closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Nein, das tut er nicht. Ganz im Gegenteil.
Merkwürdig: Da bringst Du einen Text, der mich vor Begeisterung geradezu bersten lässt - und jetzt heisst's schon wieder "Ganz im Gegenteil".
Also ganz langsam und ganz von vorn.
Ausgangsposition:
Tillich schrieb Folgendes:
Paul Tillich hat geschrieben:Die Frage nach dem Sein ist nicht die Frage nach irgendeinem einzelnen Seienden, seine Existenz und seinem Wissen, sondern es ist die Frage nach dem, was es bedeutet zu sein, Es ist die einfachste, tiefste und absolut unerschöpfliche Frage - die Frage, was es bedeutet, wenn man sagt, dass etwas ist. Dieses Wort "ist" verbirgt das Rätsel aller Rätesel, das Geheimnis, dass überhaupt etwas ist.
Das interpretierst Du um in ->
closs hat geschrieben:Hier schlägt er den Bogen zur Verwertbarkeit von Sein: Was bedeutet Sein für uns. - Keine Kritik, sondern lediglich der Hinweis, dass Tillich im Grunde sagt: "Was nützt Sein, wenn es nicht in Bezug zur Wahrnehmung ist". - Aus meiner Sicht ok.
Nichst von dem, was Du sagst, steht im Tillich-Text.
Da ist von keiner "Verwertbarkeit" die Rede, sondern davon, was die Frage nach dem Sein bedeutet:
nicht die Frage nach dem einzelnen Seienden, sondern die Frage, was es überhaupt bedeutet
zu sein.
Der Verb-Charakter wird von Tillich also nicht kaputt gemacht, sondern er sagt:
das, was alle Philsophen umtreibt, ist genau diese Frage: Was genau heißt es,
zu sein.
Das erläutert er in dem Text noch weiter:
Paul Tillich hat geschrieben:Philosophie ist also das Wort vom Sein, das Wort, das das Sein ergreift, seine Natur offenbar macht und es aus seiner Verborgenheit ins Licht der Erkenntnis führt.
Philosophie mache also offenbar, was die Natur des Seins ist; die Philosophie führt die Verborgenheit des Seins in das Licht der Erkenntnis.
Paul Tillich hat geschrieben:Und noch genauer: wir wollen von ontologischer analysis sprechen, um zu zeigen, dass man auf die Dinge schauen muss, wie sie uns gegeben sind, wenn man die Prinzipien, die Strukturen und die Natur des Seins entdecken will, das in allem was ist, sich verkörpert.
Diesen Satz finde ich besonders wichtig. Tillich sagt hier: der Unterschied zwischen dem Seienden und dem "Sein" sei, dass das Sein das ist, was in dem Seienden verborgen ist.
Das Sein verkörpert sich in allem, was ist. Will man also entdecken, was das Sein ist, dann muss man die Dinge selber untersuchen: denn nur dort kann man die Strukturen und die Natur des Seins entdecken.
Paul Tillich hat geschrieben:Hauptsache, mit der die Philosophie sich beschäftigt:
das Auffinden der konstituiven Prinzipien des Sein-Selbst, dessen, was immer gegenwärtig ist, wenn ein Ding teilhat an der Macht zu sein und an der Macht, dem Nicht-Sein zu widerstehen.
Hier sagt er das Gleiche mit noch anderen Worten:
Sein ist für ihn das, was immer gegenwärtig ist und das man in den Dingen selber analysieren kann: nämlich das, was das Sein selbst - das Sein-Selbst - konstituiert.
Ich möchte auf Querfragen, die andere Themen bei Tillich betreffen, nicht aus dem Hut antworten, sondern systematisch vorgehen, das heißt, aus weiteren Kapiteln zitieren.