Sein und Wahrnehmung II

Säkularismus
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JackSparrow
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#171 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von JackSparrow » Fr 4. Dez 2015, 22:59

Pluto hat geschrieben:Es braucht keinen Spiegel, denn das Gehirn arbeitet rekursiv. Selbstbetrachtungen (in der ersten Person) sind hier einfach Gedanken höherer Ordnung.
Also Vorstellungen.


Thaddäus hat geschrieben:Ich halte Bewusstein und Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, sich selbst beobachten zu können nicht für metaphysische Entitäten
Und ich halte "Beobachtung" für einen Vorgang, welcher ein Sinnesorgan involviert. An etwas zu denken, sich an etwas zu erinnern oder sich etwas vorzustellen, zähle ich daher nicht zu den Beobachtungen.

Vielmehr bin ich der Überzeugung, dass Bewusstein, Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, sich selbst beobachten zu können, mentale Fähigkeiten unseres Gehirns sind.
Ja, natürlich. Wer in hierarchischen sozialen Gruppen lebt, benötigt einen Mechanismus, mit dem er das eigene Verhalten an das Verhalten anderer Individuen anpassen kann. Weil die anderen Individuen ihn bestrafen oder sogar aus der Gruppe verstoßen würden, wenn er ein zu egoistisches Verhalten zeigen würde.

Die zentrale Frage ist nun, in welcher Beziehung all diese mentalen Fähigkeiten zu hirnphysiologischen Prozessen und den physikalischen Prozessen, auf denen hirnphysiologische Prozesse basieren, stehen?
Hirnphysiologische Prozesse erzeugen Aktionspotenziale. Bewusstsein ist ein zusätzlicher Schaltkreis, der die Aktionspotenziale, die von entwicklungsgeschichtlich älteren Hirnregionen erzeugt wurden, nochmal überprüfen und bei Bedarf umleiten kann, so dass die ursprüngliche Verhaltensweise durch irgendeine Ersatzhandlung kompensiert wird (und sich nach außen als ein Signal von Unterwürfigkeit und Anpassung äußert). Amen.

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#172 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Sa 5. Dez 2015, 08:34

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Wir diskutieren hier, in welcher Beziehung bestimmte mentale Fähigkeiten zu hirnphysiologischen Prozessen und der Physik dieser Prozesse stehen
„Mentale Fähigkeiten“ sehe ich bereits als eine Voraussetzung an, die u.U. nachgewiesen werden müsste.
Mentale Fähigkeiten sind bestimmte Fähigkeiten, die wir bei uns selbst und anderen beobachten können. Dass wir sie beobachten können, ist ihr empirischer Nachweis.

So gehört z.B. das Lesen- und Verstehenkönnen von Beiträgen in diesem Thread sowie das Verfassenkönnen sinnvoller und argumentierender Beiträge hier nach meiner obigen Def. mentaler Fähigkeiten ...

"Ich fasse hierunter sämtliche Denkleistungen, zu denen Menschen fähig sind ..."
... zweifellos zu den oben von mir definierten mentalen Fähigkeiten, denn Lesen- und Verstehenkönnen sowie das Verfassenkönnen sinnvoller und argumentierender Beiträge sind mit Sicherheit Denkleistungen.

Die Tatsache, dass du, ich und die weiteren Mitdiskutanden an dieser Stelle Beiträge, also Texte lesen und verstehen sowie eigene sinnvolle und argumentierende Beiträge verfassen und einstellen und zudem offensichtlich die Technik der Forensoftware beherrschen usw., stellen eindeutig mentale Fähigkeiten nach der gerade gegebenen Definition dar.

Jeder, der hier also Beiträge liest und sinnvolle, argumentierende Beiträge verfasst, besitzt per Definition mentale Fähigkeiten, und er begeht einen unmittelbaren Selbst-Widerpruch, wenn er behauptet, nicht über solche mentalen Fähigkeiten zu verfügen, da er sie bereits anwendet, wenn er sie in seinem schriftlichen Beitrag in Abrede stellt (= performativer Widerspruch, bei dem man etwas aktuell tut und gleichzeitig abstreitet, dass man das tun kann).

