closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Das Gegenteil habe ich auch nie gesagt.
Ich beobachte, dass Du oft haarscharf fast dasselbe sagst wie ich und dann darauf bestehst, dass es etwas anderes ist. - Merkwürdig.
Ich bin eben mehr als haarscharf fast.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Ich habe auch nicht ein Wort von "Dasein" gesagt, und auch nicht von "anthropozentrisch".
Hast Du nicht. - Aber Du sprichst doch von Wahrnehmung in unserer naturalistischen Welt, oder nicht? - Das wäre "Dasein".
Ich spreche
nicht von Wahrnehmung in unserer naturalistischen Welt.
Ich habe doch überhaupt nicht Deine Einteilungen.
Du hast Klassifizierungen, die ich nicht kenne und so auch nie machen würde.
Du bist so gewohnt, alles zu verclossen, dass ich mich ja richtig wehren muss.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:"anthropozentrisch"
Unter "anthropozentrisch" verstehe ich hier, dass der Mensch SEINE Wahrnehmung zum Maßstab dafür macht, ob etwas sein "darf".
Ob etwas sein DARF? Und das unterstellst Du jetzt
mir, dass ich naturwissenschaftliche Beschränkungen akzeptiere?
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Meine Argumentation hingegen setzt auf den Unterschied zwischen "seiend" und "Seiendheit".
Könntest Du diesen Unterschied erläutern? - Wenn Du es bereits getan hast, sorry - aber ich sehe hier lediglich ein Gerund und ein Substantiv auf derselben semantischen Basis.
Nehmen wir das Adjektiv "hübsch". Damit kennzeichne ich jetzt einen Blumenstrauß: Der Blumenstrauß ist hübsch.
"Hübsch" beschreibt eine Eigenschaft eines Dinges. Diese Eigenschaft taucht nur in Zusammenhang mit Substantiven auf, der Hübschheit selber kann man nicht auf dem Ku-Damm begegnen.
"Hübschheit", abstrahiert von einem konkreten Ding, meint aber immer die Eigenschaft eines konkreten Dinges.
Und zwar aus der Sicht des Menschen.
Eine Katze - habe ich selber erlebt - respektiert überhaupt nicht die Hübschheit eines noch so hübschen Blumenstraußes, sondern knabbert die Blätter an. Für die Katze ist der Blumenstrauß "schmackhaft".
Das wäre aus der Sicht der Katze so.
"Schmackhaftigkeit läuft auch nicht auf dem Ku-Dann alleine rum, sondern ist ebenfalls gebunden an konkrete Dinge.
Jetzt kommen wir zu dem Verb "sein" als Hilfsverb. Der Blumenstrauß
ist schmackhaft.
Jemand macht dann daraus ein Vollverb: "Der Blumenstrauß ist. Was ist er? Na ja, er existiert halt.
So ein Wort erfindet man, damit man abgrenzen kann, wenn er nicht existiert.
Bevor er zum Blumenstrauß gebunden wurde, existierte er ja nicht. Also trat er als Blumenstrauß erst dann in seine Existenz, als jemand Hand an ihn legte.
Damit wäre dann schon ein Rätsel nach Deinem Geschmack aufgeworfen, glaube ich.
Kann ich Blumensträuße wahrnehmen, die noch gar nicht gebunden sind?
Kann ich Menschen wahrnehmen, die noch gar nicht geboren sind?
Hängt alles von der Definition "wahrnehmen" ab.
Im Geiste sieht die Blumenhändlerin den Blumenstrauß schon vor sich, den sie aus ihrem Vorrat zusamemnstellen will.
Genaugenommen ist auch der realistische Blumenstrauß nur im Geiste vorhanden: denn es sind ja eigentlich nur Blumen, die zusammengebunden wurden. Dass das ein Strauß ist, kommt in der Natur ja nicht vor.
Aber zurück zum Verb "sein". Klar, der Blumenstrauß "ist, denn er ist zu einem solchen zusammengebunden worden.
Ich kann daraus dann ein Gerundium ableiten: Der Blumenstrauß ist "seiend" - im Gegensatz zu allen den Blumensträußen, die in dieser Welt noch nicht gebunden wurden.
Es gibt also seiende und virtuelle Blumensträuße bzw. potentielle Blumensträuße.
Aber dieses "seiend" ist eben genauso wie dieses "hübsch" immer an konkrete Dinge gebunden. Das Seiende spaziert auch nicht alleine über den Ku-Damm.
Und dann kann ich diese Eigenschaft substantivieren: "Mir gefällt die Hübschheit von Dingen." "Ich liebe die Seiendhiet von Blumensträußen".
Klar, wenn sie nicht seiend sind, kann man sie auch nicht lieben.
Jetzt hat aber irgend ein schlauer oder dummer Typ im Deutschen - nicht so im Englischen - noch ein weiteres Substantiv gebildet:
"das Sein".
Und erst da kann jemand auf die Idee kommen, dass das Sein auch ohne Ding durch die Gegend spazieren kann.
