Glaube der Ungläubigen

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#11 Re: Glaube der Ungläubigen

Beitrag von closs » Sa 17. Jan 2015, 12:22

sven23 hat geschrieben: Religion, die sich aus ihrem Selbstverständnis heraus bewußt abgrenzt und Religion, die instrumentalisiert wird.
Bei uns gibt es beides:

Man grenzt sich selber bewusst und still dadurch ab, dass man sagt: "Je ne suis pas Charlie" - man wird aktiv instrumentalisiert, indem beispielsweise immer noch auf der Ein(?)-Dollar-Note steht: "In God we trust".

R.F.
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#12 Re: Glaube der Ungläubigen

Beitrag von R.F. » Sa 17. Jan 2015, 13:17

Unter dem Titel “Denker der Stunde” geht der Autor des Buches “Kritik der holistischen Vernunft. Karl Popper und die Fragen nach dem Ganzen und seiner Teile” in der heutigen Ausgabe der Badischen Zeitung” auf Poppers Ideal einer “offenen Gesellschaft” ein:

Wer die Renaissance des Karl Popper verstehen will, muss verstehen, wie er in Vergessenheit geraten konnte. Bis zu seinem Tod 1994 gab es kaum einen westlichen Politiker, der ihm nicht ergeben die Hand geschüttelt hat. Mit seiner scharfen Abgrenzung der offenen und geschlossenen Gesellschaft wurde er zum gefragten Analytiker des Ost-West-Konflikts...Poppers Werk wurde zum Selbstbedienungsladen für die Rhetoriker des Kalten Krieges.

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs löste sich die Bipolarität, die auch für das Poppersche Denken charakteristisch war, mit einem Schlag auf, die offene Gesellschaft schien gewonnen zu haben und konnte sich nun auf der ganzen Welt ausbreiten.

Der Systemfeind war verschwunden. Ohne die Gefahr von außen wurde Freiheit zur Routine. Man war sich ihrer so sicher, dass manch einer begann, sie zu hinterfragen.

“Der Krieg ist vorbei”, meinte viele, als der “Eiserne Vorhang” fiel und die Sowjetunion begann, sich aufzulösen. Ich konnte mich über die Kurzsichtigkeit im “christlichen” Europa nur noch wundern. Einen Strich durch die Rechnung hat sich der Westen jetzt selbst gemacht...

Wie stand Popper zu den Religionen? Dazu führt der Autor aus:

Auch auf religiösen Fanatismus geht Popper nicht direkt ein.
- - -
Es versteht sich von selbst, dass Popper damals in den säkularen Totalitarismen die größte Gefahr für die Demokratie ausmachte. Dagegen, so schreibt er, seien alle Religionen "relativ harmlos". Im Unterschied zur Klassen- oder Rassenlehre sähen sie nämlich "in jedem Menschen einen potentiellen Konvertiten". Dem Ungläubigen wird also immerhin die Freiheit eingeräumt, die Seiten zu wechseln. Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse erscheint diese Einschätzung erschreckend naiv, allerdings nur für jene, die den radikalen Islamismus mit der Religion des Islam verwechseln, und nicht als das betrachten, was er tatsächlich ist: eine religiös motivierte Ideologie, die sich in ihrem totalitären Anspruch weder von Hitlerismus noch Stalinismus unterscheidet.

Interessanterweise bescheinigte Popper dem Marxismus seinerseits ein "religiöses Element", bezeichnete ihn gar als "prophetische Religion". Denn in einem Punkt sind sich Religion und Ideologie einig: Sie verheißen ihrer geknechteten Gefolgschaft ein goldenes Zeitalter, das niemals enden wird. Poppers berühmter Kommentar dazu: "Jeder Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle. Dieser Versuch führt zu Intoleranz, zu religiösen Kriegen und zur Rettung der Seelen durch die Inquisition."

