Was ist Bewusstsein?

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Pluto
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#301 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Pluto » Fr 30. Mai 2014, 21:51

closs hat geschrieben:"Bewusstes Denken" ist die Fähigkeit, Dinge geistig zu erkennen.
Nein Denken ist weitaus nehr als Dinge erkennen.
Es beinhaltet auch Planung und Kreativität, vor allem aber die Fähigkeit der Simulation von Handlungen, bevor wir sie ausführen.
Diese "was wenn?" Gedankenspiele waren vermutlich von entscheidender Bedeutung in der Evolution unseres Gehirns.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Demian
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#302 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Demian » Fr 30. Mai 2014, 21:51

Pluto hat geschrieben:Ja sicher gibt es die, aber sie ist in meinem Kopf angesiedelt.

Es gibt dieses ETWAS des Lebendigen in Dir – und dieses ETWAS erfahre ich als Herz oder Mitte meiner Selbst. Die wahre Natur von allem, ist für mich Bewusstsein – zeitlos und formlos – und nicht gebunden an eine Form, auch wenn es sich in einer Form individuell manifestieren kann. Ich halte es lieber mit Buddha: die Form ist Leere und die Leere ist Form. Christlich würde es vielleicht eher so klingen: die Form ist in der Essenz der (HEILIGE) GEIST und der GEIST ist das Formende und schöpferische Prinzip. Der Urgrund des Seins.

Wie gesagt, poetische Freiheiten sind natürlich erlaubt, aber nicht wirklich förderlich für die Erklärung des menschlichen Bewusstseins.

Du kannst Bewusstsein nicht begreifen und ich kann es nicht begreifen, niemand kann es. Denn es ist kein Ding, es lässt sich schlicht und ergreifend nicht greifen. Der Irrtum des Materialismus ist: er will das Unbegreifbare und Formlose anhand einer Form begreifen, die es nicht ist. Um diesen Widerspruch zu überwinden, behauptet der Materialismus einfach, dass das Formlose identisch mit der Form ist. Er betreibt also einen Reduktionismus. Dieses Wirklichkeits-Modell ist aber nicht die Wirklichkeit.

Pluto
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#303 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Pluto » Fr 30. Mai 2014, 21:58

Demian hat geschrieben:
Wie gesagt, poetische Freiheiten sind natürlich erlaubt, aber nicht wirklich förderlich für die Erklärung des menschlichen Bewusstseins.
Du kannst Bewusstsein nicht begreifen und ich kann es nicht begreifen, niemand kann es.
Nicht in seiner Gänze vielleicht, aber die Hirnforschung ist heute so weit fortgeschritten dass sie schon sehr brauchbare Modelle entwickelt hat.

behauptet der Materialismus einfach, dass das Formlose identisch mit der Form ist.
An dieser Stelle sollte man vorsichtig sein, den Materialismus zu personifizieren.
Er betreibt also einen Reduktionismus.
Und was genau ist am Reduktionismus falsch?
Dieses Wirklichkeits-Modell ist aber nicht die Wirklichkeit.
Kennst du denn die Modelle des Bewusstseins so gut, dass du das behaupten kannst?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#304 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von closs » Fr 30. Mai 2014, 22:09

Pluto hat geschrieben:Nein Denken ist weitaus nehr als Dinge erkennen. Es beinhaltet auch Planung und Kreativität
Einverstanden - das hätte ich jetzt unter "erkennen" subsummiert.

Demian hat geschrieben: Der Irrtum des Materialismus ist: er will das Unbegreifbare und Formlose anhand einer Form begreifen, die es nicht ist. Um diesen Widerspruch zu überwinden, behauptet der Materialismus einfach, dass das Formlose identisch mit der Form ist. Er betreibt also einen Reduktionismus. Dieses Wirklichkeits-Modell ist aber nicht die Wirklichkeit.
Zustimmung. :thumbup:

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#305 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von closs » Fr 30. Mai 2014, 22:09

Pluto hat geschrieben:Und was genau ist am Reduktionismus falsch?
Dass er das ausschließt, was er nicht beherrscht.

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Demian
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#306 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Demian » Fr 30. Mai 2014, 22:28

Pluto hat geschrieben:Nicht in seiner Gänze vielleicht, aber die Hirnforschung ist heute so weit fortgeschritten dass sie schon sehr brauchbare Modelle entwickelt hat.

Das stimmt – und das finde ich auch ganz wunderbar – aber die Aussage, dass Bewusstsein an eine Form – das Gehirn – zeitlich und räumlich gebunden und davon abhängig ist, also auch mit der Form vergehen wird, ist bereits eine metaphysische Aussage.

Und was genau ist am Reduktionismus falsch?

Im Grunde gar nichts. Sobald wir auf irgendeine Weise über die Realität sprechen, reduzieren wir sie bereits – und das ist somit vernünftig und richtig. Mir geht es eher ganz grundlegend darum, dass jede Beschränkung von Bewusstsein, die ein Wissenschaftler vornimmt, nicht Bewusstsein selbst ist. Wenn er Bewusstsein auf das Gehirn reduziert, dann doch nur, um die Funktionsweise des Gehirns besser zu beschreiben. Das heißt aber noch lange nicht, dass Bewusstsein wirklich auf das Gehirn beschränkt ist.

Kennst du denn die Modelle des Bewusstseins so gut, dass du das behaupten kannst?

Das trifft auf alle Modelle zu - in jedem Bereich.

