Pluto hat geschrieben:Novalis hat geschrieben:Dem stimme ich gerne zu. „Spiritual but not religious“ (SBNR) ~ das ist inzwischen ein weit verbreitetes Phänomen. Ich sehe diese Entwicklung positiv. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Arbeit von Abraham Maslow, ein brahnbrechender Forscher und Denker des 20. Jahrhunderts....
Maslow war ein großer Denker aber auch ein Mystiker
Abraham Maslow beobachtete, dass die von ihm untersuchten besonders gesunden, glücklichen und schöpferischen Menschen häufig berichteten, so etwas wie mystische Erfahrungen oder „
Gipfelerlebnisse“ gehabt zu haben, Momente intensiven Glücks, tiefer Ehrfurcht und Verzückung, in der das Gefühl der Distanz zur restlichen Welt verschwindet.
Momente, in denen sie sich dem Weltganzen, dem Kosmos oder eben Gott wirklich zugehörig fühlen. Sie hatten „
das Gefühl, dass sie wirklich die höchste Wahrheit gesehen hatten, das Wesen der Dinge, das Geheimnis des Lebens, als ob ein Schleier beiseite gezogen wären“.
Beispielweise Steve Jobs ist ein sehr gutes Beispiel. Ich denke da an diese geflügelten und inzwischen legendären Worte von ihm:
“
Deine Zeit ist begrenzt und deshalb solltest du sie nicht darauf verschwenden, das Leben eines anderen zu leben. Lass dich nicht von einem Dogma festhalten – mit den Ergebnissen Gedanken anderer leben zu müssen. Lass nicht den Lärm anderer Meinung deine innere Stimme verstummen. Und vor allem, hab den Mut deinem Herzen und deiner Intuition zu folgen. Die wissen nämlich irgendwie bereits, was du tatsächlich werden willst. Alles andere ist zweitrangig.â€
—
Steve Jobs’ Stanford Commencement Address, 2005
Oder Albert Einstein:
„
Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen.“
„
Wie kann kosmische Religiosität von Mensch zu Mensch mitgeteilt werden, wenn sie doch zu keinem geformten Gottesbegriff und zu keiner Theologie führen kann? Es scheint mir, daß es die wichtigste Funktion der Kunst und der Wissenschaft ist, dies Gefühl unter den Empfänglichen zu erwecken und lebendig zu erhalten.“
Novalis hat geschrieben:Darin deutet er das christliche Glaubensbekenntnis und macht seine universale Botschaft in heutigen Worten sehr gut verständlich. Darin schreibt er: "Die Autoritätskrise, in der wir stehen, zwingt uns darüber hinaus, zu fragen, worauf wir uns letztlich verlassen können. Wir werden also Glaubenssätze immer wieder auf persönlich nachvollziehbare Erfahrung und Überzeugung zurückführen müssen - auf innere Autorität also, bei allem Respekt für äußere…."
Pluto hat geschrieben:Auch Maslow scheint nicht sauber zwischen christlicher Mystik und Spiritualität unterscheiden zu können
Da hast Du etwas falsch eingeordnet: das Zitat stammt von
David Steindl-Rast; aus seinem Buch „
Credo: ein Glaube der alle verbindet“ - er versucht sich darin in einer zeitgemäßen Darstellung des christlichen Glaubensbekenntnis, welches eigentlich einen universellen menschlichen Glauben symbolisch verdichtet (ein lesenswertes Buch). Er bezieht sich dabei immer wieder auf die Arbeit von Maslow und er hat das Vorwort zu „
Jeder Mensch ist ein Mystiker: Impulse für die seelische Ganzwerdung (Gestalttherapie)“ über Maslow geschrieben, deshalb mein Hinweis auf das Buch.
Pluto hat geschrieben:Da du des Englischen mächtig bist, empfehle ich dir folgendes Buch von Sam Harris, bekennender Atheist und Psychologe:
Waking upSam Harris’s latest New York Times bestseller is a guide to meditation as a rational practice informed by neuroscience and psychology.
