Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#1911 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Di 3. Nov 2015, 18:48

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Das Verständnis von Existenz ist auf Basis von Sensordaten (und damit spreche ich von den Sinnesdaten) als Zugang zu den physikalischen Sachverhalten („linke Seite“) innerhalb der Wahrnehmungsauswertung („rechte Seite“), ohne Kenntnisse, worum es sich bei Existenz wirklich handelt, entstanden.
Damit sprichst Du von "Existenz" im naturalistischen Sinn - da kann und will ich nicht widersprechen.
Nein, ich spreche vom Verständnis von Existenz.
Wir kennen nur eine Form: das Verstehen der Zusammenhänge aus den Sinnesdaten.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Bei „Farben“ ist es definitiv nur ein Teil, denn wir können nicht sagen, was Licht „wirklich“ ist
Unsere geistige Wahrnehmung ist nur ein (kleiner) Teil, denn wir können nie sagen, was "Gott" "wirklich" ist.
OK, du versuchst also eine scheinbare Analogie durch Nachplappern aufzubauen.

Damit verkennst du natürlich vollständig, dass du nur zu deiner „Idee“ kommen kannst, in dem du das unvollständige Verständnis aus der Wahrnehmung als absolut gültig voraussetzt.

Damit wird deine Analogie zu einem kleinen Verbaltrick reduziert.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Du möchtest aber, gerade mit diesem unvollständigen Verständnis die „linke Seite“ einschätzen
Ja - so wie Du mit Farbe versuchst, das Licht einzuschätzen.
Falsch, mit „Farbe“ kann man nicht auf das Teilchen-, Wellenverhalten von Licht schliessen und auch nicht, dass Licht zum physikalischen Phänomen der Energiestrahlung gehört.
Wir bauen keine Laser, weil wir uns mit „Farben“ beschäftigen.

Dass es zu „Farbe“ überhaupt ein Gegenstück geben kann, liegt an der Tatsache, dass das Farbverstehen auf vorhandene Sinnesdaten zurückgeht.

Dies ist bei deiner „Idee“ nicht der Fall und trotzdem möchtest du sogar über sinneserfahrbare Sachverhalte hinaus urteilen.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Für unseren Alltag ist der Begriff sehr praktisch und hat sich optimiert – aber bei Gesamtzusammenhängen dürfen wir unser Unwissen nicht zu gering einschätzen.
Da sind wir uns einig - die größten Denker waren am Ende die demütigsten Denker. - Aber den Weg haben sie gezeigt: "Ich sehe mit meiner geistigen Wahrnehmung, dass es "dorthin" geht
Genau dadurch waren sie eben nicht demütig, sondern genau das Gegenteil – es waren Politiker und Verkäufer (das eine sagen, das andere machen)

closs hat geschrieben:Unser Denken ist aus meiner Sicht heute derart einseitig versaut, dass man überhaupt erst mal wieder Breschen zum Geistigen hin schlagen muss
So sieht deine „Demut“ also aus:
Keine Formulierung als Vermutung, sondern „ist einseitig versaut“ und „man muss Breschen schlagen“.
Für dich ist deine unvollständige „Idee“ also längst zum Wissen mutiert – ohne Nachweis, ohne Absicherung.
Du entscheidest alleine, du stehst alleine im Mittelpunkt.

Dieses Vorgehen betrachte ich als vollkommen unbrauchbar.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es handelt sich um ein, in der Wahrnehmung vorhandenes „Existenz“-Verständnis.
OK - dann würden "Farben" existieren, nicht aber "Licht" - richtig?
Fasch, „Farben“ sind (aus meiner Sicht) eine Form von Verstehen.
In einer Wahrnehmung gibt es keine Existenzen.
Die „Existenzform“ von Licht können wir nicht beurteilen.

Unser Existenzverständnis von „Farben“ sagt lediglich aus, dass „hier und jetzt“ etwas auf uns einwirkt, dass also jetzt etwas stattfindet, sozusagen aktuell da ist.

Auf Grund unserer täglichen Erfahrung verlassen wir uns darauf, dass dieses Einwirken beliebig oft wiederholt werden kann.

