Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

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closs
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#51 Re: Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

Beitrag von closs » So 30. Aug 2015, 12:27

Savonlinna hat geschrieben:Aber der Anspruch, den Du immer wieder erhebst, die Wissenschaftstheorie - also die Theorie der Theorien - weltanschaulich zu durchtränken, und zwar mit DER Weltanschauung, die Du als christlich behauptest: das ist ein ganz anderer Schnack.
Das kann ich nachvollziehen - und ist übrigens auch so nicht meine Linie - konkret:

Ich würde das praktizierte Christentum seit den Urchristen bis heute nie als Meta-Theorie bezeichnen. - Die "Theorie der Theorie" ist aus meiner Sicht eine, die nicht im Dasein umsetzbar ist, aber theoretisch erkennbar ist. - Und da stünde bei mir an erster Stelle die Erkenntnis, dass "Sein" und "Wahrnehmung" unterschiedliche Kategorien sind (die selbstverständlich im Einzelfall koinzidieren können).

Wenn diese Erkenntnis in Frage steht (als "Überbau"), habe ich allerdings in der Tat größte Probleme, den Sinn von Philosophien zu verstehen. - Dann ist es wirklich geistiger, Äpfel zusammenzulesen und Apfelbrei draus zum machen - oder Pilze zu suchen (da freue ich mich eh drauf).

Erst wenn diese Erkenntnis (Sein/Wahrnehmung) einvernehmlich ist, könnte man über "Christentum" sprechen - und dann käme ich in der Tat zur Aussage, dass das Christentum letztlich in die Deckungsgleichheit von "Sein" und "Wahrnehmung" strebt ("Erlösung"/"Visio Beatifica"). - Wenn aber diese vorausgehende Erkenntnis NICHT einvernehmlich ist, ist jede Anschluss-Diskussion Schall und Rauch.

Es scheint wahnsinnig schwer zu sein, geistige Grundlagen zu definieren - aber das weiss die Philosophie ja seit Jahrtausenden.

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Savonlinna
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#52 Re: Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

Beitrag von Savonlinna » So 30. Aug 2015, 13:10

closs hat geschrieben: Ich würde das praktizierte Christentum seit den Urchristen bis heute nie als Meta-Theorie bezeichnen. - Die "Theorie der Theorie" ist aus meiner Sicht eine, die nicht im Dasein umsetzbar ist, aber theoretisch erkennbar ist. -
Siehst Du? Genau das meinte ich. Du verstehst zwanghaft unter Wissenschaft eine Lehre von Gott.

closs hat geschrieben:Und da stünde bei mir an erster Stelle die Erkenntnis, dass "Sein" und "Wahrnehmung" unterschiedliche Kategorien sind (die selbstverständlich im Einzelfall koinzidieren können).
Ich weiß. Das versuchte ich ja gerade selber zu erklären, wie Du hier Deine weltanschaulichen Ansichten in die Wissenschaft zu "mogeln" versuchst.
Das kannst Du nicht hitnerfragen, auch nicht erkennen.
Du machst Deine - für Dich denknotwendigen - beiden Kategorien zu absoluten.

Und das macht mir das ganze Christentum suspekt, weil es immer wieder nicht hinterfragbare Ideologie erzeugt.
Oder vielleicht auch umgekehrt: ideologisch veranlagte oder zu Ideologismen neigende Menschen neigen dazu, das Christentum zu ideologisieren.

closs hat geschrieben:Wenn diese Erkenntnis in Frage steht (als "Überbau"), habe ich allerdings in der Tat größte Probleme, den Sinn von Philosophien zu verstehen. - Dann ist es wirklich geistiger, Äpfel zusammenzulesen und Apfelbrei draus zum machen - oder Pilze zu suchen (da freue ich mich eh drauf).
Deine Alternative ist falsch. Du sagst: Entweder ist Gott der Oberboss aller Wissenschaft, oder aber alles fällt auseinander.
Aber mein Reden ist da umsonst. Du SIEHST keine Alternativen in der Philosophie, und das einzige, was man tun kann:
Zu verhindern suchen, dass diese Ideologie - oder eine andere - politische oder mentale Macht bekommt.

