War Frank Schirrmacher Apokalyptiker?
seeadler hat geschrieben:Zum Thema ERWIN
was sagst du denn zu der derzeitigen Entwicklung im Irak in Kombination zu Syrien und die Reaktion der Börsen? Ist dir klar, dass alle biblisch relevanten Veränderungen, die dann die Weltgeschichte veränderten ihren Anfang im Irak und dem kurdischen Reich haben, also an der Grenze zur Türkei?
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Hallo Seeadler!
Heute Morgen erhielt ich folgendes Schreiben:
HANDELSBLATT MORNING BRIEFING
Freitag, 13. Juni 2014
Guten Morgen Herr ...,
jeder ist ersetzbar, heißt es immer. Im Falle von Frank Schirrmacher stimmt das nicht. Sein plötzlicher Tod- im Alter von nur 54 Jahren erlag er gestern einem Herzinfarkt - hinterlässt keine Lücke, sondern einen Abgrund. Ohne Vorwarnung hat uns der kluge Kopf unserer Generation verlassen. Noch ist da gar kein Schmerz, nur Taubheit.
Der FAZ-Mitherausgeber war ein Ausnahmejournalist: besessen, widersprüchlich, neugierig, wobei die Betonung hier auf gierig liegt. Er sog das Neue wie ein Süchtiger in sich auf, die frisch destillierte Erkenntnis berauschte ihn, das Undeutliche und Rätselhafte trieb ihn über sich selbst hinaus. In Erkenntnis sichernder Absicht benutzte er dabei auch eine in Vergessenheit geratene Kulturtechnik: die des Zuhörens. Und das in einer Zeit, in der alle immer auf Sendung sind.
Der Publizist Schirrmacher hat mit seinen Essays zur alternden Gesellschaft, zum entschlüsselten Genom und den Düsternissen der Digitalzeit unser Denken geprägt wie kein zweiter Zeitgenosse. Wo er war, war vorne. Seine Debatten waren unsere Debatten. Selbst sein Buchregal haben wir nachgebaut. Der Unterschied war freilich der: Wir haben alles gekauft, was er empfahl; er hatte auch noch alles gelesen. Ein Homo sapiens im Land des Homo Google.
Frank war vieles - ein Kollege, ein Charmeur, auch ein Freund, ein Genussmensch war er nicht. Er lebte ein Leben im Land der Gehetzten, angetrieben von Ängsten und Apokalypsen aller Art. Hinter jedem Abendrot vermutete er eine Art. Hinter jedem Abendrot vermutete er eine Götterdämmerung. Allein seine E-Mails aus den letzten Wochen zeigen sein Aufgewühltsein: "Es ist wirklich Titanic." "Würde gern ausführlich reden. Es dreht sich alles." "Müssen reden, es steht eine Konzentration unbekannten Ausmaßes bevor." Sein Alarmismus war die Inspiration unserer Generation. So bereicherte er unsere Gedankenwelt, doch zugleich entzog er seinem eigenen Körper die Kräfte. Er war mutig, das stimmt. Aber er war zugleich mutwillig, das stimmt leider auch.
Frank Schirrmacher wird uns fehlen, und am meisten jenen, die ihn nicht vermissen. "Wir sind alle Würmchen, aber ich bin ein Glühwürmchen", hat Winston Churchill einst über sich gesagt. Schirrmacher darf sich hier angesprochen fühlen. Er lebte, dachte und schrieb in der Glühwürmchen-Liga. Trösten wir uns: Er ist nicht weg, nur woanders. Sein Licht leuchtet. Wer die Augen schließt, kann es sehen.
Ich wünsche uns einen nachdenklichen Tag.
Gabor Steingart
Herausgeber
Wer sich in politischen Sites auskennt wie zum Beispiel
http://www.german-foreign-policy.com/, weiß, dass die Befürchtungen Schirmachers eher untertrieben sind. Die Autoren der genannten Site beziehen in ihre Untersuchungen auch Entwicklungen ferner Regionen mit ein, wie etwa die Konflikte im Ost-Chinesischen Meer. Und das zu Recht. Denn es gehört nicht viel Weitsicht dazu, um zumindest zu ahnen, dass auch diese Konflikte nicht ohne Einfluss auf Europa bleiben werden.
Annehmen, dass sich die Lage in der Welt von alleine beruhigt, kann nur, wer den Geschichtsunterricht vergessen hat und die Natur des Menschen zu blauäugig beurteilt.
NZZ Online z.B. berichtet heute, dass die Russen bereits mit einigen Panzern in das Hoheitsgebiet der Ukraine eingesickert sind. Nach den Erfahrungen aus der Geschichte können die Russen nicht zulassen, dass sich der Westen weiter der russischen Grenze nähert. Wahrscheinlich hätte sich Putin bis vor kurzem noch mit einer Teilung der Ukraine einverstanden erklärt. Diese Option dürfte je länger desto mehr an Realität verlieren.
Wozu die derzeitigen Unruhen im Irak und Syrien, von anderen Ländern nicht zu reden, führen werden, wäre schwer vorherzusagen, gäbe es nicht Hinweise in der Schrift. Dass plötzlich die USA und Iran fast gleiche Interessen im Irak verfolgen, wirkt nach den Streitigkeiten über das iranische Atomprogramm schon fast komisch.
Die Deutschen hoffen nach wie vor, an massiven Bundeswehreinsätzen vorbei zu kommen. Doch da irren sie sich sehr. Die USA sind mit ihrer Macht ziemlich am Ende. Ihr gesamtes Waffenarsenal ist ohne opferbereite Soldaten nahezu wertlos. Man wird die Deutschen übrigens daran erinnern, dass es u.a. Merkel und ihr ehemaliger Außenminister waren, die den Ukraine-Konflikt ausgelöst, zumindest angeheizt haben. Die übrigen Staaten Europas werden von den Deutschen ein stärkeres militärisches Engagement, schnelle und umfassende Aufrüstung verlangen. Durch die Abhängigkeit von deutschem Kapital sehen sich viele europäische Länder Deutschland ausgeliefert. Sie werden mehr oder weniger zur Teilnahme an der gemeinsamen europäischen Verteidigung gezwungen werden.
Ist dieser Status aber erst einmal erreicht, werden Interventionen in Länder Afrikas und Vorderasiens, insbesondere in Palästina folgen. Fast zwangsläufig werden Interessen Russlands, Chinas und den USA tangiert. Spätesten dann aber befindet sich die Welt im Groß-Krieg...
Der “Weltuntergang†ist das aber nicht...