Sein und Wahrnehmung II

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Pluto
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#181 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » Di 8. Dez 2015, 22:46

SilverBullet hat geschrieben:Bei Menschen, die eine entsprechende Verletzung an der Wirbelsäule erleiden, hört das Empfinden schlagartig auf.
Du meinst, querschittgelähmte Menschen können danach nicht mehr Liebe empfinden? :o

SilverBullet hat geschrieben:Wenn ich es richtig verstanden habe, kommen lediglich elektrische Impulse im Gehirn an – das Gehirn hat keine andere Art von Input.
Das ist auch ein Fehler. Sicher kann das Gehirn auch auf andere Botschaften reagieren, z. Bsp. auch auf hormonelle Reize.
Der Körper produziert Hormone, die durchaus in der Lage sind die Nervenzellen zu ereichen und das Gehirn zu stimulieren (beeinflussen); von den Hirn eigenen Hormonproduzenten wie die Hypophyse oder die Zirbeldrüse, ganz zu schweigen.

SilverBullet hat geschrieben:Wenn man nun mit dem Wort „Empfindung“, eine, zum elektrischen Impuls, parallele Funktion andeutet, dann sollte man genau sagen, was das sein soll und wie das Gehirn diese Art von Daten verwalten können soll.
Das ist ja gerade der Punkt: Das Gehirn reagiert eben nicht nur auf elektrische Impulse.

SilverBullet hat geschrieben:Ich sehe aktuell keinen Anlass die Wahrnehmung und das „Rätsel des Bewusstseins“ durch „Erweiterung der Verdachtsmomente auf den gesamten Körper“ zu verkomplizieren.
Es sind keine Verkomplizierungen.

Wenn ein Teil der Nerven durch einen Unfall ausfallen (Querschnittslähmung), dann können empfängt das Gehirn von dort keine Signale mehr, was völlig logisch ist, aber keinerlei Beweis darstellt, dass wir nur mit dem dem Gehirn senken.

Tatsache ist, wir denken nicht nur mit dem Gehirn, sondern mit dem gesamten Körper.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Münek
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#182 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Münek » Di 8. Dez 2015, 23:22

Pluto hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn man nun mit dem Wort „Empfindung“, eine, zum elektrischen Impuls, parallele Funktion andeutet, dann sollte man genau sagen, was das sein soll und wie das Gehirn diese Art von Daten verwalten können soll.
Das ist ja gerade der Punkt: Das Gehirn reagiert eben nicht nur auf elektrische Impulse.

Sehr richtig! Ein Mangel an Serotonin (Gewebshormon, Neurotransmitter) im
Zentralnervensystem beispielsweise führt zu Depressionen.

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#183 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von JackSparrow » Mi 9. Dez 2015, 01:12

SilverBullet hat geschrieben:Wenn ich es richtig verstanden habe, kommen lediglich elektrische Impulse im Gehirn an – das Gehirn hat keine andere Art von Input
Da kommen alle Substanzen an, die Blut-Hirn-Schranken-gängig sind. Inklusive Drogen, Vorstufen von Neurotransmittern und diverse Hormone.

Beim Hormonsystem handelt es sich um den evolutionären Vorgänger des Nervensystems. Wenn die Abstände kleiner werden, sagt man nicht mehr "Hormon", sondern "Neurotransmitter". Der Mechanismus bleibt der gleiche. Deshalb sind auch die Schaltstellen zwischen Gehirn und Peripherie nicht elektrisch, sondern chemisch.

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#184 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Mi 9. Dez 2015, 11:29

Zum Körper (insgesamt):

Es geht um die Behauptung, dass die „mentalen Fähigkeiten“ (lesen und schreiben von Textbeiträgen) durch den gesamten Körper zustande kommen, dass wir also mit „dem gesamten Körper denken“ können sollen.

Das kann man umgangssprachlich verstehen und es sich zu einem „der Körper trägt irgendwie zum Denken bei“ hinbiegen.

Oder man fasst es exakt auf und überlegt sich, welchen Beitrag der „kleine Zeh“ zu den „mentalen Fähigkeiten“ leistet.

Wenn man Neurowissenschaftler beobachtet, wird man feststellen, dass das "feinstoffliche Verhalten des kleinen Zehs“ nicht gerade im Mittelpunkt steht.
Die Forscher gehen vermutlich nicht von dieser exakten „Ganz-Körper-Denk“-Interpretation aus (aus meiner Sicht: ist das sehr vernünftig).