Wir haben wieder die Zeit der Ideologien seit ein paar Jahrzehnten, in allen möglichen Lagern.

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#53 Re: Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

Beitrag von Savonlinna » So 30. Aug 2015, 14:39

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ist zwar jetzt nicht weiter wichtig für die Argumentation, aber von diesem Punkt der "Christlichen Lehre" habe ich auch noch nie gehört.
Das gehört zum christlichen Glauben. Gott ist der Schöpfer der Welt und des Menschen. Alles ist von Gott. Das hast du bestimmt schon mal gehört.
Ja. Wahrscheinlich schon im Mutterleib. :D
Ich bin mit allen Wassern des Christentums gewaschen worden.
Aber die neueren Interpretationen - die Du zum Beispiel teilweise offenbar hast und Weiterentwicklungen des Christentums zu sein scheinen - kenne ich so nicht.
Nur aus den Foren kriege ich diese Neuinterpretationen halbwegs mit.

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ob das Gewissen tatsächlich von Natur aus vorhanden ist
Kommt von Gott.
Savonlinna hat geschrieben:Aber ich nenne das eben nicht Gott, weil das ein viel zu enger Begriff ist, der vieles erstickt und auch vieles ersticken will. Jeder will dann Gott gerne definieren, und schwupps, hat man mittels dieser Definition Macht über andere, wie schön.
Du musst das ja nicht Gott nennen. Das Christentum tut das. Wenn wir hier über den Römerbrief diskutieren ist der Rahmen ein christlicher.
Habe ich das denn angezweifelt? Irgendwie komme ich mit der Linie Deiner Argumentation im Moment nicht mit.
Mein post war doch auf die Erläuterung von closs erfolgt und nicht auf Deine.
Ich habe mich doch nur dagegen gewehrt, dass meine Haltung zwangsweise eingechristet wurde.

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es ist eben nicht klar, was gut und was böse ist, weil der Mensch praktisch immer zwischen zwei Übeln entscheiden muss. Soll ich meine Eltern verlassen, damit ich mich selber finden kann - und damit meine Eltern vielleicht in die Verzweiflung treibe - oder soll ich meiner Bestimmung folgen und, was erfinde ich jetzt mal, Sängerin werden und mich weit weg von meinen Eltern engagieren lassen?

Solche Fragen stellen sich ständig im Leben, einfach weil man seelisch nicht gesunden kann, wenn man seiner Berufung nicht folgt, andererseits damit viel Leid bei anderen schafft.
Ein Christ versucht das nach seinem Glauben anzugehen. Du machst das anders. Kein Problem.
closs Hat damit aber ein Problem. Wie gesagt, ich reagierte ja auf SEINE dualistische Vorstellung von "gut und böse".

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:An was glaube ich nicht?
An die christliche Botschaft. Du betonst immer wieder, dass du kein Christ mehr bist. Ist doch Ok.
Ich glaube, Du verstehst mein Anliegen falsch.
"Christliche Botschaft" wird von 20 Christen zwanzigfach anders verstanden.
Insofern wüsste ich jetzt gar nicht, was genau an "Glauben" Du mir nun absprichst.
Mein Anliegen ist, aufzuzeigen, dass vieles, was Christen als "christliche" Botschaft auffassen, allgemein-menschlicher Herkunft ist.
Ich bin in vieler Hinsicht dem Christentum dankbar, weil es so manche tiefe Erkenntnis hat - aber die treffen nichsdestotrotz auf jeden Menschen zu und sind nicht genuin christlicher Natur.
Die Formulierungen vielleicht ja, aber das Gemeinte nicht.

