bedeutungsvolle synchronizitäten oder nonsense

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michaelit
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#1 bedeutungsvolle synchronizitäten oder nonsense

Beitrag von michaelit » Di 4. Nov 2014, 16:30

Hallo,

wie seht ihr das Thema Synchronizitäten nach Jung?

Sind diese real und bedeutungsvoll und haben sie etwas auszusagen oder täuscht man sich wenn man sie ernstnimmt? Gerade bei mir als Mensch mit der Krankheit Schizophrenie bin ich oft hin- und hergerissen ob ich mir etwas aus Synchronizitäten machen soll. Am Anfang sah ich sie positiv und suchte sie und genoß sie, doch als dann meine Denkinhalte wegen persönlichem Unglück und wegen beginnender Paranoia dunkler wurden, fingen mich die Synchronizitäten an sehr zu stören bzw gar zu ängstigen.

Bei mir läuft das so ab, angenommen ich schreibe hier über den lieben Gott und daß ich ihn als guten Gott sehen will der jeden Menschen liebt und in den Himmel verhilft. Es kann passieren daß ich dann zum selben Zeitpunkt jemand anderen im Heim oder auf der Straße (mein Fenster ist meistens offen wegen meiner Zigaretten) auf eine unangenehme Weise lachen höre. Da denke ich dann immer gleich daß ich nicht recht haben könnte mit Gottes Liebe oder daß es einen satan gibt der mich und meinen Glauben anfechtet. Es ist ein sehr sehr unangenehmes und bedrückendes Gefühl was ich dann kriege.

Ähnliches erlebe ich im Traum im Schlaf. Beispielsweise träumte ich nachts vor kurzem das erste Mal von meinem Großvater mütterlicherseits. Er schaute mich ganz wild an und sagte daß er ein Hasser ist im Nachleben. Da kriegte ich dann Schiß daß das Nachleben ungeordnet ist und daß dort die bösen Menschen und Engel die Oberhand gewinnen können so daß es nicht sicher ist wie gut das Nachleben sein wird bzw daß man nach dem Tod nichts Schreckliches erfährt.

Wenn ich meine Gedanken und Empfindungen dann so ansehe ist mir als würde ich immer schnell verzweifeln und unwahrscheinliches Böses annehmen, und das anhand von fragwürdigen Dingen wie Träumen oder an sich unbedeutenden Synchronizitäten wie das unangenehme Lachen manchmal, was aber normal ist denn manche Menschen lachen nun einmal gerne auf eine dreckige Weise ohne daß sie das überhaupt im Sinn haben.

Wie denkt ihr könnte ich noch besser aus diesen Erlebnis- und Denkmustern ausbrechen? Früher erlebte ich nie solche Dinge und mir war nur sehr selten unheimlich. Ich hatte vielleicht dreimal einen Alptraum in meiner Kindheit der immer mit einer üblichen Krankheit wie Durchfall und Fieber zusammenhing. Und manchmal hatte ich Angst vor dem Tod von Familienmitgliedern. Aber seit 2001 seit ich die Schizophrenie habe, kriege ich schnell ganz merkwürdige und unrealistische Ängste. Ich muß da immer dagegen angehen was sehr ermüdend ist denn die Ängste gehen nur weg wenn ich mich wirklich anstrenge und auf etwas anderes konzentriere oder wenn mir ein anderer Mensch mal intensiv gut zuredet, was eher selten ist.

Ich bitte also um eure Hilfe, wie komme ich aus diesem Zeug heraus?

Daniel

Lena
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#2 Re: bedeutungsvolle synchronizitäten oder nonsense

Beitrag von Lena » Di 4. Nov 2014, 16:52

michaelit hat geschrieben: Wie denkt ihr könnte ich noch besser aus diesen Erlebnis- und Denkmustern ausbrechen?

michaelit hat geschrieben: auf etwas anderes konzentriere

Ja, auf den guten Gott, den Vater im Himmel. Mit ihm reden. Ihm die Angst sagen. Ihm danken, dass er hilft.

