Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

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sven23
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#131 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von sven23 » Sa 11. Apr 2015, 18:35

closs hat geschrieben: - Erstens ist die Hiob-Geschichte in der literarischen Form keine historische Geschichte. -
Das ist schon klar, aber trifft das nicht auf die gesamte Bibel zu?

closs hat geschrieben: Den Begriff "freie Fügung" gibt es meines Wissens auch nicht. - Der entscheidende Punkt ist, dass göttliche Fügung und menschliche (Wahl-)Freiheit nicht interferieren. - Und das tun sie wirklich nicht.
Wenn sie nichts miteinander zu tun haben, worüber reden wir dann? Dann sind Gebete um Gottes Eingreifen sinnlos, dann muß sich die Kirche auch nicht mit Wundern befassen.
Im übrigen sieht die Kirche das ja auch anders als closs. So schreibt z. B. Pius X.:
"...., sehen Wir eine besondere Fügung Gottes, der tötet und belebt, der erniedrigt und erhöht...."
Die Bibel selbst widerspricht ja auch deinem Fügungsbegriff. Gott greift permanent und sehr massiv ein. Das hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Auswahl- und Entscheidungsfeiheit. Wie sollte es auch anders sein?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#132 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » Sa 11. Apr 2015, 21:33

sven23 hat geschrieben:Das ist schon klar, aber trifft das nicht auf die gesamte Bibel zu?
Aus meiner Sicht ist es eine Mischung. - Liest man die Bücher der Geschichte, wird der Historiker/Archäeologe Anklänge zu seiner Disziplin finden. - Für das NT gilt dies ohnehin.

sven23 hat geschrieben:Gott greift permanent und sehr massiv ein.
Das bestreite ich doch nicht - nochmal meine Aussage: "Der entscheidende Punkt ist, dass göttliche Fügung und menschliche (Wahl-)Freiheit nicht interferieren". - Das heisst konkret:

Selbst wenn Gott im Einzelfall derjenige ist, der durch Fügung "tötet und belebt, der erniedrigt und erhöht....", interferiert dies doch nicht mit der Wahlfreiheit des Betroffenen. - Ein Beispiel:

Eine DNA-Untersuchung ergibt, dass Du der rechtmäßige Thronfolger von Schweden bist. - Dafür kannst Du nichts - wollen wir es als "Fügung" bezeichnen, dass es zu dieser DNA-Untersuchung und deren Ergebnis kam. Es beeinflusst Deine Wahlfreiheit trotzdem, da Du jetzt entscheiden muss, ob Du König von SChweden werden willst oder weiterhin Deine Alm in luftiger Höhe bewirtschaften willst - diese Wahlfreiheit hättest Du VOR dieser Fügung nie gehabt. - Was nichts daran ändert, dass Du DIESELBE Wahlfreiheit nach der Fügung hast wie Du sie vorher hattest - nur geht es um andere Entscheidungen. - Mir schwant immer wieder mal, dass wir unter "Wahlfreiheit" Unterschiedliches verstehen - dies hier war ein Beispiel für mein Verständnis.

sven23 hat geschrieben:Das hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Auswahl- und Entscheidungsfeiheit.
RIchtig - dadurch wird die jeweilige Wahlfreiheit mit-definiert. - Genauso wie wenn Du ganz atheistisch gegen einen Baum fahren kannst - auch dadurch wird Deine Wahlfreiheit in der Folge andere Inhalte haben. - Aber der Freiheits-Charakter Deiner Entscheidungen ändert sich daduch nicht.

Pluto hat geschrieben: Siehst du denn den Logikfehler in deiner Behauptung denn nicht?
Es ist KEIN Logikfehler.