Wie unser Closs oben andeutete, wurden in der Geschichte Religionen zur Durchsetzung profaner Interessen missbraucht. So auch die Bauern, die sich während den Bauernkriegen 1524- 1526 auf das “Göttliche Recht” als höhere Legitimation ihrer Aufstände beriefen...

michaelit
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#13 Re: Glaube der Ungläubigen

Beitrag von michaelit » Sa 17. Jan 2015, 13:41

Ich denke viel darüber nach daß Gott auch in atheistischen Gesellschaften, im atheistischen Menschen wirken kann. Ich sehe dabei Gott nicht als Großen Meister auf dem Thron der erst gekannt werden muß bevor er etwas tut. Er ist dagegen wie ein Bauer der seine Samen wirft, und die Samen sind wirklich nicht immer religiös. Gerade was Münek da schreibt, daß viele gottlose Leute über die flüchtige Schönheit der Welt staunen, das ist für mich auch etwas das Gott bewirkt. Jeder Mensch, wer er auch ist, trägt in sich Äquivalenzen von Gott, also etwa die Liebe zur eigenen Familie, Heimatliebe, Sehnsucht nach Abenteuern, Freude an guter Arbeit, Suche nach Erfolg usw. Das sind alles hochwertige Antriebe die meiner Ansicht nach aus Gott kommen ohne daß Gott darüber wacht daß die Menschen sich auch fein ordentlich dafür bedanken. Und ich weiß daß ich Gott gekannt habe vom Gefühl her als ich noch Atheist war, und daß ich in Wahrheit viel verlor als ich dann, im Zuge einer Umorientierung, Christ wurde und mich gleich so tief hingab an Gott. Denn eigentlich hatte ich Gott schon gehabt, was eine Wiederentdeckung, ein Verstehenlernen hätte werden sollen war deswegen ein langes schwerfälliges Suchen nach etwas daß ich doch eigentlich schon hatte. So war meine erste Christenzeit teilweise voller Frust und auch Angst da ich nicht mehr sah wie schön ich es doch hatte und daß Gott mich wirklich liebte. Doch statt das in mir zu stärken haben meine damaligen Christenbekanntschaften darauf hingewirkt daß ich mich als Sünder sah der Gott nie gekannt hatte, davon gingen ihre Theologien nämlich aus. Doch wie gesagt, wenn mein Glaube auch noch nicht formuliert war hatte ich doch Äquivalenzen von Gott in mir gehabt, trug schon Samen in mir die ich ruhig hätte wachsen lassen können. Stattdessen mußte ich der Gottesfurcht vertrauen und wurde dann auch folgerichtig ein Kaktus statt eines Beerenstrauchs, ich wurde griesgrämig und mochte Menschen nicht mehr so sehr und obwohl ich aus Angst bei diesem Bibelgott blieb strebte mein Geist ständig fort, zu einem guten Gott hin den ich dann auch anders fand als es mir gesagt wurde, im freien Denken, in der fantasievollen Suche, im philosophisch bewußten Anhängen meiner an die bessere Weisheit.

2Lena
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#14 Re: Glaube der Ungläubigen

Beitrag von 2Lena » Sa 17. Jan 2015, 13:55

Münek hat geschrieben:Es gibt ein Vorurteil, dass die USA immer religiöser werden", sagt Zuckerman: "Aber nur eine Weltanschauung wächst hierzulande beständig seit 25 Jahren - und zwar die der Unreligiösen. Jedes Jahr kommen über eine halbe Million Gottlose hinzu, bei den unter 30-jährigen liegt ihr Anteil schon bei 32 Prozent..."
... was kein Wunder ist - bei der Religionsausbildung, die derzeit "auf dem Markt" ist.
Über die Art der Negativausbildung hat sich der Zuckerman keine Gedanken gemacht, sondern er rührt bloß allein fleißig die Werbetrommel für seine Ansichten. Es ist jedoch die Frage offen, wohin das Mehr an (Schein)Bildung, (Schein)Sicherheit und (Schein)Wohlstand führt, das er anpreist.

Mehr Bildung: Es fällt mir dazu der Beitrag "Aussteigen" von Michaelit ein. Die Heimorganisation erlebt er als Betroffener. Betreuer schildert er, die nicht mehr betreuen, sondern lieber ihr Sozialpädagogikstudium, ihr Psyshologiestudium und die Pharmakenntnisse "ausleben". Der Staat und Vereine sorgen für die Umlage vom Steuerzahler zum guten Betreuereinkommen. Dazu besorgt er Heimbauten, damit die Steuergelder fließen und gibt etwas Taschengeld. Geholfen wird den Betroffenen nicht wirklich. Es gibt die Fehlhaltungen in Sachen Bildung in so gut wie allen Bereichen. Es gäbe da endlose Beispiele anzuführen ...