Durch meine obige Definition wird die logische Klasse "mentale Fähigkeiten" definitorisch gesetzt, die bestimmte Elemente (nämlich die unter diese Klasse fallenden mentalen Einzelfähigkeiten) enthält, die ich oben aufzähle (wobei diese Aufzählung nicht vollständig sein muss). Nicht zu dieser Klasse von Fähigkeiten gehört z.B. die vor allem körperliche Fähigkeit mancher Menschen, gut Fußball spielen zu können etc.

Will man die Existenz mentaler Fähigkeiten bezweifeln, muss man also erklären können, inwiefern das "Beiträge-lesen-und-verstehen-können" und das "Sinnvolle-und-argumentierende-Beiträge-verfassen-können" NICHT zu den oben definierten mentalen Fähigkeiten bzw. zu den Denkleistungen gehört!


Ich greife diesen Punkt der Antwort von SilverBullet heraus, da es völlig sinnlos ist, sich weiter über den Zusammenhang zwischen mentalen Fähigkeiten und hirnphysiologischen/hirnphysikalischen Prozessen diskutieren zu wollen, solange jemand bestreitet, dass es mentale Fähigkeiten überhaupt gibt! Wir könnten auch nicht sinnvoll weiter diskutieren, wenn jemand bestritte, dass es neurophysiologische und physikalische Prozesse im Gehirn gibt. Dies wird bislang aber von niemandem bestritten, wenn ich das richtig sehe.

Jeder der Mitdiskutanden muss im Weiteren also z.B. dem Satz zustimmen können:
Jeder (gesunde) Mensch verfügt über gewisse mentale Fähigkeiten.
Falls es zu dieser Aussage noch Verständnisfragen gibt, können die natürlich gerne gestellt werden.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 5. Dez 2015, 10:16, insgesamt 1-mal geändert.

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#173 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Sa 5. Dez 2015, 09:35

Thaddäus hat geschrieben:Mentale Fähigkeiten sind bestimmte Fähigkeiten, die wir bei uns selbst und anderen beobachten können. Dass wir sie beobachten können, ist ihr empirischer Nachweis.
Nicht so schnell.

Ich habe dies hier geschrieben:

Zitat-SilverBullet:“
„Mentale Fähigkeiten“ sehe ich bereits als eine Voraussetzung an, die u.U. nachgewiesen werden müsste.
Wenn man es so versteht, dass das Gesamtlebewesen, Fähigkeiten durch seine Wahrnehmung hat, ist diese Formulierung aus meiner Sicht: ok.
Wenn man es so versteht, dass durch das aktive Gehirn, Fähigkeiten stattfinden, ist die Formulierung aus meiner Sicht auch: ok.
Wenn man es so versteht, dass das Bewusstsein, eigenständige Fähigkeiten haben soll, dann muss ich auf einen Beweis für die „Existenz“ und diese „Eigenständigkeit, samt Aktivitätsmöglichkeiten“ bestehen.


Für deine Behauptung ist somit in erster Linie wichtig, wer oder was dieses „wir“ sein soll.

Warum sagst du nicht, wie du es gemeint hast?

Zitat-Thaddäus: „Jeder (gesunde) Mensch verfügt über gewisse mentale Fähigkeiten

Worauf zielst du beim Wort „Mensch“ ab?

Ich vermute auf eine, vom aktiven Gehirn verschiedene „Ich-Instanz“.

Wenn es um diesen Ansatz geht, benötige ich Beweise, die nicht aus dem „Bedeutungs-/Meinungsumfeld“ von Abläufen stammen, deren Zusammenhänge und Herstellung untersucht werden soll.

Ohne diese Beweise entwirfst du lediglich ein schwebendes Kartenhaus, also eine Grundlage, von der aus man mit den Schlussfolgerungen im Grunde nichts anfangen kann.

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#174 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Sa 5. Dez 2015, 11:18

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Mentale Fähigkeiten sind bestimmte Fähigkeiten, die wir bei uns selbst und anderen beobachten können. Dass wir sie beobachten können, ist ihr empirischer Nachweis.
Nicht so schnell.
Das habe ich befürchtet.

