Beides, imho.
Nach dem, was ich von dem Mathematikstudium weiß, hält man sich dort überhaupt nicht damit auf, die Axiome zu motivieren.
Ab und zu gab das wohl in der Vergangenheit Anlass zur Kritik:
Aber geändert hat sich nichtsMorris Kline hat geschrieben:The deductive presentation of mathematics is psychologically damaging because it leads students to believe that mathematics is created by geniuses who start with axioms and reason directly and flawlessly to the theorems. Given this impression of elevated, far-ranging minds, the student feels humbled and even depressed about his own capacities, especially when the obliging professor presents the material as though he too is genius in action.


Und so fällt auch der Student, wenn er das Auswahlaxiom nicht akzeptiert, durch die Klausur. Es ist also in diesem Sinne fester Bestandteil der modernen Mathematik.
Aber es wäre doch reichlich naiv, es damit zu belassen. Stichwort “Grundlagenkrise der Mathematik†– das Auswahlaxiom war kontrovers. Und ist es jetzt nicht mehr, oder zumindest kaum noch. Viele mit der Grundlagenkrise assoziierten illustren Gestalten wie Gödel, Frege, Russell, etc. was waren die nun? Mathematiker, Logiker oder Philosophen? In einschlägigen Enzyklopädien werden die alle auch als Philosophen bezeichnet.
Und ob die Logik nicht schon zur Philosophie zu rechnen ist, ist ja auch noch so eine Frage.
Natürlich sagt der Professor nicht “Wie wir aus der Philosophie übernommen haben…†aber er könnte vielleicht sagen, dass man aus der Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Logik übernehmen kann, dass wir das Auswahlaxiom ohne besondere Angst vor Inkonsistenzen akzeptieren können und für interessante Anwendungen auch akzeptieren müssen.
Der Ehrlichkeit halber: Es gibt auch vereinzelt, abseits des mathematischen Mainstreams, Konstruktivisten, Intuitionisten, Finitisten, Ultrafinitisten, … die weiterhin das Auswahlaxiom ablehnen. Das sind durchaus Leute mit Rang und Namen, in gewisser Hinsicht anerkannte Mathematiker. Anscheinend dürfen die sich das im Gegensatz zum Studenten erlauben. Quod licet Iovi, non licet bovi.
Ab wann kann man sagen: “Die Mathematik meint…†wenn es streng genommen verschiedene Schulen der Mathematik gibt? Wie klein und unbedeutend müssen die “Schulen†abseits des Mainstreams sein, damit man sie ignorieren kann? Ist das nicht wenigstens eine philosophische Frage?
PS: das meiste, was ich über die Unendlichkeit weiß, habe ich aus einem philosophischen Buch, nämlich diesem.