Das ist sozusagen die Überzeugung, dass diese „Dinge“ dauerhaft so vorhanden sind, also „existieren“.
Wie genau dies allerdings zutrifft und wie der Zusammenhang des „dauerhaft da sein“ entsteht, können wir gar nicht sagen.

Mit diesem Rudimentärverstehen möchtest du darauf schliessen können, dass das „dauerhaft da sein“ von „jemandem“ erschaffen worden ist, der unsichtbar, unerreichbar und unverstehbar sein soll – von dem du aber nicht sagen kannst, was „er“ sein soll.

Das, was du behaupten möchtest, passt nicht mit dem zusammen, was wir können.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Du besitzt nicht die Gültigkeitsgrundlage für so eine Behauptung.
Dem liegt die Setzung zugrunde, dass zu "Farben" auch "Licht" gehört. - Selbst wenn es für uns keine Wahrnehmungs-Größe für "Licht" gibt, wissen wir, dass die Wahrnehmungs-Größe "Farben" davon kommt. - "Liebe Deinen Nächsten" steht zu "Gott" wie "Farben" zu "Licht".
Schon wieder versuchst du dich am Zusammenhang der Sinnesdaten vorbei zu schleichen
-> Taschenspielertrick!

Man hat es untersucht und festgestellt, dass es ausserhalb des Kopfes keine Farben gibt. Man hat den Mechanismus der Sinneszellen in der Netzhaut untersucht. Man hat die Dateneingabe in den Sehnerv untersucht und man kann diesen Vorgang heute bereits, über implantierte Computerchips bei Menschen mit Sehschwäche verbessern – das passt.

Zu deiner „Idee“ gibt es nichts Vergleichbares.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Genauso wenig kann der Mensch denkerisch von „Farben“ auf Licht schliessen.
Doch - denke ich schon. - Man kann auch von 6. auf 7. Dimension schließen, wenn man gelernt hat, von 1. auf 2. auf 3. Dimension zu schließen (die zudem beobachtbar sind). - Es sind logische Muster. - Was anderes Mathematik?
Nein, der Mensch hat „Farbe“ in der Umwelt gesucht und lange nicht verstanden, woher sie kommt. Erst das langsame Herantasten an die physikalischen Zusammenhänge brachte eine Erkenntnisverbesserung. Dieser Vorgang verlief nicht philosophisch.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:SilverBullet hat geschrieben:Es sind die Sinneszellen, nicht die Neuronen.
In der Nonchalance des naturwissenschaftlichen Laien gehe ich einfach davon aus, dass auch Sinneswahrnehmungen neuronal umgesetzt werden
Die Sinneszellen sind keine Neuronen, wie sie im Gehirn zur Verarbeitung/Verschaltung vorhanden sind.

Die elektrischen Impulse, die von Sinneszellen ausgehen, kann man aufzeichnen, analysieren und nachbauen. Sie sind nachweisbar und der Aussenreiz ist auch nachweissbar.

Bei deiner „Idee“ wird kein Aussenreiz nachgewiesen, denn du hast (wie du selbst sagst) keinen Zugang.
Egal, ob es sich um eine Simulation handelt oder nicht, für deine „Idee“ fehlt ein Zusammenhang.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Da du aber keinen Zugang zu deinem behaupteten Weltkonzept haben kannst, gibt es keinerlei Aktivität in den Sinneszellen.
Keinen sinnlichen Zugang - richtig. - Es ist ein geistiger/logischer/mathematischer Zugang - je nachdem, was gebraucht wird. - Auch das wird sicherlich neuronal verarbeitet - irgendwo wird's da Aktivitäten geben.
Das Erscheinen des „2m Häschen Harveys“ wird garantiert von neuronaler Aktivität begleitet. Da es aber, wie bei deiner „Idee“ nicht mit Aussenzusammenhängen korreliert, ist Autosuggestion eine sehr gute Erklärung.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:D.h. dein behauptetes „Hineinfühlen“ spielt sich rein in der Wahrnehmungsverarbeitung ab und zwar nachdem es das jeweilige Gehirn erzählt bekommen hat.
Nein. - Das "nachdem" KANN sein, muss aber nicht.
Natürlich werden Muster weiter erzählt (christliche/moslemische/etc. Literatur)
Ja, natürlich wird mit Suggestion gearbeitet.

