Was ist Bewusstsein?

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Naqual
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#311 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Naqual » Fr 30. Mai 2014, 23:30

closs hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben: Insgesamt gesehen haben wir schon einen hohen geisteswissenschaftlichen Stand erreicht.
Ich weiß jetzt nicht, ob das passt: Aber in der FAZ stand vor 10 Jahren, dass es noch nie so viel verfügbares Wissen UND gleichzeitig soviel Ungebildetheit gegeben hätte wie heute. - Das ist mir spontan eingefallen als Replik auf Deine Ausführungen.
Plakativ mal mit einem Blick über den Atlantik (um unser eigenes Land mal außen vor zu lassen):
Die USA haben Harvard, MIT, Westpoint UND eine Analphabetenzahl im zweistelligen Millionenbereich. In den Slums der Großstädte gibt es Gegenden, bei denen der Gesamtwortschatz der englischen Sprache bei vielen zwischen 30 (!) und 300 Worten liegt (und hierbei sind nicht anderssprachliche MInderheiten gemeint, wie z.B. "Latinos").

Naqual hat geschrieben: Dabei wird der fernasiatische Bereich (Indien, China) auch heute noch mit geradezu kolonialer Arroganz betrachtet.
Das gehört dazu - und das hat einmal mehr damit zu tun, was wir fälschlich "Aufklärung" nennen. Solange das Selbstmaß nicht bedient ist, kommt es an den Katzentisch. - Mich schmerzt, dass der ursprünglich uneingeschränkt gute Begriff der Aufklärung seit dem 19. Jh. so verhunzt worden ist.
Kannst Du noch einen erklärenden Satz dazu ergänzen?

.... Und dem kommt Hiob am Ende recht nahe - er begreift, dass er Teil eines Ganzen ist, das er nicht beherrschen kann.....
Wir haben vielmehr sehr viele pragmatische Disziplinen, aber keine geistigen Disziplinen mehr - wenn man das beispielsweise mit Leuten wie Meister Eckart vergleicht, möchte man im Boden versinken. Das war eine ganz andere Liga.
Beide Absätze kann ich gut nachvollziehen.
Wobei dies gerade die Theologie in besonderem Maße trifft. Also, ich meine das so:
Erkenntnis (Gnosis) krönt sich darin, dass der einzelne sich als Teil des Ganzen begreift mit Herz und Verstand. (Die Liebe zum Ganzen entspricht bei mir der Gottesliebe). Dazu muss der Einzelne sich kritisch erkennen und seine Entwicklungsmöglichkeiten für den Nächsten, mit dem Nächsten (Nächstenliebe). Also auch in Bezug auf Familie, Gruppen, Gemeinschaften, Staaten usw. Hiermit hätte ich eine geistige Grundlegung (sogar "fraktionsübergreifend").
Wo ist nun die Theologie? Warum schafft sie keine "umfassende Theorie der Liebe und ihrer Anwendung"?
Was macht man denn, wenn einer Schwierigkeiten zum Lieben hat? Was sollte er tun, WIE sich verändern?
Etwa dies und jenes Dogma glauben und ansonsten Beten und es wird ihm zufallen?
Also mir fällt da mehr zu, wenn ich bei den anderen Disziplinen wildere: Psychologie, Pädagogik, Soziologie.

Pluto
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#312 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Pluto » Fr 30. Mai 2014, 23:36

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Kannst du dir vorstellen, dass Computer eines Tages so komplex sein könnten, dass sie Bewusstsein erlangen?
Wenn man Bewusstsein definiert als Fähigkeit zur Transzendenz, dann nein. - Wenn man Bewusstsein quantitativ an der Menge von bits und bytes misst, dann möglicherweise ja.
Ich meine das im Sinn des Turing-Tests.
Der geistige Vater der modernen Informatik Alan Turing, hat 1950 seinen unter Anhängern der KI (künstliche Intelligenz) berühmt gewordenen "Intelligenztest für denkende Maschinen" vorgeschlagen. In diesem einfachen Test sollen Mensch und Maschine gleichermaßen einen (in einem getrennten Raum sich aufhaltenden) Unparteiischen davon überzeugen, dass sie menschliche Fähigkeiten besitzen, in dem sie ihm abwechselnd beliebige Fragen beantworten müssen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wenn du mir ein Beispiel zeigen kannst, wo Bewusstsein nicht an ein Gehirn gebunden ist, dann hast du mich überzeugt.
Natürlich ist Bewusstsein im Dasein am Gehirn gebunden - das Gehirn ist die Heimstätte des Bewusstseins.
Dachte ich es mir doch, dass so was kommt. Also, kann man Bewusstsein ohne Gehirn nicht zeigen.