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sven23
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#133 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von sven23 » So 12. Apr 2015, 07:21

closs hat geschrieben:Das bestreite ich doch nicht - nochmal meine Aussage: "Der entscheidende Punkt ist, dass göttliche Fügung und menschliche (Wahl-)Freiheit nicht interferieren". - Das heisst konkret:
Legt man die Bibel zu Grunde stimmt das so auf keinen Fall. Z. B. verstockt Gott den Pharao oder sendet Lügengeister. Er beeinflußt damit unmittelbar die Entscheidungs- und Willensfreiheit.
Hiob könnte auf Grund der vielen herbeigeführten Schicksalsschläge eine Depression entwickeln. Eine psychische Störung kann ebenfalls die Freiheit der Entscheidung beeinflussen hin zu irrationalen Zwangshandlungen (siehe Germanwings Pilot)
Und schließlich vergißt man in der Hiobgeschichte nur allzu gern die vielen Opfer. Der Tod ist nun mal die stärkste Form der Einschränkung von Willens- und Entscheidungsfreiheit.

closs hat geschrieben: Selbst wenn Gott im Einzelfall derjenige ist, der durch Fügung "tötet und belebt, der erniedrigt und erhöht....", interferiert dies doch nicht mit der Wahlfreiheit des Betroffenen.
Siehe oben. Selbstverständlich interferiert das. Wenn du tot bist, ist deine Wahlfreiheit ein kleines bißchen eingeschränkt. ;)


closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Siehst du denn den Logikfehler in deiner Behauptung denn nicht?
Es ist KEIN Logikfehler.
Doch, es ist ein schwerer und ganz offensichtlicher Logikfehler. Siehe oben.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#134 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » So 12. Apr 2015, 10:30

sven23 hat geschrieben:Legt man die Bibel zu Grunde stimmt das so auf keinen Fall. Z. B. verstockt Gott den Pharao oder sendet Lügengeister. Er beeinflußt damit unmittelbar die Entscheidungs- und Willensfreiheit.
Ja - das stimmt. Trotzdem meint der Pharao zu jeder Zeit, dass er frei entscheidet. - Eigentlich wäre das ein ganz anderes Thema - nämlich: Hat der Mensch Wahlfreiheit, wenn er aufgrund von Einflüssen entscheidet?

sven23 hat geschrieben:Eine psychische Störung kann ebenfalls die Freiheit der Entscheidung beeinflussen hin zu irrationalen Zwangshandlungen (siehe Germanwings Pilot)
Damit führst Du dieses Thema NOCH weiter: Ist der Mensch in einer medialen Beeinflussungs-Welt entscheidungs-frei? - So gesehen wären wir alle Pharaos.

Da mache ich es mir einfacher: Solange sich ein Mensch subjektiv frei fühlt, innerhalb seiner Wahlfreiheit zu entscheiden (und sei die Spanne noch so klein), würde ich von "Wahlfreiheit" sprechen. - Wenn Du in den Knast gesperrt wirst, hast Du die Wahlfreiheit, am täglichen Hofgang teilzunehmen oder nicht - auch das ist Wahlfreiheit.

sven23 hat geschrieben: Wenn du tot bist, ist deine Wahlfreiheit ein kleines bißchen eingeschränkt.
Dann bedarf es keiner Wahlfreiheit. - Egal - wirfst Du der Natur vor, Dich Deiner Wahlfreiheit zu berauben, wenn Dir ein naturalistischer Baum ganz ohne Gott auf den Kopf fällt?

sven23 hat geschrieben:Doch, es ist ein schwerer und ganz offensichtlicher Logikfehler.
Aus Sicht derer, die diese Version ist es kein Logik-Fehler, weil sie Begriffe anders definieren als Du. - Bei meiner Begriffs-Definition hat der Mensch mit oder ohne Fügung exakt dieselbe Wahlfreiheit.

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#135 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von Pluto » So 12. Apr 2015, 10:45

closs hat geschrieben:Trotzdem meint der Pharao zu jeder Zeit, dass er frei entscheidet.
Genau das meine ich mit der Illusion des freien Willens.
closs hat geschrieben:Hat der Mensch Wahlfreiheit, wenn er aufgrund von Einflüssen entscheidet?
Er kann vielleicht gar nicht anders entscheiden, weil er durch seine Veranlagung in seinen Entscheidungen gelenkt wird.

closs hat geschrieben:Damit führst Du dieses Thema NOCH weiter: Ist der Mensch in einer medialen Beeinflussungs-Welt entscheidungs-frei? - So gesehen wären wir alle Pharaos.
Ich glaube, du merkst gar nicht, wie nahe an der Wahrheit du mit dieser Aussage bist.

closs hat geschrieben:Solange sich ein Mensch subjektiv frei fühlt, innerhalb seiner Wahlfreiheit zu entscheiden (und sei die Spanne noch so klein), würde ich von "Wahlfreiheit" sprechen.
Sagen wir, der Mensch hat in seinen Entscheidungen die Illusion der Wahlfreiheit.