Zitat-closs: „Bei mir war es sogar so, dass ich erstmals die Bibel gelesen haben, NACHDEM ich philosophisch/ontologische/dialektisch zu einem Ergebnis gekommen war
Wer war denn Hegel?
Hatte er eine pietistische Vergangenheit?
Wollte er den „alten Glauben“ in das Zeitalter der Aufklärung übersetzen?

Dein Weg zeigt pfeilgerade entlang der Suggestion…

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:„Wahrscheinlichkeit“ ist die Anzahl der günstigen Ereignisse geteilt durch die Gesamtanzahl der Ereignisse.
Zunächst: Ich stelle die "Res extensa" ganz und gar nicht in Frage. - Aber Dein Argument hinkt, weil Deine "Anzahl" nichts aussagt, wo sie stattfinden. - Sie könnten genauso in einer "echten" wie in einer "simulierten" Welt stattfinden. - Das sagt überhaupt nichts aus, außer dass es in sich selber schlüssig ist. - Aber "in sich" kann sowohl "real" als auch "simuliert" sein.
Es soll ja auch kein Beweiss sein.
Aber eine komplett in sich stimmige, erfahrbare Zusammenhangswelt, weckt halt einfach keine Zweifel. Somit gibt es keinen Grund die 100% nicht zu vergeben.

Nicht vergessen: für deine „Idee“ kann man die Stimmigkeit noch nicht einmal überprüfen, weil du nicht weisst, was es sein soll.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#1912 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 3. Nov 2015, 21:14

SilverBullet hat geschrieben:Wir kennen nur eine Form: das Verstehen der Zusammenhänge aus den Sinnesdaten.
Wenn Du damit das meinst, was wir "Wahrnehmung" nennen, stimmt das. - Allerdings ist mir nicht klar, ob man für das Verstehen von geistigen Zusammenhängen Sinnesdaten braucht. - Das musst Du mir sagen, weil Du sicherlich weisst, wie "Sinnesdaten" definiert ist.

SilverBullet hat geschrieben:du versuchst also eine scheinbare Analogie durch Nachplappern aufzubauen.
Jetzt wirst Du wieder ungehobelt. - Zur Sache: Ich nehme Dein Beispiel auf und übersetze es.

SilverBullet hat geschrieben:in dem du das unvollständige Verständnis aus der Wahrnehmung als absolut gültig voraussetzt.
Nein - als Arbeitsgrundlage: "Nach meiner geistigen Wahrnehmung ist SilverBullets Beispiel "so" übersetzbar".

SilverBullet hat geschrieben:Falsch, mit „Farbe“ kann man nicht auf das Teilchen-, Wellenverhalten von Licht schliessen
Nein - man weiss, dass etwas dahinter steht, ws man "Licht" nennt. - Das hat man sicherlich bereits vor der RT so gemacht.

SilverBullet hat geschrieben:Genau dadurch waren sie eben nicht demütig, sondern genau das Gegenteil
Absolut nicht nachvollziehbar.

SilverBullet hat geschrieben:das eine sagen, das andere machen
Das ist der Mensch - und diese Leute waren auch Menschen. - Das ist in allen Bereichen so.

SilverBullet hat geschrieben:Für dich ist deine unvollständige „Idee“ also längst zum Wissen mutiert – ohne Nachweis, ohne Absicherung.
Es ist kein naturwissenschaftliches Wissen, sondern eine Gewissheit, die Milliarden Menschen teilen (wobei der europäische Anteil eher rückläufig ist). - Und hier wieder Dein Grundfehler: Du meinst, dass naturwissenschaftliches Wissen mit seiner Möglichkeit "innerbetrieblicher" Absicherung das einzige Maß ist, zu Erkenntnis zu gelangen - verkennend, dass naturwissenschaftliches Wissen zwar super abgesichertes Wissen ist, aber nur den Bereich betrifft, der mit dem Kritischen Realismus abdeckbar ist. - Aber auf diesen Punkt kommt man bei Naturalisten regelmäßig.