SilverBullet hat geschrieben: Für deine Behauptung ist somit in erster Linie wichtig, wer oder was dieses „wir“ sein soll.
Ich schreibe oben doch, wer dieses "wir" ist.
Du, ich, Pluto, JackSparrow (und alle, die sich an diesem Thema mit sinnvollen Beiträgen beteiligen oder noch beteiligen wollen).
Wir haben gute Gründe davon auszugehen, dass sich hinter unseren Nicknames reale Menschen verbergen, die Beiträge lesen, mehr oder weniger gut verstehen und selbst argumentierende Beiträge verfassen und hier einstellen. Wir haben dagegen keine guten Gründe anzunehmen, dass in diesem Thread der hl. Geist unter einem Nickname Beiträge liest, verfasst und einstellt oder ein hochentwickeltes Computerprogramm usw. Willst du hierfür im Ernst erst einen Beweis haben? Das wäre ungefähr so, als wenn wir face to face irgendwo zusammensäßen und du erst einmal verlangtest, ich müsse zunächst meine Existenz beweisen, bevor du dich mit mir unterhalten kannst.

SilverBullet hat geschrieben: Warum sagst du nicht, wie du es gemeint hast?
Ich habe es genau so gemeint!

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Zitat-Thaddäus: „Jeder (gesunde) Mensch verfügt über gewisse mentale Fähigkeiten
Worauf zielst du beim Wort „Mensch“ ab?
Wir schreiben normalerweise Menschen gewisse mentale Fähigkeiten zu, aber nicht Gehirnen. Wir sagen: "Paulo kann gut argumentieren" oder "Paulo kann gut rechnen, gute Beiträge verfassen, komplexe Argumentationen schnell und sicher auffassen" usw.
Wir sagen nicht: "Paulos Gehirn kann gut argumentieren" etc.

Dass wir hier von Menschen und nicht von Gehirnen sprechen liegt einfach daran, dass wir Menschen (über ihre Körperlichkeit) dabei beobachten können, wie sie z.B. auf einem Blatt Papier eine komplizierte Gleichung lösen oder an einem Rechner sitzend einen Beitrag verfassen usw. Dies schließt nicht aus, dass letztlich das Gehirn hinter diesen mentalen Fähigkeiten steckt!

Beobachten können wir im Alltag aber nuneinmal nur den ganzen Menschen mit seinem Körper, während wir nicht das Gehirn bei seiner Tätigkeit beobachten können, das ja den Körper benötigt, um bestimmte Handlungen ausführen zu können, die wir dann z.B. als intelligent bezeichnen (wozu auch das Sprechen oder Schreiben gehört, welches körperliche Handlungen sind). Natürlich kann man die Hirnströme eines Menschen messen und sichtbar machen, wenn ein Mensch Gleichungen löst, argumentiert oder Texte verfasst. Aber das ist sicher keine Alltagssituation, sondern eine Laborsituation. Und selbst dann würden wir nicht sagen, dass das Gehirn gerade argumentiert, eine Gleichung löst oder Texte verfasst, sondern wir würden sagen, dass Paulo das gerade macht und in seinem Gehirn geschieht dabei dies und das.

Wir identifizieren in unserer Alltagssprache einen Menschen nicht mit seinem Gehirn, weil der Mensch rein körperlich ja aus mehr besteht, als aus seinem Gehirn. Damit uns jemand erwas Intelligentes sagen kann, benötigt er - neben seinem Gehirn - einen Sprechapparat und wir einen Hörapparat, um erkennen zu können, dass er etwas Intelligentes sagt.


SilverBullet hat geschrieben: Ich vermute auf eine, vom aktiven Gehirn verschiedene „Ich-Instanz“.
Nö, keine vom Gehirn verschiedene Ich-Instanz, sondern einfach nur einen menschlichen Körper um das Gehirn herum. Ich vermute, du bist ein solcher menschlicher Körper mit Gehirn im Kopf, der irgendwo vor seinem Rechner sitzt und Beiträge verfasst, und du kannst berechtigt davon ausgehen, dass es sich bei mir ebenso verhält.