Wenn Du in den Knast gesperrt wirst, hast Du die Wahlfreiheit, am täglichen Hofgang teilzunehmen oder nicht - auch das ist Wahlfreiheit.
Eine durch äußer Umstände eingeschränkte Wahl, nennt man aber nicht Freiheit.

closs hat geschrieben:Dann bedarf es keiner Wahlfreiheit. - Egal - wirfst Du der Natur vor, Dich Deiner Wahlfreiheit zu berauben, wenn Dir ein naturalistischer Baum ganz ohne Gott auf den Kopf fällt?
Das kann man durchaus so auslegen. ;)

closs hat geschrieben:Bei meiner Begriffs-Definition hat der Mensch mit oder ohne Fügung exakt dieselbe Wahlfreiheit.
Natürlich kannst du es für dich privat definieren, aber nicht wenn du mit der Außenwelt kommunizieren willst. Dann ist durch deine Definition das Missverständnis vorprogrammiert.
Es gibt nun mal sprachliche Konventionen, an die wir festhalten müssen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#136 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von sven23 » So 12. Apr 2015, 10:48

closs hat geschrieben:Ja - das stimmt. Trotzdem meint der Pharao zu jeder Zeit, dass er frei entscheidet. - Eigentlich wäre das ein ganz anderes Thema - nämlich: Hat der Mensch Wahlfreiheit, wenn er aufgrund von Einflüssen entscheidet?


Na, ja , das hat ja schon fast Matrix-Qualität. Gott gaukelt dem Pharao Entscheidungsfeiheit vor, in Wirklichkeit wird er an Fäden geführt. Wie auch immer, hier wird ganz klar deutlich, daß Fügung von außen sehr wohl mit Willensfreiheit interferiert.

closs hat geschrieben: Damit führst Du dieses Thema NOCH weiter: Ist der Mensch in einer medialen Beeinflussungs-Welt entscheidungs-frei? - So gesehen wären wir alle Pharaos.
Was eine psychische Erkrankung mit medialer Beeinflussung zu tun hat, verstehe ich nicht.

closs hat geschrieben: Da mache ich es mir einfacher: Solange sich ein Mensch subjektiv frei fühlt, innerhalb seiner Wahlfreiheit zu entscheiden (und sei die Spanne noch so klein), würde ich von "Wahlfreiheit" sprechen. - Wenn Du in den Knast gesperrt wirst, hast Du die Wahlfreiheit, am täglichen Hofgang teilzunehmen oder nicht - auch das ist Wahlfreiheit.
So gesehen hat auch ein KZ-Insasse noch Wahlfreiheit. Das wäre aber die Pervertierung des Freiheitsgedankens.
Im übrigen bin ich der Meinung von Richard David Precht, der meint, daß der Freiheitsgedanke kein Anliegen des Christentums war. Das kam erst später mit der Aufklärung.

closs hat geschrieben: - Egal - wirfst Du der Natur vor, Dich Deiner Wahlfreiheit zu berauben, wenn Dir ein naturalistischer Baum ganz ohne Gott auf den Kopf fällt?
Nein, aber der Baum hat ja auch kein unlogisches Fügungskonzept entwickelt. ;)

closs hat geschrieben: Bei meiner Begriffs-Definition hat der Mensch mit oder ohne Fügung exakt dieselbe Wahlfreiheit.
Nein, hat er nicht, und du hast es bisher nicht logisch begründen können.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#137 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von ThomasM » So 12. Apr 2015, 13:30

closs hat geschrieben: Bei meiner Begriffs-Definition hat der Mensch mit oder ohne Fügung exakt dieselbe Wahlfreiheit.
Also closs du widersprichst dir in mehrfacher Hinsicht.