Es gibt wohl aus dem asiatischen Meditationsumfeld die Legende, dass man durch viel Konzentrations-Übung, bei der die Körperzellen „stimuliert“ werden sollen, die Denkfähigkeit auch in anderen Köperbereichen „aktivieren“ können soll.
Ich warte aber lieber mal, bis die Forschung einen eindeutigen Fall bestätigt.

Zum Gehirn:

Aus meiner Sicht ist es ein Unterschied, ob das Gehirn in der Arbeitsweise beeinflusst wird, oder ob es mit Eingaben umgeht.

Selbstverständlich wirkt sich die Versorgung des Gehirns auf die Aktivität aus. Das Auswirken ist aber an sich, kein Denken.

Ausdauersportler, die nicht exakt auf ihre Zuckerversorgung achten, werden unmerklich langsamer in ihren Reaktionen – davon ist auch das Gehirn betroffen.

Bei Krankheiten (Fieber) ist auch das Denken irgendwie vernebelt (zumindest hoffe ich, dass dies nicht nur bei mir der Fall ist).

Wenn das Gehirn (z.B. im Alter) stofflich zerfällt, dann verändert sich das Denken: Funktionen verschwinden.

In der Pubertät (hormonelle Umgestaltung) weiss so manch ein „Muskelträger“ nicht, was er gerade macht.

Beeinflussung: ja
Aber Ganzkörper-Denkzusammenhänge (realisiert über die Stoffe im gesamten Körper), als „Alternative/Zusatz“ zu den Auswertungen der elektrischen Impulse im Gehirn, erkenne ich nicht.

__________________________________________________

Pluto hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Bei Menschen, die eine entsprechende Verletzung an der Wirbelsäule erleiden, hört das Empfinden schlagartig auf.
Du meinst, querschittgelähmte Menschen können danach nicht mehr Liebe empfinden?
Nein, wieso?
Hier geht es doch um das von dir behauptete „Denken mit dem ganzen Körper“.

In diesen Fällen fällt das Körperempfinden durch Unfall weitgehend aus, aber das Denken ist nach wie vor intakt – wie erklärst du dir das, in Hinsicht auf deine Behauptung?

Aus meiner Sicht verhält es sich so:
Querschnittsgelähmte Menschen verlieren ihren Zugang zum Körper (z.B. vom Hals abwärts), aber sie verfügen selbstverständlich über alle Denkmöglichkeiten – ganz einfach, weil der ganze Körper zwar Daten liefern würde, wir aber nicht mit dem ganzen Körper denken.

Pluto hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn ich es richtig verstanden habe, kommen lediglich elektrische Impulse im Gehirn an – das Gehirn hat keine andere Art von Input.
Das ist auch ein Fehler. Sicher kann das Gehirn auch auf andere Botschaften reagieren, z. Bsp. auch auf hormonelle Reize.
Beeinflussung ist möglich (siehe oben), aber ein Verarbeiten, in Form von Milliarden an möglichen Auswertungsnuancen ist (aus meiner Sicht) der Verschaltung vorbehalten.

Beeinflussung ist kein Input und auch keine Verarbeitung.

Pluto hat geschrieben:Der Körper produziert Hormone, die durchaus in der Lage sind die Nervenzellen zu ereichen und das Gehirn zu stimulieren
Das hier ist ein wichtiger Punkt:
Sind dies dann körperinterne Sinneszellen, die auf Hormoneinwirkung mit der Abgabe von elektrischen Impulsen reagieren oder werden diese Nervenzellen durch die Hormonsituation gebremst oder verstärkt?

Selbstverständlich geht das Nervensystem durch den gesamten Körper (vor diesem Hintergrund habe ich ja meine Prozentangabe erhöht).
Aber zu sagen: „wir denken mit dem ganzen Körper“ halte ich für viel zu weit hergeholt.

Im Hinblick auf unseren Ausgangspunkt der „mentalen Fähigkeiten“ könnte man fragen:
Welchen Denkanteil soll der „kleine Zeh“ leisten, wenn hier ein Textbeitrag gelesen oder geschrieben wird?

Pluto hat geschrieben:Tatsache ist, wir denken nicht nur mit dem Gehirn, sondern mit dem gesamten Körper.
Wenn es eine Tatsache sein soll, dann kannst du bestimmt detailliert aufzeigen, wie dieses „Denken“ abläuft und funktioniert – sagen wir im „kleinen Zeh“.
(Das Wort „Tatsache“ sollten wir uns für bessere Zeiten aufheben)

Selbst im Gehirn (also weit weg vom kleinen Zeh) gilt:
Die Virtualität der neuronalen Schaltauswertung stellt auch für Hormone und sonstige Körpervorgänge eine unüberwindliche Barriere dar.