SilverBullet hat geschrieben: Wenn es um diesen Ansatz geht, benötige ich Beweise, die nicht aus dem „Bedeutungs-/Meinungsumfeld“ von Abläufen stammen, deren Zusammenhänge und Herstellung untersucht werden soll.

Ohne diese Beweise entwirfst du lediglich ein schwebendes Kartenhaus, also eine Grundlage, von der aus man mit den Schlussfolgerungen im Grunde nichts anfangen kann.
Ich habe in meinem vorigen Beitrag alles geschrieben, was nötig ist, um zu verstehen, was mentale Fähigkeiten sind und weshalb man sie nicht abstreiten kann, ohne einen performativen Widerspruch zu begehen.

Es wäre auch ein performativer Widerspruch, wenn ich an dieser Stelle des Textes schreibe, dass es niemanden gibt, der genau dies genau jetzt schreibt!
Ich kann also nicht behaupten, ich scheibe gerade diesen Text, aber ich existiere nicht. Weil diesen Text zu schreiben voraussetzt, dass es mich geben muss, die genau diesen Text gerade schreibt.

Eine solche, performativ widersprüchliche Behauptung verstößt logisch gegen den Satz vom Widerspruch: A= "Ich schreibe gerade diesen Text" und Nicht-A ="Ich schreibe diesen Text gerade nicht".
Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch = ~(A ∧ ~A) = Es ist nicht der Fall, dass A und gleichzeitig Nicht-A.
Egal welche Wahrheitswerte ich in ~(A ∧ ~A) einsetze, bleibt es immer wahr, dass die Aussage "(A und gleichzeitig Nicht-A)" falsch ist.

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#175 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Sa 5. Dez 2015, 12:48

Thaddäus hat geschrieben:Das habe ich befürchtet.
Na ja, dann hättest du gleich eine der drei „wir“-Varianten wählen können, die ich zur Auswahl gebracht habe.

Nun gut, du hast dich offensichtlich mit dem „wir“ auf das ganze Lebewesen „Mensch“ bezogen, der irgendwie, irgendwo gewisse Fähigkeiten hat – wie ich geschrieben habe: ok.

Das Problem ist hierbei natürlich die Grobheit, denn letztlich könnte man auch sagen „das Universum hat diese Fähigkeiten“, was nicht verkehrt ist, denn der Mensch hat sie (irgendwie).

Das ist somit als Einleitung sehr nett, aber du musst natürlich später eindeutig darauf hinweisen, wenn du zu nützlicheren Verfeinerungsstufen übergehst – insbesondere, wenn du mit „Ich-Instanzen“ operierst – ansonsten kann ich nicht nachvollziehen, ob du vom Lebewesen oder von anderen Existenzen sprichst.

Thaddäus hat geschrieben:Wir schreiben normalerweise Menschen gewisse mentale Fähigkeiten zu, aber nicht Gehirnen
Das ist aber nur ein sprachlicher Gebrauch, der keinerlei Beweiskraft besitzt.

Wenn du damit erst mal eine Art Fundament herstellen möchtest: ok.

Ein bisschen Vorsicht ist allerdings beim Wort „mental“ geboten, weil es die angesprochenen Fähigkeiten eigentlich mit einer konkreten Vermutung in Zusammenhang bringt.
Da du aktuell aber vom „Lesen und Schreiben von Beiträgen“ als „mentale Fähigkeiten“ sprichst, ist das wiederum: ok.

(Ich bin gespannt, wie es weiter geht…)

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#176 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Mo 7. Dez 2015, 19:53

Noch ein paar allgemeine Anmerkungen und Antworten auf dein letztes Post, bevor es weitergeht.

