Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Pluto
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#31 Re: Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Beitrag von Pluto » So 21. Sep 2014, 15:30

Rembremerding hat geschrieben:Es gab keine Kelten als Volk. Man kann eher von einer Kultgemeinschaft sprechen, die noch um 1000 v.Chr. auch durch eine gemeinsame Sprache verbunden war. Deshalb wir man auch keine "keltische Identität" finden, die gab es ja gerade nicht, sonst wäre eine Staatenbildung erfolgt.
Du scheinst dich in der Geschichte sehr gut auszukennen. Bist du vllt. im rL Historiker?

Wohl aber zeigen etwa gemeinsame Glaubensvorstellungen, die auch aus archäologischen Funden erkannt werden können, wo und wann diese Kultgemeinschaft als Einwanderung im Festlandeuropa und auf Albion zu siedeln begann. Klar zu erkennen sind hier historische Brüche, was etwa Bestattungsformen oder transzendente Vorstellungen betrifft.
Das wusste ich gar nicht.
Ich hatte den dunklen Verdacht, diese Leute frönten in vorchristlicher Zeit dem Mithraskult mit ihren unterirdischen Gebetsstädten.

Ab dem 5. Jh. v. Chr. wissen Historiker über die "Kelten" genug, um sie klar definieren zu können. Der Ursprung dieser Kultgemeinschaft in Europa liegt aber weiter im Dunkeln. Es gibt eine slawische Fraktion unter Historikern, die über den Stamm der Veneter einen Ursprung zu erkennen glaubt und eine keltisch-germanische Fraktion, die Mitteleuropa favorisiert. Sprachvergleiche lassen das fiktive Volk der Indoeuropäer als Wiege der Kultgemeinschaft in Asien erkennen, die als Reiternomaden der Steppen des Ostens (Skythen!) Richtung Westen wanderten.
So was habe ich auch gelesen. Wiki schreibt ebenfalls von einem "indogermanischen" Stamm der Kelten, ohne aber näher darauf einzugehen.

Auch Blutgruppenvergleiche bestätigen diese Theorie. Zudem konnten zwei Einwanderungswellen nachgewiesen werden: Eine um 3000 v. Chr., die in Mitteleuropa auf die sogenannten "Bandleute" trafen und eine weitere um 600 v Chr., die weitaus kriegerischer und in einer Militäraristokratie organisiert war.
Sind die Kelten mit den "Barbaren" aus dem Norden gleichzustzen?
Sind wir Europäer mit unserer hellen Haut alle im Grunde Kelten?

Danke jedenfalls für einen sehr instruktiven Beitrag!
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Rembremerding
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#32 Re: Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Beitrag von Rembremerding » So 21. Sep 2014, 18:27

Pluto hat geschrieben: Ich hatte den dunklen Verdacht, diese Leute frönten in vorchristlicher Zeit dem Mithraskult mit ihren unterirdischen Gebetsstädten.

Sind die Kelten mit den "Barbaren" aus dem Norden gleichzustzen?
Sind wir Europäer mit unserer hellen Haut alle im Grunde Kelten?
Die Kelten (nennen wir sie der Einfachheit halber so) kannten zu Anfang keine Tempel oder ähnliches. Es waren Quellen, heilige Haine oder Felsformationen die Stätten göttlicher Immanenz darstellten. Erst durch den kulturellen Einfluss der Griechen und Römer bauten Kelten auch Umgangstempel aus Holz, später Stein.
Der Mithraskult kam aus dem Orient erst mit den Römern in keltisch-germanisches Gebiet.