Eine Ausbildung als Maschinenbauingenieur setzt heute keine Glaubensvoraussetzungen voraus. Das Überleben mit dieser Ausbildung in heutiger Gesellschaft lautet: Schau, dass du einen ordentlichen Arbeitsvertrag hast oder alles Kapital und Gründstücke hortest.
Also sei Wohlstand - meint man.
In Wirklichkeit hapert es aber an den vielen Tugenden, die das Arbeitsleben, die Aufgaben und die Gemeinschaft lebenswert erscheinen lassen. Vor allem hapert es am Teilen. Diese Ideale sind in der Bibel beschrieben, auch die Wege von Kommunikation und Menschlichkeit. Im Grunde wäre es die "Verfassung des Paradieses". Sie sind die Voraussetzung für gutes und qualitätsbewusstes Arbeiten in jedem Berufszweig - aber so gut wie kein Mensch hat je ernstlich dazu nachgedacht und sie studiert, besonders wenig in letzter Zeit.

Amerika ist ein Einwanderungsland, in das sehr viele religiöse Gruppen auswanderten, die in Europa verfolgt worden waren. So kam der Ruf als "religiöses Land". Das hat darüber hinaus sehr viel zu den Idealen der Staatengemeinschaft beigetragen.
Doch das Streben geht heute nach dem Motto der Agnostiker und Atheisten:
"Wir beherrschen die Welt" - und nicht ein Gott, der ...

Wohlstand: Wie sehr dieses Motto "Geld und Macht her" auch in der Wirtschaft wirksam war, zeigt sich in hoher Kriminalität, ausgelöst durch die Wohlstandsunterschiede und durch die von "Gottlosen" motivierte Raffgier. Die Unebenheiten fingen schon bei den Rassenunterschieden an. Schwarze kamen als Sklaven unfreiwillig in das Land. Es zeigte sich ein böses Geschwür der Religösen, die Bibelsprüche zur Rechtfertigung herangezogen haben, genau wie in Südafrika. Das fast gleichzeitige Zusammenwürfeln vieler Nationen hat in den USA nicht das gleiche "Fremdeln" auslöst hat wie in Europa, das "Nachzügler" hatte. Aber ihr Sklavenproblem haben sie noch längst nicht gelöst.

Das einfachste Mittel, diesen unrechten Wohlstand zu behalten ist wohl: Atheimus. Das heißt, die machen eigene Gesetze - per Staatsdiktatur. Nach den göttlichen Gesetzen wären sie "des Todes", wie die Bibel es beschreibt. Die hat eine eigene Darstellungsforum, und zeigt was zum Unglück führt und wo man hingerissen ist. Hingerissen wäre man bei gerechten Lebensmöglichkeiten für alle - bei bleibender Hilfbereitschaft. Tödlich ist hingegen Druck, Hetze, finanzieller Ruin, schlechte Lebensmittel, und die Pistolen der Nachbarn, die sie bei Wut abfeuern.

Sicherheit: Das "Sicherheitssystem" der USA nach 11/09 hat den Bürgern viele Nerven gekostet, hat auch Unschuldige diskriminiert, und keinen einzigen Tag lang wirklich Frieden im Land gebracht. Ganz anders lauten die Friedensregeln von Salomo, aber die kennen die Agnostiker leider noch nicht.

Münek hat geschrieben: Zuckerman: "Das ist überraschend, gelten doch Religionen als bestes Gegenmittel gegen die Angst vorm Sterben, weil sie ein Leben nach dem Tod versprechen. Bei Zuckermans Gesprächspartnern hingegen verhielt es sich häufig genau andersherum: "Viele Atheisten sagen: Wenn ich tot bin, geht halt das Licht aus." Viele Gläubige dagegen haben ernsthaft Angst vor dem Jüngsten Gericht."
Bei der Lebensweise eines Agnostikers ist es nicht möglich die Mysterien zu erforschen. Das ist als ob ein Salzgegner Salz erforscht und sich sträubt zu merken, dass es salzig ist.

