Da sind wir uns schon einig - ich würde hinzufügen, dass man aus wissenschaftlicher Arbeit heraus Deutungen erbringen kann, wenn man sie als solche kennzeichnet.Savonlinna hat geschrieben: Ich denke folgendermaßen: Historisch-kritisch ist eine Deutung nie. Wer sie als Deutung sieht, ist ja gerade schon im Feld der Nicht-Wissenschaft - oder gar der Ideologisierung von Wissenschaft. [/color]
Genau so ist es üblich. - Wobei (das wäre aber ein ganz anderes Thema) die Verwissenschaftlichung der Literatur dazu führen kann, dass keiner mehr kapieren braucht, was eigentlich drin steht.Savonlinna hat geschrieben: Angenommen aber - ich spekuliere hier wild, bitte beachten -, man findet die erste Variante der Dornröschen-Erzählung, dann könnte man textkritisch vergleichen, in welcher Weise a. das historische Geschehen verarbeitet wurde, b. die erste Variante sich bis heute verändert hat.
Ja - es würde historisch-kritisch die Frage rechtfertigen, welche Spuren es von einem Jesus in dieser Zeit gibt.Savonlinna hat geschrieben: Wenn Du hingegen Dich für die Möglichkeit einsetzt - und das tust Du ja unermüdlich -, dass der reale historische Jesus das Reich Gottes als "inwendig" verstanden haben könnte, dann bist Du im Bereich der historisch-kritischen Forschung. Denn so eine Aussage setzt seine reale Existenz voraus.
Das wäre saubere historisch-kritische Arbeit.Savonlinna hat geschrieben:Wenn wir die Möglichkeiten, die die Textüberlieferung hergibt, erwägen und uns fragen, ob der so überlieferte Text-Jesus ein inwendiges Reich Gottes gemeint haben könnte, dann kann die historisch-kritische Methode ebenfalls Antwort geben: ja, die originalen Texte schließen diese Möglichkeit nicht aus. Damit ist aber eben noch immer nichts über den realen Jesus gesagt, sondern nur über den Text-Jesus.

Das kann zwei Gründe haben:Savonlinna hat geschrieben:Ich kenne einige Christen, die sich von dieser Frage nach dem historischen Jesus emanzipiert haben und sagen: entscheidend ist unser eigenes Bild davon.
a)
Man abstrahiert das Ganze soweit, dass man den Weg zur Erkenntnis über Leid definiert (was geistig denkbar ist - aber ein eigenes Thema). Dann wäre dies ein rein spiritueller Zugang, der des historischen Jesus nicht bedarf.
b)
Man begibt sich (ganz im Gegenteil zu a)) in geistige Beliebigkeit, indem man Jesus zur Vorstellungs-Folie macht. - Moderner wäre Variante b).
Der unterstrichene Teil Deines Textes würde wieder auf Variante a) hinweisen: Der Mensch spürt seine geistigen Wurzeln und lässt daraus etwas wachsen.Savonlinna hat geschrieben:Und gerade das finde ich faszinierend. Ich erwähne in diesem Zusammenhang fast immer den Marxisten Ernst Bloch, der auf die so notwendige Utopiefähigkeit des Menschen hinweist und zeigt, dass solche inneren Bilder dem Menschen Hoffnung verschaffen - weil die Menschen innerlich diese Utopie bereits spüren.
Dies verwiese auf die ursprüngliche Bedeutung von "Bewusstsein" im Sinne von "Erkennen" ("jada"), das sich im Wort "con-scientia" niederschlägt - übersetzt im Mittelalter mit ahd. "mit-wissei" und got. "ge-wizzeni". - Also das "Gewissen" als göttliche Exklave im Menschen. - Bloch mag so weit gedacht haben - aber tut man das heute noch?