Von der Sprache her sind Kelten und Germanen verwandt. Eine Trennung geschah etwa um 1000 v.Chr.
Betrachtet man die Religion, so findet die Religionswissenschaft bei Germanen und Kelten ein ähnliches Schema. Dennoch gibt es auch Unterschiede, gerade was Priester und Religionspraxis angeht und damit auch in gesellschaftlicher Hinsicht.
Zur Zeit nimmt man an, dass die erste indogermanische Einwanderungswelle um 2000 die Donau hinauf in Mitteleuropa auf eben jene "Bandleute" (sie bastelten von Nordafrika ausgehend über 1000 Jahre hinweg in ganz Europa Megalithbauten aus Stein) traf, die dem Mutterkult anhafteten, während die Einwanderer das Pferd mitbrachten und bereits männliche Gottheiten verehrten. Die Okkupation verlief weitgehend friedlich, die Okkupanten waren zwar technisch überlegen und mobiler, bestimmten Kunst und Kultur, aber übernahmen zahlreiche mütterliche Gottheitsaspekte. Die Historiker und Archäologen ordnen diese keltische Kulturepoche heute in die sogenannte Hallstattkultur ein. In einigen Alpenregionen und an der Adria konnten sogar Reste der "Bandleute" ihre Kultur behaupten, Forscher nennen sie heute Illyrer, Veneter und Räter.

Um 600 v.Chr. kam eine weitere Einwanderungswelle aus östlichen Steppen (wiederum hochgewachsene, blonde Menschen), die weitaus kriegerischer waren und bereits feudal organisiert. Sie waren wenige, besetzten aber als Militäraristokratie die führenden Positionen bei den von ihnen angetroffenen Stämme, die ja in gewisser Beziehung noch "verwandt" mit ihnen waren. Unter Forschern beginnt nun die "La Tene-Kultur" der Kelten.

Was die Germanen betrifft, so scheint im Norden Europas der mütterliche Aspekt der Megalithbauern in der Religion sich weniger durchgesetzt zu haben, jedenfalls wurden dort die Götter überwiegend und schneller männlich. Eine Erinnerung an die unterschiedlichen Götterfamilien sind die Göttergeschlechter der Vanen und Asen in der germanischen Götterwelt. Zudem scheint die 2. kriegerischere Einwanderungswelle im Norden Europas erfolgreicher gewesen zu sein, weshalb die Germanen später weitaus aggressiver expandierten.
Caesar kennt allerdings in seinem "Gallischen Krieg" noch keinen Unterschied zwischen Kelten und Germanen. Tacitus hingegen weiß von 3 Hauptstämme der Germanen: Ingvionen, Istvionen und Erminonen. Es waren mehr Kultgenossenschaften. Das sind aber römische und griechische Geschichtsquellen. Archäologische Funde bestätigen aber weitgehend diese Einteilung.

So sind wir Europäer eigentlich alle Protokelten. Barbaren sind aber nur jene, die sich, weil kriegerischer, nicht von den Römern unterjochen ließen.

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#33 Re: Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Beitrag von closs » So 21. Sep 2014, 20:10

sven23 hat geschrieben: Doch finster war das Mittelalter in Europa und die Kirche trug ihren Teil dazu bei.
Das ist historisch falsch. - Finster war das Früh-Mittelalter, weil Mitteleuropa nicht technisch zivilisiert war - man musste überhaupt erst einmal verbindliche Sprachen entwickeln ("Abrogans"/Glossen) - irgendwann um 800 hat sich das dann langsam konzentriert auf eine verbindliche Struktur - daraus entstand das Hochmittelalter mit ungeheuer großen Werken der Literatur (von Theologie will ich erst gar nicht reden) - man denke an Nibelungen, Parzival, Minnesang, etc. - Daraus entstand das Spätmittelalter mit seiner Städtekultur - eine gigantische zivilisatorische Leistung.

All dies wurde vom Mönchstum (DIE Bildungs-Instanz über viele Jahrhunderte) begleitet - ich weiss echt nicht, was Dich da reitet.

Nebenbei: Geistig halte ich die Gegenwart um Längen für finsterer als das Hoch-Mittelalter.

2Lena hat geschrieben:weil er die Reizker-Kultur (meine Pilz-Lieblingsspeise, garantiert umsatzsteuerfrei ...) mit seinen Reifen platt gedrückt hat.
Oh - eine Pilzfreundin - habe heute 22 Sorten gesammelt. 8-) 8-) - Ansonsten hast Du geschrieben, was ich auch meine - lese es nur erst jetzt.