Von der Grundkonstruktion der alten Ideale kennt Zuckerman sehr wenig.
Ägypten, Pannonien, Griechenland, Syrien, Türkei und Indien sind, wie man weiß, weit weg von Amerika ... Um älteste Überlieferungen hat er sich nie gekümmert. Daher sieht er den Schrott - als Katzengold an. Es scheint zu glänzen. Bei einem Vergleich der Idole käme sein Unsinn heraus. Aber das wagt ja keiner gegen den Strom zu schwimmen - und er kann es auch häufig auch nicht.

Aus urältesten Zeiten, als Gott den Menschen und die Erde schuf, gab es die "Gebrauchsanweisung", mit Geboten, an welche sich die Menschen halten sollten, damit sie nicht das Opfer anderer "Götter" wurden. Die Schöpfung ist nicht allein die Materie, sondern sie ist "belebt". Dieses Leben spüren Hellfühlige, Hellsichtige können es sehen und Hellhörige es vernehmen. Sie leiden dann mit dem gefällten Baum, den gequälten Menschen und viel mehr. Damit dieses Leiden aufhört, gibt es Regeln, und das bringt die Einheit mit Gott. Kein Mensch haut sich mit dem Hammer auf den Zeh, weil er "weiß", dass "ihm" das weh tut. Der Strom des Lebens fließt. Er mündet entweder in ein Meer voll Bitterkeit oder er bringt süßes Wasser zum Gedeihen der Welt.

Das Leben kann mit einem Tod zu Ende sein. Leugnet jemand, dass das Salz salzig ist - wer kann ihn da noch retten? Er bringt sich nur selbst zu Fall. Bei jedem Tag und bei jedem Lebensabschnitt kommt ein "Gericht", ob es das Gewollte war - oder was hier noch gerichtet werden muss. Ein charaktervoller Mensch stellt sich dem und keift da nicht.

Münek hat geschrieben:Auch Trauernde, Krebskranke und Querschnittsgelähmte hat er zu ihrem Unglauben befragt.
Haben die sich etwa nach der Ursache des Leids befragt?
Die Trauernden, weil sie nicht die an die "Unsterblichkeit" glauben,
die Kranken, weil sie ein System bejahen, das sie krank macht ...

Mir ist nach Jammer zumute, lieber Müneki ...
... dass "ausgebildete Leute" eine krebsartige Fehlbildung hochloben, statt der echten Werte, die es von alters her bereits gibt und hundertfach bewiesen wurden (wenn auch nur die negative Werte :-. ... fest als Beweis dastehen.

michaelit
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#15 Re: Glaube der Ungläubigen

Beitrag von michaelit » Sa 17. Jan 2015, 15:58

Hallo 2Lena,

ich würde Atheismus nicht mit Sündhaftigkeit gleichsetzen. Ich bin in der DDR groß geworden wo es viel Atheismus gab und damit war es manchmal einfacher als mit den Glaubensdingen leben zu müssen. Ein Großteil meiner Familie lebt immer noch so und es geht ihnen ziemlich gut damit. Man muß ja Gott verstehen wenn man an ihn glauben will, und auch ich hatte da lange lange Zeit Probleme damit. Dazu kamen Glaubenslehren die aus der Bibel kommen, Lehren die nicht leicht zu widerlegen sind. Und du weißt doch selbst genau daß religiöse Gesellschaften manchmal sehr düster sein können. Jesus und viele andere Leute hatten kein Zuckerschlecken unter den Pharisäern. Schau dir doch mal das Buch Nehemia noch einmal an, da mußten die Leute alle weinen als ihnen das Joch des Gesetzes auferlegt wurde. Und ich kann sie sehr gut verstehen damit. Die Lösung liegt wirklich nicht im Alten Testament, Lena, man muß den jüdischen Gott wieder gehen lassen und sich mehr an Jesus und seinen Vater halten. Es gab ernsthafte Gottessucher unter den Juden aber es gab auch viele die bloß an religiöser Macht Interesse hatten, die nachredeten was in den Schriften stand und das war es schon. Die Juden waren darin auch nicht anders als andere Völker. Du siehst die Bibel als Schatzkammer, für andere Menschen war sie nur ein endloser Drohbrief. Obwohl ich akzeptiere daß man die Bibel geistlich gesehen auch positiv lesen kann halte ich es für falsch sie wieder zur tatsächlich HEILIGEN Schrift zu küren, denn das ist sie nicht. Wir sollten lieber selbst nachdenken, forschen und schreiben. Es ist besser die Fehler der Juden nicht zu wiederholen. Wir könnten hunderte gute heilige Schriften haben statt dieses einen Buches für das schon soviel Blut geflossen ist.