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#307 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Naqual » Fr 30. Mai 2014, 22:45

closs hat geschrieben: Neulich habe ich von einer theologischen (!) Habilitations-Arbeit gehört, die nachweist :devil: , dass es mehr als 3 (in Worten: 3) :shock: Geschlechter gibt - Gendering läuft halt gut.
:lol:
Ist eigentlich das Sachgebiet der Biologie. Nehme mal an, das hat einen leicht einsichtigen Grund, warum er nicht in Biologie habilitiert wurde. :devil:


Als wäre das Buch Hiob nie geschrieben worden. - Wir sind geistesgeschichtlich zurückgeworfen auf das 1.Jt. vor Christus.
Also hier denke ich, dass Du einen kleinen Auszug vor dem geistigen Auge hast, auf den das zutreffen mag. Insgesamt gesehen haben wir schon einen hohen geisteswissenschaftlichen Stand erreicht. Z.B. die Unterscheidung von Sein und Existenz gibts noch gar nicht lang (wenn ich jetzt auch nicht weiß seit wann. Aber sicher späte Neuzeit)
Wobei wir in den Geisteswissenschaften eine unglaubliche Fixierung haben auf die Entstehungsgeschichte der Ideen über die Ägypter, Griechen und Römer. Dabei wird der fernasiatische Bereich (Indien, China) auch heute noch mit geradezu kolonialer Arroganz betrachtet. Trotz irrsinnig weit und tief getriebener philosophischer Systeme bei denen.

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#308 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von Pluto » Fr 30. Mai 2014, 22:50

Demian hat geschrieben:Das heißt aber noch lange nicht, dass Bewusstsein wirklich auf das Gehirn beschränkt ist.
Wenn du mir ein Beispiel zeigen kannst, wo Bewusstsein nicht an ein Gehirn gebunden ist, dann hast du mich überzeugt.

Dazu eine Frage:
Kannst du dir vorstellen, dass Computer eines Tages so komplex sein könnten, dass sie Bewusstsein erlangen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#309 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von closs » Fr 30. Mai 2014, 23:03

Naqual hat geschrieben: Insgesamt gesehen haben wir schon einen hohen geisteswissenschaftlichen Stand erreicht.
Ich weiß jetzt nicht, ob das passt: Aber in der FAZ stand vor 10 Jahren, dass es noch nie so viel verfügbares Wissen UND gleichzeitig soviel Ungebildetheit gegeben hätte wie heute. - Das ist mir spontan eingefallen als Replik auf Deine Ausführungen.

Naqual hat geschrieben: Dabei wird der fernasiatische Bereich (Indien, China) auch heute noch mit geradezu kolonialer Arroganz betrachtet.
Das gehört dazu - und das hat einmal mehr damit zu tun, was wir fälschlich "Aufklärung" nennen. Solange das Selbstmaß nicht bedient ist, kommt es an den Katzentisch. - Mich schmerzt, dass der ursprünglich uneingeschränkt gute Begriff der Aufklärung seit dem 19. Jh. so verhunzt worden ist.

Naqual hat geschrieben:Also hier denke ich, dass Du einen kleinen Auszug vor dem geistigen Auge hast, auf den das zutreffen mag.
Die Kernaussage bei Hiob, die ich meine, ist die, dass Erkenntnis letztlich NICHT in der Wissenschaft (auch nicht in der Geisteswissenschaft) liegt, sondern im Loslassen eigener Maßstäblichkeit. - Und dem kommt Hiob am Ende recht nahe - er begreift, dass er Teil eines Ganzen ist, das er nicht beherrschen kann.

Naturwissenschaft ist dazu da, das Daseins-Umfeld besser zu verstehen und zu nutzen - eine rein pragmatische und eben keine geistige Disziplin. - Nebenbei: Ich kann momentan nicht erkennen, dass auch das, was unter Geisteswissenschaft kursiert, eine geistige Disziplin wäre. - Wir haben vielmehr sehr viele pragmatische Disziplinen, aber keine geistigen Disziplinen mehr - wenn man das beispielsweise mit Leuten wie Meister Eckart vergleicht, möchte man im Boden versinken. Das war eine ganz andere Liga.

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#310 Re: Was ist Bewusstsein?

Beitrag von closs » Fr 30. Mai 2014, 23:09

Pluto hat geschrieben:Kannst du dir vorstellen, dass Computer eines Tages so komplex sein könnten, dass sie Bewusstsein erlangen?
Wenn man Bewusstsein definiert als Fähigkeit zur Transzendenz, dann nein. - Wenn man Bewusstsein quantitativ an der Menge von bits und bytes misst, dann möglicherweise ja.

Pluto hat geschrieben:Wenn du mir ein Beispiel zeigen kannst, wo Bewusstsein nicht an ein Gehirn gebunden ist, dann hast du mich überzeugt.
Natürlich ist Bewusstsein im Dasein am Gehirn gebunden - das Gehirn ist die Heimstätte des Bewusstseins. - Wenn der Mensch stirbt, ist es nicht mehr so. Dann stirbt das Gehirn und das Bewusstsein existiert auf nicht-daseins-mäßige Weise weiter. Das kann man aber nicht im Dasein zeigen (objektiv/intersubjektiv), weil es dann nicht mehr Teil des Daseins ist.

Umgekehrt ist das Gehirn nicht der Entwickler der Existenz, sondern die Existenz bahnt sich ihren Weg über die Heimstätte Gehirn ins Dasein - mit anderen Worten: Die Existenz ist bereits mit der Zeugung vollständig da. - Das ist doch der Grund, warum es so unterschiedliche Meinungen zu Abtreibung gibt.

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