Den Begriff habe ich eben gerade selber geprägt, ich wollte damit nur meine Beobachtungen zusammenfassen.closs hat geschrieben:Ja - es scheint eine Trennung zu geben zwischen medialer und tatsächlicher Wirklichkeit. - Nach meiner Beobachtung wird Neue Religiosität auch aus materialistischer/existenzialistischer Sicht respektiert als Ausdruck von Selbst-Verwirklichung (Sartre: "Erfinde Dich selbst").Savonlinna hat geschrieben: Heute ist "Fantasy" das, was alle Lebensalter durchschwängert, und die Neue Religiösitat hat ebenfalls alle Volksschichten ergriffen.
Wobei mir nicht klar ist, was Neue Religiositätsein soll und wie sie sich definiert (falls sie das überhaupt tut).
Da ich wirklich völlig ahnungslos bin, was Du als "Gott" wahrnimmst, kann ich es zufriedenstellend nicht beantworten.closs hat geschrieben: - Ist es Deiner Ansicht nach eher:
a) Neue Religiösität zu Gott hin?
Meine Quellen sind
a) religiöse Foren, Tolkienforen, Fantasy-Foren
b) meine reale Umwelt.
Die Bezeichnung "Gott" fällt in den von mir erwähnten Fällen andauernd, ja. Gerade junge Leute - die, mit denen ich arbeite - bezeichnen sich wieder - wieder im Gegensatz zu den Sechziger und Siebziger Jahren - als gläubig, als gottgläubig. Ich muss sie manchmal danach fragen, damit ich sie nicht aus Versehen verletze, ich gebe ja auch Philosophie-Nachhilfe.
Es gibt auch welche, die deutlich sagen: "Mit Gott habe ich nichts am Hut". Nach meiner Beobachtung hängt beides meist eher nicht mit dem Elternhaus zusammen.
Viele lassen sich ja erst kurz vor der Konfirmation taufen, ein ganz neues Phänomen. Ich bin ziemlich sicher, dass der Konfirmandenunterricht ihnen eine Idee von "Gott" gegeben hat, die sie nun beschäftigt.
Solche kenne ich gar nicht. Sind mir nie begegnet, weiß auch gar nicht genau, was das ist.closs hat geschrieben: b) Existentialistische Religiosität ("Erfinde Dich selbst - weil es Gott nicht gibt" - so meint es ja Sartre)?
Ich vermute darum, dass das out ist.
Letztere sind mir in den Siebziger Jahren vor allem unter den Pfarrern und Theologiestudenten begegnet.closs hat geschrieben:c) Transzendente oder inner-weltliche Religiosität?
"Transzendente" Religiösität kenne ich en masse aus den Internetforen, es sind evangelikale und fundamentalistische Christen, die die Bibel wörtlich lesen.
Sie verachten die Theologie, halten Theologen eher von Satan besetzt.
Das Wort habe jetzt nur ich benutzt, irgendeins muss ich ja wählen.closs hat geschrieben:Ich zumindest kann diese Frage nicht beantworten. - Ist es ein "Back to the roots" oder ein gigantischer semantischer Shift, der hier mit dem Wort "Reigiosität" geschieht?

Ich selber sehe diese ganze Bewegung als eine Fortsetzung des Konfliktes, den wir seit der Aufklärung des 18. Jahrhunderts beobachten: rational und irrational, Aufklärung und Romantik. Stets sind beide Richtungen anwesend, nur ist mal die eine oben, mal die andere.
Auch im Mittelalter war dieser Konflikt schon da: der Rationalismus der Philosophie wurde gekontert von der Mystik, besonders deutlich in der Frauenmystik.
Durch die Nazizeit kam aber ein völlig neue Tonlage hinzu: das Irrationale - das als Gegengewicht zum rein Rationalen auch notwendig ist - wurde unter dem Deckmantel des Rationalen für Verbrechen genutzt.
Danach war nichts mehr so, wie es vorher war. Das Irrationale war so missbraucht, dass es in der Nachkriegszeit komplett verdächtigt wurde, faschistoid zu sein.
Bis neue Generationen nachwuchsen, die sich nicht mehr verbieten lassen wollten, Gefühle zu haben und sie zu zeigen.
Das begann bereits im Schoß der 68er-Generation, siehe Hermann-Hesse-Boom. Das, was Du als "jenseitig" bezeichnest, war da DAS Thema. Man meditierte, gründete Friedensgruppen, war grundsätzlich gegen Gewalt, leistete gewaltfreien Widerstand gegen techische Übermacht, las die Werke von Buddha, studierte die magischen Welten von Hermann Hesse.
Je mehr die Naturwissenschaft das alltägliche Leben beeinflusste, desto stärker wurden auch diese Bewegungen.
Aber es erweckte eben auch das Gegenlager, die Neo-Atheisten, die auch schon längst ausgestorben waren, zum Leben, mit neuem Zungenschlag.
O ja - damit kann ich sehr viel anfangen.closs hat geschrieben:WELCHE geistige Welt? - Es gibt den Begriff der "Unterscheidung der Geister" - kannst Du damit etwas anfangen?Savonlinna hat geschrieben:Vor ein paar Jahren war Tolkiens "Herr der Ringe" - ein Buch, in dem Elben, Zwerge, göttliche und anti-göttliche Wesen eine entscheidende Rolle spielen - nach der Bibel das meistgelesene Buch der Welt. - Es besteht also ein solcher Hunger nach der "geistigen Welt"
Darum schreibe ich in diesem Thread ja noch immer mit, um zu ergründen, wer welche geistige Welt hat. Wobei mich weniger die Lippenbekenntnisse beeindrucken.
Nach Selbstaussage vieler Tolkienfans suchen sie nach einer Alternative zu der vernaturwissenschaftlichten Welt.
Sie können diese vernaturwissenschaftlichte Welt nicht mehr ertragen, sie müssen sie täglich mitleben, aber sie brauchen die Alternative, zumindest im Geist, wenn sie schon nicht in der Umwelt existiert.
Es liegt allerdings auch eine gewisse Tragik in ihrem Bemühen. Es waren zu Beginn des Tolkienbooms vor allem akademische - teilweise sogar promovierte - Naturwissenschaftler, die die "Anderwelt", die Tolkien ihnen geschaffen hat, zu ergründen suchten.
Und sie taten es auf naturwissenschaftliche Weise. Auch da schon musste ich meine geisteswissenschaftliche Herangehensweise erkämpfen.
Eine ähnliche Tragik sehe ich aber auch hier im Forum. Auch die, die sich Christen nennen, fragen nach "Gott" wie nach einem Ding der Naturwissenschaft, das entweder da ist oder nicht da ist. Ich wil hier niemanden genau angucken