LG

Daniel

2Lena
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#16 Re: Glaube der Ungläubigen

Beitrag von 2Lena » Sa 17. Jan 2015, 18:13

Poppers berühmter Kommentar dazu: "Jeder Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle. Dieser Versuch führt zu Intoleranz, zu religiösen Kriegen und zur Rettung der Seelen durch die Inquisition."
Popper hat die Bibel nicht völlig gekannt, nur jene Vision gelesen, die alle lesen ...
Aus der kann passieren, was er meinte, weil jeder seine eigene Version durchzusetzen meint.

Michaelit hat geschrieben: Die Lösung liegt wirklich nicht im Alten Testament, Lena, man muß den jüdischen Gott wieder gehen lassen und sich mehr an Jesus und seinen Vater halten.
Der ist immer noch gleich. Das Alte Testament hat eine Wiederholung. Die Zusammenfassung der Lehren = NT

Michaelit hat geschrieben: Obwohl ich akzeptiere daß man die Bibel geistlich gesehen auch positiv lesen kann halte ich es für falsch sie wieder zur tatsächlich HEILIGEN Schrift zu küren, denn das ist sie nicht. Wir sollten lieber selbst nachdenken, forschen und schreiben.
Das machen Gelehrte bereits seit der Säkularisation, Jahrhunderte schon. Und was ist herausgekommen? Man tankt noch ein bisschen von alten Überlieferungen. Vor 100 Jahren war noch mehr Allgemeinwissen da, als es die antiken Philosophen als Lehrfach gab. Die warfen aber bereits die Römer auf den Bücherscheiterhaufen, als sie die Lehren von Jesus Christus hatten.
Sagen wir es ganz schlicht:
So gut wie keiner kennt die biblischen Inhalte.

Was steht denn neben den Inhalten, die du kennst in der Bibel?
Neben den Mysterien, die kaum einer weiß - auch nicht die alten Mythen ahnt ...

Genesis 1 - 2 Erlangung von qualitätsbewusstem Schaffen.
Genesis 3 Unterscheidung von gut und schlecht
Genesis 4 - 6 Regeln für Gemeinschaftsentwicklungen
Genesis 6 - 9 Durchblick ermöglichen und gerechtes Richten.
Genesis 10 - 11 Beispiel Gemeinschaftsarbeit oder ihr Gegenteil erkennen
Genesis 12 - 50 Gesetze der Wunschregelung und Zurückhaltung

Gibt es etwa in unserer Gesellschaft ein derart kompaktes Allgemeinwissen?
Auf grad mal 60 Buchseiten ...
Du hast es noch kürzer haben:
Das Glaubensbekenntnis.

Ich befürchte allerdings, dass darin der Füllstoff abgeht und du dir etwas anderes darunter vorstellst als die kompakte Lebensregel mit allen Gesetzen.

Michaelit hat geschrieben:sich mehr an Jesus und seinen Vater halten ..
Du hast das versucht, dann bist du an der Bibel gescheitert.
Jeder kannst auch am NT scheitern, denn dort stehen nicht einmal die einfachsten Gesetze, liest man die ohne *Auslegung. Was weißt du dann? Jesus wurde in Bethlehem geboren. Er nahm 12 Jünger, wirkte Wunder, erzählte Gleichnisse, die keiner auslegen kann. Es gab die Seligpreisungen, (die aber damals über 600 Jahre alt waren). Die anderen Reden Jesu geben scheinbar keine Gesetze her. Du kannst nicht alles verkaufen und es den Armen geben, magst dir auch nicht das Auge ausreißen.