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Glaubst Du auch, dass Nicht-Christen verrohte Typen sind, während die Christen die Feinfühligen sind?
Nein. Wie kommst du denn auf so etwas?
Weil Du erklärt hast, dass "Gewissen" ein christlicher Begriff sei. So als ob erst mit dem Christentum ein Gewissen überhaupt entstanden sei.
Das wird von Christen hier im Form ja immer wieder behauptet.

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das kann man so formulieren, aber diese Formulierung hat eben keinen Anspruch auf Universalität.
Das ist halt ein christlicher Standpunkt. Du darfst einen anderen haben.
Vielleicht erkennst Du an meinem jüngst an closs gerichteten Beitrag, gegen was ich hier anargumentiert habe.

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Ich sehe in solchen Begriffen einen Versuch, irgendein System zu bauen, in dem alles aufgeht.
Stimmt. Das Christentum ist so ein System, Denkmodell. So ist es nun mal.
Nein, so ist es nun mal Nicht.

Andreas hat geschrieben: Die Bibel versucht "die Dinge des Lebens" in eine Systematik oder Lehre zu bringen.
Die Bibel versucht überhaupt nichts. Sie kann nichts versuchen, sie ist lediglich von Menschen zusammengestellt worden.
Und der Zusammenstellung liegt weder eine Systematik noch eine einheitliche Lehre zugrunde.
Dass manche christliche Rezipienten daraus eine Systematik oder einheitliche Lehre zu machen versuchen, ist unbestritten. Vor allem in der Scholasitk wurde das versucht.
Aber ebenso unbestreitbar ist, dass sehr viele christliche Rezipienten die Bibel nicht als Produkt einer rationalen Systematik verstehen; auch viele Theologen tun das nicht.

Andreas hat geschrieben:Jeder Mensch macht das für sich und bildet sich eine Weltanschauung.
Eine Weltanschauung ist nicht identisch mit einer Systematik. Ich kann die Welt mit den Augen eines Künstlers anschauen und muss nicht das rationalistische System von closs zum Beispiel wählen.
Da liegen Welten dazwischen.
Zumindest, was die Formulierungen betrifft. In die Menschen selber kann ich nicht reinschauen.

Andreas hat geschrieben:Tja am Leben scheinen alle Systeme zu scheitern.
Na also. :)

Andreas hat geschrieben:Shit happens.
Es gibt sensiblere und anschmiegsamere Beschreibungsversuche dessen, wie man das Geschehen im Leben nachzeichnen kann, als starre "Kategorien", die nicht überlappbar sein dürfen.

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#54 Re: Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

Beitrag von closs » So 30. Aug 2015, 15:16

Savonlinna hat geschrieben: Du verstehst zwanghaft unter Wissenschaft eine Lehre von Gott.
Nein - überhaupt nicht. - Dieser Gedanke gilt auch unter atheistischen Gesichtspunkten. - Hier setzt Dein Radar zu früh ein.

Savonlinna hat geschrieben:Und das macht mir das ganze Christentum suspekt, weil es immer wieder nicht hinterfragbare Ideologie erzeugt.
Das hat nichts mit "Christentum" zu tun - das ist rein erkenntnis-theoretisch gemeint - es gilt für Heidegger ganz genauso, der 1928 sicherlich nicht im Verdacht stand, Christ zu sein.

Savonlinna hat geschrieben: Du sagst: Entweder ist Gott der Oberboss aller Wissenschaft, oder aber alles fällt auseinander.
Nein - da habe ich bei diesen Zeilen nicht einmal dran gedacht.

Savonlinna hat geschrieben: Du SIEHST keine Alternativen in der Philosophie
Wenn Du "Erkenntnis-Theorie" zu Philosophie zählst, dann sehe ich in der Tat keinen Ansatz, überhaupt zu philosophieren, wenn Philosophie das Rutschen auf dem eigenen Ölfilm sein soll. - Dann kann man es lassen.

Was ist denn Deine Alternative? - Das rein Deskriptive und den Umgang damit?