Wenn es keine speziellen Rezeptorzellen als Eingabeschnittstelle gibt, dann kann die aktive Verschaltung eine Beeinflussung von aussen im Grunde nur durch Unstimmigkeiten im Ablauf feststellen (z.B. zeitliche Veränderungen – Trägheit).

Dass diese Situationen aber im Denken eine Rolle spielen, liegt dann nicht an der Denkleistung in den Hormonsituationen, sondern an der expliziten Reaktion innerhalb der Schaltauswertung.

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Münek hat geschrieben:Ein Mangel an Serotonin (Gewebshormon, Neurotransmitter) im
Zentralnervensystem beispielsweise führt zu Depressionen.
Ich habe es so verstanden, dass Depression viele verschiedene Ursachen haben kann.

Das kann man als Hinweis verwenden, dass das Denken nicht aus diesen Stoffen besteht, sondern, dass das Gehirn im Ablauf beeinflusst wird und bei Mangelerscheinungen das Denken nicht mehr optimal stattfinden lassen kann.

Eine detaillierte Analyse kann „das Denken“ selbst aber nicht durchführen, weil diese biochemischen Stoffe keinen eigenen Denkvorgang darstellen.

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JackSparrow hat geschrieben:Da kommen alle Substanzen an
Richtig, das Gehirn muss versorgt werden (mit Energie, mit Baumaterial, mit Abwehrstoffen, mit Wasser usw.) - aber das ist die Versorgung, sozusagen das Aufrechterhalten der Gehirnabläufe über die das Denken stattfindet.

Diese Stoffe selbst stellen jedoch keinen Denkvorgang dar – es braucht dazu (aus meiner Sicht) eine aktive Verschaltung.

Pluto
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#185 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » Mi 9. Dez 2015, 13:20

SilverBullet hat geschrieben:Das kann man umgangssprachlich verstehen und es sich zu einem „der Körper trägt irgendwie zum Denken bei“ hinbiegen.
Das ist richtig. Genauso isses!

SilverBullet hat geschrieben:Oder man fasst es exakt auf und überlegt sich, welchen Beitrag der „kleine Zeh“ zu den „mentalen Fähigkeiten“ leistet.
Wenn man Neurowissenschaftler beobachtet, wird man feststellen, dass das "feinstoffliche Verhalten des kleinen Zehs“ nicht gerade im Mittelpunkt steht.
Doch!
Kennst du nicht das Gedicht von Eugen Roth?

Ein Mensch, der schrecklich Zahnweh hat,
Gibt gern dem frommen Wunsch statt,
Es möchte seines Schmerzens Quelle
Verlagern sich an andre Stelle.
Er hält sich nämlich für gewiss,
nichts quäle so wie das Gebiss.
Gerührt von seinen bittren Tränen,
Entfährt der Teufel seinen Zähnen.
Und rückt den frei gewordnen Schmerz
dem Wunsch entsprechend anderwärts.
Der Mensch, nun mehr mit Hämorrhoiden,
ist ausgesprochen unzufrieden.
Und sucht den Teufel zu bewegen,
den Schmerz von neuem zu verlegen.
Dass man die gute Absicht sehe,
Schlüpft nun der Teufel in die Zehe,
der Mensch, geschunden ungemindert
fühlt sich noch obendrein behindert,
im Bette muss er liegen still
und kann nicht hingehn, wo er will.
Jedoch nach den gehabten Proben,
lässt er den Schmerz geduldig toben –
und das beruhigt Ihn am ehsten:
Denn, wo´s grad weh tut, tut´s am wehsten!


SilverBullet hat geschrieben:Diese Stoffe selbst stellen jedoch keinen Denkvorgang dar – es braucht dazu (aus meiner Sicht) eine aktive Verschaltung.
Oder aber eine Herabsetzung des Potentials der Synapsen, wie es bei Drogen und Botenstoffen der Fall ist, dann fängt das System alleine an zu schwingen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#186 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von JackSparrow » Mi 9. Dez 2015, 15:48

SilverBullet hat geschrieben:Aus meiner Sicht ist es ein Unterschied, ob das Gehirn in der Arbeitsweise beeinflusst wird, oder ob es mit Eingaben umgeht.
Wenn im Gehirn zu wenig Glukose ankommt, ist das auch eine Eingabe. Dann könnte man zum Beispiel auf den Gedanken kommen, dass mal wieder eine Nahrungsaufnahme erforderlich ist.

