Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#1221 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Fr 16. Okt 2015, 23:28

Münek hat geschrieben:Nicht ausweichen. Die Frage zielte in die Richtung, eine BEGRÜNDUNG einer solchen Notwendigkeit zu präsentieren.
Überprüfe Dich mal: Du neigst dazu, es als Ausweichen des Gesprächspartners auszulegen, wenn Du etwas nicht verstehst. :|

Zu Deiner Frage selbst:
Es ist eine weltanschauliche Frage, ob das Sein aus einem Quanten-Vakuum kommt oder von "etwas" Höherem, was man gemeinhin als "Gott" bezeichnet. - Diejenigen, die (hätten sie es früher gewusst) mit dem Quanten-Vakuum konfrontiert werden, würden zurückfragen: "Erzählt mal, wo dieses herkommt?". - Denn das Quanten-Vakuum kann nicht "nichts" sein, weil es Träger dessen ist, was daraus wächst - also haben wir auch hier einen unendlichen Regress.

Die spirituellen Menschen sagen deshalb: "Da ein unendlicher Regress keine Antwort ist, sehen wir die Notwendigkeit einer Antwort. - "Dieses sehen wir in "etwas", was diesen Regress stoppt - das nennen wir "Gott"". - Ich würde dann hinzufügen, dass diese "Etwas" über-zeitlich sein muss, um diese Funktion haben zu können - aber das ist nur EINE Begründung.

Münek hat geschrieben:Die Irrationalität solcher Glaubensvorstellungen ist förmlich mit Händen greifbar.
Eigentlich ist es eine Meta-Rationalität. - Aber wie gesagt: Die Wertungen hängen - wie überall - von der jeweils zugrunde liegenden Weltanschauung ab.

closs
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#1222 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Fr 16. Okt 2015, 23:33

Savonlinna hat geschrieben:Du benutzt also "Kategorie" anders als in der Logik oder der logischen Analyse?
Wenn Du das sagst, glaube ich Dir das. - Ich schließe mich Dir gerne an, wenn Du ein anderes Wort vorschlägst, das mein Anliegen abbildet und gleichzeitig nicht mit anderen Definitionen kollidiert.

Savonlinna hat geschrieben:Was meinst Du jetzt damit? Was ist, verdammt noch mal, "geistig wahrnehmen" bei Dir? Und was ist eine eigenständige Realität?
Wenn man bei Bachs "Matthäus-Passion" nicht nur Töne hört, sondern Transzendenz-Bezogenes, wäre dies für mich "geistige Wahrnehmung" - das wäre jetzt mal EIN Beispiel. - Andersrum: Ich glaube nicht, dass ein Känguruh beim Hören derselben Musik in der Lage ist, darin "Gott" zu spüren.

Savonlinna hat geschrieben:Und was ist eine eigenständige Realität?
Das, was nicht durch Wahrnehmung GEMACHT wird.

Savonlinna hat geschrieben: Aber nun erklärst Du mir das wieder tautologisch.
Wie das? - Ich habe versucht, Beispiele zu geben für meine Definition.

Anton B.
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#1223 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Fr 16. Okt 2015, 23:39

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Der radikale Konstruktivismus aber, segelt einfach munter an allem, "was der Fall" ist vorbei. Er sucht darin keine Begründung.
Eben - er segelt daran vorbei.

"Begründung" ist übrigens aus meiner Sicht nicht das richtige Wort. - Die Aussage "Wahrnehmung" und "Sein" sind kategorial unterschiedlich, begründet nichts, sonder versucht lediglich festzustellen, dass beide unabhängig voneinander existieren können. - Erkenntnis-Theorie scheint sich (mehrheitlich) gar nicht um diese Frage zu kümmern, sondern kümmert sich lediglich um Wahrnehmung und deren Beschreibung - eine gute Sache, aber etwas anderes.
Doch, doch. "Begründung" ist das zentrale Wort, weil der "radikale Konstruktivismus" ja gerade eine Antwort auf die fehlende letztendliche Begründbarkeit des durch Wahrnehmung gewonnenen Wissens sein will.