Savonlinna hat geschrieben:Wie gesagt, ich reagierte ja auf SEINE dualistische Vorstellung von "gut und böse".
Mein dualistische Vorstellung ist der Unterschied zwischen seins-orientiert und nicht-seins-orientiert - ob man das Sein dann als "Idee" im Sinne von Platon versteht oder generell als ein "die große Unbekannte", ist mir eigentlich wurscht. - Mir geht es allein darum, dass es diesen Dualismus gibt - mit Christentum hat das überhaupt nichts zu tun.

Savonlinna hat geschrieben:Mein Anliegen ist, aufzuzeigen, dass vieles, was Christen als "christliche" Botschaft auffassen, allgemein-menschlicher Herkunft ist.
Der Universalienstreit wird nie auflösbar sein, weil es mit menschlicher Wahrnehmung nicht möglich ist. - Mit anderen Worten: Wir werden nie herausfinden, was allgemein-menschlicher Herkunft ("erfunden") und anderer Herkunft ("gefunden") ist. - Das ist eine reine Glaubensfrage.

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#55 Re: Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

Beitrag von Andreas » So 30. Aug 2015, 15:49

Savonlinna hat geschrieben:Weil Du erklärt hast, dass "Gewissen" ein christlicher Begriff sei. So als ob erst mit dem Christentum ein Gewissen überhaupt entstanden sei.
Das wird von Christen hier im Form ja immer wieder behauptet.
Weil wir über diese Perikope aus dem Römerbrief diskutiert haben, in dem der Begriff "Gewissen" eine zentrale Bedeutung spielt. Wenn ich erläutern soll, was Paulus damit meint, muss ich mich auf die Bibel beziehen und nicht auf neuzeitliche Philosophen. Paulus' Grundlage ist das AT, die Thora, speziell was das "Gewissen" angeht Gen 1 - 3. Christlich kann ich Gewissen aus "der Schöpfung", der "Ebenbildlichkeit" und "Erkenntnis von Gut und Böse" herleiten oder gar nicht. In diesem Kontext ist "Gewissen" ein christlicher Begriff oder ich muss schweigen.

Außerdem scheint dir das entgangen zu sein:
Andreas hat geschrieben:Eigentlich behauptet Paulus in dieser Perikope, dass jeder Mensch JHWH in sich trägt (Ebenbildlichkeit). Das macht er rhetorisch sehr geschickt. Das muss nicht jeder toll finden. Aber so steht es halt da.
...
Keine Frage, letztendlich will Paulus immer die Leute zum christlichen Glauben bringen. An dieser Berufskrankheit von Missionaren hat niemand so erfolgreich gelitten, wie Paulus. Böse ausgedrückt: Seine "Taktik" hier ist, das Gewissen, dass ja jeder Mensch hat, zu einem einsichtigen "Gottesbeweis" zu machen - ohne vom Glauben zu reden. Er will den Leuten "unterjubeln", dass sie längst an den Gott JHWH "glauben" ohne es zu wissen. Du scheinst ihm auf den Leim gegangen zu sein. Bist halt ein braver Christ. :lol:
Du siehst, ich bin mir durchaus der Ideologie der christlichen Religion bewusst und versuche nicht diese zu verschleiern. Ich kann für mich nur versuchen, den Sinn der Botschaft (in der Bibel) und das was institutionell daraus entstanden ist differenziert zu betrachten. Ich bin ein freilaufender Christ, weil ich mich weder für die katholisch-evangelische Bodenhaltung noch die evangelikale Käfighaltung eigne - was das Verständnis der Schrift angeht. Ich mag halt selber lesen und denken und nicht etwas nachplappern, das ich nicht verstanden habe.