Hunger kann sich ganz extrem auf die Denkfähigkeit auswirken. Genau wie Testosteron, wenn die Pubertät einsetzt (das gehört zu den wenigen Hormonen, die überhaupt die Blut-Hirn-Schranke passieren können). Man könnte sagen, solche Dinge sind dem Denken übergeordnet.

Das Auswirken ist aber an sich, kein Denken.
Unter Denken verstehen wir Dinge, die an die Großhirnrinde gemeldet werden und dort einen zusätzlichen Schaltkreis durchlaufen, so dass die Reaktion noch abgebrochen werden kann, falls es die Situation erfordert.

Das trifft hauptsächlich auf Mimik, Gestik und Sprache zu. Der ganze Rest verläuft unbewusst. Warum auch nicht - wenn wir es sowieso nicht ändern können, wäre jedes Nachdenken verschwendete Energie.

Sind dies dann körperinterne Sinneszellen, die auf Hormoneinwirkung mit der Abgabe von elektrischen Impulsen reagieren oder werden diese Nervenzellen durch die Hormonsituation gebremst oder verstärkt?
Der Großteil aller Nervenzellen reagiert auf Botenstoffe. Auch im Gehirn. Rein elektrische Synapsen (Direktverbindung ohne Botenstoffe) existieren zwar, sind aber eher die Ausnahme.

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#187 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Mi 9. Dez 2015, 17:15

Im Raum standen die Aussagen „der Menschen hat mentale Fähigkeiten“ und „der Mensch denkt mit seinem ganzen Körper“.

Wenn ich nun die Begriffe „Synapsen“, „Botenstoffe“ und „Potential“ lese, dann soll es sich hierbei offensichtlich um eine Verfeinerung der „mentalen Fähigkeiten, des Denkens“ auf das Nervensystem handeln – damit sind wir aber schon mal weg vom Gesamtlebewesen „Mensch“.

Wenn dann noch „Blut-Hirn-Schranke“ und „Grosshirnrinde“ auftauchen, scheint sich der Bereich mehr auf das Gehirn einzuschränken.

Muskulatur, Knochen, Sehnen, Bänder, Knorpel, Blut usw. (also irgendwie alles, was viel Gewicht hat) spielen offensichtlich keine Rolle bzw. sind Körperanteile, die rund um die Wahrnehmung zum Einsatz kommen, hinter denen aber keine „mentale Fähigkeit“ vermutet wird.

______________________________________

JackSparrow hat geschrieben:Wenn im Gehirn zu wenig Glukose ankommt, ist das auch eine Eingabe. Dann könnte man zum Beispiel auf den Gedanken kommen, dass mal wieder eine Nahrungsaufnahme erforderlich ist.
Ja – „könnte man“.

Aber wie genau soll es ablaufen?

Wie sieht (falls es das gibt) die Sensorik für Glukose aus, wie das „Datenformat“, wie die Auswertung und aus was besteht am Ende „der Gedanke zur Nahrungsaufnahme“?

Mit jeder einzelnen dieser Fragen ist man weit weg vom Begriff „Mensch“ oder der Aussage „der Mensch denkt mit seinem ganzen Körper“.

Hier sind neue Details gefragt, die am Ende über die „statisch vorhandene Technik“ hinausgehen.

JackSparrow hat geschrieben:Unter Denken verstehen wir Dinge, die an die Großhirnrinde gemeldet werden und dort einen zusätzlichen Schaltkreis durchlaufen, so dass die Reaktion noch abgebrochen werden kann, falls es die Situation erfordert.
Mit dieser Festlegung verabschiedet man sich allerdings endgültig von der Behauptung:
„der Mensch denkt mit seinem ganzen Körper“.

(Diese konkrete Einschränkung auf Teilbereiche des Gehirns traue ich mir nicht zu)

„Schaltkreis“ ist dann sogar schon innerhalb des Teilbereichs im Gehirn eine Detailverfeinerung.

(das unterstütze ich wiederum – allerdings auch aufs gesamte Gehirn bezogen)

JackSparrow hat geschrieben:Der Großteil aller Nervenzellen reagiert auf Botenstoffe. Auch im Gehirn. Rein elektrische Synapsen (Direktverbindung ohne Botenstoffe) existieren zwar, sind aber eher die Ausnahme.
Wenn man die Arbeitsweise des Gehirns funktional in den Griff bringen möchte, dann halte ich es für sinnlos, wenn man lokale Details ins Zentrum setzt – wen „elektrisch“ stört, der kann auch nur „biochemischer Impuls“ oder „Impuls“ verwenden, aber darunter können sich nur noch weniger Leute etwas vorstellen. Das Bild eines „blitzenden Gehirns“ haben hingegen schon sehr viele Menschen gesehen.

