...
Das war mehr als Antwort für Pluto gemeint, aber OK.:
Ich hatte das ausführlich beschrieben, noch mal den konkreten Auszug.:
... der immer so l a n g a t m i g erzählende Abischai hat geschrieben:... Der Glaube an Jesus macht einen Menschen besser, in jedem Falle.... Und wer an Jesus Christus glaubt ... der wird stetig ein besserer Mensch. Nichts was jener Mensch sich auf die Fahne schreiben kann, es ist Gottes Werk, allein zu Gottes Ehre, was Gott z.B. in meinem Leben gutes gestaltet hat, das ist schon was, aber ich habe nicht das Recht darauf irgendwie stolz zu sein ...
Ist das die Antwort auf Deine Frage?

Nein, nicht wirklich. Also WIE wird etwas bewirkt ist für mich von Interesse.
Wenn Gott den Menschen moralisch besser macht, dann hat das Gründe.
Beispielsweise könnte die Angst vor Gott Menschen dazu bringen, sich an gewisse Normen zu halten. Dadurch dass er sie praktiziert und sich auch innerlich daran anpasst, würde er nun ein besserer Mensch werden.
Das wäre jetzt z.B. ein "Wie" für mich. Wenn auch ein Beispiel, dass ich so nicht begrüßen würde. ;)

Ich denke z.B. dass das Christentum und der Islam weltgeschichtlich betrachtet die aggressivsten Religionen sind im Reigen vieler anderer Religionen. Das wäre dann nicht so gut wie die Position der besseren Moral.
Hier hatte ich z.B. schon vermutet, dass dies damit zusammenhängt, dass beide Religionen einen Ausschließlichkeitsanspruch haben und dazu noch einen der mit dem größtmöglichen Schrecken der ewigen Verdammnis begründet ist. Juden z.B. obwohl auch "Buchreligion" (als gemeinsames Merkmal mit den beiden zuerst genannten), ist weltgeschichtlich betrachtet in den letzten ca. 3000 Jahren nicht weiter mit religiöser Aggressivität aufgefallen. Für Juden kann auch ein Nichtjude zu Gott kommen. Ganz anderes für Christen und Moslems.

Jetzt weißt Du meine Denkart, mich interessiert möglichst konkret, wie nun der Glaube an Gott (Religion) den Menschen besser machen soll.
Ein positives Beispiel ist für mich ein gemeinsamer Punkt vieler Religionen: der Egoismus des einzelnen (auf Kosten anderer) wird zumindest teilweise aufgebrochen mit Nächstenliebe (Christentum), Mitgefühl und Achtung vor allem Lebenden (Buddhismus), etc.

Pluto
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#70 Re: Macht Religion die Menschen moralisch besser?

Beitrag von Pluto » Mo 17. Jun 2013, 19:02

Naqual hat geschrieben:Du musst differenzieren: Formal korrekt demokratisch können völlig undemokratische Inhalte beschlossen werden.
Es bleibt dabei lediglich formal demokratisch, also legal. Aber nicht legitim, weil das Undemokratische nun umgesetzt wird.
Hitler hat formal korrekt ganz demokratisch eine Diktatur eingeführt.
Es hat einen guten Grund, warum man in den Politikwissenschaften streng Legalität und Legitimität unterscheidet. Die Ergebnisse werden sonst auf perverse Weise legitimiert.
Ich finde es nach wie vor in Ordnung, wenn ein vorwiegend christliches Volk (die Schweiz) meint, es wolle keine Minarette zulassen. Stell dir mal den umgekehrten Fall vor, man würde mitten in Riadh eine Kirche bauen wollen... Man muss nur mal den Islam anschauen um zu sehen, dass diese Religion nicht gerade friedfertig ist. Wenn dann die Schweizer als Volk es ablehnen, noch mehr Männer im Pyjama und Frauen in Ganzkörperzelten auf ihren Straßen zu sehen, dann habe ich dafür vollstes Verstädnis.

Ich bin mir bewusst dass das jetzt sehr provokativ und krass erscheinen muss, aber ich kann sehr genau begründen warum ich so denke —

Selber schaffen es die Moslems nicht ihren radikalen Flügel zu kontrollieren, sondern fördern diesen sogar noch heimlich. Wenn es um relativ harmlose witzige Karikaturen geht, die in einer Demokratie (Dänemark) veröffentlicht werden, dann kommen die Mullahs in Teheran und Riadh gleich mit Fatwas (=Morddrohungen) gegen die Journalisten, und keiner von den Moslems in Europa beschwert sich. Im Gegenteil, die Fatwas werden sogar heimlich unter die Leute gebracht und die Machthaber in Saudi Arabien und Iran schüren weiter den politischen Hass gegen Europa und die USA.

Wenn man mit sog. gemäßigten Moslems spricht, geben sie gerne zu, dass Leute wie die Salafisten in ihren Reihen kriminelle Elemente darstellen. Aber tun sie etwa etwas dagegen? Kennst du in Deutschland etwa eine islamische Bewegung, die den Terrorismus im Islam bekämpft? Wo sind die sog. gemässigten Kräfte, wenn es darum geht Fundamentalisten aus den Moscheen auszuschließen? Wo sind die Polzeitrupps in Irak, Pakistan, Indonesien oder Iran, die die Camps und Trainingslager der Terroristen ausheben?

Wenn wir Demokraten in Europa uns nicht gegen die Islamisierungsbewegung wehren, wird der Islam über kurz oder lang unsere Länder übernehmen (wie schon einmal nach dem Zusammenbruch des römischen Reichs). Ist meine Meinung!

Dann darfst du nicht mehr nach dem Unterschied zwischen formaler und legitimer Demokratie fragen, Naqual. Dann darfst du nicht einmal mehr das Wort Demokratie in den Mund nehmen, ohne dass man dir eine Hand abzuhacken oder Schlimmeres droht.

Nein lieber Naqual, so geht das nicht. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass vom Islam eine weit größere Bedrohung gegen unsere freiheitliche Ordnung ausgeht, als von anderen Religionen oder gar von unserer Demokratie selbst.

Wenn du dich über den Papst öffentlich lustig machen würdest, dann wäre dieser vermutlich beleidigt. Aber schickt er deshalb gleich einen Trupp von Schweizergardisten los, um dich aufzuspüren und dir eine Pike in den Allerwertesten zu stecken? Doch der Islam tut genau das, in dem er die Zeichner der Mohamed-Karikaturen mit Fatwas belegt und ihnen mit dem Tod droht.

In meinem Land (der Schweiz) werde ich weiterhin alle Mittel die die Demokratie mir bietet, einsetzen um solches Verhalten zu bekämpfen. Es geht mich zwar nichts an, aber wäre ich deutscher Bürger, würde ich von den Politikern genau dasselbe verlangen, nämlich dass sie endlich Maßnahmen ergreifen, um die Islamisierung Deutschlands wirksam entgegen zu treten. Es gibt Stadtteile, die sehen heute schon aus wie Klein-Riadh, und das mitten in Deutschland.
Muss das sein?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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