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#56 Re: Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

Beitrag von Savonlinna » So 30. Aug 2015, 16:09

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Du verstehst zwanghaft unter Wissenschaft eine Lehre von Gott.
Nein - überhaupt nicht. - Dieser Gedanke gilt auch unter atheistischen Gesichtspunkten. - Hier setzt Dein Radar zu früh ein.
Mit so einer untebegründeten Behauptung kann ich jetzt nicht umgehen.

Es gibt nicht DEN Atheismus, und Deine Vorstellung von "Ontologie" stammt nicht vom Atheismus, nicht von DER heutigen Philosophie.
Ich will nicht behaupten, dass ich alle philsophischen Strömungen kenne, aber Deine ist ganz speziell und ganz auf Dich zugeschnitten.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Und das macht mir das ganze Christentum suspekt, weil es immer wieder nicht hinterfragbare Ideologie erzeugt.
Das hat nichts mit "Christentum" zu tun - das ist rein erkenntnis-theoretisch gemeint - es gilt für Heidegger ganz genauso, der 1928 sicherlich nicht im Verdacht stand, Christ zu sein.
Das hatten wir früher schon diskutiert.
Du beanspruchst, im Namen von Heidegger zu reden, aber ich habe bislang nicht feststellen können, dass Du nicht Deine eigene Fassung von Heidegger hast.
Aber auch Heideggers Begrifflichkeit taugt nicht dazu, als Oberbegriff für alle Wissenschaften zu dienen.
Es müssen die Wissenschaftler selber entscheiden, und nicht Du.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Du sagst: Entweder ist Gott der Oberboss aller Wissenschaft, oder aber alles fällt auseinander.
Nein - da habe ich bei diesen Zeilen nicht einmal dran gedacht.
Ich habe das auch ungenau formuliert.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Du SIEHST keine Alternativen in der Philosophie
Wenn Du "Erkenntnis-Theorie" zu Philosophie zählst, dann sehe ich in der Tat keinen Ansatz, überhaupt zu philosophieren, wenn Philosophie das Rutschen auf dem eigenen Ölfilm sein soll. - Dann kann man es lassen.
Hast Du Dich verschrieben und meinst:
Wenn Du NICHT"Erkenntnis-Theorie" zu Philosophie zählst?
Ja, Erkenntnistheorie ist ein Teil der Philosophie.
Wenn ich Deinen letzten Satz richtig verstehe, dann meinst Du, entweder DEINE Version von Wissenschaftstheorie gilt, oder man kann Philsoophie lassen?

closs hat geschrieben:Was ist denn Deine Alternative? - Das rein Deskriptive und den Umgang damit?
Das fragt mich die Gegenseite auch andauernd.
Ich verweigere die Antwort, weil ich eben genau kein System KANN. Nicht mehr. Ich kann erkennen, wenn Leute ideologisch argumentieren. Das ist meine Stärke, aber nicht, die Weltformel zu finden.

Was die Wissenschaftstheorie heutzutage ist - also die Philosophie der Wissenschaft -, das erlese ich mir gerade, in zwei Büchern und dem von Halman verlinkten Video.
Letzteres kennst Du, und eigentlich könnte man dem Video entnehmen, dass Wissenschaftstheorie für den Vortragenden nicht identisch mit Ontologie ist.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wie gesagt, ich reagierte ja auf SEINE dualistische Vorstellung von "gut und böse".
Mein dualistische Vorstellung ist der Unterschied zwischen seins-orientiert und nicht-seins-orientiert - ob man das Sein dann als "Idee" im Sinne von Platon versteht oder generell als ein "die große Unbekannte", ist mir eigentlich wurscht. - Mir geht es allein darum, dass es diesen Dualismus gibt - mit Christentum hat das überhaupt nichts zu tun.
Okay. Den Dualismus gab es früher. Er hat das Christentum maßgeblich beeinflusst.
Dennoch ist der Dualismus ein System, das keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann. Es gibt andere Systeme, und es gibt auch Nicht-Systeme.