Wenn ein Computer der Zukunft fähig wäre, den Turing Test zu bestehen, würdest du mir dann zugestehen, dass Bewusstsein allein aus der Komplexität des Gehirns entsteht?
Vorsicht, bei der Antwort, denn sie ist nicht einfach.

(Fortsetzung folgt...) :devil:
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#313 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Demian » Fr 30. Mai 2014, 23:40

Pluto hat geschrieben:Wenn du mir ein Beispiel zeigen kannst, wo Bewusstsein nicht an ein Gehirn gebunden ist, dann hast du mich überzeugt.

Kehren wir die Frage um: kannst Du anhand eines Beispiels wirklich zeigen, dass Bewusstsein an eine Form gebunden ist? Zweifellos drückt sich Bewusstsein als und in einer Form aus, aber es ist nicht identisch mit der Form, auch wenn es sich mit einer Form identifiziert. „Mein“ Bewusstsein ist eigentlich DAS Bewusstsein. Alle Weisen haben dieses Einssein betont. Das bedeutet aber auch, dass Bewusstsein allgegenwärtig ist, also nicht nur in Form voneinander getrennter, psychologischer Wesen existiert. Es ist immer das eine Sein, welches sich im Formenspiel ausdrückt. Dieser Tanz des Seins, des Lebens, der eigenen Wahrheit.

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#314 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Pluto » Fr 30. Mai 2014, 23:48

Demian hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wenn du mir ein Beispiel zeigen kannst, wo Bewusstsein nicht an ein Gehirn gebunden ist, dann hast du mich überzeugt.

Kehren wir die Frage um: kannst Du anhand eines Beispiels wirklich zeigen, dass Bewusstsein an eine Form gebunden ist?
In ein einigen Jahren vermutlich, ja. :mrgreen:
Wenn die geistigen Fähigkeiten eines Computers nicht mehr von denjenigen eines Menschen unterscheidbar wären, so wäre das der Beweis, dass Bewusstsein allein aus einer Maschine entstehen könnte.
Siehe mein o.a. Beitrag zum Turing Test.
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Demian
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#315 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Demian » Sa 31. Mai 2014, 00:12

Pluto hat geschrieben:
Demian hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wenn du mir ein Beispiel zeigen kannst, wo Bewusstsein nicht an ein Gehirn gebunden ist, dann hast du mich überzeugt.

Kehren wir die Frage um: kannst Du anhand eines Beispiels wirklich zeigen, dass Bewusstsein an eine Form gebunden ist?
In ein einigen Jahren vermutlich, ja. :mrgreen:
Wenn die geistigen Fähigkeiten eines Computers nicht mehr von denjenigen eines Menschen unterscheidbar wären, so wäre das der Beweis, dass Bewusstsein allein aus einer Maschine entstehen könnte.
Siehe mein o.a. Beitrag zum Turing Test.

Woher kommt die Idee, dass „dein“ Bewusstsein von der restlichen Realität abgeschirmt und in deinem vergänglichen Körper abgeschlossen existiert? Ist das wirklich die Wahrheit?

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#316 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von closs » Sa 31. Mai 2014, 00:28

Naqual hat geschrieben:Kannst Du noch einen erklärenden Satz dazu ergänzen?
"Aufklärung" war ursprünglich so gemeint, dass man göttliche Schöpfung besser erklären kann - oder in Deinen Worten: Die einzelnen Teile des Ganzen besser erklären kann. Zum Ausdruck kam das im Satz "Ad maiorem gloriam Dei". - Irgendwann im 19./20.Jh. hat sich wurde das "Dei" zum "Homini" - Babel, Anthropozentrik - jeder putzt sein Mosaik-Steinchen, ein Bild (ein Ganzes) ist nicht mehr gefragt.

Naqual hat geschrieben:Wo ist nun die Theologie? Warum schafft sie keine "umfassende Theorie der Liebe und ihrer Anwendung"?
Weil auch die Theologie zum Mosaik-Steinchen-Putzer wurde. - Verlust an Mitte. - Man setzt die Mitte voraus, vernachlässigt aber der Satz: "Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen". - Man übersieht, dass das Wichtigste immer noch die Mitte ist und macht sich interessant über die Peripherie.

Außerdem ist Theologie immer die Theologie einer Glaubensgemeinschaft - also parteiisch und interessiert, sein Profil zu schärfen. Das hat wenig bis nichts mit Spiritualität, also Geistigkeit, zu tun.