Hast du je darüber nachgedacht - ob dies der Grundstock der Kirche ist - oder Gelehrsamkeit und Einfühlung auf viele Arten.

michaelit
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#17 Re: Glaube der Ungläubigen

Beitrag von michaelit » So 18. Jan 2015, 06:11

Hallo 2Lena,

ich habe da einfach eine andere Perspektive auf die Bibel als du. Die Juden selbst lesen ja das Alte Testament nicht wie du. Ich kenne auch keine anderen Christen die das tun. Da müßte deine Lesweise ja seit Jahrtausenden verschollen sein. Wo sind die geschriebenen Auslegungen die deiner Lesart entsprechen? Auch die Kirchenväter schreiben ganz anders von der Bibel.

Ich verstehe das einfach nicht. Warum schreibt Paulus mit so deutlichen Worten davon daß wir etwa das Gesetz nicht mehr brauchen weil es in Christus abgetan wurde? Das ist eigentlich etwas Zentrales für mich. Er als Jude war dagegen daß man Gott nur aus jüdischer Perspektive sah. Und ich kann das auch verstehen, wenn nur die Juden im Zentrum stehen, dann kommen die anderen Kulturen doch viel zu kurz.

Ich würde sagen daß man eigentlich jede Schrift so auseinandernehmen kann wie du es mit dem Alten Testament machst. Ich kann das sogar mit der ganzen Realität machen. Beispielsweise könnte jemand sagen, Leben bedeutet Sterben. Sterben und Streben klingen ähnlich, also heißt es Leben bedeutet Streben. Und wie ist es nach dem Tod? Ist da das Streben zu Ende oder beginnt es erst? Beginnt es vielleicht ganz neu auf ganz andere Weise? Du siehst, man kann immerzu an Wörtern deuten, nicht nur in den biblischen Texten.

Aber wenn ich das bei der Bibel nur so mache, dann weiß ich gar nicht mehr über die Geschichte Bescheid. Beispielsweise weiß man bei deiner Deutung gar nicht mehr was Gott macht. Da schwirrt einem der Kopf von Wortweisheiten aber die tatsächlichen Lebenssituationen und wie man dazu kommt daß Gott darin deutlich wird, fallen weg. In deinem Denken steckt viel Geist, aber es fehlt irgendwie der konkrete Sinn, der Auftrag an uns, die Erklärung für das was geschah.

Sprich es fehlt ein Zentrum wo man Gott findet. Ich sehe das nicht in den Wortdeutungen sondern in Kreuz und Auferstehung.

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#18 Re: Glaube der Ungläubigen

Beitrag von 2Lena » So 18. Jan 2015, 08:35

michaelit hat geschrieben:Die Juden selbst lesen ja das Alte Testament nicht wie du. Ich kenne auch keine anderen Christen die das tun. Da müßte deine Lesweise ja seit Jahrtausenden verschollen sein.
Das ist richtig - sie ist verschollen.
Im Judentum wird zwar der gleiche Text gelesen - aber er wird anders gedacht. Das kannst du bei einem Besuch der Synagoge sehr oft an den Gesichtern der Menschen beobachten und durch zahlreiche Literatur erkennen, die anders ausfällt. Martin Buber hätte sein Buch "Ich und Du" nicht auf die Art schreiben können, wenn er die Ansicht eines "bekennenden" Christen gehabt hätte, die aus Bauklötzen der Übersetzung besteht. Es gibt zwar Überschneidungen von Blickweisen, aber eben auch die Löcher, die dann keiner merkt - auf beiden Seiten nicht. Auch Buber hat das Loch nicht bemerkt und ein bisschen schief gebaut.

Ein bibelgläubiger Mensch bekommt eine Art schizophrenes Denken, sobald er den Glauben an Jesus mit den Bibeltexten in Verbindung bringt. Das Bibellesen war für katholische Laien offiziell bis zum Konzil vor 50 Jahren verboten. So ginge es nicht!, protestierten die Evangelischen vor 500 Jahren. Doch was kam: Die Kluft Vorstellung und der Bibeltext wurde noch breiter. Bei allen Fragen sieht es bei Gläubigen und der Kirche aus, als würden sie schwindeln müsen - und man verfällt langsam immer mehr in Unglauben. Das kennst du zu gut aus deinen Erlebnissen, die du hier beschrieben hast.

michaelit hat geschrieben:Wo sind die geschriebenen Auslegungen die deiner Lesart entsprechen? Auch die Kirchenväter schreiben ganz anders von der Bibel.
Sie benutzten anfangs die rabbinische Auslegung. Du merkst auch nicht wie das NT das AT erklärt. Genauso versteckt wirken die Kirchenväter mit ihren Werken. Hieronymus schreibt von der Wahrheit der hebräischen Bibel. Gedeutet wurde sein Ausspruch: Die Bibel enthält die Wahrheit. Das tut sie nicht bei ihren Widersprüchen. Die Dichtkunst gibt Aufgaben. Der Leser muss alle Seiten ausfüllen. Hat er sie vorliegen, kennt er die Wahrheit. Fehlt was, geht das Ergebnis nicht wirklich.