Wenn ich hier schreibe, dann schreibe ich natürlich über meine Überzeugungen und wie ich denke, dass sich die Dinge verhalten nach meinem besten Wissen und Gewissen. Damit erhebe ich aber natürlich nicht den Anspruch, unumstößliche Wahrheiten von mir zu geben oder auch nur unumstößliche Überzeugungen, die ich niemals revidiere. Im Gegenteil verstehe ich gemeinsames philosophisches Arbeiten gerade nicht als ein stures Beharren auf den eigenen Standpunkt. Schon gar nicht bei einem so komplexen Thema, wie dem unseren in diesem Thread, für das es nach wie vor keine eindeutige Lösung gibt, die von allen (Fachphilosophen und Experten) geteilt würde. Dennoch gibt es philosophische Fortschritte (z.B. im Ausschluss von Denkwegen, die schlicht als gescheitert angesehen werden müssen, weil sie so viele Probleme mit sich bringen). Ich bin also grundsätzlich immer bereit eigene Ansichten zu revidieren, wenn ich den Eindruck habe, dass ein starkes Argument vorgebracht wurde. Das stellt für mich dann keine persönliche Niederlage dar, denn ich vertrete hier keinen Glauben, sondern nur Überzeugungen zu einem philosophischen Thema nach dem Stand meines aktuellen Wissens. Ich vertrete nicht einmal eine bestimmte Weltanschauung.

Die Methode, mit der ich philosophisch arbeite, ist die der analytischen Philosophie, weil sie meiner Ansicht nach die begrifflich und logisch saubersten, anspruchsvollsten und stärksten Argumente hervorbringt. Diese methodische Vorgehensweise muss man aber nicht teilen. In der Philosophie gibt es diverse methodische Vorgehensweise (hermeneutische, phänomenologische, sprachanalytische, existenzialontologische bzw. existenzialistische, dialektische usw.). Allen diesen philosophischen Methoden ist gleichwohl gemeinsam, dass sie rein vernünftig einsehbare Argumentationen hervorbringen müssen (um als philosophisch gelten zu können), die prinzipiell für jeden Menschen vernünftig nachvollziehbar sein müssen. Ich kann also Kant, Hegel, Schelling, Kierkegaard, Camus, Sartre, Husserl u.v.a. durchaus für sehr gute Philosophen halten und ihren Ideen viel abgewinnen, obwohl ich eine sprach-logische Analyse bevorzuge.

Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit den Antworten in diesem Forum, ist bislang hier noch nie wirklich anspruchsvoll philosophisch argumentiert und gearbeitet worden, was zugegeben auch sehr anstrengend ist, vermutlich einiges Fachwissen voraussetzt und ein hohes Maß an Konzentration auf die Sache erfordert (oder mir sind die entsprechenden Posts bisher entgangen). So habe ich den Eindruck, dass stichhaltiges philosophisches Argumentieren von vielen gar nicht als solches erkannt wird und zumeist eher die Haltung eingenommen wird: "Du hast deine Meinung, ich habe meine Meinung. Das sind schon einmal zwei Meinungen und niemand kann so recht sagen, welche die richtige ist."
Das hat mit philosophischer Argumentation aber nichts zu tun. Philosophische Argumente müssen wirklich überzeugen, und wenn sie nachweislich stark sind, dann muss man ihnen auch folgen! Aber nicht, weil man totgequatscht wurde und einfach klein beigibt, sondern weil man die Überzeugung gewinnt, dass es wirklich überzeugende Argumente sind. Deshalb ist es mir wichtig, dass andere meinen Überlegungen wirklich ernsthaft folgen, weil sie sehen, dass es gute Argumente sind. Ich will also wirklich überzeugen, nicht überreden!

SilverBullet hat geschrieben: Das Problem ist hierbei natürlich die Grobheit, denn letztlich könnte man auch sagen „das Universum hat diese Fähigkeiten“, was nicht verkehrt ist, denn der Mensch hat sie (irgendwie).
Nein, das denke ich nicht. Wenn ich sage, Menschen haben gewisse mentale Fähigkeiten, dann sage ich eben nicht, das Universum habe diese Fähigkeiten (nur, weil der Mensch im Universum existiert). Auch ein Tisch hat gewisse Eigenschaften. Das sind aber keine Eigenschaften des Universums, obwohl der Tisch natürlich irgendwo im Universum existiert. Das Universum kann keine Beiträge lesen, verstehen und darauf antworten. Menschen können das, aber nicht das Universum und auch nicht ein Schimpanse oder Delphin.