Naqual hat geschrieben:Was macht man denn, wenn einer Schwierigkeiten zum Lieben hat? Was sollte er tun, WIE sich verändern?
Das wäre eine klassische spirituelle Fragestellung - also nah am Menschen. - Und dazu gibt es auch Antworten - wenn man geistig dementsprechend geschult ist. - Aber wie gesagt: Geistige Schulung gibt es so gut wie nicht mehr (ich bin da pessimistisch).

Naqual hat geschrieben:Also mir fällt da mehr zu, wenn ich bei den anderen Disziplinen wildere: Psychologie, Pädagogik, Soziologie.
Im Grunde sind das säkulare Disziplinen, die die Scherben einer ent-geistigten Zeit aufräumen und das beste daraus machen müssen.

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#317 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Pluto » Sa 31. Mai 2014, 00:31

Demian hat geschrieben:Woher kommt die Idee, dass „dein“ Bewusstsein von der restlichen Realität abgeschirmt und in deinem vergänglichen Körper abgeschlossen existiert? Ist das wirklich die Wahrheit?
Die Idee hatte Leibniz schon vor 300 Jahren. Leider hat er die Relevanz nicht erkannt, sonst wären wir in der Bekämpfung von psychischen Krankheiten heute vermutlich weiter.
Eine Maschine die denken kann wie wir Menschen, wird es vermutlich in etwa 20 Jahren geben. Wenn sich das bewahrheiten sollte, was wirst du dann mit deiner Hypothese tun, dass Bewusstsein unabhängig von Materie ist?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#318 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von closs » Sa 31. Mai 2014, 00:39

Pluto hat geschrieben: Also, kann man Bewusstsein ohne Gehirn nicht zeigen.
Menschliches Bewusstsein kann man im Dasein ohne Gehirn nicht zeigen. - Umgekehrt gibt es viele Berichte, wonach sich Sterbende (oft bei der Mutter) verabschiedet haben - das heisst: Der verstorbene Mensch erscheint einem anderen (lebenden) Menschen. Natürlich ist auch das intersubjektiv nicht nachweisbar - wie auch?

Pluto hat geschrieben:Wenn ein Computer der Zukunft fähig wäre, den Turing Test zu bestehen, würdest du mir dann zugestehen, dass Bewusstsein allein aus der Komplexität des Gehirns entsteht?
Kommt auf die Fragen des Tests an - kommt auf vieles an.

Denn auch hier gibt es wieder einen Makel: Der Turing-Test ist ein Wahrnehmungs-Test aus Sicht des Naturalisten - als könne man Sein daran festmachen, dass ein Test bestanden wird.

Außerdem halte ich es NICHT für möglich, dass eine Maschine den Satz "Cogito ergo sum" in erlebtem Eigenbezug sagen kann - allenfalls wäre das möglich, wenn man ein Embryo frühzeitig mit einer Maschine vernetzen würde.

Dass eine Maschine einen Eignungstest incl. Vorstellungsgespräch gewinnen könnte, glaube ich dagegen sehr wohl - weil es da nicht um eine geistige Persönlichkeitsprüfung geht, sondern um angelernte Parameter - das kann ein Computer auch.

Um es kurz zu sagen: Pragmatisches "Bewusstsein" wird man einer Maschine einprogrammieren können - spirituelles Bewusstsein sicherlich nicht.

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#319 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Demian » Sa 31. Mai 2014, 00:44

Pluto hat geschrieben: Eine Maschine die denken kann wie wir Menschen, wird es vermutlich in etwa 20 Jahren geben. Wenn sich das bewahrheiten sollte, was wirst du dann mit deiner Hypothese tun, dass Bewusstsein unabhängig von Materie ist?

Jedes „persönliche“ Bewusstsein ist eine Funktion des einen Seins. Es gibt zwar individuelle Körper-Geist-Einheiten, aber das scheinbar individuelle Bewusstsein ist nicht getrennt von allem Anderen. In den Upanishaden ist das Bewusstsein immer Brahma – Prajnam Brahma – also das Eine – Ayam aatmaa Brahman. Die individuellen Körper-Geist-Einheiten werden von dem universellen Bewusstsein belebt, so wie ein Künstler mit seinem Bewusstsein die Kunstwerke belebt.

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#320 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Pluto » Sa 31. Mai 2014, 00:54

Demian hat geschrieben:Jedes „persönliche“ Bewusstsein ist eine Funktion des einen Seins.
Die Eistenz dieses einen Seins ist eine völlig aus der Luft gegriffene Behauptung.
Es gibt zwar individuelle Körper-Geist-Einheiten, aber das scheinbar individuelle Bewusstsein ist nicht getrennt von allem Anderen.
Was ist, wenn eine Maschine Bewusstsein erlangt? Gehört sie dann auch dazu?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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