Warum fordern Atheisten Beweise?

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Savonlinna
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#61 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Savonlinna » Do 3. Sep 2015, 11:25

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Viel Furore ist entstanden, als die Rezeptionsmethode entstand, die ein Werk daraufhin untersucht, wie weit es den ERWARTUNGSHORIZONT des damaligen Publikums durchbricht.
Es wird also erst historisch gearbeitet: man recherchiert und versucht den damaligen Erwartungshorizont bezüglich Dichtung zu rekonstruieren.
Und dann guckt man, was an diesem Erwartungshorizont der Autor mit seinem Werk alles verletzt hat.
Da Literatur von der Rezeptionsästhetik her so aufgefasst wird, dass sie Erwartungen zu durchbrechen habe, um die Kultur und die Gesellschaft voranzubringen, ist das Verletzen des Erwarteten ein positivum.
Ist ja alles gut. Aber ich sehe nicht wo das etwas mit wissenschaftlicher Arbeit zu tun hat.
Wird hier versucht die Erwartungshaltung der Menschen zu verändern oder werden wissenschaftliche Modelle erstellt?
Ich habe vorhin versucht darauf hinzuweisen, dass der Begriff "Modell" in den Literaturwissenschaften nicht angewandt wird, sondern "Methode".

Du hast so wenig Ahnung von Geisteswissenschaft, dass ich, wenn ich so wenig Ahnung von Naturwissenschaft hätte, mich nie trauen würde, da mitzudiskutieren.
Du hast ein Forum eröffnet, in dem es um Geisteswissenschaft geht, und Du sagst allen Ernstes, dass ein Kunstwerk doch keine Wissenschaft sei.
Dann kann ich ja auch gleich mal behaupten - um die Naturwissenschaft lächerlich zu machen -, dass ein Berg doch keine Wissenschaft sei.

Meine Empfehlung:
Setz Dich einfach mit dem Thema auseinander, lies auch die Beiträge nicht nur daraufhin, wie Du sie widerlegen kannst, um der Literaturwissenschaft die Wissenschaftlichkeit abzusprechen und der Naturwissenschaft einzuverleiben, sondern lies sie, um sie zu verstehen.
Man kann doch nicht im Ernst mit jemandem diskutieren, der von der Materie überhaupt keine Ahnung hat.

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die Rezeptionsmethode wurde auch in die wissenschaftliche Theologie übernommen, denn genau darum geht es ja:
Hmm.... wissenschaftliche Theologie —
Was versteht du genau darunter? Meinst du damit die HKM?
Ich meinte das, was ich schrieb.
Die Rezeptionsmethode der Literaturwissenschaft wurde in die wissenschatliche Theologie übernommen.

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das Wort "Hermeneutik" würde ich da erst mal ruhen lassen, obwohl die Rezeptionsmethode tatsächlich ein Ableger der Hermeneutik ist. Aber "Hermeneutik" wird hier dermaßen chaotisch benutzt, dass ich da im Moment ein Fass ohne Boden sehe.
Aber die Basis der christlichen Theologie ist doch im Grunde genommen die Exegese (Hermeneutik der Bibel).
Wie gesagt: an diesen schwammigen und kenntnisarmen Vermutungen beteilige ich mich nicht.

Pluto hat geschrieben: Weitere Disziplinen die sich gern mit dem Mantel der Wissenschaftlichkeit kleiden, wie z. Bsp. Literatur, Malerei, Musik, Bildhauerei, Religion, usw. gehören zum kulturellen Gut unserer Gesellschaft, sind aber nach heutiger Definition keine Wissenschaften.
Sie waren noch nie je als Wissenschaften definiert.
Das habe ich eigentlich schon gestern ausgeräumt - aber von den komischsten Überzeugungen können manche nicht lassen.
Nicht die Zugspitze ist eine Wissenschaft, sondern die methodische Untersuchung der Zugspitze.