Nehmen wir dein Beispiel mit der DNA-Untersuchung, die ergibt, dass Du der rechtmäßige Nachfolger des Königs von Schweden bist.
Das Beispiel hast du selbst gebracht und dieDNA untersuchung hast du als Fügung beschrieben.
Ohne die Fügung hattest du in Hinsicht Schweden keine Wahlfreiheit.
Nach der Fügung hast du die Wahl, die Nachfolge anzutreten oder nicht.
Das ist keineswegs exakt dieselbe Wahlfreiheit.

Ich fasse mal das zusammen, was ich aus den verschiedenen Beiträgen herausgelesen habe:

1.) Vollkommene Wahl- bzw. Willensfreiheit gibt es nicht! Jede Wahl oder jeder Ausdruck von Willen ist begleitet von Gründen / Motiven / Zielen / Zwecken.
2.) Wahl- oder Willensfreiheit gibt es nur, wenn es eine Wahlmöglichkeit gibt. Es muss also mindestens eine Alternative Handlungsoption bestehen, die ich auch mit eigener Kraft ergreifen kann.
3.) Wahl- oder Willensfreiheit gibt es nur bei einer offenen Zukunft. Die Zukunft darf nicht festgelegt sein, auch durch Gott nicht.
4.) Ist der Verlauf des Universums und auch meine eigenen Entscheidungen festgelegt, sei es durch göttlichen Willen oder durch den eindeutigen algorithmischen Ablauf meines Computers "Gehirn" gibt es keine Wahl- oder Willensfreiheit. Es ist alles in alle Zukunft festgelegt wie bei einem aufgenommenen Film. Wahl- oder Willensfreiheit ist dann nur eine illusion.

Echte Schuld gibt es nur, wenn wir 4. ausschließen.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#138 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » So 12. Apr 2015, 16:02

Pluto hat geschrieben:Genau das meine ich mit der Illusion des freien Willens.
Absolut einverstanden - das gilt aber immer und ist nicht der "Fügung" oder dem "Determinismus" geschuldet.

Pluto hat geschrieben:Ich glaube, du merkst gar nicht, wie nahe an der Wahrheit du mit dieser Aussage bist.
Vielleicht sind wir uns in diesem Punkt einiger, als wir uns bisher bewusst sind. - Was glaubst Du, warum ich Fragen nach "Heil" nicht abhängig sehen möchte von dem, was man "freien Willen" nennt?

Pluto hat geschrieben:Eine durch äußer Umstände eingeschränkte Wahl, nennt man aber nicht Freiheit.
Aha - da ist also das Problem. - Das sehe ich (definitorisch) anders: Unter "Wahlfreiheit" verstehe ich die Freiheit, innerhalb eines vorgegebenen Spielraums zu entscheiden - EGAL, warum sich dieser Spielraum so ergeben hat.

Es ist also egal, ob der Wahl-Spielraum genetisch oder durch schlechtes Wetter oder durch einen Unfall oder durch "Fügung" so definiert ist, wie er ist. - Denn die "freie Wahl" ist das, was INNERHALB dieses Spielraums frei entscheidbar ist. - WAS und wie groß dieser Spielraum ist, spielt dabei keine Rolle (für das Phänomen der Freiheit zu wählen) - mal hat man halt mehr Spielraum, mal weniger.

Pluto hat geschrieben:Es gibt nun mal sprachliche Konventionen, an die wir festhalten müssen.
Die theologische Konvention entspricht aber (im Großen und Ganzen) MEINER Version. - Da wurde (wieder mal) ein spiritueller/theologischer Begriff seines Sinns beraubt und heim ins säkulare Reich geführt. :devil:

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#139 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » So 12. Apr 2015, 16:19

sven23 hat geschrieben:Gott gaukelt dem Pharao Entscheidungsfeiheit vor, in Wirklichkeit wird er an Fäden geführt.
Zunächst: Das ist in unserer Medien-Gesellschaft nicht anders.