Hieronymus schreibt auch: In allen Psalmen kommt Jesus vor. Hast du davon gelesen. Etwa nichts gefunden? Kurz: Man hat auch die Kirchenväter nicht aufmerksam gelesen.

michaelit hat geschrieben:Warum schreibt Paulus mit so deutlichen Worten davon daß wir etwa das Gesetz nicht mehr brauchen weil es in Christus abgetan wurde?
Was verstehst du unter Gesetz?
Die Zahl "pi" bleibt als Gesetz. Auch die Axiome der Dogmen bleiben. Bring da mal auf einer eigenen Diskussion. Bei Paulus geht es um das Abwägen.

michaelit hat geschrieben:Aber wenn ich das bei der Bibel nur so mache, dann weiß ich gar nicht mehr über die Geschichte Bescheid. Beispielsweise weiß man bei deiner Deutung gar nicht mehr was Gott macht. Da schwirrt einem der Kopf von Wortweisheiten
Zeichne mal einen Film. Da siehst du auch nichts als einzelne Blätter, bei denen nur ein Finger einer Figur immer wieder ein kleines bisschen anders steht als zuvor. Erst der Ablauf erscheint dann als Bewegung. Im Christentum wurde von Kreuz, Auferstehung und von Gott erzählt. Wieviel konnte man sich daraus vorstellen? Dann kam der Befehl zum Glauben. Glauben ist hebräisch Ausbildung. Hej, man kann nicht ohne Unterbau arbeiten.

Schau mal bei Genesis 3. Da ist von einem Baum des Lebens die Rede, der ungesichert mitten im Paradies steht. Die Schlange verführte. Die Geschichte ist leicht zu merken. Umfangreich ist die Beschreibung vom Paradies, die Solon von den Ägyptern mitbrachte, und die kaum, ganz wenig in den Mythen in Europa bekannt war. Das Gesetz steckt in der Wortwahl, auch im Detail: Baum des Lebens oder der Ratschlag dafür. Sollten Eva das nicht nehmen? Doch, so erlaubt die Dichtung zu lesen. Aber die durften nichts nehmen von "betoch ha gan". Keine Ratschläge schlucken, die nach unten bringen! Der ganze Garten steht zur Verfügung.

Man muss in die Wortdetails gehen, sonst kommt nichts ... Daher kommt deine Verwirrung ...
Man kann auch nichts mit dem deutschen Text anfangen, da er das Verwechseln von Kreuz, Holz, Baum mit Ratschlag nicht ausspuckt. Das muss einfach mal gelernt werden! Mit dem Wundern, "warum die Schlange klüger war als andere Tiere des Feldes", ist es einfach nicht getan. Es hat nie jemand nach den Wortbedeutungen und dem flexiblen Text gefragt.
Die Schlange wurde nur allegorisch auf den Teufel gedeutet.
Huch, ich weiß was ...
Auf was achten wir nun ...
Der hat sich ziemlich versteckt.

Als Wort ist [nachasch] die Schlange, gleich geschrieben wird "Ahnung haben, Gefühl". Das kann ziemlich verführerisch sein. Aber hat es auch verführt? Die Schlange war listiger als die Tiere des Feldes. Anders gedacht: Gefühl haben sollte klüger sein auf dem Gebiet - oder, hat man's geahnt.
Oder ist Ahnung haben "nackt".

Hier ist dann [arom] mal nackt, mal klug, mal listig ... und der Leser muss sich gefälligst die Arbeit machen, alle Teile zu lesen. Er geht also (blitzschnell wenn das geübt ist, den Ablauf erkennend) oder eben langsam Schritt für Schritt die Möglichkeiten lernend. Durch die Art - wie gedichtet wird - kommt die lückenlose Auskunft und dann ist auch ein guter Überblick vorhanden mit allen Bausteinen.