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Andreas
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#62 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Andreas » Do 3. Sep 2015, 12:09

Münek hat geschrieben:Mit Fragen dieser Art - nämlich ob ein überliefertes Wort Jesu "echt" oder "unecht" ist - hatte und hat es die historisch-kritische Forschung ständig zu tun; das gehört sozusagen zu ihrem täglichen Brot. Die Wissenschaftler sind sich selbstverständlich darüber im Klaren, dass man sol-
che historischen Fragen nie mit absoluter Sicherheit beantworten kann.
Eben weil sich die Wissenschaftler darüber im Klaren darüber sind, ist die Wortwahl von "echt" oder "unecht" verfehlt - ebenso wie "authentisch" oder "historisch".

Die historisch-kritische Forschung arbeitet als Wissenschaft durchaus wissenschaftlich, aber Wissen schafft sie nicht in dem Sinn, wie du das oft darstellst. Was Jesus als Person und sein Denken, Fühlen und Handeln angeht, kann man nur von den Texten ausgehen und auch mit wissenschaftlicher Methodik spekulieren. Deswegen sind die Ergebnisse der HKM auch voller Konjunktive und Formulierungen die auf ihre Vorverständnisse oder das jeweilige Interesse hinweisen.

"Das Markusevangelium ist frühestens 70 n. Chr. verfasst worden, weil "Jesus" auf die Zerstörung des Tempels anspielt, es aber keine wissenschaftlichen Beweise dafür gibt, dass irgendjemand die Zukunft voraussehen kann."
Das ist ein Standpunkt.
Jesus könnte mit seiner Voraussage aber auch zufällig Recht behalten haben
oder
tatsächlich Gottes Sohn und mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet worden sein
oder
selbst Gott sein.
Das sind andere Standpunkte.

Letztlich sind alles Spekulationen aus verschiedenen Blickwinkeln. Jeder darf glauben, was er will. Wissen tun wir wenig.

Glauben ist nicht Wissen. Wissen ist nicht Nichtglauben.

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#63 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Pluto » Do 3. Sep 2015, 12:16

Savonlinna hat geschrieben:Ich habe vorhin versucht darauf hinzuweisen, dass der Begriff "Modell" in den Literaturwissenschaften nicht angewandt wird, sondern "Methode".
Gut. Macht die Methode (wissenschaftlich) überprüfbare Vorhersagen?

Savonlinna hat geschrieben:Du hast so wenig Ahnung von Geisteswissenschaft...
Darum stelle ich auch Fragen und beweise damit Lernbereitschaft. :)

Savonlinna hat geschrieben:...und Du sagst allen Ernstes, dass ein Kunstwerk doch keine Wissenschaft sei.
Richtig. Ein Kunstwerk ist keine Wissenschaft, sonder... äh... Kunst.

Savonlinna hat geschrieben:Dann kann ich ja auch gleich mal behaupten - um die Naturwissenschaft lächerlich zu machen -, dass ein Berg doch keine Wissenschaft sei.
Womit du 100% Recht hättest. :clap:

Savonlinna hat geschrieben:Man kann doch nicht im Ernst mit jemandem diskutieren, der von der Materie überhaupt keine Ahnung hat.
Das ist aber in Foren weiter verbreitet als du dir vorstellen magst. :)

Savonlinna hat geschrieben:Die Rezeptionsmethode der Literaturwissenschaft wurde in die wissenschatliche Theologie übernommen.
Aus traditionellen Gründen mag das ja stimmen, aber eine Theologie die nicht an die Falsifizierbarkeit ihrer Thesen glaubt, verdient in der heutigen Zeit nicht den Status einer Wissenschaft.

Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Aber die Basis der christlichen Theologie ist doch im Grunde genommen die Exegese (Hermeneutik der Bibel).
Wie gesagt: an diesen schwammigen und kenntnisarmen Vermutungen beteilige ich mich nicht.
gut... dann lassen wir's halt.

Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:...Literatur, Malerei, Musik, Bildhauerei, Religion, usw. gehören zum kulturellen Gut unserer Gesellschaft, sind aber nach heutiger Definition keine Wissenschaften.
Sie waren noch nie je als Wissenschaften definiert.
Ich bin erleichtert, dass du das auch so siehst.