Und schon ist der Gedanke, die quälende Angst, der Wahnsinn durch das Gute und Wahre besiegt.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Pluto
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#3 Re: bedeutungsvolle synchronizitäten oder nonsense

Beitrag von Pluto » Di 4. Nov 2014, 17:36

Vielleicht hilft es auch, dir vor Augen zu führen, dass Angstzustände oft in den chronischen Phasen der Schizophränie auftreten. Wenn du weißt, dass das ein normaler Teil des Kranheitsbilds ist, verlieren die Symptome möglicherweise etwas von ihrem Schrecken.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

michaelit
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#4 Re: bedeutungsvolle synchronizitäten oder nonsense

Beitrag von michaelit » Di 4. Nov 2014, 18:16

Hallo Pluto,

es ist aber schwer als Krankheit zu erfassen, auch weil die Medikamente die Symptome ja gar nicht ausschalten sondern nur Beruhigung und Reizaufnahmeabnahme bewirken. Wenn der Körper krank ist hat man immer noch einen gesunden Geist der sich "normal" benimmt, aber wenn der Geist selbst krank ist sieht man alles wie durch Zerrglas. Man kann das einfachste nicht als selbstverständlich hinnehmen.

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Savonlinna
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#5 Re: bedeutungsvolle synchronizitäten oder nonsense

Beitrag von Savonlinna » Do 6. Nov 2014, 13:40

Hallo michaelit!

michaelit hat geschrieben: wie seht ihr das Thema Synchronizitäten nach Jung?
[...]
Bei mir läuft das so ab, angenommen ich schreibe hier über den lieben Gott und daß ich ihn als guten Gott sehen will der jeden Menschen liebt und in den Himmel verhilft. Es kann passieren daß ich dann zum selben Zeitpunkt jemand anderen im Heim oder auf der Straße (mein Fenster ist meistens offen wegen meiner Zigaretten) auf eine unangenehme Weise lachen höre. Da denke ich dann immer gleich daß ich nicht recht haben könnte mit Gottes Liebe oder daß es einen satan gibt der mich und meinen Glauben anfechtet. Es ist ein sehr sehr unangenehmes und bedrückendes Gefühl was ich dann kriege.
So, wie Du es deutest, meinte C.G.Jung es nicht.
"Synchronizität" meint er so - und er gibt dafür ein Beispiel -, dass es passieren kann, dass man von einem Schmetterling redet und direkt danach ein Schmetterling außen am Fenster vorbeiflattert.

Das, was Du meinst - Du hast einen positiven Gedanken, und draußen lacht jemand, und Du beziehst dieses Lachen auf Deine positiven Gedanken: das vertritt C.G.Jung nicht.

Jung würde dazu sagen: dass es Deine eigenen negativen Gedanken sind, die das Gelächter als unangenehm empfinden und es auf das beziehen, was Du an Positivem gerade gedacht hast.
Mit anderen Worten: Es spielt sich in Dir noch ein Hin und Her ab, wie es eigentlich bei jedem Menschen ist, bis er eine Balance gefunden hat. Nur erlebst Du das offenbar außerhalb von Dir.

Bei Folgendem kann ich das noch deutlicher machen:

Ähnliches erlebe ich im Traum im Schlaf. Beispielsweise träumte ich nachts vor kurzem das erste Mal von meinem Großvater mütterlicherseits. Er schaute mich ganz wild an und sagte daß er ein Hasser ist im Nachleben. Da kriegte ich dann Schiß daß das Nachleben ungeordnet ist und daß dort die bösen Menschen und Engel die Oberhand gewinnen können so daß es nicht sicher ist wie gut das Nachleben sein wird bzw daß man nach dem Tod nichts Schreckliches erfährt.
Nach C.G.Jung - und auch nach meiner Meinung und Erfahrung - bist Du es selbst, der den Traum praktisch gestaltet. Alle Figuren, die darin vorkommen, sind Traumprojektionen von Dir selber.