closs hat geschrieben:Warum naiv? - Kann es nicht auch naiv sein, ein Sein zu negieren, weil es NICHT naturalistisch wahrnehmbar ist. - Da sehe ich schon ein bißchen das "Glashaus-Syndrom". ;)
Der "Naturalismus" tut hier gar nichts zur Sache. Das "Sein" an sich wird auch nicht negiert. Es wird nur gefragt: Was nutzt das Konzept eines "Seins", welches nicht erfahrbar ist? Was nutzt das Konzept eines "Seins", wenn seine konkreten Ausprägungen nicht qualifizierbar sind?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Savonlinna
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#1224 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Fr 16. Okt 2015, 23:47

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Warum eigentlich nicht? Das Instrument des „inneren Empfindens“ soll doch so „toll“ sein, dass es selbst die Möglichkeiten der Wahrnehmung übersteigen soll.
Das innere Wahrnehmung IST Wahrnehmung - es sei denn man beschränkt sich auf naturalistische Definitionen.

Ja, das innere Wahrnehmen ist ebenfalls Wahrnehmen.

Ich zum Beispiel kriege häufig vor dem Einschlafen Szenen vor mein inneres Auge geliefert, deren Farbenprächtigkeit mit keinen äußeren Farben vergleichbar ist.
Es sind oft Personen, mit so intensivem Ausdruck - sowohl in der Körperhaltung als auch im Gesicht -, die ich nie im realen Leben dermaßen expressiv gesehen habe. Und dann eben deren Kleidung mit diesen Farben, die auch ein Maler nicht auf die Leinwand kriegen könnte.

Ich nenne das "geistiges Sehen", weil es wie ein Film vor meinem inneren Auge abläuft und ich heulen könnte, weil ich es nie jemand anderem zeigen kann - es ist in der äußeren Welt nicht imitierbar.

Wie kommt das in mich rein? Das würde ich wirklich gerne einmal wissen.
Ich kann es mir nur so erklären, dass wir alle eine doppelte Wahrnehmung haben. Alles und jedes bekommt im Geistigen eine ganz starke Intensität, außen ist es flach und matt.
Oder umgekehrt: Die geistigen Farben sind intensiv und fast überirdisch schön, und mit den realen Augen nimmt man das nur matt und enttäuschend wahr.

Die "Evolution" hat beides hervorgebracht. Sonst wäre es ja auch nicht in mir drin. Sie hat Geistiges und Materielles gleichzeitig erzeugt. Und beides hat eine unterschiedliche Funktion.

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#1225 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 17. Okt 2015, 00:04

Anton B. hat geschrieben:Es wird nur gefragt: Was nutzt das Konzept eines "Seins", welches nicht erfahrbar ist? Was nutzt das Konzept eines "Seins", wenn seine konkreten Ausprägungen nicht qualifizierbar sind?
Das ist exakt die Frage, die ontologisch NICHT interessant ist. - Ontologisch ist erst mal interessant, was es geben könnte, egal ob wir es erfahren können oder nicht.

So - und JETZT kommst Du: DANN fragt man: WAS kann man von dem, was Sein sein kann, methodisch oder sonstwie wahrnehmungs-mäßig qualifizieren. - Hoch spannendes Thema, das mich durchaus fesselt, wo ich aber nicht furchtbar firm bin. - Mir ist wichtig, dass "das, was sein kann", nicht in Abhängigkeit davon kommt, was qualifiziert wahrgenommen werden kann.

Die naturalistische Welt ist etwas, was auf vorbildliche Weise qualifiziert wahrgenommen werden kann - klasse. - Aber das sagt eben NICHTS darüber aus, was es geben kann, was NICHT qualifiziert werden kann. - Die Gleichung "qualifizierte Wahrnehmung = qualifiziertes Sein" ist anthropozentrisch gbeprägt und fällt ontologisch mit Glanz und Gloria durch.