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#34 Re: Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Beitrag von Pluto » So 21. Sep 2014, 20:17

closs hat geschrieben:Nebenbei: Geistig halte ich die Gegenwart um Längen für finsterer als das Hoch-Mittelalter.
Dazu würde mich mal interessieren, wie man "geistigen Fortschritt" feststellt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#35 Re: Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Beitrag von closs » So 21. Sep 2014, 20:24

Pluto hat geschrieben:Dazu würde mich mal interessieren, wie man "geistigen Fortschritt" feststellt.
Kommt drauf an, wie man "geistig" definiert. - Versteht man darunter mehr oder weniger ein Synonym für "intellektuell", würde ich an meiner Aussage NICHT festhalten. - Versteht man geistig als Synonym für "transzendenz-fähig", dann schon.

In diesem Sinne ist es ein geistiger Fortschritt
a) im unitellektuellen Bereich - bspw.: Dass die Menschen sich ihrer Sterblichkeit in Freiheit bewusst sind und sich dem "Danach" angstfrei annähern können.
b) im intellektuellen Bereich - bspw.: Dass die Menschen ontologisch denken können und Wahrnehmung und Sein kategorial unterscheiden können.

Bei einem Brainsstorming würde da noch mehr zusammenkommen.

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#36 Re: Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Beitrag von Pluto » So 21. Sep 2014, 21:15

closs hat geschrieben:In diesem Sinne ist es ein geistiger Fortschritt
a) im unitellektuellen Bereich - bspw.: Dass die Menschen sich ihrer Sterblichkeit in Freiheit bewusst sind und sich dem "Danach" angstfrei annähern können.
Glaubst du, die Leute im Mittelalter waren ihrer Sterblichkeit bewusst? Standen sie nicht viel mehr in der Furcht vor ewiger Strafe?

b) im intellektuellen Bereich - bspw.: Dass die Menschen ontologisch denken können und Wahrnehmung und Sein kategorial unterscheiden können.
Das ist wohl für viele Nichtphilosophisch Interessierte zu hoch. Ich würde zunächst einmal nach dem Unterschied zwischen Sein und Dasein fragen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#37 Re: Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Beitrag von closs » So 21. Sep 2014, 21:46

Pluto hat geschrieben:Glaubst du, die Leute im Mittelalter waren ihrer Sterblichkeit bewusst?
Natürlich - das Memento Mori ist zwar typisch für den barock - aber gewusst wurde das schon vorher.

Pluto hat geschrieben:Standen sie nicht viel mehr in der Furcht vor ewiger Strafe?
Das ist halt das Satanische daran - statt den Menschen "die frohe Botschaft" zu vermitteln, hat man sie umgedreht. - Ist heute noch oft so.

Pluto hat geschrieben:Das ist wohl für viele Nichtphilosophisch Interessierte zu hoch.
Deshalb ich ja a)und b) getrennt aufgeführt. - Aber Kandidaten für Kategorie b) müssten da schon über den materialistischen Tellerrand hinausschauen - sonst haben sie in b) nichts zu suchen.

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#38 Re: Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Beitrag von Pluto » So 21. Sep 2014, 21:55

closs hat geschrieben:Aber Kandidaten für Kategorie b) müssten da schon über den materialistischen Tellerrand hinausschauen - sonst haben sie in b) nichts zu suchen.
Bild
[ Quelle: http://www.myheimat.de ]
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#39 Re: Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Beitrag von Janina » Mo 22. Sep 2014, 10:10

closs hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:ALLES davon hat man unter klerikaler Herrschaft vergebens gesucht.
Das ist für Deine Verhältnisse äußerst undifferenziert.
Im Aufbau desselben hat sich dann eine Zivilisation entwickelt, die der römischen in nichts nachstand.
Dann differenziere doch mal.
Die Römer hatten Kanalisation. Wann gab es die hier wieder?
Die Römer hatten staatlich finanzierte Schulbildung (bis etwa 400 nC), und allgemeine Alphabetisierung. Wann gab es die hier wieder?
Die Römer hatten Architektur, mehrstöckige Wohnhäuser, sogar Betonkuppeln. Wann gab es die hier wieder?
Die Römer hatten Badehäuser. Wann gab es die hier wieder?
Die Römer hatten fließendes sauberes Wasser. Wann gab es das hier wieder?
Die Römer hatten Medizin. Wann gab es die hier wieder?

