Sein und Wahrnehmung II

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#111 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von closs » Di 1. Dez 2015, 23:12

Thaddäus hat geschrieben:Der christliche Gott wird durch den Einfluss der Philosophie als absolut transzendent gedacht.
Richtig - aber nicht seine Offenbarungen (wie etwa Jesus).

Thaddäus hat geschrieben:Im Christentum wird Gott über die Jahrhunderte immer adikaler als transzendent gedacht
Das fängt eigentlich bereits in 1.Mose an, als das Wort "Jahwe" und somit Gott definiert wird.

Thaddäus hat geschrieben:so dass es sogar zu einer negativen Theologie gekommen ist, die postuliert, dass Gott prinzipiell unerkennbar ist und überhaupt nur negativ bestimmt werden kann, über das, was er nicht ist.
Damit hat spätestens Th.v.Aquin angefangen - man könne viel leichter sagen, was Gott NICHT sei, als was er sei. - Ist ziemlich logisch.

Thaddäus hat geschrieben:Jedes als transzendent gedachte Wesen entzieht sich unserer unmittelbaren Sinneserfahrung
Was nicht unbedingt heisst, der er sich der geistigen Erfahrung entzieht.

Thaddäus hat geschrieben:Es ist prinzipiell denkbar, dass etwas außerhalb von Raum und Zeit geben könnte, - aber dann entzieht es sich unserer sinnlichen Wahrnehmungsmöglichkeit.
Richtig - sinnlich sollen nur Offenbarungen erfasst werden - dafür sind sie da - und das reicht (nach christlicher Lesart) auch.

Darüber hinaus ist der geistig aktivierte Mensch zu vergleichem mit einem Mathematiker, der formal weiss, was "x hoch 6" ist, es aber sinnlich nicht wahrnehmen kann. - Die Frage ist dann: Welchen Einfluss kann "x hoch 6" auf 3-D haben? (Ich weiss die Antwort nicht, weise jedoch auf dieses Grundmuster des Denkens hin - nebenbei: diesbezüglich wäre der Poincaré-Beweis einmal zu untersuchen - aber dieses Brett ist zu dick für mich).

Thaddäus hat geschrieben:So etwas wie Bewussstein zu haben, in dem mentale Zustände repräsentiert sind, ist offenbar eine Voraussetzung für die Höherentwicklung eines Organismus.
Das klingt sehr vernünftig. - Man sehen, wohin dieser Gedanke die Philosophie noch führt.

Pluto
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#112 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » Di 1. Dez 2015, 23:31

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Jedes als transzendent gedachte Wesen entzieht sich unserer unmittelbaren Sinneserfahrung
Was nicht unbedingt heisst, der er sich der geistigen Erfahrung entzieht.
Ich verstehe das nicht. Geistige Sinne gibt es nicht. Wie also will man etwas geistig erfahren, was nicht zugleich Selbsttäuschung ist?

closs hat geschrieben:Richtig - sinnlich sollen nur Offenbarungen erfasst werden - dafür sind sie da - und das reicht (nach christlicher Lesart) auch.
Gibt es echte Offenbarungen? Mir sind nur Kolportierte bekannt.

closs hat geschrieben:Darüber hinaus ist der geistig aktivierte Mensch zu vergleichem mit einem Mathematiker, der formal weiss, was "x hoch 6" ist, es aber sinnlich nicht wahrnehmen kann. - Die Frage ist dann: Welchen Einfluss kann "x hoch 6" auf 3-D haben? (Ich weiss die Antwort nicht,
Das klingt so als würde man nach der Temeratur einer Strecke fragen. Die Frage ist sinnlos.
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Savonlinna
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#113 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Savonlinna » Di 1. Dez 2015, 23:52

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Jedes als transzendent gedachte Wesen entzieht sich unserer unmittelbaren Sinneserfahrung
Was nicht unbedingt heisst, der er sich der geistigen Erfahrung entzieht.
Ich verstehe das nicht. Geistige Sinne gibt es nicht. Wie also will man etwas geistig erfahren, was nicht zugleich Selbsttäuschung ist?
Geistige Sinne gibt es nicht? Seit wann denn das nicht. Mach die Augen zu und guck Dir die Farben an vor Deinem immeren Auge.
Mach die Augen auf und guck Dir die Farben draußen an. Lauter Selbsttäuschung. Nicht eine Farbe ist draußen im Baum. Und doch sieht man sie.