Savonlinna hat geschrieben:Nicht die Zugspitze ist eine Wissenschaft, sondern die methodische Untersuchung der Zugspitze.
Was sind denn die überprüfbaren Vorhersagen einer solchen methodischen Untersuchung?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Andreas
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#64 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Andreas » Do 3. Sep 2015, 12:22

Pluto hat geschrieben:Was sind denn die überprüfbaren Vorhersagen einer solchen methodischen Untersuchung?
Die Zugspitze wird 1 cm höher pro Jahr. Diese Vorhersage wird jedes Jahr durch Messung bestätigt. Oder waren es 4 cm? Egal.

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Savonlinna
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#65 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Savonlinna » Do 3. Sep 2015, 12:31

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Kanonische Hermeneutik ist genauso viel oder wenig eine WIssenschaft wie Historisch-kritische Hermeneutik - da gibt es diesbezüglich keine Unterschiede.

Die kanonische Hermeneutik setzt als Prämisse eine übernatürliche, d.h. göttliche Inspiriertheit
der biblischen Texte, einen Plan Gottes.
Das scheint mir in dieser Form nicht richtig. Wo steht das, was Du schreibst?

Die kanonische Hermeneutik hat als Prämisse, dass alle Bücher der Bibel als Einheit betrachtet werden.
Das ist heutzutage an sich nicht mehr ungewöhnlich, da "Intertextualität" seit längerem im wissenschaftlichen Disput eine Rolle spielt.
Ich kann also durchaus sämtliche literarischen Werke der letzten 20 Jahre als "Einheit" untersuchen, mit der Prämisse, dass keiner einen Roman liest, ohne nicht auch schon ein Vorverständnis von dem zu haben, was heute als "Literatur" gilt.

Ich selber hatte zunächst auch Vorbehalte gegen die kanonische Hermeneutik, aber ich habe versucht, mich zumindest ein wenig in deren Intention hinienzudenken, und wirklich interessant fand ich folgende Formulierungen bei Wikipedia:

Die Kanonische Exegese fragt nicht nach dem ursprünglichen Sinn der Bibeltexte, sondern nach deren Rezeption (Empfang) in der Glaubensgemeinschaft (dies hat gewisse Verbindung zur Rezeptionsästhetik der Literaturwissenschaft). Sie analysiert in dieser Interaktion die Elemente der Kanontexte, welche bei der Wahrnehmung und Gewichtung der vielfach miteinander verbundenen und verwobenen Texte auf die Lesenden lenkende Wirkung haben. Unter Einheit des Kanons wird demgemäss keineswegs irgendeine Vereinheitlichung der Bibel verstanden, sondern vielmehr eine „Kanonisierung“ ihrer Vielstimmigkeit.[1]
https://de.wikipedia.org/wiki/Kanonische_Exegese
Mit anderen Worten:
Es wird gar nicht behauptet, dass die Bibel nur aus ihrer Einheit verstanden werden kann, sondern es wird untersucht, in welcher Form sie von Gläubigen rezipiert wird.

Allerdings muss man hier tatsächlich sehr genau beobachten.
Wird eine "Norm" gesetzt, wird also normativ gearbeitet, indem man sagt: Im Lichte der ganzen Bibel müsse A so und so verstanden werden - oder wird wirklich wissenschaftlich gearbeitet, indem man untersucht, wie im Laufe der Jahrhunderte gesamtbiblische Aussagen entstanden seien.

Da, wo normativ gearbeitet wird: "So habe man etwas zu verstehen" -, liegt keine wissenschaftliche Methode zugrunde.
Da aber, wo man rezeptionsgeschichtlich denkt: nicht der Ursprung - wie hat der historische Jesus A gemeint -, sei das Ausschlaggebende, sondern das, wie sich die Deutungen der Bibel im Laufe der Jahrtausende entwickelt haben, sei das Zentrale:
da liegt wissenschafltiche Methodik vor.