Ansonsten vermischen sich hier zwei Themen:
1) Das unmittelbare Eingreifen Gottes
2) Die universale Fügung OHNE unmittelbares Eingreifen

1) mag es geben, ist aber selten. - 2) ist unser eigentliches Thema hier: Die "Fügung" des Lebens von Sven und Closs als R_E_A_K_T_I_O_N auf deren Entscheidungen. - Nochmals: "Fügung" ist im Grunde eine Sache, die vom Ende des Lebens her geschieht und nicht vom Anfang an. - Dies ist gelegentlich schwer verständlich, weil die Über-Zeitlichkeit Gottes nicht zwischen "vorher" und "nachher" unterscheidet - dies ist nur aus menschlicher Sicht aus so.

sven23 hat geschrieben:Was eine psychische Erkrankung mit medialer Beeinflussung zu tun hat, verstehe ich nicht.
Ich auch nicht - wie kommst Du darauf? - Es geht hier darum, dass der Mensch immer unter Einfluss steht (egal ob psychisch oder medial), weshalb der Begriff "Freiheit" eh problematisch ist.

sven23 hat geschrieben:So gesehen hat auch ein KZ-Insasse noch Wahlfreiheit.
Stimmt. - Wahlfreiheit ist das, was einem als Entscheidungs-Spielraum gegeben ist. - Dieser Spielraum kann groß oder klein sein. - Egal ob er groß oder klein ist: Das, was innerhalb dieses Spielraums stattfindet, ist "Freiheit der Wahl" - mehr hat der Mensch nie.

sven23 hat geschrieben:Im übrigen bin ich der Meinung von Richard David Precht, der meint, daß der Freiheitsgedanke kein Anliegen des Christentums war. Das kam erst später mit der Aufklärung.
Das meine ich auch - der Begriff "Freiheit" ist aus meiner Sicht extrem überbewertet. - Es ist für mich nicht erkennbar, dass der Mensch heute innerlich freier ist als vor 1000 Jahren (äußerlich ist er es sicherlich).

"Aufklärung" steht ja für einen Paradigmen-Wechsel von Theozentrik zu Anthropozentrik - das kann man gut finden oder nicht. - Es muss kein Fortschritt sein.

sven23 hat geschrieben:aber der Baum hat ja auch kein unlogisches Fügungskonzept entwickelt
Trotzdem: Kannst Du durch die Natur in Deiner Wahlfreiheit beschnitten werden? - Ich meine NEIN, weil die Wahlfreiheit nichts zu tun hat mit der Größe des Spielraums, in dem Freiheit der Wahl stattfindet.

sven23 hat geschrieben:du hast es bisher nicht logisch begründen können
Ich denke schon - aber es korrespondiert nicht mit heutiger Denke.

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#140 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » So 12. Apr 2015, 16:48

ThomasM hat geschrieben:Das ist keineswegs exakt dieselbe Wahlfreiheit.
Der Spielraum, innerhalb dessen Wahlfreiheit stattfinden kann, ist unterschiedlich. - Die Wahlfreiheit selbst ist insofern diesselbe, dass sie unabhängig ist vom Spielraum, in dem sie stattfindet.

ThomasM hat geschrieben:Vollkommene Wahl- bzw. Willensfreiheit gibt es nicht!
Vorsicht - Definitions-Problem. - "Wahlfreiheit" ist die Freiheit der Wahl innerhalb eines vorgegebenen Spielraums, der groß oder klein ist. - Willensfreiheit ist das, was zur Ausübung der Wahlfreiheit nötig ist. - Zwei verschiedene Begriffe und somit keine Synonyme.

ThomasM hat geschrieben: Wahl- oder Willensfreiheit gibt es nur, wenn es eine Wahlmöglichkeit gibt.
Dito. - Wahlfreiheit gibt es in der Tat nur dann, wenn es eine Wahlmöglichkeit gibt. - Willensfreiheit kann auch dann da sein, wenn es keine Wahlmöglichkeit gibt - man hat einen freien Willen (ist also nicht willensmäßig besetzt - siehe schwere Psychosen), kann ihn aber nicht ausüben.