(man könnte diese Detailgenauigkeit vielleicht damit vergleichen, dass Programmierer anstatt mit 0 und 1 von Spannungspegeln zwischen a0/a1 und b0/b1 sprechen - was diese Leute aber garantiert nur in hardwarespezifischen Ausnahmefällen durchführen)

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#188 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » Mi 9. Dez 2015, 18:13

SilverBullet hat geschrieben:Im Raum standen die Aussagen „der Menschen hat mentale Fähigkeiten“ und „der Mensch denkt mit seinem ganzen Körper“.

Wenn ich nun die Begriffe „Synapsen“, „Botenstoffe“ und „Potential“ lese, dann soll es sich hierbei offensichtlich um eine Verfeinerung der „mentalen Fähigkeiten, des Denkens“ auf das Nervensystem handeln – damit sind wir aber schon mal weg vom Gesamtlebewesen „Mensch“.
Im Gegenteil: Wir erweitern das "Denken" vom Gehirn zum ganzen Körper.
m Grunde ist das Gehirn ein Organ wie jedes andere auch. Seine Hauptaufgabe besteht darin, den geistigen Prozess zu erzeugen, der die Homöostase des Individuums sichert.
Das Planerische, Erfinderische, die Symbolik — alles was wir mit Denken assoziieren ist ein Nebenprodukt dieser primären Aufgabe.

SilverBullet hat geschrieben:Muskulatur, Knochen, Sehnen, Bänder, Knorpel, Blut usw. (also irgendwie alles, was viel Gewicht hat) spielen offensichtlich keine Rolle bzw. sind Körperanteile, die rund um die Wahrnehmung zum Einsatz kommen, hinter denen aber keine „mentale Fähigkeit“ vermutet wird.
Weißt du was ein Adrenalin-Rausch ist, SilverBullet?

Das ist wenn u.a. Adrenalin ausgestoßen wird, und den Körper auf Kampf oder Flucht vorbereitet. Der Körper wird dadurch in Alarmbereitschaft versetzt und Höchstleistungen getrimmt. Meist wird das auch durch eine Herabsetzung des Schmerzempfindens begleitet.

Das ist mir ein wenig viel körperliche Stimulation, dafür dass periphäre Körperteile "keine Rolle" spielen sollen.


SilverBullet hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben:Wenn im Gehirn zu wenig Glukose ankommt, ist das auch eine Eingabe. Dann könnte man zum Beispiel auf den Gedanken kommen, dass mal wieder eine Nahrungsaufnahme erforderlich ist.
Ja – „könnte man“.

Aber wie genau soll es ablaufen?
Ganz einfach. Es läuft über simple körpereigene Rückkopplungsmechanismen ab.
Sensoren (Neuronale Netzwerke) überwachen ständig den Blutzuckergehalt und wahrscheinlich auch den Füllzustand des Magens. Sinken die Werte unter einen gewissen Sollpegel ab, so wird ein Signal an das Gehirn geleitet:
Es entsteht das Hungergefühl.

SilverBullet hat geschrieben:Mit jeder einzelnen dieser Fragen ist man weit weg vom Begriff „Mensch“ oder der Aussage „der Mensch denkt mit seinem ganzen Körper“.
Im Gegenteil... Der Gedanke, dass es so ist, zwingt sich immer mehr auf, je länger man sich damit befasst.

SilverBullet hat geschrieben:Hier sind neue Details gefragt, die am Ende über die „statisch vorhandene Technik“ hinausgehen.
Das sind keine neuen Details. Wurde alles in den letzten 30 Jahren akribisch erforscht. Dazu empfehle ich dir das Buch des Neurologen und Verhaltensforschers Antonio Damasio Der Spinoza Effekt. Das Buch enthält auch eine sehr iteressante Kurzbiografie von Baruch Spinoza.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#189 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Mi 9. Dez 2015, 18:56

Pluto hat geschrieben:m Grunde ist das Gehirn ein Organ wie jedes andere auch. Seine Hauptaufgabe besteht darin, den geistigen Prozess zu erzeugen, der die Homöostase des Individuums sichert.
Das Planerische, Erfinderische, die Symbolik — alles was wir mit Denken assoziieren ist ein Nebenprodukt dieser primären Aufgabe.
Damit ist eigentlich alles gesagt:

Will man das Zustandekommen des „Denkprozesses“ untersuchen, muss man sich mit dem Gehirn beschäftigen.