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#19 Re: Glaube der Ungläubigen

Beitrag von michaelit » So 18. Jan 2015, 08:49

Ich lese da immer bei dir viele Wortbedeutungen, aber was ist denn nun eigentlich mit Gott? Was hat der gemacht und getan?

Und denkst du wirklich daß man erst diese Wortausbildung braucht um glauben zu können? Ich gehe von Kreuz und Auferstehung aus und sehe darin das Hauptzeichen des gütigen Gottes. Und dann lasse ich das jüdische Denken ruhen und suche den allgemeinen Gott, den göttlichen Geist der auf Erden wirkt. Und da finde ich in vielerlei Hinsicht immer neue Gottesregungen, in der Musik, in der Kunst, in allem was man so philologisch durchdenken kann.

Ich glaube etwa nicht daß diese ganzen jüdischen Schriften so gedacht wurden wie du sie siehst. Da wären nämlich die Verfasser ziemlich verantwortungslos gewesen denn die ganze Bibel wirkt wie dieser Baum von Gut und Böse, da es sich ja eigentlich wirklich nur immer um Gut und Böse geht. Dafür steht ja auch das Flammenschwert, die Idee des Wortes Gottes verhindert unsere Rückkehr ins Paradies. Wenn man aber in dem ganzen Gemenge hauptsächlich Menschenideen sieht, dann ist es einfacher weil ich auch einmal etwas verneinen, etwas einfach ablehnen kann.

Nimm etwa das Gesetz gegen Homosexualität im Buch Mose. Das ist für mich das Beispiel eines Fluchgesetzes das die Israeliten gar nicht hätten annehmen sollen. Und für mich ist aus Kreuz und Auferstehung klar daß es ein böses Gesetz ist das auch wir nicht brauchen und gar nicht annehmen SOLLEN. Seine einzige Grundlage ist die Aversion mancher Leute gehen Homosexuelle. Ein klassisches Beispiel des dummen und ignoranten Mißverständnisses das manche Leute bei Gesetzen haben.

Warum haben deine ach so weisen Bibelschreiber denn die Bibel so geschrieben daß sie später wörtlich genommen wurde? Das macht doch keinen Sinn. Es ist als würde ich "Mein Kampf" lesen und darin versteckte Liebeslyrik finden. Es erscheint unglaubwürdig für mich. Irgendwie zu weit hergeholt. Und Paulus wägt nicht weiter ab sondern sagt konkret daß der Glaube an Jesus des Gesetzes Ende ist. Und dafür bin ich dankbar. Auch der Apostelbrief sagt ja aus daß wir das Gesetz nicht weiter annehmen brauchen, nur daß wir nichts ersticken (gegen Zwangsreligion und Auslöschung des Nicht-Christlichen) und keine Gewalt im Namen Gottes akzeptieren (Blut vermeiden) und nicht völlig chaotisch leben (Unzucht).

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#20 Re: Glaube der Ungläubigen

Beitrag von Chronos » So 18. Jan 2015, 09:37

Hallo,

der Atheismus, ist das nicht einfach nur die Abwesenheit Gottes? Wobei sich dann hier gleich die Frage auftut, an welchen der vielen Götter, die in dieser Welt geglaubt und angebetet werden, soll man dann nun - nicht glauben, allein das wäre schon ein schwieriges Unterfangen.

Atheist sein, das ist in seinem einfachsten Verständnis der Nichtglaube, mehr nicht, mehr war es niemals. Ich kann als Atheist ein Politker sein, ein Rosenzüchter, ein Poet, ein schlimmer Finger, ein Heiliger, eine Hure des Wortes und auch ein Asket, ich kann alles sein und nichts, aber ein religiös fundierter Glaube, auch aus seinen Ansätzen heraus, der ist hier niemals notwendig um ein Atheist zu sein. Gott ist, um es einmal auf den niedrigsten soziologischen Nenner zu bringen - nicht interessant, ist in dauernder Abwesenheit und daher niemals Gegenstand einer näheren, weil nicht sinngebenden Betrachtung.

Grüße, Chronos

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