Rembremerding hat geschrieben:Steckbrief des Willens
Das ist Utopie und nicht Realität.
Wille ist zwar sehr wohl die Kraft, die zu (auch geistiger) Handlung führt, aber VOR dem Willen steht die Erkenntnis, etwas wollen zu wollen - dieser entscheidende Punkt wird immer wieder unterschlagen - konkret:
Morgen a)
will ich in die Pilze und b)
will mir Öl für den Winter bringen lassen. a) geht nur, weil ich Pilze
kenne. - b) geht nur, weil ich
erkannt habe, dass es sonst im Winter kalt ist. - Wenn ich jetzt kein Öl kaufen würde, obwohl ich weiß, dass ich dann im Winter friere, würden Deine Argumente beginnen zu greifen. - Übertragen von diesem sehr einfachen Beispiel auf die (auch geistige) Lebenswirklichkeit ist das die Ausnahme: Die meisten Dinge werden willentlich getan, weil sie SO (also falsch) erkannt sind - der Profi-Steuer-Hinterzieher fühlt sich "moralisch" im Recht.
Rembremerding hat geschrieben: Macht euch frei, seid frei von eurem Fleisch, eurem Ego!
Da sind wir uns komplett einig - aber nicht durch Willen, sondern durch Erkenntnis.
Rembremerding hat geschrieben:Wir sind keine Marionetten unserer Triebe und Hormone. Wir können stets frei entscheiden
Eindeutig nein - das ist das Postulat eines Weltbildes, das nicht zusammenbrechen will.
Rembremerding hat geschrieben:Es ist eine gefährliche Entwicklung unser Handeln von keinem freien Willen bestimmt sein zu lassen.
Vom falsch erkannten Willen bestimmt sein zu lassen, wäre vielleicht besser. - Der Nahrungsmittel-Börsen-Spekulant
will so handeln, weil er für sich erkannt hat, dass es so richtig ist.
Rembremerding hat geschrieben:Ein Triebtäter? Er kann für seine Taten nichts, es waren seine Hormone.
Wie das Wort "Triebtäter" schon sagt: Ja. - Trotzdem muss man die Gesellschaft vor solchen Leuten schützen - im Extremfall lebenslang - aber das ist ein ganz anderer Ansatz.
Rembremerding hat geschrieben:Vor Gericht weiß man (noch), wenn jemand Herr seiner selbst, seines Willens war und verurteilt deshalb keine unmündigen, denn der freie Wille macht uns erst mündig.
Vor Gericht steht man gesetzlichen Regelungen gegenüber, die die Frage nach Delikt-Fähigkeit regeln. Grundsätzlich geht man von Delikt-Fähigkeit aus, weil das Gerichtswesen sonst seinen Laden dicht machen könnte. - Merke: Ein Gericht ist zur Wahrung der öffentlichen Ordnung da und hat im Grunde wenig Einblick in das, was wirklich persönliche Schuld ist - das steht dort auch nicht im Vordergrund.
Rembremerding hat geschrieben:Diesen freien Willen dürfen wir uns nicht nehmen lassen.
Da kann man nicht widersprechen - aber Du fängst mit Schritt 2 an. - Schritt 1 wäre, erst einmal zu erkennen, was man wollen soll. Oder wie Gott zu Abraham sagt: "Erkennen sollst Du, erkennen" (Buber, Gen. 15,13).
kamille hat geschrieben: Die Wiedergeburt des Geistes, oder das Einswerden mit dem inneren Geist aus Gott gewährt dann den vollen Gebrauch dieser Willensfreiheit.
Erst a, dann b - genau so sehe ich das auch.
kamille hat geschrieben: denn der Weg in die echten Freiheit hat begonnen.
Einverstanden. - Und da wird es Situationen geben, in denen der Geist willig, das Fleisch aber schwach ist. - Das muss keine Willenskrise sein, sondern man packt einfach nicht, was man will.
Im übrigen: Der Aspekt der Alltags-Besessenheit sollte auch berücksichtigt sein. - Mit Besessenheit ist ja nicht nur gemeint, dass irgendjemand sich wälzend rumtobt, sondern auch das stille Zähe, das einen nicht loslässt und das man nicht die Kraft hat, loszulassen. - Da sollte man Vertrauen haben ins Abgeben-Dürfen - aber das hat halt auch nicht jeder. - In diesem Sinne - steile These - behaupte ich mal, dass ein Großteil der Bevölkerung irgendwie besessen ist - durchaus wörtlich gemeint. - Auch das Richtig-Finden eines falsch-orientierten Willens ist ein Form der Besessenheit.