SilverBullet hat geschrieben:In einer Wahrnehmung gibt es keine Existenzen.
Das klang irgendwo bei Dir anders - vielleicht habe ich mich verlesen. - Verstehe ich Dich recht: Farben sind KEINE Existenz. ---???---

Und nochmal: Du wirst nicht müde, dass man nur "von der rechten Seite", also von der Wahrnehmung her "EXistenz" definieren könne - gleichzeitig sagst Du: "In einer Wahrnehmung gibt es keine Existenzen". - Wenn Du das so meintest, wärest Du nahe an Platon und seine Ideen-Leere - würde mich aber überraschen, weil Du ständig dagegen argumentierst.

SilverBullet hat geschrieben:Das, was du behaupten möchtest, passt nicht mit dem zusammen, was wir können.
Stimmt - das wusste bereits Platon. - Deshalb hat er zwischen den unveränderlichen "Ideen" und deren veränderlichen "Abbildungen" ("rechte Seite") unterschieden.

SilverBullet hat geschrieben:Man hat es untersucht und festgestellt, dass es ausserhalb des Kopfes keine Farben gibt.
Eben - deshalb sprach ich doch von der
SilverBullet hat geschrieben:Wahrnehmungs-Größe "Farben"

SilverBullet hat geschrieben: Erst das langsame Herantasten an die physikalischen Zusammenhänge brachte eine Erkenntnisverbesserung. Dieser Vorgang verlief nicht philosophisch.
Ähm - das ist ja auch ein naturwissenschaftliches Beispiel. - Genauso wie man da induktiv vom Einzel-Beobachtungen zu allgemeinen Aussagen kommen kann, kommt man im Geistigen vom Phänomen ("Abbildungen"/Platon) auf das Allgemeine ("Ideen"/Platon). - In beiden Fällen geht es darum, aus Einzel-Wahrnehmungen allgemeine Aussagen abzuleiten - nur dass die Einzel-Wahrnehmungen in der Naturwissenschaft objektiv messbar sind und im Geistigen nicht.

SilverBullet hat geschrieben:Bei deiner „Idee“ wird kein Aussenreiz nachgewiesen, denn du hast (wie du selbst sagst) keinen Zugang.
Der Außenreiz kommt von den "Abbildungen"/"Einzelwahrnehmungen" - daraus schließt man darauf, wie die "Idee" dazu zu verstehen ist.

SilverBullet hat geschrieben:Da es aber, wie bei deiner „Idee“ nicht mit Aussenzusammenhängen korreliert, ist Autosuggestion eine sehr gute Erklärung.
Davon abgesehen, dass ich in dem speziellen Fall "Häschen" Deiner Vermutung auch inhaltlich zustimme, ist im allgemeinen festzustellen, dass die "innerbetriebliche" Feststellung eines methodisches Systems, es handle sich dabei um Autosuggestion, fast oder gar gänzlich alternativlos sein muss, weil der eigenen Methode überhaupt nichts anderes übrig bleibt. - Hier ist es für Betroffene schwierig zu unterscheiden, ob es sich um methodische Selbst-Befriedigung oder echte Erkenntnis handelt.

SilverBullet hat geschrieben:Dein Weg zeigt pfeilgerade entlang der Suggestion…
Oje - jetzt unterschätzt Du große Denker aber wirklich gewaltig.

SilverBullet hat geschrieben:Wollte er den „alten Glauben“ in das Zeitalter der Aufklärung übersetzen?
Zunächst war ihm (Jahrhunderte vor der Chaos-Theorie und der QM) klar, dass die sogenannte "Vernunft" Grenzen hat. - Insofern hat er eigentlich die Aufklärung in die ihr folgenden Zeiten übersetzt.