Mir geht es ja nur darum, dass hier kein Absolutheitsanspruch erhoben wird. Wie man sich selber die Welt erklärt, geht mich ja gar nichts an.
Es sei denn, man stellt es zur Diskussion.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Mein Anliegen ist, aufzuzeigen, dass vieles, was Christen als "christliche" Botschaft auffassen, allgemein-menschlicher Herkunft ist.
Der Universalienstreit wird nie auflösbar sein, weil es mit menschlicher Wahrnehmung nicht möglich ist.
Du vergisst den linguistic turn.
Der Universalienstreit ist längst als Scheinproblem erkannt.

closs hat geschrieben:- Mit anderen Worten: Wir werden nie herausfinden, was allgemein-menschlicher Herkunft ("erfunden") und anderer Herkunft ("gefunden") ist. - Das ist eine reine Glaubensfrage.
Nee - das ist eine reine Defintiionsfrage.
Was wir als "menschlicher Herkunft" bezeichnen, können andere als "göttlicher Herkunft" bezeichnen.
"Gefunden" oder "erfunden" - das ist doch einfach das Gleiche.

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#57 Re: Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

Beitrag von closs » So 30. Aug 2015, 16:28

Savonlinna hat geschrieben:aber Deine ist ganz speziell und ganz auf Dich zugeschnitten.
Natürlich - es geht ja nicht um ein wissenschaftliches Dokumentieren.

Savonlinna hat geschrieben:eigene Fassung von Heidegger hast.
Auch das ist gut möglich - durch ihn bin ich auf etwas gekommen, was es ganz sicher schon irgendwo in der Philosophie gibt, aber mich unmittelbar (also auch ohne Lektüre) angesprochen hat.

Savonlinna hat geschrieben:Es müssen die Wissenschaftler selber entscheiden, und nicht Du.
Auf diese Ebene würde ich es gar nicht schieben - was sollten Wissenschaftler "entscheiden"? - Es geht aus meiner Sicht um "Erkennen".

Savonlinna hat geschrieben:Hast Du Dich verschrieben
Nein - aber etwas um die Ecke formuliert. - Meine Aussage sollte sein: Wenn man bei der Erkenntnis-Theorie nicht das Verhältnis von "Sein" und "Wahrnehmung" diskutiert, rutscht man auf seinem eigenen Ölfilm rum - und das wäre für mich uninteressant.

Savonlinna hat geschrieben:Wenn ich Deinen letzten Satz richtig verstehe, dann meinst Du, entweder DEINE Version von Wissenschaftstheorie gilt, oder man kann Philsoophie lassen?
Das wäre zuviel der Ehre. - Platon und mittelalterliche "Realisten" tun's auch. ;)

Savonlinna hat geschrieben:Letzteres kennst Du, und eigentlich könnte man dem Video entnehmen, dass Wissenschaftstheorie für den Vortragenden nicht identisch mit Ontologie ist.
Ja - das kommt sehr deutlich raus - und damit ist es eher etwas Deskriptives, vielleicht sogar Utilitaristisches - also Zweck-Orientiertes. - Das ist KEINE Kritik, aber halt was anderes, als wenn man faustisch fragen würde, "was die Welt zusammenhält". - Auch das wertfrei gemeint.

Savonlinna hat geschrieben:Mir geht es ja nur darum, dass hier kein Absolutheitsanspruch erhoben wird.
Nochmal: Wäre die Unterscheidung zwischen "Sein" und "Wahrnehmung" bereits ein Absolutheits-Anspruch oder eine Ideologie? - Und immer wieder: Was könnte die Alternative dazu sein?

Savonlinna hat geschrieben:Der Universalienstreit ist längst als Scheinproblem erkannt.
Der "linguistic turn" scheint ein "Nominalisches" zu sein, das aus seiner Perspektive das "Reale" (im Sinne des Universalienstreits) gar nicht mehr erkennen kann/darf. - Damit ist der "Universalien-Streit" logischerweise eine Scheinproblem. ;) - Das wäre meine vorläufige Einschätzung.

