Catholic hat geschrieben:Pluto,unabhängig davon,dass ich von der Kirchengeschichte spreche und Du Dich auf die heutigen Kreationisten beziehst,stelle ich die Frage,ob sich -- um die Debatte der Übersicht halber ein wenig einzugrenzen -- die Katholische Kirche "bis zum letzten Moment" "gegen jede wissenschaftliche Erkentnis" gewehrt hat,denn ein sachlicher Blick in die Kirchengeschichte belegt das Gegenteil.
Naja, der Kreationismus gehört schon zur Kirchengeschichte, allerdings nicht zur katholischen. Groß und verbreitet wurde diese gegen die Faktenlage immune Denkweise im fundamentalistisch-evangelikalen Umfeld. Die katholische Kirche war da ausgewogener als diese recht neue Strömung.
Gehen wir in die Geschichte, würde ich zwar nicht formulieren, dass die RKK sich gegen "jede" Erkenntnis gewährt hat, aber recht systematisch gegen eine Vielzahl. Wenn es ihr gepasst hat, konnte sie Erkenntnisse durchaus auch fördern.
Beispiele:
Die wissenschaftliche Erkenntnis "die Erde dreht sich um die Sonne" wurde lange bekämpft zugunsten einer Leseweise einer Stelle im AT, nach denen die Sonne sich um die Erde dreht.
Galileo durfte zwar durch sein Rohr in den Sternenhimmel schauen, aber was er sah, musste er widerrufen.
Der Berufsstand der Mediziner musste sich gegen den der Kleriker durchsetzen, den Heilung war ja eine Sache Gottes.
Kräutigerkundige Frauen wurden schlicht gejagt. Zwar hätte sich die Kirche für diese einsetzen können mit ihren hohen moralischen Vorstellungen, aber wozu die Konkurrenz im Heilungssektor beschützen?
Historiker sprechen davon, dass ganze Jahrhunderte das Wissen unter dem Diktat der Kirche ins Stocken geriet, während zu gleichen Zeit die Araber eine kulturelle Blüte hatten (umgekehrt wie heute). Wissenschaftliche Abhandlungen in arabischer Sprache (zur Medizin, zur Optik, zur Mechanik, etc.) wurden zwar von Priestern ins Lateinische übersetzt, aber es wurde vergessen den arabischen Autor zu benennen. Die Schriften wurden dann vorzugsweise an Rom-nahe Wissenschaftler weitergegeben. So war es sicherer.
Der Humanismus wurde zwar auch von vielen Christen getragen, aber die Kirche als solche wehrte sich eher dagegen. Eng waren dafür die Verbindungen zu Königs- und Fürstenhäusern (gegen die der Humanismus gerichtet war).
Als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Qumran-Schriften gefunden wurden, wurde geradezu eine "Sperrzone" eingerichtet für Informationen. Es waren mit einer einzigen Ausnahme nur katholische Wissenschaftler dran. Andere - unabhängige Wissenschaftler mussten teils Jahrzehnte warten, bis mal wieder Teile dieser Schriften veröffentlicht wurden.
Also zumindest Deine Wertung, die Kirche habe den Fortschritt im Gegenteil sogar gefördert, würde ich so nicht gelten lassen. Es ist auch offensichtlich, dass der "freie Diskurs" im Sinne Poppers (einer der führenden Wissenschaftstheoretiker des letzten Jahrhunderts) für die Kirche keine wichtige Rolle gespielt hat. Aber genau dieser wird heute als notwendige Grundlage wissenschaftlichen Arbeitens betrachtet.