SilverBullet hat geschrieben:Aber eine komplett in sich stimmige, erfahrbare Zusammenhangswelt, weckt halt einfach keine Zweifel. Somit gibt es keinen Grund die 100% nicht zu vergeben.
Unter unternehmerischen, also rein pragmatischen Gesichtspunkten gebe ich Dir recht - aber Philosophie versucht, GRUNDSÄTZLICH zu denken.

JackSparrow
Beiträge: 5501
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 13:28

#1913 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Di 3. Nov 2015, 23:18

closs hat geschrieben:Unsere geistige Wahrnehmung ist nur ein (kleiner) Teil, denn wir können nie sagen, was "Gott" "wirklich" ist.
Wenn wir den eigenen Sinnen misstrauen und stattdessen dem Glauben anhängen, die Wirklichkeit sei nicht wahrnehmbar, können wir außerdem auch nicht sagen, was wir heute zum Frühstück aßen oder wie die eigene Ehefrau heißt.

Da sind wir uns einig - die größten Denker waren am Ende die demütigsten Denker.
Weil sie traurig waren, ihr Gehirn nie für irgendwas Praktisches eingesetzt zu haben.


SilverBullet hat geschrieben:Es sind die Sinneszellen, nicht die Neuronen.
primäre Sinneszelle = Neuron. Beispiel: Riechzellen in der Nase
sekundäre Sinneszelle = Epithelzelle. Beispiel: Netzhaut

Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#1914 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Halman » Mi 4. Nov 2015, 18:56

Da es meiner Meinung nach gut in diese Diskussion passt, habe ich die Lesung Ich denke also bin ich von René Descartes rausgesucht.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#1915 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Mi 4. Nov 2015, 19:39

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Für dich ist deine unvollständige „Idee“ also längst zum Wissen mutiert – ohne Nachweis, ohne Absicherung.
Es ist kein naturwissenschaftliches Wissen, sondern eine Gewissheit, die Milliarden Menschen teilen (wobei der europäische Anteil eher rückläufig ist). - Und hier wieder Dein Grundfehler: Du meinst, dass naturwissenschaftliches Wissen mit seiner Möglichkeit "innerbetrieblicher" Absicherung das einzige Maß ist, zu Erkenntnis zu gelangen - verkennend, dass naturwissenschaftliches Wissen zwar super abgesichertes Wissen ist, aber nur den Bereich betrifft, der mit dem Kritischen Realismus abdeckbar ist. - Aber auf diesen Punkt kommt man bei Naturalisten regelmäßig.
Ich vermute, das hat mit „Naturalist“ rein gar nichts zu tun.
Es liegt eher an deiner „Hineinfühl“-Technik, mit der man jegliche Ergebnisse „herstellen“ kann, die man einheitlich nicht nachvollziehen kann. (selbst für diese „Milliarde Menschen“ kannst du nicht sagen, in wie weit sie deine „Idee“ erfahrungsbasiert vertreten)

Wie du bereits bestätigt hast, beginnst du bei deiner „Idee als Voraussetzung“ und bekommst sie nach ein paar verbalen Tricks, tatsächlich auch als „Ergebnis“ wieder heraus.
So etwas nennst du dann „Erkenntnis“ und ab diesem Moment ist für dich die Existenzmöglichkeit gegeben, wobei du dich bereits dafür entscheiden hast.

Wie soll man damit umgehen, soll man hoffen, dass sich die Mehrheit der Menschheit mit dieser „Technik“ nicht in die übelsten Zusammenhänge „hineinfühlt“?

Wie verhältst du dich, wenn jemand vor dir steht und mit der „Gewissheit des Hineinfühlens“ von seinem „geistigen Auftrag“ berichtet, der dir ganz gar nicht gefällt?
Schaust du dann in einem der „Hineinfühl-Lexikas“ nach, ob ein bereits gelebter schlauer Philosoph diese „Idee“ auch schon mal hatte, oder entscheidest du spontan (wie sonst auch)?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:In einer Wahrnehmung gibt es keine Existenzen.
Das klang irgendwo bei Dir anders - vielleicht habe ich mich verlesen. - Verstehe ich Dich recht: Farben sind KEINE Existenz.
Ich vertrete die Ansicht, dass es innerhalb einer Wahrnehmung keine Existenzen gibt.
„Farben“, „Töne“, „Schmerzen“, „Gedanken“, „Emotionen“, „Ich“ usw. sind (für mich) keine Existenzen, wenn man die Aussenwelt (samt Körper und Gehirn) als „wirkliche Existenz“ festlegt.