Savonlinna hat geschrieben:"Gefunden" oder "erfunden" - das ist doch einfach das Gleiche.
Definitiv nein. - Aber diese Aussage ist interessant, weil damit einmal mehr der Mensch in den Mittelpunkt der Welt gestellt wird - deshalb an ganz anderer Stelle mein Vorwurf des Anthropozentrismus der modernen Philosophie.

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#58 Re: Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

Beitrag von Savonlinna » So 30. Aug 2015, 17:13

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:eigene Fassung von Heidegger hast.
Auch das ist gut möglich - durch ihn bin ich auf etwas gekommen, was es ganz sicher schon irgendwo in der Philosophie gibt, aber mich unmittelbar (also auch ohne Lektüre) angesprochen hat.
Das verstehe ich, und so geht es mir in anderen Fällen auch. Es ist mir dann nicht wichtig, ob ich jemanden richtig verstanden habe, sondern das, was dadurch in mir an Verstehen geweckt wurde.

Savonlinna hat geschrieben:Es müssen die Wissenschaftler selber entscheiden, und nicht Du.
Auf diese Ebene würde ich es gar nicht schieben - was sollten Wissenschaftler "entscheiden"? - Es geht aus meiner Sicht um "Erkennen".
Ich komm nicht mit.

closs hat geschrieben:Meine Aussage sollte sein: Wenn man bei der Erkenntnis-Theorie nicht das Verhältnis von "Sein" und "Wahrnehmung" diskutiert, rutscht man auf seinem eigenen Ölfilm rum - und das wäre für mich uninteressant.
Das ist ja auch kein Problem.
Das Problem wäre nur der Absolutheitsanspruch.

Savonlinna hat geschrieben:Wenn ich Deinen letzten Satz richtig verstehe, dann meinst Du, entweder DEINE Version von Wissenschaftstheorie gilt, oder man kann Philsoophie lassen?
Das wäre zuviel der Ehre. - Platon und mittelalterliche "Realisten" tun's auch. ;)
Also ich würde nicht beschwören, dass mah hier Plato und die mittelalterlichen Realisten in den richtigen Hals gekriegt hat.

Wie auch immer. Du wirst nicht erzielen, dass die Philosophie sich nach Deinen Vorgaben richtet.
Rummaulen, dass einem die ganze Richtung heute nicht passt, ist natürlich in Ordnung. Aber dass dies die einzig richtige Sicht ist, wird Dir keiner abnehmen.

closs hat geschrieben:Das ist KEINE Kritik, aber halt was anderes, als wenn man faustisch fragen würde, "was die Welt zusammenhält". - Auch das wertfrei gemeint.
Mir fällt gerade eine Aussage ein, die vielleicht genau das trifft, was ich hier die ganze Zeit zu formulieren suche - jetzt, wo Du "Faust" erwähnst.
Mich hat diese Frage "was die Welt im Innersten zusamemnhält" auch unglaublich lange in ihrem Bann gehabt.
Ich habe auch den "Faust" sowas von oft gelesen, wie vielleicht kein anderes Buch.

Und dennoch oder gerade deswegen:
Würde das jemand beantworten, könnte er nur auf ein diktatorisches Ergebnis kommen.
Vielleicht habe auch ich innerlich eine Antwort, und zögere darum, das zu formulieren. Es gibt manches, was man weiß, aber nicht aussprechen darf.
Denn als Sprache verselbständigt es sich und bleibt nicht mehr unschuldig.

Faust, der sich auf diese Frage ja alle möglichen Antworten gegeben hat, hat eine davon in die Tat umgesetzt: "Am Anfang war die Tat."
Wir sehen, was er tut. Verbrechen. Im Namen des "Im Anfang war die Tat."