Du begegnest im Traum also nicht Deinem realen Großvater, sondern er übernimmt im Traum die Rolle einer Figur, die einen Aspekt von Dir selber personifiziert.
Hinzu kommt - es wird jetzt kompliziert -, dass diese Traumfiguren immer in Zusammenhang mit dem realen Bewusstsein zu sehen sind.
Beispiel: Überbewertest Du im Tagesbewusstsein einen geliebten Menschen, träumst Du vielleicht dann in der Nacht, wie dieser geliebte Mensch eine Fratze hat. Diese Fratze ist keineswegs ein Nachweis, dass der geliebte Mensch fratzenhaft ist, sondern Du bekommst nur die Botschaft, dass Du den geliebten Menschen etwas realistischer sehen solltest, als ihn so überzubewerten.

Und das ist dann wohl ganz ähnlich in Deinem ersten Beispiel. Du willst Gott als supergütig und -gut wahrnehmen, aber Deine Deutung, dass jemand darüber höhnisch lacht, ist ein Korrekturversuch: In Dir selber lebt offenbar bereits ein erahntes Wissen, dass man Gott auch als unangenehm empfinden kann: wenn man zum Beispiel Dinge loslassen sollte, aber an ihnen klebt.

Obwohl ich nicht weiß, wie stark Schizophrenie die autonome Freiheit einschränkt, gebe ich trotzdem mal einen Tipp; vielleicht ist er für Dich umsetzbar:

Zunächst mal: zulassen, dass es in einem kämpft. Bis man ein Weltbild - oder Gottesbild - gefunden hat, muss es notgedrungen in einem kämpfen, wenn man kein oberflächlicher Mensch ist. Gerade tief veranlagte Menschen kennen diesen Kampf, der letztendlich zur Reifung führt. Darüber sagt Jung auch sehr viel.

Und dann: versuchen zu verstehen, dass das, was man in diesem Kampf als reale Beiträge durch andere Personen - auf der Straße oder im Traum - deutet, in einem selber abläuft, aber nicht ewig so ablaufen wird.
Ich weiß das aus Erfahrung. Ich war zwar nie schizophren, aber ich habe durch intensives Tagebuchschreiben mich aus einer Situation befreit, in der mein Gehirn über Monate, vielleicht noch länger, nonstopp formulierte, formulierte, formulierte - weil ich etwas erlebt hatte, was ich nicht verkraften konnte und ich gebetsmühlenartig Anklagen formulierte. Zwanghaft, das begann, kaum dass ich wach war.

Das komplett ehrliche Tagebuchschreiben und auch das Nachlesen, was ich alles davor geschrieben hatte, öffnete mir irgendwann die Augen darüber, dass die Anklagen komplett verfehlt waren und an meinem Menschenbild lagen: ich hatte ein idealisiertes Menschenbild, offenbar, und forderte, dass andere sich danach richten.
Ist eine etwas andere Situation als Deine, aber ich wollte damit sagen: in der Sekunde, wo ich mit meiner ganzen Person den Projektionscharakter begriff - nicht mit dem Intellekt, sondern mit der ganzen Person -, stürzte diese Zwangsformulierung schlagartig zusammen: in meinem Gehirn war wunderbarer Friede.

Ich bin also ein Stück realistischer geworden gegenüber Menschen.
Insgesamt: ich bin überzeugt davon, dass alle Neurosen, alle zeitweiligen inneren Zwänge dazu dienen, einem in der Selbstwerdung zu helfen.

C.G.Jung sagt irgendwo sinngemäß: 'Manche Menschen reisen 10 000 Kilometer, um sich ihre Krise zu holen.'
Das heißt: Da der Mensch gar nicht anders kann als sich immer weiter zu entwickeln, sich weiter entwickeln zu wollen - er ist so gebaut -, wird er, wenn er dann irgendwann zu sehr stagniert, innerlich auf der Suche nach etwas sein, das ihn aus dieser Stagnation herausholt. Und das kann dann eben eine Krise sein, die er innerlich braucht, ohne es wirklich bewusst zu wissen. Und die er instinktiv sucht und dann auch findet - wenn er zumindest etwas tut, wie eine Reise, also das Umfeld ändert.

Also kann das scheinbar Negative - die Krise - für den gesamten Lebensprozess konstruktiv gemeint sein.
Und mir hat es immer geholfen, herauszufinden, was ich durch Krisen eigentlich lernen möchte.

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