Und dass es dann nicht mehr für uns Normalos zugänglich ist, sondern keinem Ding mehr zugehört.
Bei "hübsch" geht das nicht. Da ist keiner auf die Idee gekommen, daraus ein Substantiv zu machen, das etwas anderes als die Eigenschaft ausdrückt.
Und bei "Sein" geht es auch nur in deutschsprachigen Ländern. In England gibt es kein Sein, nur bei uns.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Natürlich können wir das ausschließen.
Du meinst also, dass alles, was um uns "ist", für "seiend" gemacht werden kann. - Wenn ja, von wem?
Nein, ich sagte: dass alles, was wir wahrnehmen, von uns erst seiend gemacht werden muss.
Du fragst, von wem.
Ich kann keine Ursachen herleiten. Ich beobachte und beschreibe.
Der Ätna wird in seiner Wirkungsweise auch dann beschrieben werden können, wenn keiner weiß, wer ihn gemacht hat.
Ich beobachte, wie der Mensch funktioniert. Und da ist mir langsam klar geworden, dass man es immer für selbstverständlich hält, dass wir "sind", aber dass es nicht selbstverstänlich ist.
Es ist unser Kokon, unsere Ozonschicht quasi, die uns davor schützt, in den Wahnsinn zu fallen.
closs hat geschrieben:
Davon abgesehen, dass mir dieser Optimismus sympathisch ist - wie willst Du ausschließen, dass es NICHT so ist? - Denn wenn es NICHT so wäre, könnten wir nichts dagegen unternehmen
Wir wandern immer am Rande des Abgrunds. Dass wir uns als seiend wahrnehmen, ermöglicht es uns, in einer geschützten Welt uns unsere Ordnungen aufzubauen.
Reißt dieser "Kokon", diese dünne Haut, die uns als "Seiende", als Existierende, wahrnehmen lässt, dann sehe ich drei Möglichkeiten, wie ein Mensch darauf reagieren kann:
Er verfällt dem physischen bzw. geistigen Wahnsinn, als Schutzmaßnahme. Sein Gehirn erfasst nicht mehr, was da passiert ist, zum Glück.
Oder er wird das, was im Buddhismus als "erleuchtet" beschrieben wird. Er ist dann möglicherweise auf diesen Schutzschild nicht mehr angewiesen. Aber das habe ich noch nicht genau durchdacht.
Oder er flüchtet in eine sogenannte Lebenslüge, verdrängt das Erlebte, ohne den Verstand zu verlieren.
closs hat geschrieben:- Misstrauisch macht mich (hier kommt wieder mein Vorwurf des Anthropozismus), dass der Mensch zum Maßstab gemacht wird (man entscheidet per order di mufti, was nicht sein DARF). - Das würde ich nicht wagen.
Ich verstehe überhaupt nicht, wovon Du sprichst.
Ich entscheide doch nicht über die Ozonschicht, sondern ich stelle fest, dass sie uns schützt.
Und ich entscheide nicht über unsere Wahrnehmung, dass wir existieren. Diese Wahrnehmung ist da. Und sie schützt uns.
Wieso mache ich da auch nur einen Hauch davon, den Menschen zum Maßstab zu nehmen?
Und wieso entscheide ich etwas, was nicht sein darf?
Ich entscheide doch gar nichts.
An welcher Stelle habe ich irgend etwas entschieden, Deiner Meinung nach?
Savonlinna hat geschrieben:Es sei denn, Du hast ein Wort vergessen und wolltest sagen, "dass alles Mögliche um uns rumschwirren kann, was wir nicht wahrnehmen."
Ja - habe ich tatsächlich beim Schnellschreiben verschlampt.
Du scheinst aber zu meinen, dass nichts rumschwirren kann, was uns nicht wahrnehmbar gemacht werden kann - richtig?
Nein, falsch. Ich habe gesagt, dass das, was uns wahrnehmbar ist, vorher von uns seiend gemacht werden muss.
Ich korrigiere das jetzt aber ein wenig, weil ich beim Schreiben einiges etwas klarer bekommen habe:
Wenn "der Strick reißt" - uns also wirklich so sehr bewusst wird, dass wir uns "seiend" machen, es aber nicht sind:
dann kann etwas aufbrechen, was ich oben beschrieben habe. Oder zusammenbrechen.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben: Alles das, was von uns nicht seiend gemacht wird, kann von uns nicht wahrgenommen werden.
Mich stört das "von uns". - Meinst Du wirklich, es ist in der Macht des Menschen zu entscheiden, was seiend GEMACHT werden kann?
Wer das macht: keine Ahnung. Das war nicht mein Thema.
Ich kann es umformulieren: was nicht auf uns Menschen zugeschnitten ist, wird von uns nicht wahrgenommen.
Im Umkehrschluss: alles, was wir wahrnehmen, ist auf uns Menschen zugeschnitten.
Einfach, weil es nicht anders geht. Es entsteht nur das, wozu es einen Lebensraum gibt. Oder für das wir uns einen Lebensraum geschaffen haben.