Eine sensorische Wahrnehmung (und wir kennen keine andere) produziert Daten und verarbeitet diese. Aus diesen Daten kann die Wahrnehmung keine Existenzen aufbauen. Wenn es dazu kommen würde, müsste die Wahrnehmung danach diese Existenz wieder irgendwie wahrnehmen. D.h. eine Existenz stellt innerhalb der Wahrnehmungsauswertung keinerlei Lösung dar.

Das Verstehen der Datenzusammenhänge muss sich in einem Auswertungsprozess ergeben (das Datenformat der Sinnesdaten wird dabei nicht gewechselt), der die Bedeutungszusammenhänge einer Wahrnehmungswirkung widerspiegelt. Die Auswertung muss die Bedeutungszusammenhänge der Wirkung durchspielen und nicht Existenzen aufbauen.

Die Auswertung einer sensorischen Wahrnehmung muss somit ein Experte im Umgang mit Bedeutungszusammenhängen sein.
Vielleicht ist es „Zufall“, aber das Gehirn kann sozusagen gar nichts anderes, als mit Bedeutungszusammenhängen umzugehen. (Ja, so sind sie, die neuronalen Netze…).

Ich vermute:
„Farben“ sind keine Existenz, sondern ein, ins Bewusstsein eingerechnetes Verstehen der Sehdaten.
Ich vermute weitergehend, dass Farben nur ein Teil eines grösseren Verstehens sind und gar nicht getrennt davon „auftreten“ können.
Ich spreche von einer Kombination aus Körper- und Raumvorstellung.
Nur wenn das Gehirn die Sehdaten in eine Körper-/Raumvorstellung „einrechnet“, kommt es zum „Farbverstehen“.
„Farben“ sind sozusagen die ideale Lösung, um für einen Punkt im Raum, ohne Positionsänderung, die Ausprägung eines dreidimensionalen Wertebereichs (die Sinnesdaten für spezielle Lichtfrequenzanteile - übersetzt: Rot, Grün, Blau einschliesslich Hell/Dunkel) zu verstehen.

closs hat geschrieben:Du wirst nicht müde, dass man nur "von der rechten Seite", also von der Wahrnehmung her "EXistenz" definieren könne - gleichzeitig sagst Du: "In einer Wahrnehmung gibt es keine Existenzen".
Im Gehirn musste es auf Grund der sensorischen Wahrnehmung, über die 640Mio Jahre seiner Entwicklung, ohne Wissen über die „linken Seite“, zu einem eigenen Entwurf von „Existenzverstehen“ kommen.
In wie weit sich die physikalischen Sachverhalte (der „linken Seite“) an diesen Entwurf halten, ist sehr fraglich. In der gewohnten Auflösung passt es, aber sowohl im extrem Kleinen, als auch im extrem Grossen, gibt es Schwierigkeiten.

Wenn du der Meinung bist, dass die Wahrnehmungsinhalte („Farben“, „Töne“, „Schmerzen“ „Ich“ usw.) existieren, so wie wir diesen Begriff für Objekte und Zusammenhänge der Aussenwelt verwenden, dann musst du erklären, was es jeweils sein soll, wie man vom elektrischen Impuls dorthin kommt und wie die vielen Krankheits- und Verletzungssymptome zu erklären sind – ich bin gespannt…

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Bei deiner „Idee“ wird kein Aussenreiz nachgewiesen, denn du hast (wie du selbst sagst) keinen Zugang.
Der Außenreiz kommt von den "Abbildungen"/"Einzelwahrnehmungen" - daraus schließt man darauf, wie die "Idee" dazu zu verstehen ist.
Ich verstehe:
Nachdem einem „Betroffen“ zuerst davon erzählt wurde, übt er sich in Autosuggestion und ist begeistert, dass die „Idee“ funktioniert – nur wusste er bereits vorher, dass er begeistert sein möchte.