Damit wäre dann tatsächlich der historisch-kritischen Methode die rezeptionsgeschichtliche Methode entgegengesetzt, und beide können wissenschaftlich sein.
Die eine versucht den Ursprung der Tradition zu rekonstruieren, die andere versucht, die Interpretationsentwicklung ab Ursprung bis heute zu rekonstruieren.

Die Gefahr bei letzterer besteht aber, wie gesagt darin, dass sie normativ wird, und dann muss man ihr genau auf die Finger gucken.

ThomasM
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#66 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von ThomasM » Do 3. Sep 2015, 12:42

Pluto hat geschrieben: aber eine Theologie die nicht an die Falsifizierbarkeit ihrer Thesen glaubt, verdient in der heutigen Zeit nicht den Status einer Wissenschaft.
Sag mal, was verstehst du eigentlich unter dem Begriff Falsifizierbarkeit?
Bring mir doch einmal ein Beispiel, das NICHT aus den naturwissenschaftlichen Bereichen stammt.

Würdest du z.B. sagen, dass die Aussage:
"Zwei parallele Geraden haben keinen Schnittpunkt"
falsifizierbar ist?

Oder ist die Aussage
"Eine Parabel ist eine mit dem Gleichnis verwandte Form von Literatur, eine lehrhafte und kurze Erzählung"
falsifizierbar?
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#67 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Pluto » Do 3. Sep 2015, 13:21

ThomasM hat geschrieben:Sag mal, was verstehst du eigentlich unter dem Begriff Falsifizierbarkeit?
Alles in Frage zu stellen, was ohne Vorlage empirischer Bestätigung behauptet wird.
Jedes von der wissenschaft erstelltes Modell sollte in der Lage sein, falsifizierbare Vorhersagen machen zu können.
Bring mir doch einmal ein Beispiel, das NICHT aus den naturwissenschaftlichen Bereichen stammt.[/quote] So können wir bspw. die Frage stellen, ob das römische Reich existierte und welche Ausmaße es hatte, und dann jede Menge Artefakte finden, die dessen Ausbreitung bestätigen. Z. Bsp. diese Aquedukt Spanien...

Bild
[Quelle: http://www.kinderzeitmaschine.de/antike]

ThomasM hat geschrieben:Würdest du z.B. sagen, dass die Aussage:
"Zwei parallele Geraden haben keinen Schnittpunkt" falsifizierbar ist?
Diese Aufgabe überlasse ich gerne den Mathematikern.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#68 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von NIS » Do 3. Sep 2015, 13:31

In der Ewigkeit küssen sich auch Zwei Parallelen! :lol:
H ÖLLE! (Der Ölbaum) ;) :lol:
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#69 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Savonlinna » Do 3. Sep 2015, 14:52

Hemul hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Entschieden nein.
Da scheint der Knackpunkt zu sein - meine These: HKM-Hermeneutik im hier vorgetragenen Sinne ist nicht weniger weltanschaulich geprägt als kanonische Hermeneutik.
Der Knackpunkt ist folgender. Eure substanziellen Prämissen erleichtern auch beschränkten Autodidakten eine Konklusion. Das wiederum erlaubt Ihnen sehr logisch u. leicht verständlich den Zugang zur kanonischen Hermeneutik. Ohne Eure vorzügliche Arbeit die hoffentlich noch sehr lange andauert blieben die hiesigen Autodidakten weiterhin beschränkt. Nun wissen auch Laien, dass die HKM-Hermeneutik im hier vorgetragen Sinne nicht weniger weltanschaulich geprägt ist als die kanonische Hermeneutik. Jungs weiter so. :wave: Dafür darf ruhig aber einmal geklatscht werden. :clap:
Hemul, Du bist scharfsinnig. Du hast einen wesentlichen Punkt erkannt; eine Krise in unserer Zeit, die auch die Wissenschaft befallen hat.

Trotzdem gilt auch das, was ich kürzlich langatmig versucht habe herzuleiten und was nach meiner Sicht den Schaden begrenzt hält:
dass dennoch Prämissen auf ihre Weltanschauung hin untersucht werden müssen, also ideologiekritisch hinterfragt werden müssen.
Man kann sogar die Richtigkeit von Rassismus "wissenschaftlich nachweisen", wenn man die entsprechenden Prämissen hat.
Das ist mit ein Grund, warum die Wissenschaft selber hinterfragbar geworden ist, in ihrer Prämissensetzung.