Warum du auf dem „Denken mit dem ganzen Körper“ bestehst, kann ich an Hand deiner eigenen Aussage nicht nachvollziehen.

Zum Thema Adrenalin:
Adrenalin und das Zentralnervensystem
Hier steht nichts davon, dass „mit“ oder „über“ Adrenalin gedacht wird.
Zitat-Wiki:“
Das zentrale Nervensystem nimmt den Stressor wahr, daraufhin wird der Hypothalamus aktiv und aktiviert den Sympathicus. Dessen anregende Wirkung auf das Nebennierenmark bewirkt dessen Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin.


Die Steuerfunktion geht somit vom zentralen Nervensystem aus – da denkt nicht zuerst noch der „ganze Körper“.

Pluto hat geschrieben:Sinken die Werte unter einen gewissen Sollpegel ab, so wird ein Signal an das Gehirn geleitet:
Es entsteht das Hungergefühl.
Schon wieder arbeitest du mit Sensoren, Signalen und dem „Entstehen von Hungergefühlen“.
Ich kann nicht erkennen, wodurch die Aussage „wir denken mit dem ganzen Körper“ gerechtfertigt ist.
Es sieht eher nach dem Zentralnervensystem und im Speziellen, nach dem Gehirn aus.

Pluto hat geschrieben:Das sind keine neuen Details. Wurde alles in den letzten 30 Jahren akribisch erforscht. Dazu empfehle ich dir das Buch des Neurologen und Verhaltensforschers Antonio Damasio Der Spinoza Effekt. Das Buch enthält auch eine sehr iteressante Kurzbiografie von Baruch Spinoza.
Prima, dann verwende das Buch, um die Fragen zu beantworten:
Zitat-SilverBullet:“
Wie sieht (falls es das gibt) die Sensorik für Glukose aus, wie das „Datenformat“, wie die Auswertung und aus was besteht am Ende „der Gedanke zur Nahrungsaufnahme“?

(der letzte Teil der Frage ist besonders wichtig – sollte es zu Glukose keine Antwort geben, dann dürfen es gerne auch die Details zum Zustandekommen eines anderen „Gedankens“ sein)

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#190 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von JackSparrow » Mi 9. Dez 2015, 19:05

SilverBullet hat geschrieben:Muskulatur, Knochen, Sehnen, Bänder, Knorpel, Blut usw. (also irgendwie alles, was viel Gewicht hat) spielen offensichtlich keine Rolle bzw. sind Körperanteile, die rund um die Wahrnehmung zum Einsatz kommen, hinter denen aber keine „mentale Fähigkeit“ vermutet wird.
"Mental" ist kein eindeutig definierter Begriff. "mens" heißt "Absicht", "Wille" und "Verstand". Wenn der Körper die Absicht hat zu überleben, ist auch der Körper mental. Nur nicht ganz so mental wie das Gehirn, weil das Gehirn eben noch paar zusätzliche Fähigkeiten bereitstellt.

Aber wie genau soll es ablaufen?
Der Hypothalamus und die Leber haben für Glukose eigene Rezeptoren. Man könnte sagen, da wirkt Glukose selbst wie ein Hormon. Der Hypothalamus befindet sich schon im Gehirn. Die Leber ist über den Vagusnerv ans Gehirn angeschlossen.

Auch führt ein niedriger Blutzuckerspiegel unter anderem zu einem niedrigeren Insulin- und einem höheren Glucagonspiegel. Dafür gibt es natürlich auch wieder diverse Rezeptoren.

Wie sieht (falls es das gibt) die Sensorik für Glukose aus, wie das „Datenformat“, wie die Auswertung und aus was besteht am Ende „der Gedanke zur Nahrungsaufnahme“?
Chemische Synapsen setzen Botenstoffe frei, die sich dann außerhalb der Zellen befinden und an die Rezeptoren der nächsten Zelle andocken. Elektrische Synapsen sind direkt an die nächsten Zelle angeschlossen und schicken einfach ihre Ladung weiter.

Da das Nervensystem auch an die Muskeln angeschlossen ist, ergibt sich daraus irgendwann mal eine Handlung. Die kann entweder bewusst (Skelettmuskulatur) oder vollautomatisch sein (Darm, Bronchien, Arterien).

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