closs hat geschrieben:…ist im allgemeinen festzustellen, dass die "innerbetriebliche" Feststellung eines methodisches Systems, es handle sich dabei um Autosuggestion, fast oder gar gänzlich alternativlos sein muss, weil der eigenen Methode überhaupt nichts anderes übrig bleibt.
„innerbetrieblich“ ist nett gesagt.
Halten wir fest, dass du für die so genante „betriebliche Umgebung“ nicht sagen kannst, was sie sein soll und keinerlei Hinweise, und Notwendigkeiten vorlegen kannst.

---
---

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es sind die Sinneszellen, nicht die Neuronen.
primäre Sinneszelle = Neuron. Beispiel: Riechzellen in der Nase
sekundäre Sinneszelle = Epithelzelle. Beispiel: Netzhaut
Hört sich gut an.

Ich habe bereits geschrieben, dass es sich bei Sinneszellen nicht um Neuronen handelt, wie sie in der Auswertung des Gehirns vorkommen.

Ich denke, dass es sinnvoll ist, die Aufgabenbereiche eindeutig zu trennen. Wenn die Lösung für das Bewusstseinsrätsel allein im Gehirn liegt (was ich vermute), dann wird es extrem schwer sein, dies zu begreifen und zu vermitteln. Deshalb schön die Aufgaben auseinander halten.

Aus meiner Sicht ist…
-…eine Sinneszelle eine Art Ausgangspunkt für das Einspeisen von Eingangsdaten
-…ein sonstiges Neuron, eine Möglichkeit um mindestens einen Bedeutungszusammenhang auszudrücken
-…ein Motoneuron im Grunde eine Art Ergebnisausgabe für die Körperfunktionen

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#1916 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 4. Nov 2015, 19:46

Halman hat geschrieben:Da es meiner Meinung nach gut in diese Diskussion passt, habe ich die Lesung Ich denke also bin ich von René Descartes rausgesucht.
Super!!! :thumbup:

JackSparrow hat geschrieben:Weil sie traurig waren, ihr Gehirn nie für irgendwas Praktisches eingesetzt zu haben.
Wenn man den von Halman eingestellten Vortrag lesen und verstehen würde, wären die letzten 190 von 200 Seiten nicht nötig. - Descartes trifft den Nagel auf den Kopf.

Dass Descartes mit seiner "Zirbeldrüse" unrecht hatte, berechtigt uns nicht, ihn als fasifiziert zu bezeichnen. - Umgekehrt ist richtig: Hätte man Descartes heute nicht vergessen, stünden wir erkenntnis-theoretisch woanders. - Unsere Zeit ist hinter Descartes und (in anderem Kontext) hinter Hiob zurückgefallen.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#1917 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mi 4. Nov 2015, 19:57

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Da es meiner Meinung nach gut in diese Diskussion passt, habe ich die Lesung Ich denke also bin ich von René Descartes rausgesucht.
Super!!! :thumbup:
Naja...
Die erste Hälfte fand ich auch gut.

Der zweite Teil, mit der Analogie eines Stücks Wachs belegt nur sein oberflächliches, von der Alchemie geprägten Wissens seiner Zeit. Heute kennen wir die Gesetze und Prozesse die zu Zustandsänderungen von Materie führen sehr viel besser.

closs hat geschrieben:Dass Descartes mit seiner "Zirbeldrüse" unrecht hatte, berechtigt uns nicht, ihn als fasifiziert zu bezeichnen. - Umgekehrt ist richtig: Hätte man Descartes heute nicht vergessen, stünden wir erkenntnis-theoretisch woanders. - Unsere Zeit ist hinter Descartes und (in anderem Kontext) hinter Hiob zurückgefallen.
Natürlich ist nicht alles was Descartes sagte, widerlegt.
Allerdings repräsentierte für ihn die Zirbeldrüse das zentrale Element seiner These des Körper/Seele Dualismus. Somit gilt seine falsche Einschätzung der Funktion der durchaus als Falsifizierung des ganzen Konzepts seines Dualismus.
Wie dem auch sei... die eigentliche Falsifizierung seines Dualismus wurde durch physikalische Argumente erwiesen. Somit besteht unter den Experten kein Zweifel mehr an der Falschheit des cartesianischen Dualismus.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#1918 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 4. Nov 2015, 20:05