Auf jeden Fall hängt alles davon ab, dass man die Prämissen, die Setzungen, auch die unbewussten Setzungen, minutiös auf seinen ideologischen Gehalt hin untersucht und damit die hergeleiteten Folgen aus den Prämissen ablehnt.
Die Wissenschaft ist neutral, sie folgert bereitweillig aus dem größen Blödsinn dann eben auch den größen Blödsinn.
Erst wenn die Prämissen auf "gemeine oder gefährliche Setzungen" hin abgeklopft sind, sind die Resultate sinnvoll.

Da Du wirklich scharfsinnig bist, wie ich langsam begreife, wirst vielleicht zumindest Du meinen Punkt begreifen, den bisher keiner aufgegriffen hat:
dass das Deuten schöpferisch ist und darum auch und gerade für Christen als Auswirkung eines "schöpferischen Geistes" verstanden werden kann.
Nicht also irgendein einzelnes wissenschaftliches Resultat ist der wesentliche Punkt, sondern der Prozess des Deutens.
Und da findet - wenn man es über Jahrhunderte verfolgt - ständige gegenseitige Korrektur statt.
Die Geschichte, wie man etwas gedeutet hat, weist auf eine schöpferische Arbeit hin, die unbewusst vonstatten geht, aber vorhanden ist.
Kannst Du nachvollziehen, wie ich das meine?

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Halman
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#70 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Halman » Do 3. Sep 2015, 16:21

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Viel Furore ist entstanden, als die Rezeptionsmethode entstand, die ein Werk daraufhin untersucht, wie weit es den ERWARTUNGSHORIZONT des damaligen Publikums durchbricht.
Es wird also erst historisch gearbeitet: man recherchiert und versucht den damaligen Erwartungshorizont bezüglich Dichtung zu rekonstruieren.
Und dann guckt man, was an diesem Erwartungshorizont der Autor mit seinem Werk alles verletzt hat.
Da Literatur von der Rezeptionsästhetik her so aufgefasst wird, dass sie Erwartungen zu durchbrechen habe, um die Kultur und die Gesellschaft voranzubringen, ist das Verletzen des Erwarteten ein positivum.
Ist ja alles gut. Aber ich sehe nicht wo das etwas mit wissenschaftlicher Arbeit zu tun hat.
Wird hier versucht die Erwartungshaltung der Menschen zu verändern oder werden wissenschaftliche Modelle erstellt?
Hallo Pluto, an meiner bescheidenen Rezeption interessierst? :oops:

Bei Deiner Frage würde ich antworten: Weder noch. Nicht "die Erwartungshaltung der Menschen zu verändern" ist Aufgabe der Literaturwissenschaft, sondern die Erwartungshaltung der Menschen zur Zeit des Autors wissenschaftlich zu rekonstruieren und dann zu untersuchen, inwiefern der Autor diese verletzte. Hier begegnen sich Literaturwissenschaft und Geschichtswissenschaft. Ihr Untersuchungsgegenstände sind der Erwartungshorizont der Zeitgenossen und das literarische Werk - insbesondere die "Spannung" zum Erwartungshorizont. Hoffentlich habe ich es richtig verstanden.
Auch in der Geisteswissenschaft können Modelle erstellt werden (z.B. das Zenger-Modell). Doch hier geht es m. W. mehr um Methoden.

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das Wort "Hermeneutik" würde ich da erst mal ruhen lassen, obwohl die Rezeptionsmethode tatsächlich ein Ableger der Hermeneutik ist. Aber "Hermeneutik" wird hier dermaßen chaotisch benutzt, dass ich da im Moment ein Fass ohne Boden sehe.
Aber die Basis der christlichen Theologie ist doch im Grunde genommen die Exegese (Hermeneutik der Bibel).
Die Auslegung ist doch kein Synonym für die Hermeneutik.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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