Aus diesem Buch konnte ich viele Ideen, wie auch den Titel für diesen Thread, sammeln.
Da hat wohl wieder der von Savonlinna besagte Forengeist sein Unwesen getrieben, denn ich bin über genau dieses Buch von Sam Harris gestolpert bevor Du diesen Beitrag geschrieben hast.

Ja, ich freue mich über intelligente Atheisten, die wagen solch ein Buch zu schreiben. Von
André Comte-Sponville - ein ehemaliger Professor für Philosophie an der Sorbonne - schrieb ebenfalls ein Buch zum Thema:
Woran glaubt ein Atheist?: Spiritualität ohne Gott.
Was die Religion dem Gläubigen bereithält, muss dem Atheisten nicht verwehrt sein. Werte, Spiritualität und Trost gibt es auch jenseits von Gott. Ein Buch, das den Nerv der Zeit trifft und all jenen, die nicht glauben möchten oder können, neue Wege eröffnet.
Hier ein Beitrag aus dem
Deutschlandradio Kultur:
Der französische Philosoph gehört nämlich ausdrücklich nicht zu jener Fraktion, die ihre Glaubensverweigerung mit demselben Fanatismus betreibt wie andere ihre Bejahung. Im Gegenteil, Comte-Sponville fühlt sich mit der Etikettierung eines Freundes, er sei ein "atheistischer Christ", ganz wohl. Sein Buch ist kein Abrisskommando Abendland, sondern eine Selbstvergewisserung ohne missionarischen Drang.
[....]
Die atheistische Spiritualität, die Comte-Sponville als Kniefall vor der Erhabenheit der Natur anempfiehlt, ist nichts weiter als eine kirchenlose Religiosität. Sie beruht wie das Gotteserleben kirchlich gebundener Menschen auf subjektiver Erfahrung. Man merkt dem Buch deutlich an, wie sehr der Autor seine transzendentalen Bedürfnisse zu bewahren sucht, während er in einen inneren Abwehrkampf gegen Amtskirchen jeder Couleur verstrickt ist, weil er durch die Fundamentalismen der Gegenwart das Erbe der Aufklärung gefährdet sieht, vor allem die Trennung von Staat und Kirche. Aber er stellt keineswegs die Kulturleistungen der Weltreligionen in Frage, vor allem nicht die Werte des Christentums:
"Was bleibt vom christlichen Abendland, wenn es nicht mehr christlich ist? Darauf gibt es zwei Antworten: Entweder Sie denken, dass nichts davon bleibt. Dann gute Nacht. In diesem Fall haben wir dem Fanatismus im Äußeren und dem Nihilismus im Inneren nichts mehr entgegenzusetzen - und der Nihilismus ist, anders als anscheinend viele glauben, die bei weitem größere Gefahr. Reichtum hat noch nie genügt, eine Zivilisation zu begründen. Elend noch weniger. Es bedarf auch der Kultur, der Phantasie, der Begeisterung, der Kreativität, und nichts von alldem ist ohne Mut, ohne Arbeit, ohne Mühe zu haben. "Europas größte Gefahr ist die Müdigkeit", meinte Husserl. Gute Nacht, Kinder: Der Okzident hat seinen Glauben verloren, und die Müdigkeit sucht ihn heim."
Bei Lichte betrachtet, ist das kleine Brevier ein trojanisches Pferd, mit dem man zwar keine Glaubensburg zu schleifen vermag, doch so manchem Atheisten den Rückweg in eine Religion ohne Kirche eröffnet. In Wahrheit nämlich liebt der Philosoph die Chuzpe des Sowohl-Als-Auch, bei der man sich festlegt und doch wieder nicht, um auf jeden Fall auf der sicheren Seite zu sein. Wie im berühmten jüdischen Witz:
"Es gibt keinen Gott, aber wir sind sein auserwähltes Volk."
http://www.deutschlandradiokultur.de/gl ... _id=190961

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