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#1226 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Sa 17. Okt 2015, 00:11

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du benutzt also "Kategorie" anders als in der Logik oder der logischen Analyse?
Wenn Du das sagst, glaube ich Dir das. - Ich schließe mich Dir gerne an, wenn Du ein anderes Wort vorschlägst, das mein Anliegen abbildet und gleichzeitig nicht mit anderen Definitionen kollidiert.
Ich halte Dein "Anliegen" bezüglich Kategorie für eine Chimäre, eine fixe Idee, die Du nie selber gründlich überprüft hast. Sie klebt in Deinem Gehirn wie Kaugummi und macht, dass Deine Aussagen verklebt und unverständlich sind. ;)


closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Was meinst Du jetzt damit? Was ist, verdammt noch mal, "geistig wahrnehmen" bei Dir? Und was ist eine eigenständige Realität?
Wenn man bei Bachs "Matthäus-Passion" nicht nur Töne hört, sondern Transzendenz-Bezogenes, wäre dies für mich "geistige Wahrnehmung" - das wäre jetzt mal EIN Beispiel. - Andersrum: Ich glaube nicht, dass ein Känguruh beim Hören derselben Musik in der Lage ist, darin "Gott" zu spüren.
Dann bekenne ich mich zu meinem Känguruh-Dasein. Ich nehme da ebenfalls nicht "Gott" wahr.

Aber ich habe Dir ja selber einmal erzählt, dass ich beim Musikhören nicht selten die reale Welt völlig - aber sowas von völlig - in eine andere Perspektive getaucht sehe, sie nur aus Bezügen sehe, das ich denke: das ist das, was manche "das Reich Gottes" nennen. Jedenfalls möchte ich da eigentlich nicht wieder weg.
Genauso wie ich aus diesen inneren Bildern und "Film"-Szenen vorm Einschlafen eigentlich nicht wieder wegwill.
Aber ich muss zurück in die schnöde Welt, und C.G.Jung hat das übrigens für absolut notwendig erklärt: ->

In meiner Sprache: alles und jedes ist gleichzeitig diesseitig und jenseitig, materiell und geistig.


closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Und was ist eine eigenständige Realität?
Das, was nicht durch Wahrnehmung GEMACHT wird.
Wieder Tautologie.


closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Aber nun erklärst Du mir das wieder tautologisch.
Wie das? - Ich habe versucht, Beispiele zu geben für meine Definition.
Nein. Du hast mir kein einziges Beispiel gegeben, sondern nur Tautologien aneinandergereiht.
Sieh selbst, ich zitiere Dein ganzes post, auf das ich mich bezogen hatte =>

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Vielleicht kommen wir etwas weiter, wenn Du erklärst, was Du mit "kategorial trennen" genau meinst.
Was ist für Dich eine "Kategorie"?
In unserem Zusammenhang: Dass das eine unabhängig vom anderen ablaufen kann.

Man kann geistig wahrnehmen, egal ob es sich um Projektionen ("Einbildungen") oder um eigenständige "Realität" handelt.

Umgekehrt: Etwas kann sein, egal ob es wahrgenommen/wahrnehmbar ist oder nicht.

Achtung: Diese Festlegung würde ich dann revidieren, wenn die erwähnten quantenmechanischen Versuche und deren Ergebnisse (Heisenberg/"Dr. Bertlmans Socken") übertragbar wären auf den Makrokosmos.

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#1227 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Sa 17. Okt 2015, 00:16

Savonlinna hat geschrieben:Es kann Jahrzehnte dauern, bis man ansatzweise erfasst hat, was einem da passiert ist.
In diesem Fall lautet die ehrliche Antwort folgendermaßen: Ich habe nicht ansatzweise erfasst, was mir da passiert ist.
Eine eher verlogene Antwort würde hingegen folgendermaßen lauten: Ich habe Gott erfahren.