SilverBullet hat geschrieben: Das ist somit als Einleitung sehr nett, aber du musst natürlich später eindeutig darauf hinweisen, wenn du zu nützlicheren Verfeinerungsstufen übergehst – insbesondere, wenn du mit „Ich-Instanzen“ operierst – ansonsten kann ich nicht nachvollziehen, ob du vom Lebewesen oder von anderen Existenzen sprichst.
Ich versuche die ominöse Ich-Instanz zunächst einmal gar nicht näher zu bestimmen, sondern einfach nur aufzuzeigen, was Menschen alles können. Dass sie es können, ist alltäglich beobachtbar (z.B. Beiträge in diesem Forum zu lesen, zu verstehen und sinnvoll darauf zu antworten). Es scheint mir im alltäglichen Umgang mit Menschen auch eher schwer bestreitbar, dass sie sich ganz bewusst, bei dem, was sie tun und denken, beobachten können. Ein schlichter Meditations- oder Yogakurs wäre bereits unmöglich, wenn man den Teilnehmern solcher Kurse abspräche, dass sie sich ganz bewusst auf sich selbst konzentrieren können. Damit ist natürlich noch nicht festgemacht, wie das überhaupt möglich ist: sich selbst bewusst beobachten zu können.
Hierüber kann man dann ja wohlfeil streiten.

SilverBullet hat geschrieben: Ein bisschen Vorsicht ist allerdings beim Wort „mental“ geboten, weil es die angesprochenen Fähigkeiten eigentlich mit einer konkreten Vermutung in Zusammenhang bringt.
Warum sollte bereits das Wörtchen mental problematisch sein? Denkleistungen sind mental, Emotionen, Wünsche, Hoffnungen, Befürchtungen, die Fähigkeit zu rechnen, Überzeugungen zu haben, das Verstehen von Texten, Interpretationen der Odyssee, die Kopenhagener Interpretation der Quantenphysik, Kreuzworträtsellösen oder die Auslegng von Gesetzestexten vor Gericht usw. Das alles ist ganz normaler alltäglicher Kram.
Eine andere Frage ist es natürlich, wie diese allenthalben beobachtbaren mentalen Fähigkeiten erklärt werden können.

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#177 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Di 8. Dez 2015, 17:43

Thaddäus hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Das Problem ist hierbei natürlich die Grobheit, denn letztlich könnte man auch sagen „das Universum hat diese Fähigkeiten“, was nicht verkehrt ist, denn der Mensch hat sie (irgendwie).
Nein, das denke ich nicht. Wenn ich sage, Menschen haben gewisse mentale Fähigkeiten, dann sage ich eben nicht, das Universum habe diese Fähigkeiten (nur, weil der Mensch im Universum existiert).
Wenn du von „Mensch“ als Fähigkeitsträger sprichst, dann enthält dies automatisch Bestandteile, die nichts mit diesen Fähigkeiten zu tun haben.

Das Gehirn umfasst ca. 2-3Prozent der Körpermasse (mit den Nerven im Körper erhöhe ich auf gigantische 8-10% - keine Ahnung, ob das Sinn macht).
Der „Rest“ ist nicht unmittelbar involviert.

„Mensch“ ist somit ein sehr grober Ausgangspunkt.
Zwar umgangssprachlich üblich, aber zur Annäherung an die gesuchte Funktionalität eher ungeeignet.

Da macht es auch nichts mehr aus, wenn man gleich vom Universum spricht – weniger als das Rätsel nicht zu lösen, kann man nicht.

Aber wie gesagt, als Einleitung sind die „Mensch-Zusammenhänge“ ok, danach sollte jedoch ein „Drang zur eigentlichen Rätsellösung“ erkennbar werden.

Thaddäus hat geschrieben:Warum sollte bereits das Wörtchen mental problematisch sein?
Das Wort „mental“ ist für sich selbst nicht problematisch, solange man zum Hinterfragen bereit ist.
Wenn man allerdings die Kombination „mental + Fähigkeiten“ als Ausgangspunkt wählt, kann es sich bereits um eine Einschränkung dieses Hinterfragens handeln.
Dann nämlich, wenn man den „mentalen Zusammenhängen/Abläufen“ ein Eigenleben mit Fähigkeiten zugesteht, ist der Weg frei in den „Dualismus“ – man entscheidet sich dann (aus meiner Sicht) unnötigerweise bereits am Anfang für ein Problem, das man am Ende nicht auflösen kann.