ThomasM hat geschrieben: Wahl- oder Willensfreiheit gibt es nur bei einer offenen Zukunft.
Subjektiv ja - objektiv nein. - Das, was der Mensch frei entscheidet, ist ein subjektiver Vorgang. - Wenn Du also heute abend entscheidest, ein Gläschen Wein zu trinken, ist diese Entscheidung frei, selbst wenn Du irgendwann oder gar nie hören würdest, dass dies gefügt war. - Denn Du kannst genauso entscheiden, heute abend doch kein Gläschen Wein zu trinken - dann war eben dieses gefügt.

ThomasM hat geschrieben:Die Zukunft darf nicht festgelegt sein, auch durch Gott nicht.
Subjektiv wird sie ja auch nicht festgelegt. - Die Zukunft des Menschen ist maßgeblich beeinflusst von seinen freien Entscheidungen, weshalb diese Zukunft aus Sicht des Menschen nicht festgelegt ist. - Da aber Gott über der Zeit weiss, was der Mensch bis zu seinem Ende (also auf dem Daseins-Zeit-Strang) entschieden haben wird, kann er in dieser Kenntnis fügen.

Gott fügt also streng genommen nicht "vor" dem Menschen-Leben, sondern "nach" dem Menschenleben - NACHDEM dieser schon alles entschieden hat. - Da der Mensch jedoch nicht über der Zeit denkt, sondern in der Zeit, meint er, diese "nach" sei ein "vor" - und verwechselt Fügung mit Determinismus.

Sorry - das ist schwer auszudrücken, weil es unserer Erfahrungswelt widerspricht. - Aber wenn wir Gott verstehen wollen, müssen wir möglichst viel von der anthropozentrischen Erfahrungwelt abrücken und Dinge aus Gottes Sicht zu verstehen suchen. - Das schaffen wir natürlich nicht - aber es ist der einzige Weg, um zu erkennen, dass "Gottes Gedanken nicht unsere Gedanken" sind.

ThomasM hat geschrieben:Es ist alles in alle Zukunft festgelegt wie bei einem aufgenommenen Film. Wahl- oder Willensfreiheit ist dann nur eine illusion.
Es sei denn, für Gott sind Vergangenheit und Zukunft wie Alpha und Omega, die am selben Punkt zusammenlaufen. - Und so ist es ja eigentlich gemeint.

Und es stimmt nicht: Wenn Du Dich heute für etwas frei entscheidest, was "seit den Vortagen" (also über der Zeit) für Gott bekannt ist, dann tust Du nichts anderes, als was Gott weiss, was Du aus freier Entscheidung tun wirst. - Das widerspricht eben NICHT der Wahl- und Willensfreiheit.

ThomasM hat geschrieben:Echte Schuld gibt es nur, wenn wir 4. ausschließen.
Davon abgesehen, dass dies aus über-zeitlicher Logik NICHT stimmt, weist Du damit auf einen Punkt hin, der sehr wichtig ist:

Unser "aufgeklärtes" Verständnis versucht Gott und sein Handeln aus dem Willen des Menschen heraus zu erklären. - Der heutige Mensch scheint sich das "Heil" nur über den menschlichen Willen verstehen zu können - als sei der menschliche Wille eine Heils-Werkzeug (Vorsicht: Selbst-Erlösung!!!). - Also bedarf man einer Konstruktion, die ergebnisoffen ist - ohne Gott miteinzubeziehen, wie er das sieht.

Aus MEINER persönlichen Glaubens-Überzeugung entsteht Heil aus Liebe, Leid, Gnade und Erkenntnis - einen "Willen" bedarf es nicht dazu. - "Wille" als Heils-Werkzeug ist eine Erfindung des Menschen. - NB: Ich kenne die ersten 15 Bücher des AT ziemlich gut - "menschlicher Wille" kommt dort so gut wie nie vor. Man muss ihn hinein-interpretieren, um ihn zu haben. - Aber das wäre ein anderes Thema.

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