closs hat geschrieben:Das Römische Reich fiel ja in sich selbst zusammen - sicherlich nicht wegen des Christentums.
Das wäre zu belegen.

closs hat geschrieben:Setzt man den Beginn des verfassungsmäßig greifbaren "Christlichen Reichs" mit ca. 800 n.Chr. (Karl der Große), muss man ca. 1500 n.Chr mit der Augustus-Zeit vergleichen - und bis dahin ist zivilisatorisch wirklich einiges passiert.
Das ändert aber nichts daran, dass etwa die städtische Kultur ab dem Mittelalter große zivilisatorische Leistungen erbracht hat...
Ja? Was denn? Die Hexenverbrennung - und was noch?

closs hat geschrieben:Hinzuzufügen ist, dass wir hier von Mitteleuropa sprechen, das nie auf die bereits von den Römern geschaffene Infrastruktur südlich der Alpen profitieren konnte.
Wasserleitungen wurden bis zu 500 Jahre nach den Römern noch benutzt, dann sind sie zerfallen. Straßen wurden noch 1000 Jahre lang benutzt, selbst heute führen Landstraßen auf alten Römertrassen. Währenddessen wurde hier absolut NULL geleistet.

closs hat geschrieben:Lass mal nur den Strom für 100 Jahre ausfallen...
Ein paar Tage reichen doch schon. Da müssen die Leute im Dunkeln fernsehen.

Pluto hat geschrieben:Ich rechne den Mönchen des Mittelalters zu, dass sie das arabische, phönizische und griechische Wissen (Sternkunde, Zeitmessung, Schifffahrt, Philosophie, Naturkunde) festgehalten und überliefert haben.
Nein. Zerstört. Ein paar Schriften von Aristoteles haben sie überkritzelt, deshalb gibt's sie noch.

closs
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#40 Re: Die Vorherrschaft der westlichen Kultur

Beitrag von closs » Mo 22. Sep 2014, 10:54

Janina hat geschrieben:Dann differenziere doch mal.
All das, was Du da aufzählst, gab es con variatione im Stadtwesen des Mittelalter. - Manches nicht so gut, manches anders. - Und vergiß nicht: Das Stadtwesen des Mittelalters war ca. 500 Jahre nach Karl dem Großen - das entspricht in etwa 250 v. Chr. bei den Römern, wenn man den Beginn deren Königtums zum Maßstab nimmt.

Richtig ist ganz sicher, dass das Römertum mehr säkular ausgerichtet war - beim Christentum hat man sich in der Gewissheit des Lebens nach dem Tod einiges an Luxus aufgespart :devil: - Aber umgekehrt sollte man auch bedenken: Wir haben es bei Mitteleuropa mit einer Gegend zu tun, die klimatisch ganz anders ist als das Mediterrane. - Es konnte nicht gleich sein.

Janina hat geschrieben:Das wäre zu belegen.
Das ist so selbstverständlich, dass ich jetzt richtig stolpere, dies zu belegen - meinst Du etwa, dass der Druck auf die Reichsgrenzen des Römischen Reichs christlich begründet war? Oder dass die Völkerwanderung christlich begründet war?

Janina hat geschrieben:Ja? Was denn? Die Hexenverbrennung - und was noch?
In römischen Arenen hat man dafür Sklaven in die Manege geschickt, um sich wehrlos unter dem Gejohle des Publikums zerfleischen zu lassen: Penis et circenses gibt es überall.

Janina hat geschrieben:Da müssen die Leute im Dunkeln fernsehen.
Stimmt - und wenn es keine Kartoffeln mehr gibt, dann essen wir halt Pommes Frites.

Janina hat geschrieben: Straßen wurden noch 1000 Jahre lang benutzt, selbst heute führen Landstraßen auf alten Römertrassen. Währenddessen wurde hier absolut NULL geleistet.
Stimmt auch nicht ganz - mit Aufkommen des Wegezolls wurden Mittel genutzt, Straßen zu bauen und zu erhalten. - Ansonsten ist aber richtige, dass die Römer in Sachen Straßenbau einsame Klasse waren - aber nicht aus kulturellen Gründen, sondern aus militärischen Gründen.

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