SilverBullet hat geschrieben:Wie verhältst du dich, wenn jemand vor dir steht und mit der „Gewissheit des Hineinfühlens“ von seinem „geistigen Auftrag“ berichtet, der dir ganz gar nicht gefällt?
Der geistige Bereich ist höchst heterogen besetzt - hier kann der größte Mist verzapft werden, der für den Außenstehenden von Wahrheit nicht unterscheidbar ist.

SilverBullet hat geschrieben:Ich vermute weitergehend, dass Farben nur ein Teil eines grösseren Verstehens sind und gar nicht getrennt davon „auftreten“ können.
Kippt man Deine innerweltlich gemeinte Aussage ins Vertikale, sind wir beim geistigen Denken. - Siehe auch Heidegger in seiner Argumentations-Ebene: „Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor.“

SilverBullet hat geschrieben:In wie weit sich die physikalischen Sachverhalte (der „linken Seite“) an diesen Entwurf halten, ist sehr fraglich.
Die "linke Seite" ist im geistigen Kontext keine physikalische Größe.

closs hat geschrieben:Nachdem einem „Betroffen“ zuerst davon erzählt wurde, übt er sich in Autosuggestion
Du scheinst ein Freudianer zu sein: "Einer hat mal was gesagt, und das hat sich halt rumgesprochen". - Ich halte es eher wie Jung: "Es gibt in uns etwas, was uns von sich aus zum Wahren zieht - egal, wie gut dies im Einzelfall gelingt". - Zwei ganz unterschiedliche Auffassungen.

SilverBullet hat geschrieben:Halten wir fest, dass du für die so genante „betriebliche Umgebung“ nicht sagen kannst, was sie sein soll und keinerlei Hinweise, und Notwendigkeiten vorlegen kannst.
Im Sinne Deiner innerbetrieblichen Methodik geht das nicht. - Was schließen wir daraus? - Dass Wahrnehmung/Methodik nicht der Maßstab für Sein ist.

Hör Dir mal Halmans eingebrachten Vortrag von Descartes an. - Eigentlich sagt er nur besser, was ich seit 200 Seiten zu sagen versuche (nebenbei: ich habe mich erst in diesem Forum mit Descartes beschäftigt - man kann also wirklich selber draufkommen, wenn man konsequent nachdenkt).

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#1919 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 4. Nov 2015, 20:10

Pluto hat geschrieben:Der zweite Teil, mit der Analogie eines Stücks Wachs belegt nur sein oberflächliches, von der Alchemie geprägten Wissens seiner Zeit. Heute kennen wir die Gesetze und Prozesse die zu Zustandsänderungen von Materie führen sehr viel besser.
Darum geht es doch gar nicht - es geht nicht um Wachs oder Chemie, sondern um "das Objekt" an sich. - Er hätte auch einen Stuhl wählen können.

Pluto hat geschrieben:Wie dem auch sei... die eigentliche Falsifizierung seines Dualismus wurde durch physikalische Argumente erwiesen.
Es ist schlechthin nicht möglich, Descartes physikalisch zu widerlegen - man könnte ihn allenfalls geistig widerlegen.

Was Du wahrscheinlich meinst: Die cartesianischen Vorstellungen über die Verbindung von Geist und Körper sind falsch/falsifizierbar/falsifiziert - das glaube ich genauso. - Aber darum geht es in dem Vortrag nicht - hier geht es um pure Ontologie: Was "ist" Ich? - Was "ist" Wahrnehmung? - Was "ist" Wahrgenommenes? ---- Ganz andere Fragestellungen.

Mich würde wirklich interessieren, wie man seine geistigen Aussagen widerlegen könnte. - Durch Physik??????

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#1920 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Münek » Mi 4. Nov 2015, 20:22

sorry

Antworten