Das Ereignis, das den Knall bewirkt hat, hätte nicht eintreten müssen,
Das eingetretene Ereignis hätte keinen Knall bewirkt, wenn du es auf eine andere, rationalere, weniger religiöse Weise interpretiert hättest. Die Frage ist somit nicht, was jemand erfahren hat, sondern warum jemand meint, bei einer beliebigen Erfahrung einen Gott ins Spiel bringen zu müssen.

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#1228 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 17. Okt 2015, 00:25

Savonlinna hat geschrieben:Dann bekenne ich mich zu meinem Känguruh-Dasein. Ich nehme da ebenfalls nicht "Gott" wahr.
Stopp - Du nimmst aber Geistiges wahr, was authentisch zu Gott sein kann. - Gott selber nehme ich auch nicht wahr (insofern habe ich mich fehlerhaft ausgedrückt).

Savonlinna hat geschrieben:In meiner Sprache: alles und jedes ist gleichzeitig diesseitig und jenseitig, materiell und geistig.
Von spiritueller Warte aus stimme ich Dir sogar zu. - im Grunde wäre dies ein geistiges Ahnen zu dem, was ich "Über-Zeitlichkeit" nenne.

Savonlinna hat geschrieben:Wieder Tautologie.
Sehe ich NICHT so. - Die Aussage lautet: "Sein"/"Realität" ist das, was nicht durch Wahrnehmung gemacht wird. - Das ist keine hinreichende, aber notwendige Definition, bei der ich nichts Tautologisches erkennen kann.

Savonlinna hat geschrieben:sondern nur Tautologien aneinandergereiht
Könnte es sein, dass Du "Tautologie" mit indirekten Definitionen ("Was Sein NICHT ist") verwechselst?

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Münek
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#1229 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Münek » Sa 17. Okt 2015, 00:39

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nicht ausweichen. Die Frage zielte in die Richtung, eine BEGRÜNDUNG einer solchen Notwendigkeit zu präsentieren.
Überprüfe Dich mal: Du neigst dazu, es als Ausweichen des Gesprächspartners auszulegen, wenn Du etwas nicht verstehst. :|

Doch doch, ich habe die Frage sehr wohl verstanden und erläuternde Erklärungen dazu abgegeben.
Ist das jetzt Deine Masche, mir Unverständnis vorzuwerfen, wenn ich Deine Ausweichmanöver kri-
tisiere?


Beantworte doch einfach die Fragen, die Dir gestellt wer-
den oder schweige oder sage, Du hast jetzt keine Antwort.

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#1230 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Sa 17. Okt 2015, 00:45

JackSparrow hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Das Ereignis, das den Knall bewirkt hat, hätte nicht eintreten müssen,
Das eingetretene Ereignis hätte keinen Knall bewirkt, wenn du es auf eine andere, rationalere, weniger religiöse Weise interpretiert hättest.
Ich habe in meinem ganzen Leben nie etwas religiös interpretiert.
Du scheinst das irgendwie nicht zu erfassen. Der "Knall" ist genau gleich, egal, wie man das im Nachhinein deutet. Oder auch nicht deutet.

Ich bringe mal als Beispiel für einen Knall eine Verknalltheit. Die Verknalltheit bewirkt den Knall, egal, ob ich sie religiös oder höchst irdisch deute.
Sie kann zum Beispiel den Knall bewirken, dass ich erkenne, ein Dreiviertel meines Leben mich mit dem falschen Menschen verbunden zu haben, löse die gutgehende Firma auf, verlasse die Familie und werde Platzanweiserin im Kino, wo ich endlich glücklich bin.

Ob da "Gott" mir diese Verknalltheit geschenkt hat, damit ich mich endlich zur Wahrheit beziehungsweise zu meiner Lebenslüge bezüglich Partner bekenne und klar Schiff mache oder es Zufall war oder Schicksalsgespinst einer Norne war - das spielt für den Knall keine Rolle.

Übrigens: ich habe hier nicht aus dem Nähkästchen geplaudert, sondern nur eine Geschichte zwecks Veranschaulichung erfunden. :D

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