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#178 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » Di 8. Dez 2015, 17:58

SilverBullet hat geschrieben:Wenn du von „Mensch“ als Fähigkeitsträger sprichst, dann enthält dies automatisch Bestandteile, die nichts mit diesen Fähigkeiten zu tun haben.

Das Gehirn umfasst ca. 2-3Prozent der Körpermasse (mit den Nerven im Körper erhöhe ich auf gigantische 8-10% - keine Ahnung, ob das Sinn macht).
Der „Rest“ ist nicht unmittelbar involviert.
Ich denke, hier machst du einen Fehler.
Wir denken und empfinden (Empfinden ist auch eine Art Denken) mit dem gesamten Körper. Das Gehirn ist für seine Funktionsfähigkeit auf den Körper angewiesen. Alles im Körper hat seine Funktion, die Niere, der Magen, das Herz und auch das Gehirn; so ist der Mensch nur als Ganzes als Träger aller unserer Fähigkeiten denkbar.

Anders geht es nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#179 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Di 8. Dez 2015, 18:54

@Pluto
Bei Menschen, die eine entsprechende Verletzung an der Wirbelsäule erleiden, hört das Empfinden schlagartig auf.

Wenn ich es richtig verstanden habe, kommen lediglich elektrische Impulse im Gehirn an – das Gehirn hat keine andere Art von Input.

Wenn man nun mit dem Wort „Empfindung“, eine, zum elektrischen Impuls, parallele Funktion andeutet, dann sollte man genau sagen, was das sein soll und wie das Gehirn diese Art von Daten verwalten können soll.

Aus meiner Sicht gehören die Begriffe „Empfindung, Emotion“ zu den Bewusstseinszusammenhängen, d.h. sie gehören zu der Fähigkeit des Gehirns, Verstehabläufe stattfinden zu lassen.
Ausserhalb dieser Verstehzusammenhänge sind es einfach nur viele, viele Körperdaten.

Dass das Gehirn die zentrale Anlaufstelle ist, zeigen Fallbeispiele, bei denen der Körper nicht involviert ist.

Es gibt Experimente mit künstlichen Gliedmassen, bei denen die Versuchsperson ihr Empfinden unwillkürlich auf z.B. eine künstliche Hand umlenkt und das Empfinden eines leichten Überstreichens mit einem Pinsel nachvollziehen kann.
(interessant wird es, wenn der Versuchsleiter anschliesend mit einem Hammer auf die künstliche Hand einschlägt :-))

Des Weiteren gibt es Phantomschmerzen, bei denen man als Therapie, durch Tricks, das Gehirn davon überzeugt, dass das Herstellen von Schmerzreaktionen nicht notwendig ist
(nach Amputationen setzt man dort zum Teil Spiegel ein, so dass zwei Gliedmassen gesehen werden können)

Ich sehe aktuell keinen Anlass die Wahrnehmung und das „Rätsel des Bewusstseins“ durch „Erweiterung der Verdachtsmomente auf den gesamten Körper“ zu verkomplizieren.

Letztlich könnte man es auch so weit vorantreiben, dass man die Kultur der Gruppe, des Staates, der Menschheit mit einbezieht. Da ist der Schritt zur restlichen Umwelt nur noch ein kleiner und schon sind wir beim Universum.

Löst dieses „Erweitern der Unklarheiten“ irgendeine Frage? –> eher nicht.

Hemul
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#180 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Hemul » Di 8. Dez 2015, 19:00

Thaddäs hat geschrieben:Wenn ein Voyeur andere Menschen bei sexuellen Handlungen beobachtet, kann es sein, dass er sich gleichzeitig über seine Neigung schämt. In diesem Falle beobachtet er die Menschen und weiß gleichzeitig, dass er sie beobachtet und das dies eigentlich moralisch verwerflich ist.
Woher mag er wohl wissen, dass so etwas moralisch verwerflich ist? :roll: Soll unter ihnen noch einige geben die werden falls ertappt sogar noch rot. Andere dagegen treten die Flucht nach vorne an-gelle Salome? 8-)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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