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#114 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » Mi 2. Dez 2015, 00:01

Savonlinna hat geschrieben:Geistige Sinne gibt es nicht? Seit wann denn das nicht. Mach die Augen zu und guck Dir die Farben an vor Deinem inneren Auge.
Ein denkbar schlechtes Beispiel, denn Farben sind auf jeden Fall ein Konstrukt unseres Gehirns. Nicht einmal die Welt da draußen ist bunt.

Zweiter Versuch?
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#115 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Savonlinna » Mi 2. Dez 2015, 00:13

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Geistige Sinne gibt es nicht? Seit wann denn das nicht. Mach die Augen zu und guck Dir die Farben an vor Deinem inneren Auge.
Ein denkbar schlechtes Beispiel, denn Farben sind auf jeden Fall ein Konstrukt unseres Gehirns. Nicht einmal die Welt da draußen ist bunt.

Zweiter Versuch?
Den zweiten Versuch hast Du nicht mitzitiert. Warum nicht?

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#116 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von JackSparrow » Mi 2. Dez 2015, 00:16

Thaddäus hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Man kann somit in keiner Weise festlegen, dass eine „Ich-Instanz“ vorhanden sein muss, die sich selbst beobachtet.
Doch, genau das ist es, was man sogar unzweifelhaft feststellen kann.
Eine "Ich-Instanz" lässt nicht beobachten. Die lässt sich nur behaupten. Und wer etwas behauptet, was niemand beobachten kann, ist nichts anderes ein Betrüger.

Es ist völlig ausschichtslos, die Fähigkeit des Menschen zur unmittelbaren Selstbeobachtung leugnen zu wollen,
Man kann sich selbst beobachten, insofern man einen Spiegel besitzt. "Ich-Instanzen" konnten bisher jedoch nicht beobachtet werden.

einfach deshalb, weil jeder Mensch genau diese introspektive Erfahrung macht
Erfahrungen macht man mit Hilfe der Sinnesorgane. Was sich jemand nur denkt, ohne es jedoch zu erfahren, bezeichnet man nicht als "Erfahrung" (weil er es nicht wirklich erfuhr), sondern als eine sogenannte "Fantasie" (weil es nur in seinem Kopf stattfand).

A priori bedeutet lediglich vor aller Erfahrung.
Prior bedeutet "der Vorherige" (vgl. primus = der Erste), und "a priori" bedeutet überhaupt nichts, da nach der Präposition "a" stets der Ablativ stehen muss: a priore = vom Vorherigen. Wer den Spruch erfunden hat, war einfach nur des Lateinischen nicht mächtig.


Savonlinna hat geschrieben:Geistige Sinne gibt es nicht? Seit wann denn das nicht. Mach die Augen zu und guck Dir die Farben an vor Deinem inneren Auge.
Diesen Vorgang bezeichnet man als "Fantasie" und "Träumerei". Es besteht keinerlei Notwendigkeit, dafür einen neuen Begriff einzuführen. Das führt bei unkritischen Lesern nur noch zu weiteren Verwechslungen mit den normalen biologischen Sinnesorganen.

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#117 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von closs » Mi 2. Dez 2015, 00:34

Pluto hat geschrieben:Geistige Sinne gibt es nicht.
Im biologischen Sinne (Augen, Ohren, etc.) nicht - wenn Du "Sinne" jedoch als "Wahrnehmungs-Träger" definierst, ist auch das Denken und das geistige Empfinden ein Sinn - reine Definitionsfrage.

Pluto hat geschrieben:Gibt es echte Offenbarungen?
Auch eine Definitions-Frage - sogar die Natur kann als Offenbarung verstanden werden.

Pluto hat geschrieben:Das klingt so als würde man nach der Temeratur einer Strecke fragen. Die Frage ist sinnlos.
Nicht so schnell. - Du hast doch selbst gesagt, dass ein Tesserakt (4-D) in 3-D indirekt wahrnehmbar sein kann.