Wenn man, wie Tolkien, erfasst hat, dass unser Bestes gleichzeitig unser Schlimmstes ist, dann mag es angehen. Dann begreift man, dass "Tat" produktiv und destruktiv gleichzeitig ist.
Goethe wusste um diese Ambivalenz, da bin ich halbwegs sicher.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Mir geht es ja nur darum, dass hier kein Absolutheitsanspruch erhoben wird.
Nochmal: Wäre die Unterscheidung zwischen "Sein" und "Wahrnehmung" bereits ein Absolutheits-Anspruch oder eine Ideologie?
Die Unterscheidung selber natürlich nicht. Die Unterscheidung entspringt einer Perspektive auf die Welt, ist ein Verstehen der Welt.
Erst, wenn diese Unterscheidung als WAHR deklariert wird, man sie selber nicht mehr hinterfragen kann, sie auch nicht als PERSPEKTIVE erkennen kann, wird es ideologisch.
Zumal der Begriff "Sein" von Dir ja auch nie sprachkritisch hinterfragbar ist. Das wäre im Extremfall ein sich Immuniiseren gegen Hinterfragen eines Absolutheitsanspruches.


closs hat geschrieben:- Und immer wieder: Was könnte die Alternative dazu sein?
Vielleicht: sich selber zu fragen, warum man einen Absolutheitsanspruch braucht.
Mir hat geholfen, als Lukacz und andere erklärten, dass das Bedürfnis nach Absolutheitsanspruch kein allgemein-menschliches Bedürfnis ist, sondern das Charakteristikum des abendländischen Denkens.
Da hat es "spreng" in mir gemacht. Das Absoutheitsbedürfnis hat sich zesprengt, ist wech seitdem.

Savonlinna hat geschrieben:"Gefunden" oder "erfunden" - das ist doch einfach das Gleiche.
Definitiv nein. - Aber diese Aussage ist interessant, weil damit einmal mehr der Mensch in den Mittelpunkt der Welt gestellt wird - deshalb an ganz anderer Stelle mein Vorwurf des Anthropozentrismus der modernen Philosophie.
Jetzt sagst Du selber, was ich vorhin schrieb:
Du bist nicht einverstanden mit der heutigen Philosophie und willst sie ersetzen durch Philosophien längst vergangener Epochen.
Dabei aber hast Du keinen Zweifel. Du zweifelst nicht an der Richtigkeit Deiner Einschätzung.
Aber der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft, auch der Beginn des Philosophierens.

Mir macht der Gedanke Angst, dass man nicht mehr vom Menschen ausgehen darf, wenn man den Menschen auslotet, sondern dass man sich einen Gott zusammensystematisiert, der in dieser systematisierten Form wie BIG BROTHER IS WATCHING YOU an oberster Stelle der Philosophie steht.

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#59 Re: Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

Beitrag von Andreas » So 30. Aug 2015, 17:40

Savonlinna hat geschrieben:Vielleicht habe auch ich innerlich eine Antwort, und zögere darum, das zu formulieren. Es gibt manches, was man weiß, aber nicht aussprechen darf.
Denn als Sprache verselbständigt es sich und bleibt nicht mehr unschuldig.
Ein Internetforum ist ein ungeeigneter Ort um gemeinsam zu schweigen. ;)

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#60 Re: Ist überhaupt eine Religion nötig, um an Gott zu glauben?

Beitrag von Savonlinna » So 30. Aug 2015, 17:57

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Vielleicht habe auch ich innerlich eine Antwort, und zögere darum, das zu formulieren. Es gibt manches, was man weiß, aber nicht aussprechen darf.
Denn als Sprache verselbständigt es sich und bleibt nicht mehr unschuldig.
Ein Internetforum ist ein ungeeigneter Ort um gemeinsam zu schweigen. ;)
Aber ein geeigneter Ort, um die Nicht-'Schweigenden, die - falls es sie denn überhaupt tun und man sich nicht darin irrt - sich in Allmachtsträumen ergehen - darauf aufmerksam zu machen, wohin das führen könnte, wenn es umgesetzt werden würde.

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