closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Ich fragte nicht nach Definitionen, da sie ja nach Belieben hergestellt werden können. I
Wie sollte man ein Wort benutzen können, wenn es nicht definiert ist?
Seltsam, dass wir uns hier nicht verständigen können.
Definieren tut man Arbeitsmaterialien - dazu gehören Begriffe, mit denen man untersucht -, aber man definiert nicht das zu Untersuchende.
Wer das zu Untersuchende definieren will, will nicht untersuchen, sondern das Ergebnis selber bestimmen.
Er will abblocken, verhindern, dass etwas anderes herauskommt als er selber wünscht.
Ich habe das gleiche Phänomen bei neuen Atheisten - nicht hier im Forum - vorgefunden.
Sie definierten "Christentum" - nach ihrer Vorstellung - und verlangten von Christen, dass sie genau das glaubten, was sie in ihrer Definition vorgeschrieben hatten.
Damit hatten sie ein Machtmittel, Christen auch dann zu verurteilen, wenn sie sich selber anders verstanden.
closs hat geschrieben:Wenn ich meine eigenen Befindlichkeiten offen lege, bringt das nichts, weil sie jederzeit psychologisch interpretiert werden können. Gerade darum geht es aber nicht.
Das ist eine Alternative zu "Definition", die ich nicht verstehe.
Wenn ich "geistig" zum Beispiel in seiner Anwendung untersuche und sage, es ist bei vielen Menschen damit "Lesen" und "Nachdenken" gemeint, dann gebe ich keine eigenen Befindlichkeiten wieder.
Oder, wenn ich sage, ich nenne "geistig" den Versuch, zwischen verschiedenen Ereignissen eine Gemeinsamkeit herzustellen - zum Beispiel zwischen den Aktivitäten der Neo-Atheisten und den der evangelikalen Christen - dann hat das auch nichts mit eigenen Befindlichkeiten zu tun.
Oder wenn ich sage, dass ich persönlich das Geschehen dieser Welt auch nicht-zeitlich wahrnehme, sondern strukturell: dann ist auch das keine Aussage über meine Befindlichkeit - sehr wohl aber eine über die Berechtigung, das Wort "geistig" in einem ungewohnten Sinn zu erläutern.
Ich verstehe nun aber im Nachhinein - durch Deine obige Erklärung -, warum Du solche Beschreibungen bei mir immer abgeblockt hast und stattdessen für alle Menschen definieren wolltest, was sie mit "geistig" zu meinen hätten.
Auf den Punkt gebracht vielleicht:
Ich denke deskriptiv, möchte
beschreiben; Du denkst präskriptiv, willst
vorschreiben.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben: Wenn man sagt, man nehme Gott wahr, dann sind das innere Vorgänge.
Das sehe ich tatsächlich genauso (von philosophischen Aussagen über Gott abgesehen).
Du verstehst "innere Vorgänge" offenbar tatsächlich psychologisch. Ich aber verstehe "innere Vorgänge" im Gegensatz zu "äußeren Vorgängen". Ein äußerer Vorgang ist das Aufgehen der Sonne, ein innerer Vorgang ist das Verstehen von Buchstaben.
Das sind Fertigkeiten, so wie das Dichten, das Malen, das Komponieren. Alles innere Vorgänge, die kein Mensch anfassen und sehen kann, dennoch vorhanden sind.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Damit möchte ich die Wahrnehmungen vergleichen, die genauso ablaufen, aber nicht in Gott begründet werden.
Das ist interessant und im inneren Zirkel diskutierbar - einen Mainstream-Materialisten überzeugst Du damit nicht. Er wird diesen Unterschied nicht kennen.
Es ist auch gar nicht mein Ziel, Main-Stream-Materialisten zu überzeugen! Ich hatte meine posts ja an Dich gerichtet.
Seltsam, dass Du nur noch mit Naturalisten diskutieren willst oder kannst. Ich hatte das aber fast schon vermutet.
Klar, die Christen sind hier wenige. Aber eigentlich hatte ich in diesem Forum eine Diskussion mit Christen erwartet.
Das war mein Interessenpunkt.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Da "Gott" ja nun mal keine Substanz hat, ist er ein Vorgang, was sonst?
Da kann ich jetzt wenig mit anfangen. - Eine materialistische Substanz hat er natürlich nicht - aber er ist auch nicht nur Vorgang, sondern selber eine Identität. - Ein Gottesbild, das Gott als Kumulation verschiedener menschlicher Prozesse versteht (hast Du NICHT gesagt, aber das gibt es), ist aus meiner Sicht irrig.
Und wer hat die Definitionshoheit?
Jetzt verstehst Du vielleicht, warum ich sagte, dass es letztlich um Macht geht, wenn man Ergebnisse definieren will.
Bei mir klingt das bei dem Zitierten auch so, als ob ich "Gott" definieren wollte, aber das ist ein Ausrutscher meinerseits, es war schon spät und ich war zu müde.
Ich wollte nur andeuten, dass viele de facto - also nicht als Definition, sondern de facto - ein Vorgehen als "gottlich" verstehen - zum Beisüpiel, wenn sie teleologisch wahrnehmen.
Du würdest sowas bekämpfen wollen, während mich einfach interessiert, warum Gläubige Gott in ihrem Leben haben.
Warum sie sich also Gott als Identität vorstellen? Und was der Unterschied ist, wenn man das nicht tut.
Ich zum Beispiel könnte gut begründen, welchen Zweck es hat, sich Gott als "Person" vorzustellen. Weil dann diese Person in Krisenzeiten da ist und einem helfen kann, ganz konkret helfen kann. Nachweisbar helfen kann.
Denn es werden dadurch eigene innere Kräfte aktiviert, von denen man keine Ahnung hatte. Es werden auch nicht nur persönliche innere Kräfte dadurch aktiviert, sondern auch noch andere, von denen wir wenig wissen, die aber da zu sein scheinen, da sie aktiv helfen.
Diese "Erfahrung", dass Gott also persönlich ist, den Lebensweg begleitet, ist keine Chimäre, auch wenn ich selber das nicht "Gott" nennen kann.
Aber wir sind nicht allein gelassen.
Das sind Erkenntnisse, die man machen kann.
Wer sich aber herausnimmt, vorschreiben zu wollen, welche Erkenntnisse man zu haben hat und welche nicht - also "definieren" will, was Menschen erkennen -, der versteht sich selber als Nabel der Welt.
Auch wenn er es leugnet.