JackSparrow
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#118 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von JackSparrow » Mi 2. Dez 2015, 00:58

closs hat geschrieben:wenn Du "Sinne" jedoch als "Wahrnehmungs-Träger" definierst, ist auch das Denken und das geistige Empfinden ein Sinn - reine Definitionsfrage
Bedauerlicherweise können viele Menschen eben nicht unterscheiden zwischen den Dingen, die sie wahrnehmen, und den Dingen, die sie denken.

Ob diese Menschen das nur vortäuschen oder ob ihnen dafür tatsächlich die Fähigkeit fehlt, kann ich leider nicht beurteilen. Aber man muss ihnen nicht auch noch in die Karten spielen, indem man für beides die gleichen Bezeichnungen verwendet.

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#119 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von closs » Mi 2. Dez 2015, 01:06

JackSparrow hat geschrieben:Bedauerlicherweise können viele Menschen eben nicht unterscheiden zwischen den Dingen, die sie wahrnehmen, und den Dingen, die sie denken.
Es gibt in der Tat Fehlwahrnehmungen - bspw. Zoenästhesie. - Mir sind Fälle bekannt, bei denen sich Patienten an die Nase gelangt haben und dort ein Loch (statt eines "Gesichtserkers") empfunden haben.

Dies ändert nichts daran, dass jegliche sinnliche Wahrnehmung (in klassischer Bedeutung) von uns unbewusst (per Gehirn) interpretiert wird - ein "schönes" Rot, ein "schmutziges" Gelb, ein Grün wie das Kleid meiner Frau, etc. - also automatisch mit Konnotationen versehen wird. - "Gedacht" wird also in allen Fällen.

JackSparrow hat geschrieben:Aber man muss ihnen nicht auch noch in die Karten spielen, indem man für beides die gleichen Bezeichnungen verwendet.
Eigentlich müsste man "Perzeption" sagen - das ist neutral. - Aber dann kriege ich wieder eine auf die Rübe, weil es ein Fremdwort ist. :thumbup: - In diesem Sinne wären (klassisch Biologisch-) Sinnliches und Geistiges zwei unterschiedliche Arten der Perzeption - zwischen denen es selbstverständlich Verbindungen gibt. - Wäre damit weitergeholfen?

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Thaddäus
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#120 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Mi 2. Dez 2015, 07:40

Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Was nicht unbedingt heisst, der er sich der geistigen Erfahrung entzieht.
Ich verstehe das nicht. Geistige Sinne gibt es nicht. Wie also will man etwas geistig erfahren, was nicht zugleich Selbsttäuschung ist?
Geistige Sinne gibt es nicht? Seit wann denn das nicht. Mach die Augen zu und guck Dir die Farben an vor Deinem immeren Auge.
Mach die Augen auf und guck Dir die Farben draußen an. Lauter Selbsttäuschung. Nicht eine Farbe ist draußen im Baum. Und doch sieht man sie.
Sich einen Gott bzw. das Göttliche als transzendent zu definieren (weil Transzendenz vorstellen können wir uns nicht) bedeutet vor allem, dass dieser Gott sich selbst so offenbaren bzw. entäußern muss, dass der Mensch mit ihm Erfahrungen überhaupt machen kann. Ein transzendentes Wesen (wenn man an es glaubt) kann vom Menschen nicht erkannt werden, wenn es sich nicht selbst in die Welt des Menschen hinein offenbart und entäußert. Das ist also eine Einbahnstraße. Das kann religionshistorisch dadurch geschehen, dass der Gott irgendeine physische Gestalt annimmt oder auch, wie es die Israeliten glaubten, dass sich JHWH immer wieder in die besondere Geschichte des Volkes Israel eingreifend offenbart.

Der Mensch kann bei dieser Bestimmung von Transzendenz über keinen besonderen geistigen Sinn verfügen, mit dem er den transzendenten Gott unmittelbar erfahren kann, denn dann wäre dieser Gott eben nicht transzendent, weil er ja unmittelbar erfahren werden kann und es gäbe einen Erkenntnisweg vom Menschen zu Gott. So definiert das Christentum seinen Gott aber nicht. Der ev. Theologe Karl Barth definierte Gott dem gemäß konsequent als das "ganz Andere".

Allenfalls kann der Mensch Gott indirekt über dessen Schöpfung "bemerken".

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