lovetrail hat geschrieben:Savonlinna, der Autor beschreibt doch selbst wie der Schreibprozess ablief. Soll das wirklich gelogen sein?
Als ich die letzte meiner bitteren, unbeantwortbaren Fragen
hingekritzelt hatte und den Stift schon beiseite legen
wollte, verharrte die Hand zu meiner Überraschung weiterhin
in schwebender Haltung über dem Papier - so, als würde
sie von einer unsichtbaren Kraft festgehalten. Plötzlich
bewegte sich der Stift ganz von selbst.
Stifte bewegen sich nicht von selbst.
Es ist immer - ich habe das früher mal durchgecheckt - der eigene Finger, der den Stift führt, auch wenn er nicht mehr vom Verstand gesteuert wird, sondern vom Unbewussten.
Wenn Du mir jetzt gegenüber säßest, könnte ich Dir das vorführen.
Leg mal Deine beiden Hände auf einen Tisch, mit den Fingerkuppen nach unten.
Dann heb einen Finger - mit Deinem Willen.
Und dann versuch die andere Version:
Die Hände liegen wieder auf dem Tisch, mit den Fingerkuppen nach unten, aber nun konzentrier Dich nicht auf Deinen bewussten Willen, sondern auf Deinen unbewissten Willen, wo immer Du ihn lokalisiert siehst: viele sehen ihn im Bauch, im Sonnengeflecht.
Du willst also, dass sich der linke Zeigefinger hebt, ohne dass Du ihn bewusst hebst.
Das geht nach einer Weile, und ich kann es noch immer: der linke Zeigefinger rührt sich ein wenig, und langsam hebt er sich, oft nur ganz ganz langsam; er zittert sich hoch sozusagen.
Es gibt einfach zwei Möglichkeiten, etwas in einem selber in Bewegung zu setzen: mit dem Kopf oder mit dem Instinkt.
Beim Schreiben und auch beim Theaterspielen kann man den trainierten Instinkt nutzen und tut es auch, sonst wird das Ganze nix.
Man muss darum kein großes Theater machen.
Was der Autor da oben schreibt - in dem von Dir Zitierten - klingt etwas pathetisch, ist aber ein normaler Vorgang.
Wenn man schon aufhören will mit Schreiben, und es kommt einem eine Idee, dann bleibt der Stift halt in der Luft.
Wenn man besoffen ist - als Beispiel -, dann schreibt man mitunter einfach los und kann sich am nächsten Tag nicht mal erinnern, dass man es geschrieben hat. Man realisiert auch beim Schreiben nicht, was genau man da schreibt.
Und diesen Besoffenheitszustand kann man sich auch nüchtern einsuggerieren.
Und es können echt tolle Ergebnisse sein.
Oder wenn man Drogen nimmt. Ich hab zweimal in meinem Leben Haschisch genommen, jeweils aus Verzweiflung.
In meinem Gehirn formulierten sich beim ersten Mal Sätze, die so wirkten, als seien sie von außen gekommen.
Es waren richtige "Weisheits"-Sätze, auf die mein
individuelles Bewusstsein nie gekommen wäre.
Alles dies aber kommt aus derselben Quelle: aus dem Unbewussten, möglicherweise aus einem kollektiven Unbewussten, dessen Funktionsweise wir noch nicht erforscht haben, möglicherweise nicht erforschen können.
Da ist nichts Unnatürliches oder Übernatürliches dabei, sofern wir uns Menschen als Teil der Natur verstehen.
Aber wir haben ziemlich viele Schichten in uns, die möglicherweise quer durch alle Menschen gehen und einander beeinflussen.
Ich gebe Dir aber unbedingt darin Recht, dass das eigene Bewusstsein das, was da plötzlich auf dem Papier steht, überprüfen muss.
Wir wissen ja von Psychopathen, dass sie mitunter "Befehle" hören, den und den zu töten. Und sie versuchen es dann auch.
Solche Befehle sind unbedingt in Zusammenhang mit dem Menschen zu sehen, der solche Befehle wahrnimmt.
Zurück zu dem Autor von "Gespräche mit Gott":
Ich selber überprüfe solche Sätze, ob sie beim Lesen einen "frei" machen oder ob sie einen binden wollen.
Ist also das Gottesbild, das dahinter steht, etwas, das mir positive Impulse gibt, oder ist es eine Drohbotschaft.
Sie ist eine Antwort auf Fragen, die dieser verzweifelte Autor hatte, als er am sozialen Abgrund stand.
Die Antwort war auf ihn und seine Situation ausgerichtet. So wie es auch bei meinem Tagebuchschreiben war.
Ich kriegte
meine Fragen klarer.
Aber wenn die Fragen ähnlich bei vielen Menschen sind, dann können die Antworten auch vielen Menschen nützlich sein.
Dennoch sind sie nie und nimmer objektive Antworten eines objektiven Gottes.